Oh nein, schon wieder so eine Aussteiger-Geschichte… Könnten die Leute stattdessen nicht vielleicht mal von Anfang an wissen, wofür ihr Herz schlägt? Und dann easy direkt nach der Schule damit anfangen? Nein, können sie nicht. Und möglicherweise ist es genau das, was das Leben erst so richtig interessant macht. Als ich fertig war mit der Schule, wusste ich nur eine Sache ziemlich genau: In diesem Dorf mit 600 Einwohnern würde ich nicht bleiben können. Alles andere hingegen kam mir so vor, als würde ich mehr in Dinge hineingezogen werden, die sich halt so ergeben. Und eben nicht einen genauen Plan auszuarbeiten und dann loszugehen. So ging es offenbar auch Aline Hock, unserer heutigen Winzerin. 15 Jahre in der Bank sind kein Pappenstiel. Jedenfalls dann, wenn man danach 1.000 Kilometer südlich ein ganz anderes Leben mit den Reben beginnt.
Aline Hock MacAline – Vin Naturel aus dem Roussillon
Aline stammt aus Belgien, aus der Nähe von Namur, hat “irgendwas mit Sprachen” gemacht und ist dann bei einer Bank gelandet. Ihr Ehemann Renaud ist Volkswirtschaftler und arbeitete ebenfalls im Bankwesen. Mit der Winzerei hatten die beiden also erst einmal nichts zu tun, außer dass sie seit Jahren hobbymäßig Degustations- und Sommeleriekurse belegt haben. Hobbymäßig, man weiß, wohin das führen kann. Im Sommer 2007, die beiden waren mittlerweile Mitte 30, haben sie im Urlaub im Süden Frankreichs Lucien Salani kennengelernt, der aus Lothringen stammt und sich im Roussillon ein Weingut aufgebaut hatte. Das war es dann endgültig.
Zuerst kauften sie im Jahr 2008 die ersten Hektar ihrer Domaine des Mathouans. Aline blieb dann dort, während Renaud zwischen seinem Bankjob und dem Winzerdasein hin- und herpendelte. Seit 2010 ist das Leben im Norden endgültig passé, beide leben in Latour de France und stellen auf ihren 10 ha bemerkenswerte Weine her.
Quereinsteiger tun sich häufig leichter mit unkonventionelleren Wegen. Schließlich ist die Entscheidung für den Ausstieg an sich ja schon ultra-unkonventionell, wenn man nicht gerade Millionen auf dem Konto als Rückhalt hat. Und so wurde das Weingut von Anfang an biodynamisch bewirtschaftet (zertifiziert Demeter). Keine Herbizide, Fungizide, Insektizide, Handarbeit im Weinberg und bei der Lese, nur Spontangärung, Schwefelung minimal. So minimal, dass in dem MacAline weniger als 5 mg freier und weniger als 10 mg Gesamtschwefel vorhanden sind. Unterhalb der Deklarationsgrenze also, “les sulfites à dose parcimoneuse”, wie Aline schreibt.
Wie schmeckt der Wein?
Warum eigentlich MacAline? Hat das irgendwas mit Schottland zu tun? Aber nein. Aline ist logisch, der Vorname der Winzerin. Und Mac bedeutet einfach Macabeu, die Rebsorte, aus der der Wein besteht. Noch ein paar technische Details zum Wein: Schieferboden, Jahrgang 2017, als Vin de France deklariert, 13,5 vol%, Ertrag 18 hl/ha (ja, wir sind am Mittelmeer…), biologischer Säureabbau zugelassen und dann für zwölf Monate in Fuderfässern ausgebaut.
Frisch nach dem Öffnen ist der Wein noch blassgelb, aber das ändert sich mit jedem Glas. Das liegt allerdings nicht daran, dass er so schnell oxidieren würde (das tut er nämlich nicht), sondern der MacAline ist einfach enorm ungefiltert, und ich hatte die Flasche senkrecht stehend transportiert. Nur kurz nebenbei: Der Transport erfolgte von Nürnberg bis in die Nähe von Marseille, wo ich im Moment bin. Näheres dazu folgt auf dem Blog noch später.
In der Nase ist der Wein erst sehr dezent, etwas Zitronenzeste, auch kandiert, und mit dieser typisch schwefelfreien Note ausgestattet, die ganz leicht an Flüchtigkeit gemahnt. Am Gaumen ist das Säuregefühl nicht sehr hoch, der Wein lebt von Substanz und Struktur, wobei sich etwas Luft sehr positiv auswirkt. Von den Aromen her schmecke ich eine pudrig-samtige Zitronentarte, dazu Fenchel, Estragon, Salbei, also den Touch des Südens. Was mich wirklich begeistert, das ist diese ungemein seidige Art. “Taktile Samtigkeit” ist ein Begriff, den ich ganz sicher nicht häufig verwende, aber hier trifft er voll zu. Der MacAline präsentiert sich wunderbar geschmeidig zu mediterraner Küche, geht zu weißem Fisch, zu Pimientos de Padron vom Grill, zu Rosmarin-Kartoffeln. Zudem hat er den Transport im heißen Auto offenbar gut überstanden, auch nach Stunden gibt es keinerlei Brauntöne oder Seltsamkeiten. Sehr schön, so hatte ich mir das gewünscht.
Wo habe ich ihn gekauft?
Früher bin ich nie nach München gefahren, um Wein zu kaufen. Das hätte sich für mich grotesk angehört. Mittlerweile gibt es jedoch in der Bayern-Metropole nicht nur ein sehr interessantes Angebot an österreichischen und Südtiroler Weinen, sondern auch eine Weinhandlung mit wahrhaftigen Vins Naturels: Origine. Was heißt mittlerweile, ich war ja schon Ende 2017 zu ihrer Hausmesse hier, habe mit Winzerinnen und Winzern gesprochen und darüber berichtet. Auf dem Foto seht ihr Inhaberin Claudia Sontheim vor dem Laden, der demnächst umziehen und als neues Konzept eröffnen wird – direkt im Haus nebenan. 16 € kostet der MacAline von Aline Hock dort, das ist ein sehr angemessener Preis, wie ich finde.
Übrigens werde ich in einigen Wochen die Gelegenheit haben, Aline Hock auch persönlich zu treffen, worauf ich mich sehr freue. Allerdings nicht im Roussillon, obwohl das von hier gar nicht mal allzu weit entfernt wäre. Aline kommt nämlich nach Berlin zur RAW, die am 1. und 2. Dezember wieder in der Markthalle 9 stattfindet. Diesmal an zwei Tagen, nämlich einem Tag für “Professionelle” und einem Tag für das interessierte Publikum, was ich für eine sehr gute Sache halte. Ich werde hier auf dem Blog auch vorher schon ein paar Weingüter vorstellen nebst einem Interview mit Macherin Isabelle Legeron. Aber Geduld, denn hier und heute gilt es erst einmal den MacAline auszutrinken, und ich habe wenig Zweifel daran, dass mir das auch gelingen wird.