Schon die elfte Runde bei der GROSSEN SILVANER-SCHAU, hat das denn überhaupt kein Ende? Doch, hat es. Aber eine Woche läuft die Schau noch, ungefähr so lange wie die Spargelsaison. Ob Silvaner und Spargel überhaupt gut zusammenpassen, werden wir dabei erst ganz zum Schluss klären. Diesmal sind nämlich noch ein paar richtig individuelle Gestalten am Start. Freispiel habe ich die Kategorie genannt, denn hier kann der Silvaner als Rebsorte mal so richtig zeigen, was in ihm steckt. Und die Winzerinnen und Winzer haben auch gar nicht erst versucht, ihre eigensinnigen Neigungen zu verbergen.
Freispiel – Silvaner nach eigenen Vorstellungen
Ein bisschen, das muss ich zugeben, habe ich mich bei der Kategorie Freispiel vom Internationalen Silvanerpreis inspirieren lassen. Letztes Jahr war ich dort als Juror tätig, und zwar in einer Kategorie namens Solitär. Jene war ganz ähnlich definiert wie mein Freispiel diesmal. Es handelte sich nämlich um Weine, die die Kriterien der anderen Kategorien nicht erfüllten. Eine Resterampe also aus Orange, Barrique und Freakstuff. Könnte man denken. In Wirklichkeit waren dies die allerbesten (trockenen) Silvaner, die überhaupt am Wettbewerb teilnahmen. Wenngleich es natürlich auch ein paar schräg angesetzte und pirouettierende Weine gab, die nicht ganz gelungen schienen.
Immerhin aber habe ich auf diese Weise die wirklich großen Silvaner von Klaus Höfling, von Kai Schätzel und auch den Siegerwein von Thomas Plackner mal im direkten Vergleich miteinander kennengelernt. Und wie es der Zufall so will, habe ich zwei davon (aus einem anderen Jahrgang allerdings) gleich wieder hier antreten lassen.
1. Thomas Plackner – Aussteiger
Wesentlich besser kann man glaube ich nicht in die Kategorie Freispiel starten als mit einem Silvaner namens Aussteiger. Thomas Plackner ist ein solcher, zumindest partiell, denn er hat seinen alten Job bei Airbus aufgegeben. Ganz vom Wein leben können seine Partnerin Rhena und er aber noch nicht, dafür sind die Rebflächen zu klein, das Ganze zu zerstückelt. Wenn man den Wein dann probiert, wünscht man sich aber genau das. So im positiven Sinn individuelle Weine machen nur ganz wenige in Franken. Die Rebflächen für den Aussteiger liegen im Thüngersheimer Johannisberg. Auf dem Foto seht ihr einen Blick auf Thüngersheim, vom Retzbacher Steilhang über dem Main aus.
Die Trauben für den Aussteiger 2014 wurden am 11. Oktober eingebracht, dann 42 Stunden Maischestandzeit, Spontangärung und Ausbau im gebrauchten 500-Liter-Holzfass. Im Juli 2015 unfiltriert abgefüllt in genau 610 Flaschen mit 12 vol% Alkohol, 7,8 g Säure und 0,8 g Restzucker. Holla, das sind sportliche Werte für einen Silvaner! Kräftig gelb im Glas, das hatte ich nicht erwartet. In der Nase noch ein bisschen Zündplättchen, das aber verfliegt, etwas Quitte, aber insgesamt wenig Primärfrucht. Dafür dreht der Aussteiger am Gaumen so richtig auf – erst recht mit etwas Luft und Wärme. Extrem säurepikant ist er, saure Mandarine, trockene Aprikose, Senfmehl, eine ganz spannende Aromatik, die an einen hochwertigen gereiften Veltliner erinnert – aber halt mit Säure. Eher wie ein intensiver Veltliner aus dem Jura. Das ist, liebe Leute, ein richtig richtig guter Wein. Man schmeckt natürlich die Jahre in der Flasche, ein bisschen Firn kommt schon, aber das ist Silvaner-Freispiel par excellence.
2. Johannes Zang – J 40
Vor ein paar Jahren war ich beim Weingut Otmar Zang in Sommerach zu Besuch. Ich wollte mir für eine Reportage den alten Weinberg im Rimbacher Landsknecht anschauen. Ein wurzelechter gemischter Satz von 1835, der älteste in Franken und einer der ältesten überhaupt. Den seht ihr auch oben auf dem Foto. Nicht weit davon entfernt, im Obervolkacher Landsknecht, baut Sohn Johannes die Reben für seinen Silvaner J 40 Alte Reben an. Und den wiederum möchte ich hier vorstellen.
