Es gibt wohl wenige Weinanbaugebiete, die sich so wunderschön in geologische Regionen aufteilen lassen wie Franken. Im Westen Buntsandstein, in der Mitte Muschelkalk, im Osten Keuper. Drei Formationen, die zusammen die Trias bilden und allein vom Erscheinungsbild her so unterschiedlich sind, wie Gesteine es nur sein können. Ursprünglich lagerten sie auch schön ordentlich als Schichten aufeinander. Dann aber brach der Oberrheingraben ein, die Alpen falteten sich auf, und die ganze schöne Ordnung geriet in eine Schieflage. Ein paar Millionen Jahre Erosion trugen dazu bei, dass heute alle drei Schichten an bestimmten Stellen an die Oberfläche kommen. Nun sind die Franken natürlich mächtig stolz auf ihre Trias und die so dreifältig geprägten Weine. Aber: Kann man den Unterschied schmecken? In einer Blindprobe? Mit Weinen von unterschiedlichen Weingütern aus unterschiedlichen Jahrgängen? Ein Praxistest.
Was ist Boden, was ist Gestein?
Uff, eine schwierige Frage gleich zu Anfang. Oder vielmehr eher eine präzisierende Frage. Wir wissen alle, dass Kalkstein anders aussieht als Sandstein. Nur besteht der Untergrund, auf dem wir herumstampfen, nicht unmittelbar aus Steinklötzen, sondern erst einmal aus dem, was man gemeinhin als “Erde” bezeichnet. Anders ausgedrückt: dem belebten Teil der Erdkruste. Die Belebtheit bezieht sich dabei nicht nur auf aktuelles organisches Material wie Pflanzen und Tiere, darunter schlappe 1.000 verschiedene Bakterienarten in einem Gramm Boden. Insbesondere alter Weinbergsboden ist natürlich auch über die Jahrhunderte immer wieder umgegraben, angereichert, ausgelaugt, schlichtweg benutzt worden.
Das bedeutet, dass das Gestein in seiner Reinform nur zu einem geringen Prozentsatz auf die Reben einwirkt. Oben auf dem Foto seht ihr zum Beispiel, ja, was würdet ihr schätzen, welcher Triasboden das ist? Es handelt sich um eine Lösslehmauflage auf …Muschelkalk. Oben sieht man die Steine allerdings kaum. Das Gestein macht sich also vor allem dann stark bemerkbar, wenn entweder die Bodendicke nur gering ist oder aber die Reben sehr tief wurzeln. Und das wiederum tun Rebstöcke erst ab einem gewissen Alter. Das nur als einschränkende Bemerkung. Aber versuchen wir uns doch mal am Blindtest…
Keuper
Auf dem Foto seht ihr Keuper, genauer gesagt schiefergrusigen Gipskeuper vom Casteller Schlossberg. Die zersetzten und gepressten Überbleibsel aus der Saurierzeit sind selten wirklich fester Fels, sondern meist blätterig und latent staubig. Eine gewisse Ausnahme bilden vielleicht die etwas festeren Brocken des Schilfsandsteins. Keuper hat einen hohen Anteil schwefelhaltiger Verbindungen, weshalb man Weinen vom Keuper gern diesen gelblich-stinkeligen Ton zuschreibt. Und ein hohes Alterungspotenzial.
Patrizierhof – Silvaner Großlangheimer Kiliansberg
Ihr wisst hier etwas, das ich nicht wusste, nämlich Art und Reihenfolge der Weine. Interessanterweise musste ich bei diesem Wein aber nur einmal ins Glas schnüffeln, um gleich zu behaupten, dass das nur Keuper sein könnte. Kräuterig, gelb, ziemlich tief und irgendwie wie Spargel mit einer gefühlten Bitternote. Im Mund ist das der deutlich intensivste, pikanteste und nachhaltigste Wein. Weiter Ananas, Spargel, gelbe Früchte, Kräuterwürze, ausgestattet mit einer präsenten, aber niemals spitzen Säure. Ein starker Wein an sich – und natürlich ein idealtypischer Keupervertreter. 12 € ab Hof beim Weingut Grebner im Patrizierhof.
Muschelkalk
Muschelkalk ist ein meergeborenes Gestein, man kann es schon am Namen hören. Nicht nur zeitlich ist Muschelkalk sozusagen das Zentrum der Trias. Auch emotional und lokalpatriotisch gehören für viele Frankenweinfreunde Silvaner und Muschelkalk zusammen. Vielleicht, weil mit Würzburg die Frankenwein-Metropole komplett auf Muschelkalk gebaut ist. Oben seht ihr übrigens ein Foto aus einer Lage, die man nur so halb mit Muschelkalk in Verbindung bringt, den Homburger Kallmuth. Aber ähnlich wie beim Gambacher Kalbenstein oder auch in den Thüngersheimer Lagen gibt es unten im Berg Buntsandstein und oben an der Kante Muschelkalk.
Leininger – Silvaner Eibelstadt
Eibelstadt liegt am Main zwischen Würzburg und Ochsenfurt, und das Weingut Leininger macht ganz typische Muschelkalkweine. Hier habe ich den Ortswein ausgesucht, der anders als die höherwertigen Exemplare kein Holzfass gesehen hat. In der Nase spüre ich viel Zitrone, eine extrem helle, frontende Frucht, daneben auch etwas Weißblütiges. Am Gaumen wirkt der Wein noch ein bisschen hefig, was natürlich daran liegt, dass er ein Jahr jünger ist. Aber auch sonst bleiben wir hier auf der wesentlich helleren Seite. Zitrone, grüner Apfel, nicht die Tiefe vom Keuperwein, aber geschmeidig und zugänglich. 7,50 € ab Hof. Habe ich den Muschelkalk blind herausgefunden? Ja, war nicht so schwierig.
