Ich liste auf: Marcel Deiss, Zind-Humbrecht, Albert Mann, Trimbach, Schaetzel, Zusslin, Kreydenweiss, Binner, Julien Meyer. All diese Stars aus dem Elsass steckten in den kleinen Flaschen bei unserer virtuellen Bottle Party. Respektive deren Weine. Dafür waren wir (= dezidierte Weinfreaks) tief in unsere Keller hinabgestiegen und hatten jeweils eine Flasche daraus an Christoph verschickt. Der wiederum füllte die Weine in Kleinflaschen vom Foto, schickte die Päckchen an uns zurück, und los konnte es gehen. Der Abend, das darf man ehrlich zugeben, bestand nicht ausschließlich aus Begeisterungsstürmen. Manche Weine mögen so eine Behandlung nicht, andere waren vielleicht indisponiert an diesem Blatt-Tag. Immerhin hatten wir primär Biodynamiker am Start. Aber es gab auch richtig schöne Überraschungen. Mehr dazu im Text.
Elsass – die Crème de la crème
Zehn Leute waren wir, zwölf Flaschen hatten wir, und das waren nicht die geringsten. Obwohl wir ja überhaupt nicht wussten, was die anderen beitragen würden, stammten zehn der zwölf Flaschen von den erwähnten Biodynamikern. Zwei dezidierte Naturweine waren dabei, zwei Rote, zwei Mischsätze, zwei Süße, drei Riesling Grands Crus. Ein breites Spektrum. Hier folgen also meine Favoriten der Probe. Credits für die drei Fotos an Christoph!
Favorit # 1 – Zind-Humbrecht Muscat Goldert GC 2007
Die größte Überraschung, vor allem, weil dieser Wein bei fast allen einhellig ganz oben stand. Trockene Muskateller in Grand Cru-Qualität sind nicht so wahnsinnig häufig. Ich kann das auch nachvollziehen, weil die parfümierte Art der Rebsorte zwar entweder mit Leichtigkeit oder mit Süße gut funktioniert. Aber mit Substanz und Anspruch? Offenbar geht auch das.
In der Nase sind wir erst noch ein bisschen skeptisch. Da kommt uns Spargel aus dem Glas entgegen, Gemüsebrühe und ehrlich gesagt wenig Muskat-Duftigkeit. Aber was für ein Vergnügen im Mund! Der Goldert ist extrem ausgewogen, besitzt eine feine Süße bei lebendiger Säure, pendelt zwischen Leichtigkeit und guter Substanz. Auch die Aromatik ist ziemlich einmalig: Ananas, Litschi, etwas Dunkleres mit Pfirsich und Orange, dazu eine gewisse Piment-Würze. Das lässt sich kaum erraten und einordnen, ist aber großartig. Spaß mit Anspruch. Oder umgekehrt, ganz wie man will. Vom Weingut Zind-Humbrecht hatte ich ja bereits den Riesling Clos Häuserer in meine Top 5-Weine des Jahres 2020 gewählt. Konsistenz.
Favorit # 2 – Albert Mann Riesling Schlossberg GC 2008
Aus welcher Rebsorte dieser Wein bereitet wurde, brauchten wir nicht lange zu raten. Riesling, logisch. Aber eine Art von Riesling, wie man sie im Elsass nicht unbedingt erwarten würde. Schlank, sehr mineralisch, gleißend hell, viel Säure, etwas Süße dagegen und insgesamt sehr lebendig. Ich fühle mich ein bisschen oder nein, sogar sehr stark an den Sonnenschein von Rebholz oder den Schwarzen Herrgott von Battenfeld-Spanier erinnert. Also extrem kalkig-helle Weine, die Charaktertrinkern immer besser gefallen als Wummstrinkern.
Das Interessante ist nur: Der Schlossberg besteht keineswegs aus Kalk im Untergrund, sondern vielmehr aus Granit. Tja. Jedenfalls ist unser Grand Cru mit nur 12,5 vol% auf die Flasche gebracht worden, und das macht sich im Trinkfluss einfach sehr angenehm bemerkbar.
Favorit # 3 – Marcel Deiss Mambourg GC 2009
Jean-Michel Deiss ist ohne Zweifel einer der bekanntesten Winzer im Elsass mit einer komplett individuellen Philosophie. Jene fußt darauf, dass seiner Meinung nach der wahre Charakter eines Terroirs erst im Mischsatz richtig zur Geltung kommt. Zudem besitzen fast alle Deiss-Weine einen Restzuckergehalt, der sich oberhalb der Trockenskala bewegt. Wir hatten nun an diesem Abend einen verblüffend harmlos halbtrocken wirkenden Grand Cru Altenberg und einen eher bitterschwer daherkommenden Grand Cru Mambourg getrunken. Und zwar blind. Funktioniert die Deiss’sche Philosophie gerade im GC-Bereich also primär als theoretisches Konstrukt? Oder muss man die Weine wirklich 30 Jahre lang lagern, so wie er es vorschlägt?
Am dritten Tage aufersta…, nein sorry, das wäre etwas zu stark ausgedrückt, aber am dritten Tag in wesentlich besserer Form präsentiert sich schließlich der Mambourg. Recht trocken wirkt der Wein mit einem spürbaren Bitterton, aber hinten viel Feuer, Bernstein-Anmutung. Das ist ein Wein, der schwierig bleibt, den man ein wenig auf sich wirken lassen muss. Irgendwie fühle ich mich ein bisschen an die nördliche Rhône erinnert. Auch in Hermitage muss man den Alkohol akzeptieren, das Malzige, Feurige. A wie Anspruch, das trifft bei kaum einem Wein besser zu als hier.
Coda
Damit wären wir durch mit meinen drei Favoriten. Große Namen finden sich auch auf den hinteren Plätzen. Von manchen hatte ich mehr erwartet, aber es muss auch nicht jeder Wein zu jeder Zeit unter jeder Bedingung ein Feuerwerk abfackeln. Be thankful for what you got.