Alte Reben bedeutet in diesem Fall 40 Jahre alt, was geringfügig jünger ist als die Wurzelechten in Rimbach. Der Wein (bitte keinen Schock bekommen) ist aber noch älter als der Aussteiger, er stammt nämlich aus dem Jahrgang 2012. Jung war er noch ziemlich stark vom Holz geprägt, aber deshalb lagert man solche Weine schließlich. Der Sommer 2012 war recht warm, 13,5 vol% steht auf dem Etikett. In der Nase ist der J 40 dann überraschend fein, das hatte ich wummsiger erwartet. Jener kommt dann aber im Mund. Äußerst würzig ist der Silvaner, wahrhaft pfefferig, mit viel Schwung und Extrakt. Da der J 40 nicht nur im Holz ausgebaut wurde, sondern auch den biologischen Säureabbau durchgemacht hat, ist die Säure naturgemäß deutlich milder, der Wein aber komplett trocken. Ingwer, Zimt und gelber Keuper, das ist von den Aromen her extrem anders als der Wein davor. Aber keineswegs zu alt, überhaupt nicht.
3. Bastian Hamdorf – Sylvaner
Bastian Hamdorf stammt von einer deutschen Nordseeinsel mit vier Buchstaben. Auf den Wein ist er zu seiner Abiturzeit gekommen. Als er zusammen mit seinem Mitbewohner merkte, dass der Wein für zehn Euro besser schmeckt als der für drei, war klar, dass es danach nur nach Geisenheim gehen konnte. Mittlerweile gibt es das kleine Weingut im churfränkischen Klingenberg, und vom dortigen spektakulären Schlossberg stammen auch die Rotweine. Der Sylvaner hingegen kommt vom ebenfalls terrassierten Großheubacher Bischofsberg. Buntsandstein, reine Handarbeit, biologische Bewirtschaftung, Knochenjob. Die Parzelle für diesen Wein liegt in der Klinge, weit oben am Berg in südöstlicher Ausrichtung, die Reben sind 35-55 Jahre alt. Fahrt mal hin, es lohnt sich!
Es gibt keinen kleinen Wein von Bastian Hamdorf, weil alle Weine von den steilen Terrassen stammen. 2014 war ein eher regnerisches und kühles Jahr, das den Winzern viel abverlangte, aber letztlich erfreulich sehnige Silvaner hervorgebracht hat. Auch der Hamdorf’sche Sylvaner hat lediglich 12,5 vol%, und das finde ich persönlich sehr angenehm. Er wurde im (neuen) Tonneau ausgebaut und lag zwölf Monate auf der Hefe. Das Holz spürt man auch in der Nase, aber nur ganz sanft als vanilligen Anklang, zusammen mit Sternanis und hellen Blüten. Schon wieder kein Wein, der alt schmeckt, sondern genau auf den Punkt gereift. Zart ist er durchaus, das unterscheidet ihn von den beiden Silvanern davor. Aber auch dieser Wein ist vollkommen trocken, sehr ruhig, gewissermaßen edel. Wenn mich jemand in einem Blindtest nach Rebsorte und Land fragen würde, ich hätte echte Schwierigkeiten. Aber so ist das beim Freispiel, same as it never was.
4. Ethos No. 2
Ein Wein, zu dem zwölf Winzer ihre Trauben beigesteuert haben, ist für sich noch nichts Großartiges. Das kann schließlich jedes Genossenschaftsprodukt im Supermarktregal. Aber beim Winzerzusammenschluss namens Ethos sind das die besten Trauben der beteiligten Winzer. Ethos ist eine Gruppe größtenteils jüngerer Leute, die sich keinem Verband anschließen wollte, aber dennoch nach einer eigenen Agenda der Nachhaltigkeit arbeitet. Nun ist das mit den eigenen Agenden ja immer so eine Sache, und kritische Geister schauen sicherlich genau hin, was da Verpflichtendes drinsteht und was allerhöchstens empfohlen wird. Felix Bodmann hatte darüber vor einiger Zeit einen schön ausgewogenen Artikel geschrieben.
However, oben auf dem Foto seht ihr symbolisch einen Blick auf den Seinsheimer Hohenbühl ganz im Süden des fränkischen Weinlandes. Der nächste Ort in Richtung Süden wäre Bullenheim, was bereits zu Mittelfranken gehört. Aus dem Bullenheimer Paradies holt das Weingut Meier Schmidt ja einen großen Teil seiner Weine, und ebendieses Weingut ist auch mit viel Verve am Ethos-Wein beteiligt.
