Dies ist die 102. Folge des Natürlichen Dienstags, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich derart ungewöhnliche Getränke hier noch nie vorgestellt habe. Es handelt sich um Kompositionen aus dem Umfeld der baskischen Sterneküche. Basis ist gereifter Kombucha, aber wenn ihr mit dem Namen einen bräunlichen Trank aus dem Reformhaus verbindet, ist das nicht die passende Assoziation. Die Ama Brewery verwendet nämlich Zutaten wie White Peony aus Malawi, wie Zitronengras aus Sri Lanka, wie Yabukita Sencha aus Japan. Und schafft damit prickelnde, hochkomplexe, alkoholarme Getränke. Ich konnte mir allerdings überhaupt nicht vorstellen, wie so etwas schmecken soll. Jetzt weiß ich es, und gleich wisst ihr es auch.
Die Ama Brewery aus dem Baskenland
Bei der Ama Brewery wird zwar kein Bier gebraut, aber um Fermentation geht es natürlich auch hier. Dani Lasa und Ramon Perisé kommen aus der wagemutigen baskischen Sternegastronomie und wollten eine Alternative zum Mittagssuff entwickeln. Denn seien wir ehrlich: Ein nicht-alkoholisches Getränk mit einer derartigen Komplexität wie Wein müsste erst noch erfunden werden. Es gibt Wasser als definitiv durstlöschendes, aber doch eher fades Naturgeschöpf. Es gibt Getreideprodukte, es gibt Fruchtorientiertes und seit einiger Zeit auch alkoholfreien Wein. Aber das, was ich vor einiger Zeit hier getestet habe, enthielt für mich persönlich doch immer zu viel Fruchtzucker. Und so richtig mit dem Original mithalten konnte es in punkto Tiefe und Länge auch nicht.
Dani und Ramon machten sich also mit Unterstützung eines Mikrowinzers, eines Wissenschaftlerpaares, einer Technikerin und einer Tee-Expertin auf die Suche nach dem heiligen Gral. Reines Bergwasser gibt es im Baskenland mehr als genug, und das ist auch der Hauptbestandteil in ihren Getränken. Dieses Wasser, verschiedene Pflanzenauszüge, Zucker und vor allem das, was als SCOBY bezeichnet wird, the symbiotic culture of bacteria or yeast, werden alsdann zusammengegeben. SCOBY ist die Kombucha-Mutter, mit deren Hilfe der Zucker fermentiert und die Infusion geschmacklich verändert wird. Nach ein bis drei Wochen des Gär- oder Brauvorgangs kommen die Erzeugnisse dann auf die Flasche. Dort sorgen unter Luftabschluss die verbliebenen Hefen für die Vergärung des restlichen Zuckers und für das Entstehen der Perlen – ganz wie beim “richtigen” PetNat. Nach weiteren sechs Monaten der Reifung kommen die Amas in den Verkauf. Und hier sind die vier.
BAT – Yabukita Sencha
Die Familie Moriuchi baut seit vielen Generationen Tee in der Präfektur Shizuoka an, nicht allzu weit vom Mount Fuji entfernt. Mittlerweile bio-zertifiziert, könnt ihr auf dem Street View-Foto sehen, wie sich die Teebuschpflanzungen die Hänge hochziehen.
Der BAT war der erste Kombucha PetNat von Ama, den ich probiert habe. Farblich sieht er sehr blass aus wie ein stahlig-junger Muscadet, leicht trüb, mit Bläschen. In der Nase ist das für mich total viel Maracuja, weißer Pfirsich, Grapefruit, sehr einladend fruchtig. Und diese Note behält der BAT auch im Mund bei. Erfrischendes Fruchtsüßegefühl vorn, trockend endend, rundum sommerlich. Das geht als Durstlöscher, als Sologetränk, und vor allem geht das auch für Einsteiger. Lasst euer skeptisches Gegenüber also erst einmal den BAT probieren, da ist die Skepsis schnell verflogen. Und die Reise kann weitergehen.
BI – Lemongrass
Amba Estate befindet sich im klimatisch temperierten Hochland von Sri Lanka. Das Zitronengras stammt ebenfalls aus organic production und wird vor der Weiterverarbeitung an der Sonne getrocknet, um die Inhaltsstoffe zu konzentrieren.
