Im Rheingau passierte etliche Jahre lang nicht viel. Musste wohl auch nicht, denn es gab ja weiterhin berühmte Lagen, Grafen und Schlösser, ausländische Kunden, die süßen Rheinwein trinken wollten, und den geld- und bevölkerungsstarken Rhein-Main-Ballungsraum vor der Haustür. In einer solchen Atmosphäre der Saturiertheit war es ein echter Knaller, als Peter Jakob Kühn im Jahr 2004 auf biodynamischen Weinbau umstieg und im Keller ziemlich viel Freies ausprobierte.
Krasser Riesling – Kühn St. Nikolaus 2004
Fortan begannen die Top-Rieslinge aus den Lagen Oestricher Doosberg und Mittelheimer St. Nikolaus die Weinwelt zu polarisieren. Ein paar Jahre lang schien es mir so, als gäbe es ausschließlich Anhänger oder Ablehner dieses Weges, wobei Letztere zunächst ganz schön laut waren. Heute hat sich die Situation ein bisschen beruhigt (vielleicht auch die Weine selbst), und es gibt nur wenige, die die Kühn-Rieslinge nicht für große Werke halten.
2004 war dagegen noch ein Jahr der Experimente. Die Trauben des St. Nikolaus beließ Kühn bis Ende Januar auf den Beerenschalen im großen Holzfass. Alles erfolgte so, wie es wollte, keine Kühlung, keine sonstige Gärführung. Dann wurde abgepresst, und nach zwei weiteren Monaten auf der Hefe kam der Wein auf die Flasche. Und bald darauf kam ich, kaufte die Flasche und lagerte sie für weitere lange Jahre im Keller unter idealen Bedingungen.
Wie schmeckt der Wein?
Ich kann mich daran erinnern, Peter Jakob Kühn am Rande einer Messe einmal darauf angesprochen zu haben, dass ich noch seinen 2004er St. Nikolaus im Keller liegen habe. Ich dachte, er hätte ihn mit einem Glasstopfen verschlossen, aber Kühn meinte, 2004 hätte er einen Kronkorken verwendet. “Tja, alles ziemlich experimentell damals”, meinte er zu dem Wein. “Den haben wir in dem Jahrgang sogar aus der Prüfung zum Ersten Gewächs genommen.”
In den vergangenen Jahren hatte ich daraufhin sehr unterschiedliche Reviews zu dem Wein gelesen. Stephan hatte er im Weinforum ziemlich gut gefallen (zumindest beim ersten Test), während Ralf Kaiser bei einer Vertikale Probleme feststellte und einen Flaschenfehler vermutete. Thorsten Mücke hatte den Jahrgang in seiner großen Kühn-Story auch thematisiert. Kein Wunder, dass ich sehr gespannt darauf war, wie sich der Wein bei mir präsentieren würde. Zudem liegt mein Artikel über den Doosberg 2007 schon sehr lange zurück, und ich befand mich damals selbst noch in einer anderen Phase der Weinerkenntnis.
Ich ging also in den Keller und – aaargh!!! Aufgebrochen!!! Und ratet dreimal, was der kundige Einbrecher entwendet hat. Nicht viel, denn es musste offenbar schnell gehen. Nicht das Zelt also, den Campingstuhl, den Fahrradkorb und auch nicht den Bierkasten. Aber dafür genau diesen Wein hier, auf den ich mich so gefreut hatte, den ich schon so lange bei mir wusste. (Und ein paar andere leider auch…)
Erst war der Ärger natürlich groß. Zehn Minuten später dachte ich mir, okay, dann muss ich halt einen anderen Wein beschreiben. Aber eine weitere Stunde später hatte ich beschlossen, nein, der Wein darf jetzt nicht so wortlos untergehen. Ich werde darüber schreiben, auch wenn mir die Gelegenheit genommen wurde, ihn zu be-schreiben.
Help!
Was mich jetzt nach dieser Erfahrung am meisten interessiert: Ist euch so etwas auch schon einmal passiert? Oder sogar noch wichtiger für mich: Hat jemand von euch diesen Wein, nein, nicht aus meinem Keller gestohlen, sondern vielleicht tatsächlich noch bei sich liegen? Eventuell sogar in einer solchen Anzahl, dass ihr ein Fläschchen davon entbehren könntet? Oder wisst ihr, wo er noch zu bekommen ist?
Dann würde ich mich sehr freuen, wenn ihr euch bei mir melden würdet, auf dass die Verkostung doch noch stattfinden möge.
Kein Weintest also diesmal, aber wie sagen die Kölner so schön: Wer weiß, wofür et jot es…
Lieber Matze,
bei der allergrößten Wertschätzung, die ich Deinen Beiträgen sonst entgegenbringe, dieser hier ist leider vollständig missglückt. Beim Lesen wird eine große Erwartung aufgebaut, die dan zerplatzt wie eine Seifenblase. Das kannst Du besser.
Sorry und nichts für ungut.
Jo, kannst du so sehen, wenn du möchtest. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass ein Blog = Weblog gelegentlich auch tatsächlich einmal Elemente eines Tagesbuchs enthalten kann 😉 . Die Enttäuschung, die geplatzte Seifenblase, lag also erst einmal bei mir, denn es handelt sich ja nicht um eine erfundene Geschichte. Daran wollte ich euch teilhaben lassen. Nicht als taktischer Schachzug, sondern als real life experience.
Verstehe ich. Aber ich finde, dass die schlimmsten persönlichen Enttäuschungen, so man darüber öffentlich schreiben mag, die unterhaltsamsten Stücke für die Leser werden sollten. Du hast Deine eigene Enttäuschung an Deine Leser weitergegeben. Kann man natürlich machen. Nur ist das bei mir so angekommen, dass Du Deine Leser mit Vorsatz enttäuschst. