Es ist eine altbekannte Sache, dass Essen und Trinken zusammengehören. In allen Weinbaugebieten gibt es unzählige überlieferte oder neu kreierte Kombinationen, die lokalen Wein und lokale Speisen ideal miteinander verbinden. Jetzt ist es aber so, dass zumindest ich nicht immer nur Würstchen mit Kartoffelbrei essen möchte, sondern auch einmal Gerichte aus anderen Weltregionen. Asiatische Küche zum Beispiel. Nur: Welche Weine, oder besser gesagt welche Silvaner passen zu solchen Speisen? Vier aromatisch sehr unterschiedliche Silvaner habe ich ausgesucht, von denen ihr Castells Kugelspiel und Odinstals Nakt auf dem Titelfoto erkennen könnt. Und dann habe ich asiatische Küche dazu ausprobiert. Hier sind die Ergebnisse.
Was bedeutet asiatische Küche?
Nicht selten liest man in mancherlei Gazetten, ein Wein würde “sehr gut zur asiatischen Küche” passen. Nur, was ist damit gemeint? Asiatische Küche ist mindestens so variantenreich wie europäische Küche, und es käme wohl kein Sommelier auf die Idee, einen Pinot Noir als “ideal zu europäischer Küche” zu bezeichnen. Die gesamte Vielfalt an unterschiedlichen Geschmäckern, welche die asiatische Küche bereithält, habe ich natürlich bei diesem Test nicht ausprobieren können. Aber zumindest grobe Linien. Roher Fisch wie in Japan, kokosscharf wie in Südostasien, chilischarf wie in Korea oder Zentralchina, sojawürzig wie in Südchina und gemüsebasisch wie in der buddhistischen Tempelküche.
Thai Green Curry
Ja, auf dem Foto seht ihr echtes Green Curry, auch wenn es ein bisschen stark rötlich erscheint. Aber ich habe dafür wirklich die Würzmischung des legendären Hauses Nittaya aus Bangkok zu Hilfe genommen. Ansonsten gibt es asiatische Auberginen, Koriander, Thai-Basilikum, Reis und vor allem Kokosmilch. Scharf und süß-sämig, eine herausfordernde Kombination für Wein – asiatische Küche halt…
Kimchi und Rot-Scharfes
Ebenso scharf wie grünes Curry, aber mit völlig anderen aromatischen Nuancen ausgestattet, ist dies hier: Kimchi. Weil ich den rotscharfen Geschmack aber auch noch ohne das Milchsäurehafte des eingelegten Kohls haben wollte, habe ich auch eine kleine Portion im Szechuan- (oder Sichuan) Style bereitet: Huhn mit Chilischärfe und zusätzlich mit der mala-scharfen Komponente verfeinert.
Guangdong Noodles und Sojawürziges
Völlig andere Aromen warten hier bei den dicken gebratenen Nudeln nach Guangdong-Art auf mich. Nicht etwa scharf, sondern auf Sojasaucenbasis. Dazu gibt es ein bisschen gebratene Zwiebeln, Sesam und den Rest vom Schweinebraten. Das ist braun, vollmundig, süßwürzig, sogar mit einem leichten Holzgefühl.
Sushi und Sashimi
Wenn man hierzulande asiatische Küche sagt, dann meint man in vielen Fällen japanisch inspirierte Geschmäcker. Nein, in aller Regel nicht Takoyaki oder ähnliches Soulfood, das die Japaner selbst gern essen. Sondern Sushi, Sashimi, rohen Fisch mit oder ohne Reis. Sehr pur. Oben seht ihr Hon-maguro, also die fettärmste der drei echten Thunfisch-Varianten.
Bleibt also noch die wichtigste Sache überhaupt: die vier Silvaner und ihre Reaktionen auf die verschiedenen Gerichte.
