Huber, Becker, Fürst – Gutsweine zehn Jahre später

Huber, Becker, Fürst Spätburgunder

Als ich anfing, mich mehr und mehr für Wein zu interessieren, stand deutscher Rotwein nicht ganz oben auf meiner Wunschliste. Warum auch? Ein Rhône-Wein für kleines Geld schmeckte doch viel mehr nach dem, was man sich unter einem echten Rotwein vorstellte. Struktur, Tiefe, Gerbstoffe, eine gewisse Power – das fand ich in den deutschen Rotweinen kaum. Mit der Zeit war es nicht nur so, dass in meinem Kanon die Finesse als weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal hinzukam. Auch die deutschen Rotweinwinzer lernten immer mehr dazu. Wie ich meinen frühen deutschen Gault Millaus entnehmen kann, sah nicht nur Hendrik Thoma damals verblüffend jung aus. Sondern es gab auch die ersten Rotweinstars. Paul Fürst Winzer des Jahres 2003, Friedrich Becker Aufsteiger des Jahres 2006, Bernhard Huber Winzer des Jahres 2008.

Huber, Becker, Fürst – schon damals groß

Also musste ich auch einmal probieren, was deutsche Spätburgunder so können. Weil ich allerdings nicht bereit war, große Summen in diesen Versuch zu investieren, besorgte ich mir ihre kleinen Weine. Wie heißt es so schön, an seinem kleinsten Wein erkennt man den großen Winzer. Was ich damals nicht wissen konnte: Auch heute stehen die drei Weingüter ganz oben. Mit Julian Huber, Sebstian Fürst und Fritz Becker junior ist mittlerweile die nächste Generation am Ruder, die möglicherweise sogar noch raffiniertere Weine bereitet.

Rotes Deutschland

Trotzdem dachte ich mir, dass es vielleicht keinen besseren Einstieg in meine Serie ROTES DEUTSCHLAND geben kann, als die Kleinen der Großen von damals einmal quer miteinander zu vergleichen. Ich habe alle drei Weine jung gekauft und seitdem fein im Gewölbekeller gelagert. Schauen wir also mal, was daraus geworden ist.

Was mich bereits beim Betrachten der Etiketten verblüfft: Alle drei Weine, so klein sie von der Einstufung her sein mögen, besitzen durchaus alkoholische Kraft. 13 vol% bei Becker, sogar 13,5 vol% bei Huber und Fürst. Natürlich war vor allem 2009 ein warmes Jahr. Aber die Trauben wurden vermutlich auch später geholt, als dies bei den meisten Winzern zehn Jahre später der Fall ist.

Weingut Bernhard Huber – Malterdinger Spätburgunder 2009

Huber Malterdinger Spätburgunder

Gewachsen auf Muschelkalkverwitterungsboden, ein Jahr im Eichenfass ausgebaut – das sind die relativ dürftigen Informationen, die ich über den Huber’schen Malterdinger des Jahrgangs 2009 eingetragen hatte. Das Weingut Huber selbst ist ein funktionaler Aussiedlerhof östlich von Malterdingen, gelegen am Fuß der Weinberge. Unterhalb des Ortsweins aus Malterdingen, für den ich damals 15,50 € bezahlt habe, hatte Bernhard Huber noch einen Gutswein aus jungen Reben angesiedelt. Wir sind hier also schon auf der zweiten Stufe des Huber-Universums.

Enorm frisch ist der Wein im Glas, unglaublich lebendig und jung. Säure und johannisbeerige Frucht sorgen für einen beachtlichen Biss. Dazu gibt es noch leicht spürbare Holznoten und ein spürbares Tannin. Das hatte ich nicht erwartet. Gut, der Lagerkeller ist schön kühl und feucht, aber so viel Präsenz und Frische bei einem zwölf (oder eher elf) Jahre alten Spätburgunder sind doch sehr ungewöhnlich. Keine Minute früher hätte ich diesen Wein aufmachen mögen. Bernhard Huber hatte es schon wirklich drauf, da gibt es keinen Zweifel.