Der Ethos No. 2 stammt aus dem Jahrgang 2016, wurde mit den Schalen vergoren, nicht gepresst (Vorlaufwein also), in Holz und Amphore ausgebaut und schließlich unfiltriert in Altglas-Flaschen abgefüllt. 35 € kostet das Schätzchen, der mit Abstand teuerste Wein im Test. Nach den ganzen Vorreden hätte ich einen eher plakativen Wein erwartet, aber nichts da. In der Nase leicht geröstete Haselnuss, am Gaumen dann spürbare, aber überhaupt nicht aggressive Gerbstoffe, sehr fein, komplett trocken, komplett unbarock. Gar kein Schmeichler, sondern ein ernsthafter, fast strenger Wein, der Luft braucht und mit der Zeit immer ein bisschen feuriger wird. Echt mutig, passt zu einer Vielzahl von Speisen und gefällt mir ehrlich gesagt richtig gut.
5. Kai Schätzel – Silvaner Nierstein
Auch Kai Schätzel hatte mit seinem Silvaner letztes Jahr in der Solitär-Kategorie am Internationalen Silvanerpreis teilgenommen. Und – es waren alles Blindproben – ich hatte den Wein ganz oben auf der Liste. Deshalb dachte ich mir, dass er auch unbedingt in diesen Artikel gehört. Rheinhessen besitzt ja nach wie vor die größte Silvaner-Anbaufläche und produziert eine qualitativ sehr große Bandbreite. Stilistisch sind die besseren Exemplare meist ein wenig würziger und holzbetonter gehalten, was ich insofern gut nachvollziehen kann, als man beim Riesling, der wichtigsten Rebsorte Rheinhessens, eben genau diese Elemente weniger anwendet. Bei Kai Schätzel sind wir allerdings am anderen Ende der Würzigkeits- und Üppigkeits-Skala. Hier ist nämlich nordische Strenge angesagt. Frühe Ernte, wenig Alkohol, sehr präzise, das hat die Schätzel-Weine auf die internationalen Weinkarten gebracht. Auf dem Foto oben seht ihr die Weinhandlung Karl Kerler. Dort hatte ich (zu günstigeren Zeiten) die Schätzel-Weine probiert und auch den jetzigen gekauft.
Der Silvaner Nierstein von Kai Schätzel stammt aus dem Jahr 2017 und lagenmäßig (glaube ich) komplett aus dem Hipping, also einer großen Lage nach VDP-Diktion mitten im Roten Hang. Handgelesen, fußgetreten, spontanvergoren, Ausbau im Holzfass. In der Nase spüre ich deutlich stärker als beim Aussteiger die Zündplättchen, was, wie es heißt, vom beim Gärprozess entstandenen Benzylthiol stammt. Im Mund ist der Nierstein-Silvaner sehr floral, apfelig, erfrischend und erinnert mich irgendwie an einen ultraklassischen trockenen Riesling Kabinett aus dem Rheingau. Ich empfinde den Wein nicht als streng, sondern dank seiner zitronenzestigen und floralen Pikanz als sehr reizvoll. Leichtfüßig ist er aber schon, und man muss ihm ein bisschen Zeit geben, um auch in größere Tiefen vorzudringen.
6. Ulrike Lange – Blauer Silvaner Sekt Brut Nature
Zum Schluss noch ein Freispiel der anderen Art. Silvaner wird nur ziemlich selten versektet. Warum das so ist, darüber lässt sich schön spekulieren. Dadurch dass Pinot Noir und Chardonnay die beiden wichtigsten Rebsorten der Champagne sind, gibt es natürlich Nachahmer auf der ganzen Welt, die sich ebenfalls diesen Rebsorten zwecks Schaumweinherstellung widmen. Beides sind nicht-aromatische Rebsorten, und das trifft auch auf den Silvaner zu. Jener, so heißt es, hätte aber zu wenig Säure, um nach dem ganzen Sektwerdungsprozess noch gut dazustehen. Vielleicht ist es aber auch so, dass man sich hierzulande zu sehr angewöhnt hat, den Silvaner möglichst reif bis fast zum Überreifen hin zu ernten. Beispiele dafür gibt es zuhauf. Silvaner allerdings, die der Philosophie von Stefan Vetter, von Michael Teschkes Naiv oder auch von Kai Schätzel folgen, könnten von den Werten her doch ideale Grundweine sein. Summa summarum: Ich denke, wenn man wöllte, ginge es schon…
Ulrike und Thomas Lange vom Weingut Schloss Saaleck sind fast schon in der Rhön zu Hause. Nordisch-schlanke Grundweine sollten dort also möglich sein. Leider hat man beim diesjährigen Frühjahrsfrost auch gesehen, dass dieser Bereich an der Fränkischen Saale besonders gefährdet ist. Ihr Sekt wurde aus Blauem Silvaner bereitet, eine deutlich seltenere, genetisch identische Variante mit anderer Beerenfärbung. Die Weinberge werden biologisch bewirtschaftet (Naturland), der Sekt nach der méthode champenoise klassisch flaschenzweitvergoren und nach 24 Monaten ohne jede Dosage als Brut Nature auf den Markt gebracht. Natürlich, das hier ist nicht der würzig-aromatische Burner. Aber wer noch nie einen extrem floralen Sekt im Glas hatte, einen, der nach Holunderblüte, Weißdorn und dezenter Birne schmeckt, voilà, hier ist er. Ein bisschen fühle ich mich an Cava erinnert und könnte mir sehr gut entsprechende Tapas dazu vorstellen.