Brügel – Silvaner Keuper 2014
Das Weingut Brügel aus dem kleinen Ort Greuth befindet sich am Rand des Steigerwalds. Ihren Silvaner aus dem Abtswinder Altenberg hatte ich bereits im Artikel über die 2019er Lagenweine vorgestellt. Keuperweine sind allerdings bekannt dafür, dass sie ein bisschen länger brauchen, um richtig in Fahrt zu kommen. 2014 war für fränkische Silvaner ein ausgezeichneter Jahrgang, und deshalb habe ich mich in diesem Test für den schlicht “Vom Keuper” genannten Silvaner von Harald Brügel entschieden. In der Nase ist das ein ganz typischer Keuper-Silvaner mit gelber Frucht, vielen Kräutern und diesem Touch von gedünsteten Zwiebeln. Im Mund dann eine hohe Intensität, viel Gelbfrucht, viel Würze, spannungsgeladen und dennoch geschmeidig. Schon für sich ein charakterstarker Wein. Mal schauen, wie er sich macht.
Zu Thai Green Curry läuft es fantastisch, der klare Sieger. Die Schärfe des Gerichts wird zurückhaltend begleitet, die leichte Fruchtsüße gibt gerade den richtigen Schwung, und die Keupernote liefert einen aparten Kontrast. Sehr gelungen. Gelbfruchtigkeit und Kokos ist ohnehin eine gute Kombination. Andererseits darf man nicht übertreiben. Ich hatte extra eine fruchtsüße Auslese von Stefan Bardorf aus dem Jahr 2008 (!) für das Curry herausgesucht. Die war aber viel zu honighaft-goldig-soloistisch. Und damit weitaus weniger passend als der nur minimal fruchtsüße Brügel-Silvaner. Zu Guangdong-Nudeln schlägt sich unser Steigerwälder auch noch passabel, aber wie nicht anders zu erwarten, läuft bei Kimchi und erst recht bei Sushi nichts zusammen.
Riffel – Silvaner Réserve 2016
Auch vom Weingut Riffel aus dem nördlichsten Teil Rheinhessens habe ich öfter schon berichtet – unter anderem im Rahmen der Millésime Bio vom letzten Jahr. Dies ist ein Silvaner, den die Riffels wahrhaftig nicht jedes Jahr machen. Ausgesuchte Silvanerpartien, erst maischevergoren und dann im Barrique ausgebaut. Und als Reserve ein paar Jahre gelagert, 25 € ab Hof übrigens. In der Nase kommen mir Noten von Zigarrenkiste und Leder entgegen, aber keinerlei Primärfrucht. Blind würde ich hier garantiert bei Rotwein und nicht bei Weißwein liegen (probiert es mal aus, es ist wirklich entlarvend). Am Gaumen mit schöner Säure und einer expressiven Kräuterwürze. Die Frucht ist allerdings präsenter als gedacht, es gibt Limette und grüne chinesische Pflaume. Ein anspruchsvoller, komplexer und im Übrigen alles andere als schwerer Wein (12 vol%).
Auch die Riffel-Reserve liegt bei einer Kombination vorn, und zwar bei der mit den Guangdong-Nudeln. Auf diese Süßrauchigkeit im Gericht hatte der Wein nur gewartet. Auch zu Szechuan-Pfeffer funktionieren die holzwürzigen Noten noch ziemlich gut. Andererseits wird das Schärfegefühl des Gerichts noch verstärkt, ebenso beim Thai Green Curry. Wer das mag, okay, aber ich würde da lieber die komplementäre Variante wählen. Zum Sushi sieht es dann nicht wirklich brilliant aus, der Wein knarzt wie eine alte Holztür.
Odinstal – Silvaner Nakt 2019
Das Weingut Odinstal hat sich irgendwie über die Jahre zu einem der Zentren des biodynamischen Weinbaus in Deutschland entwickelt. Von all ihren Weinen ist dieser hier, der Silvaner Nakt, sicher der unkonventionellste. Er stammt aus einem ungeschnittenen Weinberg, wurde in Holzfässern und Amphoren vergoren und anschließend unfiltriert und ungeschwefelt abgefüllt. Ein Naturwein reinsten Wassers sozusagen. Direkt nach dem Öffnen gibt es noch ein leichtes Perlen und auch einen flüchtigen Ton, der aber seinem Namen gemäß schnell verfliegt. Ganz klar als ungeschwefelter Natural zu erkennen, besitzt der Nakt gärräucherige und bratapfelige Nuancen, völlig ohne Fruchtsüße, belebend und leichtfüßig (nur 10,5 vol%). Knapp 20 € habe ich dafür bezahlt.
