Was ist eigentlich ein typisch fränkischer Wein von einem typisch fränkischen Winzer? Ein Wein, dessen Trauben in Franken gewachsen sind, auf einer der drei Trias-Formationen Buntsandstein, Muschelkalk oder Keuper? Eine Rebsorte, die seit langem in Franken heimisch ist? Aus einem alteingesessenen Weingut in einem schnuckeligen Ort mit Steinhäusern, ein bisschen Fachwerk gar, viel Barock auf jeden Fall? Nach diesen Kriterien ist der Silvaner aus dem Dettelbacher Honigberg von Richard Östreicher ein typischer Frankenwein, ein Überperformer gar. Das Weingut 250 Jahre alt, die Rebsorte noch viel älter, der Boden Muschelkalk, und sowohl Dettelbach als auch Sommerach, der Sitz des Weinguts, sind visuell überaus schnuckelig. Wieso aber warnen dann die Weinguides so explizit? “Nur wenn einem dieser Wein zusagt, sollte man bei Östreicher weiterverkosten”, schreibt der Gault Millau. Also doch krasses Zeug? Ich war gespannt.
Silvaner Dettelbacher Honigberg 2018 von Richard Östreicher
Richard Östreicher und seine Frau Kerstin (die Website ist noch ein bisschen basic) bewirtschaften knapp 4 ha Rebfläche, vornehmlich im Sommeracher Katzenkopf. Ihren Weinen geben sie die Namen der ursprünglichen Gewanne wie Augustbaum, Hölzlein, Rosen oder Rossbach, weil der weingesetzlich gewachsene Katzenkopf mit seinen 175 ha viel zu grob in alle Richtungen zeigt. Silvaner ist bei den Östreichers zwar immer noch die wichtigste Rebsorte, im Topbereich brillieren aber besonders die Burgundersorten. Dass das Rebmaterial für den Chardonnay Rossbach teils von Coche-Dury stammt und nächstes Jahr ein Spätburgunder aus Romanée-Conti-Material herauskommt, ist fantastisch und keinesfalls ein Großspur-Gag. Richard hatte nämlich den Weinbau zwar in Franken gelernt, dann aber große Erkenntnisschritte in Burgund vollzogen.
Bei unserem Weingutsbesuch letzte Woche hatte ich mir für den Natürlichen Dienstag (das Weingut ist biozertifiziert und Mitglied bei Naturland) allerdings tatsächlich einen Silvaner ausgesucht. Und zwar genau den, von dem der Gault Millau behauptet, dass es der Türsteher für das gesamte Programm sei. Bereits beim Dettelbacher Honigberg (gleichzeitig eine Einzel- und Großlage, hier im Sinne eines Ortsweins zu verstehen) gibt es nämlich das Östreicher’sche Standardprogramm: Spontangärung, viel Zeit auf der Hefe, nichts korrigiert, wenig geschwefelt, richtig trocken und nix mit leckerer Primärfrucht.
Wie schmeckt der Wein?
Im Glas eine kräftige Farbe, die kleinen sichtbaren Perlen sprudeln nicht. Ich schnuppere viel Pflanzliches, Kräuter, Angelika, leicht reduktiv, wirklich keine Primärfrucht. Richard meinte, der 2018er Jahrgang sei eigentlich zu stark für ihren Stil. Aber andererseits bedeutet ein naturnäherer Ansatz auch, die Jahrgänge charakterlich aufzunehmen und abzubilden. Und der Silvaner hat ja “nur” 13 vol%, da habe ich woanders schon andere Werte gesehen.
Im Mund ist das in der Tat ein kraftvoller Stil, aber interessanterweise einer mit einer enorm festen Struktur. Strktur hatte ich mich zuerst vertippt, und irgendwie stimmt das sogar, denn das badewannenförmige u, das einen Silvaner gern in die gelbe Breite gehen lässt, fehlt hier. Es gibt leichte Anklänge von Zitronenmelisse, es gibt das Gefühl trockenen Holzes, Strohblumen, Spätsommer, Stein, ein bisschen Quitte. Dazu hat der Silvaner eine passende Säure, die sich mit der Würze zu einer bestimmenden Pikanz entwickelt. Summa summarum ist das kein Leckerschmecker-Schlotzwein, sondern einer, der sich in seiner kompakten und gefassten Art hervorragend als Speisenbegleiter eignet.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich der Dettelbacher Honigberg noch sehr positiv in der Flasche entwickeln wird. Schon jetzt ist das ein Wein, mit dem man sich beschäftigen kann und sollte, dem Zeit und Luft gut tun. Das ist ganz einfach das Prinzip Östreicher, das für alle Weine von hier gilt.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den Dettelbacher Honigberg Silvaner direkt vor Ort, sprich beim Weingut Richard Östreicher in Sommerach. Ein paar von den Weinen hatte ich schon mehrfach bei der K&U-Hausmesse in Nürnberg probiert. Hier aber hatte ich am Ausflugstag des Best of Gold (Bericht von der Veranstaltung folgt) die Gelegenheit, das ganze Portfolio durchzutesten. Gut, der neue Silvaner Maria im Weingarten – ein genialer Name für eine Parzelle – ist schon ausgetrunken. Ansonsten aber ging es mit dem Dettelbacher Honigberg für schlappe 12,50 € erst los. Je höher man in der Qualitätsreihenfolge steigt, desto feiner wird der Holzeinsatz. Frucht bleibt aber immer dezent, egal bei welcher Rebsorte; Struktur und innere Balance hingegen sind die Kernwerte.
Bleibt zum Abschluss die Antwort auf die Frage, ob ich die Weine von Richard Östreicher explizit als fränkisch betrachten würde. Nun, blind würde ich sie nicht unbedingt nach Franken stecken, eher irgendwo zwischen Baden und das Mâconnais.
Aber in Wirklichkeit ist der fränkische Kosmos ja viel größer als er manchmal selbst von sich behauptet. In ihm haben nämlich Weine Platz wie die von Stephan Krämer, von Stefan Vetter, von Rainer Zang, von Andi Weigand, den 2 Naturkindern, von Castell, vom Bürgerspital, von Ludwig Knoll, von Paul Fürst, von so vielen unterschiedlichen Typen, Charakteren, Interpretationen, dass es wahrhaft komisch wäre, ausgerechnet die Weine von Richard und Kerstin Östreicher hier nicht mit einschließen zu wollen. Soll heißen: Ja, superfränkisch sommerachisch international individuell. Passt also.
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