Die Geschichte von Tom Lubbe und der Domaine Matassa ist bestimmt schon 1000mal erzählt worden. Also machen wir hier Nummer 1001 daraus. Tom hatte in Südafrika für Louise Hofmeyer gearbeitet und sie gefragt, wo er denn am besten ein Praktikum machen könne, um die mediterranen Rebsorten besser kennenzulernen. Die Antwort war “Gauby” im Roussillon. Also ging er zunächst für drei Monate dorthin, machte seine Sache aber so gut, dass Gérard Gauby ihn für die nächsten drei Jahrgänge engagierte. Tom lernte Gérards Schwester Nathalie kennen, und zusammen mit Sam Harrop kauften sie 2001 einen kleinen Weinberg namens Clos Matassa. Der erste Jahrgang 2002 erbrachte genau 1.800 Flaschen Wein, hergestellt im Wohnzimmer des frisch verheirateten Paares.
Coume de l’Olla blanc 2015 von der Domaine Matassa
Mittlerweile ist Matassa ein bekannter Name in der Weinwelt. Tom hat ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie seine Weine aussehen sollten und wie nicht. Heftiges Tannin und gar Neuholz, dazu noch eine hohe Schwefeldosis, das ist seine Sache gar nicht. Selbst die Rotweine haben zum Teil nur 11 vol% Alkohol, geerntet wird früh, die Frische soll erhalten bleiben. Das Prinzip Infusion statt Extraktion. Seine Weißen lässt er als Ganztrauben vergären, stampft sie noch ein bisschen wie die alten Portugiesen mit den Füßen im Becken und baut den Wein dann schließlich im gebrauchten Holz oder im Beton aus. Manchmal wird ein bisschen filtriert zum Schluss, SO2 gibt es seit 2008 nur noch maximal 10 mg direkt nach der malolaktischen Gärung, aber das war es dann auch mit den Hilfsmitteln. Das Bio-Zertifikat kam 2010, und Tom arbeitet auch mit biodynamischen Präparaten.
Letztes Jahr konnte die Domaine Matassa in größere Räumlichkeiten umziehen und residiert nun in Espira de l’Agly in den ehemaligen Gebäuden der Domaine Jolly Ferriol. Die Rebfläche ist mittlerweile auf etwa 20 ha angewachsen, das allermeiste weiterhin oben um den Ort Calce herum. Gab es zu Anfang nur Matassa in Rot und Weiß, sind mittlerweile neun Cuvées auf dem Markt, inklusive ein paar Buntetiketten wie beim Mambo Sun.
Die weiße Cuvée Coume de l’Olla besteht je zur Hälfte aus Macabeu und Muscat à petits grains. Die Reben wurden zwischen 1939 und 1959 gepflanzt, besitzen also mittlerweile ein beträchtliches Alter. Eine Woche lang lässt Tom die Trauben mit den Schalen vergären, dann wird abgepresst und mittlerweile im Betontank ausgebaut. 2015 war, soweit ich weiß, aber noch gebrauchtes Holz am Start.
Wie schmeckt der Wein?
“Die Idee, dass Wein ein leicht zugängliches Produkt sein muss, ist falsch.” So eindeutig äußerte sich der Winzer vor einiger Zeit in einem Interview mit Kalk & Kegel. An dieses Zitat muss ich ganz automatisch denken, als ich den Wein geöffnet habe und ein bisschen hineinschnuppere. Amberfarben ist er schon einmal ganz ordentlich, wie man auf dem Foto sehen kann. In die Nase steigen so frisch geöffnet eindeutig apfelmostige Noten, die eine Art “Funkiness” befürchten lassen, welche jenseits meines Wohlfühlrahmens liegt. Die Befürchtung ist allerdings unbegründet, und mit ein wenig Luft (halbe Stunde genügt) sind die mostig-flüchtigen Töne dann auch verschwunden. Im Mund sind sie ohnehin nicht zu schmecken, auch zu Anfang nicht.
Die Säure bewegt sich in einem mittleren Bereich, dafür sind die Gerbstoffe aber von Anfang an deutlich spürbar. Allerdings handelt es sich um ein ziemlich feines Tannin, das keinesfalls klotzig im Mund herumrubbelt. Es gibt Frucht wie Orange, Quitte und gelbe Pflaume, es gibt Würze wie trockene Garrigue-Kräuter und Zimt, aber eigentlich wirkt der Wein eher über seine Gesamterscheinung. 11 vol% stehen auf dem Etikett, und so präsentiert sich der Wein dann auch. Das sind die Aromen des Südens, eingebunden in einen leicht gerbigen, aber frisch-mineralischen Fluss, wahrscheinlich der eleganteste Orange Wine, den ich bislang im Glas hatte. Dennoch und nur zur Vorsicht: Menschen, die ausschließlich Primärfrucht gewohnt sind, werden nicht ganz so begeistert sein.
Wo habe ich ihn gekauft?
Den “normalen” weißen Matassa hatte ich schon einige Male getrunken, unter anderem bei der formidablen Altweinprobe zwengs Christophs Geburtstag. Den Coume de l’Olla kannte ich aber noch nicht. Ich hätte ihn aber auch nie und nimmer in einem Supermarkt vermutet, und sei es ein Edeka. Und sei dieser Edeka auch der beste der Republik. Genau so ist es aber passiert. Ich war letzte Woche ja am Mittleren Neckar unterwegs (eine wirklich interessante Gegend, ich muss schon einmal vorwarnen) und hatte dort auch das Weingut Lassak besucht. Fabian Lassak gab mir zum Abschied noch den Tipp, falls ich zufällig über Heilbronn fahren würde, sollte ich doch unbedingt den Edeka Ueltzhöfer in Sontheim aufsuchen. Die hätten sogar eine Klimakammer und auch ansonsten eine Weinauswahl, wie sie nur ein absoluter Freak zusammentragen kann.
Also habe ich den 2015er Coume de l’Olla blanc der Domaine Matassa dort erstanden. Aber bevor ihr jetzt in Massen aufbrecht: Es war die letzte Flasche. Online gibt es Matassa bei ein paar einschlägigen Händlern, den Coume de l’Olla habe ich allerdings ausschließlich beim Weinskandal gefunden. 17 € kostet der neueste Jahrgang 2019 dort, und wenn ihr mich fragt, ist das sehr gut angelegtes Geld.