Farblich sind wir beim BI nur eine winzige Nuance dunkler als beim BAT. Aber die Nase ist weitaus herausfordernder. Hier habe ich ihn, den Freak-Aspekt. In der Beschreibung sprechen die Ama-Leute von Zitrusfrüchten und balsamischen Kräutern, aber ich fühle mich an einen sehr interessanten Reiniger der Firma Ecover erinnert mit dem Auszug aus jungen Fichtennadeln und dem bissigen Teil der Zitrone. Im Mund zeigt sich der BI dann wieder zahmer, Zitronengras tatsächlich, aber auch ein jasminartig weißblütiger Busch, leicht Ingwer, eine gefühlte Fruchtsüße. Sehr spannende Sache, aber keinesfalls easy drinking.
HIRU – Malawi Green Tea & White Peony
Satemwa Estate ist eine Farm, auf der primär Tee und Kaffee erzeugt werden. Wir sind hier in Malawi, sozusagen dem südlichen Ausläufer des ostafrikanischen Hochlands. Der Name White Peony heißt zwar übersetzt Weiße Pfingstrose, aber es handelt sich weiterhin um die Teepflanze Camellia sinensis, von der in diesem Fall nur die jungen Triebe gepflückt werden.
HIRU ist der dunkelste der vier Ama-PetNats, der mich farblich dank naheliegender Testerfahrung an gereiften Silvaner vom Keuper erinnert. In der Nase ist das sehr ungewöhnlich. Es gibt eine leicht flüchtige Note, und das Bestimmende ist nicht etwa Frucht, sondern kompostiertes Heu – aber nicht sanft und bergwiesig, sondern schräg und etwas stinkelig. Es gibt in meinem Heimatdorf einen besonderen Ort auf der Wiese des Bauern Meyer. Dorthin dürfen alle örtlichen Gärtlesbesitzer ihren abgemähten Rasen bringen und auf einen Haufen schichten, weil die Meyers später damit düngen. Wenn der abgemähte Rasen drei Wochen lang so gelegen hat, dann riecht er wie der HIRU. Dieses leicht ankompostierte Heu (es werden in Wirklichkeit die Teeblätter sein) bestimmen auch den Geschmack, wobei zusätzlich ein bisschen Aprikosenfrucht und verwelkte Blütenblätter zu spüren sind. Hört sich wild an, schmeckt beim zweiten Mal aber viel besser als beim ersten. Mein persönlicher Favorit.
LAU – Taiwan Milk Oolong
Taitung ist eine Stadt und Provinz an der Ostküste von Taiwan. Dort gibt es eine heiße Regenzeit im Sommer und eine warm-diesige Trockenzeit im Winter. Was uns Menschen ein bisschen unbequem vorkommt, schätzt die Teepflanze hingegen sehr. Mit dem Zufügen von Milch hat Milk Oolong übrigens wenig zu tun, sondern der Geschmack resultiert aus einer zusätzlichen Oxidationsphase.
Überraschend hell in der Farbe für eine durchoxidierte Grundzutat, besitzt der LAU vielleicht die am idealtypischsten durchkomponierte Nase. Ein bisschen Heu vom HIRU, ein bisschen weißer Pfirsich vom BAT, ein paar anfermentierte Blütenblätter, zwar anspruchsvoll, aber keinesfalls unangenehm. Im Mund zündet der LAU eine dreistufige Rakete. Erst eine präsente Fruchtsäure vorn, dann ein tragendes Grünteegefühl und zum Schluss einen Abgang, der an trockene braune Blätter erinnert, aber ohne Bitterstoffe. Der LAU beginnt im Sommer und endet im Winter. Noch so ein faszinierendes Getränk.
Mein Fazit
Diese Gebräue der Ama Brewery müsst ihr probiert haben. Das ist mein Fazit. Gebt ihnen und euch aber Zeit, um ein bisschen herumzuprobieren, um zu diskutieren, was man dazu kochen könnte, und zu welcher Gelegenheit, zu welcher Stimmung sie passen. Oder in welche Stimmung sie versetzen sollen. Das tun sie mit ein bisschen Fantasie nämlich garantiert – und (fast) ganz ohne berauschende Wirkung. Die Alkoholgrade liegen jeweils zwischen 1,5 und 2,5 vol%.
Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis, wo man diese erstaunlichen Flaschen bekommen kann und was sie kosten. Nun, ein bisschen mehr als für einen Teebeutel müsst ihr dafür schon hinlegen. Aber das habt ihr euch sicher gedacht. Ich habe die vier Amas von Viniculture, wo sie zwischen 22,90 € und 26,90 € je Flasche kosten.
Klingt toll!!
Ist toll 😉
Pingback: Zehn Entdeckungen von der ProWein 2023 - Chez MatzeChez Matze