Weingut Friedrich Becker – Spätburgunder B 2009

Becker B Spätburgunder

Das Weingut Friedrich Becker ist ein, nun ja, teilweise deutscher Betrieb. Nicht nur, dass schlappe 450 Meter vom Weingut entfernt das Elsass beginnt, auch die Weinberge liegen zum allergrößten Teil auf französischem Boden. Und noch etwas zeichnet unser Triumvirat Huber, Becker, Fürst aus. Ebenso wie beispielsweise Gerhard Stodden von der Ahr lag ihr Vorbild im Burgund. Bei den dortigen Weinen, Klonen, Fässern, Bereitungsmethoden. Das ist, vorausgesetzt, man trifft nicht die falschen Leute im Burgund, eine gute Sache. Chaptalisation taugt sicher nicht als vorbildliche Methode, tausend andere Kniffe und Achtsamkeiten dafür umso mehr. Auch der B ist bei Becker der zweitkleinste Wein trotz 14 Monaten Ausbau im kleinen Holz. 15 € habe ich seinerzeit für ihn gezahlt.

Im Vergleich mit dem Huber-Spätburgunder ist das hier eine überraschend andere Welt. Dunkler bereits in der Farbe, viel weniger präsent in der Nase, und auch der Gaumen zeigt sich nicht expressiv. Tiefergelegt, notiere ich, keine Spitzen, flächiger ausgerichtet. Die Frucht ist dunkler, es geht in Richtung Schwarzkirsche, gar schwarze Pflaume und Schlehe. Blaue, kühle Aspekte bestimmen den Wein. Wären wir im Burgund, würde ich diese festere Struktur in Nuits-St-Georges oder Pommard vermuten. Als Speisenbegleiter kommt Beckers B dann aber richtig in Form. Da darf es auch einmal ein dunkleres Fleisch vom Typ eines Rinderschmorbratens sein. Wiederum keinen Tag zu früh geöffnet, wiederum ein hohes Niveau und eine Ahnung, was im Portfolio darüber noch kommen mag.

Weingut Rudolf Fürst – Spätburgunder Tradition 2011

Weingut Rudolf Fürst

Das Weingut Rudolf Fürst, wie es immer noch trotz Paul und Sebastian heißt, befindet sich mitten im Bürgstadter Centgrafenberg. Man schläft, träumt, atmet sozusagen mit den Reben. Zwar galt das Buntsandsteinterroir von Churfranken seit jeher als Rotweinhochburg, aber so sehr viele Weingüter waren es damals nicht, deren Lichter auch über den Nachbarort hinaus strahlten. Mit dem Tradition sind wir hier auch endlich nominell auf der Stufe der Gutsweine angekommen. 12,50 € hatte ich für den Wein damals hingelegt.

Fürst Tradition Spätburgunder

Im Glas ist der Fürst-Spätburgunder der hellste der drei Kandidaten. In der Nase sind da auch weder die Expressivität des Huber noch die dunkle Tiefe des Becker. Vielmehr gibt es leicht Erdbeere, dann aber sehr viel kräuterige Noten, mürb, herbstlich. Am Gaumen wird klar, dass auch dieser Wein alles andere als matt ist, noch lange nicht am Ende seines Weges angekommen. Trotz des nicht geringen Alkohols wirkt der Fürst-Wein dabei etwas schlanker als die beiden anderen, vielleicht auch ein bisschen röstdeutscher. Aber auch hier gibt es feine Gerbstoffe, und verbunden mit der leichten, aber langlaufenden Kräuteraromatik haben wir wieder einen exzellenten Tischwein. Durch die fast transparent wirkende Frucht ist das sogar richtig elegant.

Mein Fazit

Mein Fazit besteht aus zwei Erkenntnissen. Eine betrifft die Art und Qualität der Weine, die andere meine persönliche Wahrnehmung. Ich möchte nicht übertreiben vor lauter Jubelstürmen, denn dies sind ganz zweifellos keine Grands Crus, und sie waren auch nie so gedacht. Aber bei allen drei Weinen spürt man sofort, dass die jeweiligen Winzer wussten, was sie taten. Und dass sie auch ihren kleinen Weinen das Rüstzeug mitgaben, um in Würde mindestens zehn Jahre lang harmonisch und vorteilhaft zu reifen. Das waren damals schon drei Pioniere.

Die zweite Sache ist meine subjektive Wahrnehmung. Ich hatte beim Probieren mich nämlich zwischendurch immer gefragt, welchen Wein ich wohl (sollte ich dazu gezwungen sein) am höchsten bepunkten würde. Nach dem ersten Schluck war das ganz klar der Huber. So viel Lebendigkeit und Biss, das ist einfach großartig. Beim Essen hatte ich dann zunächst den Becker vorn gesehen, weil er sich viel besser einbindet, mehr Tiefe hat, diese Begleitfunktion, die ehrlich gesagt fast jeder Wein haben sollte. Schließlich ist akademisches Soloschlürfen im Alltag eher die Ausnahme. Am Ende dann fand ich den Fürst am schönsten, weil er diese ganz feine Eleganz mitbringt, diese Nachhaltigkeit ohne fruchtbetonte Komponenten.