Die apfeligen, spritzigen, rauchigen Noten mit der erfrischenden Säure bringen den nackten Silvanern bei den meisten Kombinationsversuchen in Schwierigkeiten. Nur beim Kimchi ist der Nakt ganz vorn, und zwar deutlich. Ich gehe dann noch einen Schritt weiter und probiere ein bisschen Tsukemono, also eingelegtes Gemüse, und sogar rohen grünen Spargel. Da findet der Nakt dann tatsächlich seine Bestimmung, das passt irgendwie auch philosophisch. Zu Guangdong-Nudeln wird es hingegen grotesk konträr, und interessanterweise auch zu Sushi. Zu viel Apfel, zu viel Wildsäuregefühl. Puh, mit Sushi und Sashimi hat bis jetzt gar nichts funktioniert.
Castell – Silvaner Kugelspiel 2019
[In Kooperation mit dem Fürstlich Castell’schen Dömanenamt] möchte ich euch noch diesen Klassiker vorstellen. Auch Castell wird hier nicht zum ersten Mal gefeatured – erinnert euch am meinen Besuch vor Ort im letzten Sommer. Schon im letztjährigen Artikel hatte ich geschrieben, dass der Silvaner aus dem Kugelspiel vielleicht mein subjektiver Favorit war, obwohl das natürlich schwierig zu beurteilen ist. Straff, frisch und vollkommen trocken ist er. Die Frische mag auch etwas damit zu tun haben, dass das Casteller Kugelspiel eine leicht nach Norden geneigte Lage ist, den Wald im Süden sozusagen im Rücken. Mit ein bisschen Flaschenreife kommt beim 2019er Kugelspiel der erste Silvanerschmelz durch. In Kombination mit der festen Struktur und der feinen Birnigkeit ist das momentan ein ungemein attraktiver Wein. So aus der Lameng würde ich ihn ja für den Sushi-Favoriten halten. Aber mal schauen, wie er sich so schlägt. 14,50 € ab Hof übrigens.
Endlich endlich. Wie erhofft ist dies ein Wein, der rohen Fisch wunderbar begleiten kann. Also nicht ein Wein, sondern tatsächlich der Wein, denn das war die einzige gelungene Verbindung mit den sehr puren Aromen des japanischen Gerichts. Ich hatte ja schon bei meinem Sushi-meets-Koshu-Test in Japan selbst herausgefunden, dass ein idealer Sushi-Wein auf jeden Fall richtig trocken sein muss. Die Säure darf allerdings nicht zu stark und vor allem nicht zu apfelig sein. All das bringt das Kugelspiel mit. Was die doch eher sakeähnlichen Koshus in Japan nicht so recht konnten, ist die Fähigkeit, eine zusätzliche Geschmackskomponente mit hineinzubringen. Das schafft dafür der Casteller. Seine erdig-würzige Note hätte ich in dieser Kombination gar nicht erwartet, da wird nicht nur begleitet, sondern ergänzt.
Zweiter Sieger wird das Kugelspiel beim Thai Green Curry. Etwas mehr Reife und Gelbfrucht würden es allerdings noch schöner machen. Soll heißen: Das kann man in ein paar Jahren wieder versuchen.
Mein Fazit – Silvaner und asiatische Küche
Die Ausgangsfrage war ja, ob Silvaner und asiatische Küche irgendwie zusammenpassen. Und meine Antwort nach diesem doch ziemlich aufwändigen Test lautet: Ja, aber.