Buntsandstein
Der Buntsandstein stammt aus der ältesten Periode der Trias. Bunt bedeutet in dem Fall primär rottönig wegen des Einflusses der Eisenoxide. Wenn ihr auf der Autobahn zwischen Frankfurt und Würzburg unterwegs seid, könnt ihr mittendrin prachtvoll rot gefärbte Felsen sehen, durch die das Autobahnband geschlagen wurde. Auf dem Foto oben sind wir wieder im Homburger Kallmuth, allerdings im unteren Bereich. Mauern und Terrassierungen aus Sandstein sind besonders eindrucksvoll, während es logischerweise solche aus der bröseligen Keuperzeit kaum gibt. Oder eigentlich gar nicht. Ich verbinde mit Buntsandstein immer eher die Pfalz und in Franken immer eher das rotweinlastige Churfranken. Aber es gibt auch interessante Silvaner.
Bickel-Stumpf – Silvaner Buntsandstein
Das Weingut Bickel-Stumpf erhält mit seinen Spitzensilvanern stets hohe Bewertungen in den Weinguides, aber hier ging es mir ja darum, möglichst vergleichbare, von allzu großer Winzerkunst verschonte Silvaner zu probieren. Der Silvaner Buntsandstein stammt aus Thüngersheim, ist also auch ein Ortswein. In der Nase nehme ich deutlich Orangennoten und Pfirsichschale wahr, aber alles nicht aufdringlich, sondern schon nobel eingebunden. Diese Kombination aus orangener Frucht und dezent würziger Tiefe setzt sich auch am Gaumen fort. Ich denke tatsächlich ein bisschen an Pfälzer Riesling, erinnere mich aber auch an die Gambacher Weine von Klaus Höfling vom letzten Jahr. Ein eleganter Wein, Buntsandstein klar zu erkennen, 13,50 € ab Hof, allerdings der Nachfolgejahrgang.
Das vierte Rad am Wagen
Das vierte Rad am Wagen der Trias ist gar keins. Die Trias besteht, man könnte es bei ihrem Namen annehmen, nämlich nur aus drei erdgeschichtlichen Gruppen, nämlich Bundsandstein, Muschelkalk und Keuper. Dennoch gibt es ganz im Nordwesten Frankens noch eine vierte Gesteinskonstellation. Urgestein bezeichnet dabei hauptsächlich Granit und Gneis. Beide enthalten Feldspat, Quarz und Glimmer, sind also viel kristalliner, mineralischer als die drei Trias-Gesteine, die ja durch Ablagerungen entstanden sind. In Weindeutschland gibt es einen solchen Untergrund beispielsweise am Schwarzwaldrand, am bekanntesten für Urgesteinsweine ist aber sicherlich die Wachau.
Höfler – Silvaner Michelbach
Urgestein in Franken, das ist für mich ein Weingut, nämlich das Weingut Höfler. Ich gebe zu, ich hatte neulich schon an einer Online-Weinprobe mit Castell, Schmitt’s Kindern und eben Höfler teilgenommen, war also auch blind nicht total unvorbereitet. Was mich aber irgendwie immer verblüfft, ist die totale Fruchtfreiheit der Höfler-Weine. Hier war es genauso: zuerst ein etwas belegter Ton, dann sehr steinig, wie aus dem Granitfass. Im Mund ist der Wein glatt, schmeckt in der Tat nach grauem Stein, salzig, ein bisschen feurig und öffnet sich sehr langsam. Eigentlich kommt der Urgesteins-Vertreter erst am zweiten Tag so richtig und ist dann echt gut. 9,90 € ab Hof. Und, hatte ich das Urgestein erkannt? Ja, aber vor allem, weil ich wusste, dass fränkische Weine ansonsten nicht so steinig und mineralisch sind. Ausschlussprinzip sozusagen.
Mein Trias-Blindproben-Fazit
Letztens hatte ich ja 2019er Lagensilvaner probiert und war zu der Erkenntnis gelangt, dass es da zwar tolle Weine gibt, dass aber gerade im höherwertigen Bereich der Winzertouch doch ziemlich stark zum Tragen kommt. Um also diesen Einfluss ein bisschen zu mildern, hatte ich mir für die Trias-Blindprobe primär Ortsweine ausgesucht. Und – die Rechnung ging total auf. In dieser Kategorie hatte ich wirklich keine großen Schwierigkeiten, die vier Weine blind den vier Untergründen zuzuordnen. Solltet ihr also mal Ähnliches vorhaben, würde ich euch a) junge und b) eher neutral ausgebaute Weine empfehlen.
Abgesehen davon war es ein Test, der mich gustativ erfreut hat. Auch wenn ich bei Leininger vielleicht eine Kategorie höher hätte herangehen können, sind das alles Weine, die ich unabhängig von ihrer Trias-Blindproben-Eignung empfehlen kann. Wirklich sehr angetan war ich vom Patrizierhof-Silvaner aus dem Großlangheimer Kiliansberg. Früher waren es ja ausgerechnet die Keuperweine, die mir in ihrer leicht stinkelig-intensiven Art nicht so behagten. Aber ganz offenbar können sich geschmackliche Vorlieben selbst im hohen Alter noch ändern…
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