Mit anderen Worten: Eigentlich sind alle drei Weine gleich gut. Mit der Betonung auf gut. So darf es ruhig weitergehen beim ROTEN DEUTSCHLAND. Beim nächsten Mal werde ich allerdings in die Gegenwart zurückkehren. Denn so nett es auch sein mag zu hören, dass sich auch die kleinen Weine von Huber, Becker, Fürst zehn Jahre lang halten, ihr werdet sie ja doch nicht nachkaufen können. Nächstes Mal also: aktuelle Tipps.

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1 Antwort zu Huber, Becker, Fürst – Gutsweine zehn Jahre später

  1. Karl Brunk sagt:

    Hallo Matthias,
    ich stimme Dir – auch wenn ich die drei Weine selber nie genossen habe – völlig zu.
    Deutsche Rote sind erstens Klasse wenn man weiß, wer gute Weine macht und wenn man wirklich etwas für die Rettung der Welt tun will, müssen keine Weine mehr weiter als 150 km transportiert werden. Einzig unsere oft fadenscheinige Einstellung, man könne manche Qualitäten und Geschmäcker nur woanders her kriegen, muss geändert werden. Es ist kein Mangel an guten Weinen da, sondern ein Mangel an eigener Kenntnis, was alles an guten Weinen um uns herum vorhanden ist.
    Aber das ist nur grob gesagt und gar nicht, was ich eigentlich sagen wollte.
    Das worauf ich diesmal aus bin, ist die Bemerkung :” die jeweiligen Winzer wussten, was sie taten”
    Da möchte ich etwas relativieren. Ich kenne viele Winzer aus der Vin naturel Szene, denen ich blind vertrauen würde und denen ich das was Du sagst auch zugestehen möchte. Allerdings könnte man das auch falsch verstehen in dem Sinne, das ihnen beim Machen klar war, was am Ende heraus kommt. Das – würde ich sagen – stimmt in keinem Fall. Weder, dass es gut ausgeht, noch das es genau so wie es am Ende aus der geöffneten Flasche herauskommt, wie vorher anvisiert. Es werden in vielen Fällen tolle Weine, aber oft nicht wie angedacht und einige vielleicht auch daneben.
    ACHTUNG! Das schmälert auf keinen Fall deren Könnerschaft – denn – nur unter der Voraussetzung der Verfolgung einer konkreten Idee und der meisterlichen Umsetzung, sowie – würde ich jetzt gerne so sehen – Hand(ver)lese kann überhaupt ein solcher Wein entstehen.
    Es kommt wieder aufs alte Lied heraus, “ich kenne aber einen preiswerten konventionellen maschinengernteten Wein, der ist auch super” und die immer noch ausstehende Debatte, “was macht guten Wein aus”.
    Du kennst inzwischen ja selber, wie viel immer noch vorhandene Vorurteile den Vin naturel gegenüber vorhanden sind und aber auch, wie viel aus dieser Szene per se als enfants terribles gehandelt werden, deren Weine aber außer terrible nichts anderes sind. Eben nur laissez faire mit dem gesamten Prozess umgehen ist eben kein Garant. Da gibt es höchstens nur Zufallstreffer.
    Noch zum Abschluss was sehr persönliches : mir macht es seit vielen Jahren und nur sehr rudimentärer Kenntnis der deutschen Szene und deren Qualitäten, aber auch dem Wissen, dass es unglaublich gute Weine bei uns gibt, zunehmend moralische Schwierigkeiten bis völlig unmöglich, noch Wein hier aus dem Südwesten 1200 km Richtung Köln zu transportieren, um damit Proben zu veranstalten. Klar sind die Weine irgendwie anders, aber eben heute kann es nicht mehr ausreichend sein, dass man ohne die völlige Verfügung über alle – mehr oder weniger kleine – Varianzen noch Wein von woanders haben muss. Kümmern wir uns lieber um ausreichende Kenntnis um uns herum und fördern und ermutigen die guten Winzer die es gibt.

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