- Auf die dem reifen Silvaner oft innewohnende Gelbfruchtigkeit kommt es nur bei Gerichten an, die tropische Fruchtaromen entweder schon selbst besitzen oder als ideale Ergänzung benutzen. Reifer Silvaner (idealerweise vom Keuper) und Gerichte mit Kokos: Daumen hoch.
- Ansonsten wirkt sich viel stärker die Philosophie der Weinbereitung aus. Würzige Holzaromen passen zu ebenso würzigen Sojasaucen, zu Fleisch mit Saft. Apfelige Naturels mögen lieber pures Gemüse oder leicht säuerlich Eingelegtes.
- Roher Fisch, wie er bei Sushi und Sashimi auf den Tisch kommt, verschmäht hingegen Frucht, Süße, Holz und Üppigkeit. Riesling wäre hier zum Beispiel eine schlechte Wahl, ein dicker kalifornischer Chardonnay ebenso. Der Castell-Silvaner hingegen bietet die ideale Ergänzung.
Ohehin hatte ich das Gefühl, mit meinen vier Silvanern dank ihrer so stark unterschiedlichen Ausrichtungen eigentlich alles wirklich gut abdecken zu können. Es schadet also nicht, ein derartiges Konvolut im geschmacksaffinen Haushalt vorrätig zu haben…
Hallo Matthias,
bei der Auswahl von Wein zu Sushi spielt es aber auch eine Rolle, wie der Reis für das Nigiri-Sushi bzw. Maki-Sushi mariniert wurde. Findest Du nicht?
Ist der Reis etwas süßlich, dann wirkt leichter, ganz trockener Wein sehr schnell karg und sauer, egal von welcher Rebsorte.
Und wenn Wasabi im Spiel ist, nützt der trockene Ausbau nichts, wenn der Alkoholgehalt des Weines zu hoch ist. Dann wird es nur brandig.
Zu Green Curry geht durchaus ein halbtrockener Silvaner, wenn man sowas überhaupt findet. Ich nähme halbtrockenen, leichten Riesling.
Schönen Gruß
Thomas
Das Schöne ist, dass man bei solchen Dingen ja auch mal unterschiedlicher Meinung sein darf 😉 .
Ich gebe dir vollkommen recht, dass die Reisbehandlung beim Sushi eine Rolle spielt (Essig, Konbu), die Frage, ob du ihn in die Sojasauce dippst, wie viel Wasabi du persönlich nimmst etc. pp. Nicht zu vergessen der Fisch oben, denn magerer Thunfisch schmeckt nun einmal völlig anders als Heringsrogen oder Eismeerkrabben. Aber wir suchen ja auch nicht nach 15 Weinen für 15 Sushi-Nuancen, sondern sozusagen nach der goldenen Mitte 😉 . Der Wein sollte nach meinen (recht umfangreichen) Experimenten tatsächlich richtig trocken sein, aber nicht zu säuerlich. Nicht zu leicht im Körper, aber nicht zu hoch im Alkohol. Und möglichst komplett ohne Primärfrucht. Ich finde die Kombi mit dem Kugelspiel ehrlich gesagt ziemlich gut.
Beim Thai Green Curry (mit Kokosmilch und Schärfe) hatte ich auch zunächst an eine höhere Süße gedacht, wurde aber dann eines besseren belehrt. Tatsächlich finde ich, dass es da stärker auf diesen dichteren Kern ankommt. Deswegen würde ich ganz persönlich auch keinen leichten, halbtrockenen Riesling nehmen, weil der dann schnell untergeht. Ohne Kokos und mit viel “Grün” mag das aber besser gehen. In Bangkok hatte ich mal einen reifen und harmonisch trockenen (sec tendre) Chenin dazu bekommen, das fand ich auch sehr gut.
Jedenfalls war das einer meiner aufwändigeren Artikel, aber dafür hat das Ganze auch richtig viel Spaß gemacht. Probier das doch auch mal in den verschiedensten Kombinationen aus und berichte dann! So eine bunte Sushi-Sashimi-Platte ist ja schnell bestellt 😉