Ein kleines Fazit
Ganz ehrlich, mit diesen Weinen sind wir schon ziemlich weit oben im Silvaner-Universum angekommen. Die Verkostung derartig unterschiedlicher, fast egozentrischer Typen war für mich äußerst spannend, und Spaß hat es auch noch gemacht. Preislich sind wir beim Freispiel aber natürlich auch in einer anderen Liga als beim Literschoppen. Der J 40 in der 2017er-Version liegt mit 14 € auf der günstigen Seite, während der Ethos No. 2 wie erwähnt 35 € kostet, gefolgt vom Aussteiger mit 24 €. Das ist natürlich nicht wenig. Wenn ich allerdings an die Großen Gewächse denke, die es ja auch aus Silvaner gibt, würde ich ganz persönlich vermutlich zu den Freispiel-Silvanern greifen.
Eine interessante Gemeinsamkeit ist mir beim Testen aufgefallen (euch vermutlich auch beim Lesen). Nein, nicht nur, dass es schon wieder keinen Bocksbeutel gab. Sondern vor allem, dass alle Freispiel-Silvaner wirklich konsequent trocken waren, und das bei nicht allzu hoher Alkoholgradation. Den analytisch meisten Zucker hatte (bei Abfüllung) noch der J 40 mit genau 1,5 g. Das ist schon crazy.
Wenn ihr euch jetzt aber auf eine Silvaner-Spargel-Kombination gefreut haben solltet, nun, dann sind das hier nicht wirklich die geeigneten Begleiter. Oder höchstens dann, wenn man die Saucen entsprechend komponiert. Mit Miso-Paste zum Beispiel. Aber der klassische Stangenspargel mit zerlassener Butter und Frühkartoffeln, der verlangt nach anderen Silvanern. Und die wird es nächste Woche geben, wenn ich mich mit ausgewählten Bio-Silvanern beschäftige. Da gibt es dann auch welche im einstelligen Eurobereich, eine definitiv alltagstaugliche Testreihe also.
Für dieses Mal aber muss ich sagen: Ja, wenn dem Silvaner so begegnet wird wie bei den Freispiel-Weinen, dann braucht einem um die Silvanerzukunft nicht bang zu sein.
Hallo Matthias,
wieder einmal ein schönes line-up an interessanten Silvanern. Vor allem die Versektung von Silvaner-Grundweinen liegt mir als Schaumweinliebhaber sehr am Herzen, da sich diese Rebsorte phantastisch gut für undosierte Schäumer eignet und auch für Säureempfindliche kompatibel ist. Auf fränkischer Ebene gibt es in letzter Zeit auch einige Bestrebungen in diese Richtung, aber es fehlt noch an der gelungenen Umsetzung. Daher noch mein schäumender Silvaner-Tip aus Rheinhessen von Werther-Windisch. Silvaner Brut Nature mit mehrjähriger Hefelagerung (2013er ab Weingut für sehr angemessene 15 Euro).
Danke für den Tipp! Vielleicht liegt es auch ein bisschen daran, dass der “gewöhnliche Verbraucher” hierzulande an komplett undosierte Sekte (noch) nicht so recht gewöhnt ist. Sind ja nicht alles bloß Avantgarde-Sommeliers, die solche Schäumer kaufen 😉 . Der Blaue Silvaner-Sekt von Schloss Saaleck kostet übrigens auch 15,50 €, also dieselbe Preisklasse.
Hallo Bodo,
danke für den Hinweis auf den Silvaner-Sekt von Jens Windisch. Werde ich probieren. Das lange Hefelager finde ich für Schäumer genauso wichtig, wie die niedrige oder besser noch weggelassene Dosage. Und 15.00 € sind sehr günstig.
Gruß
Thomas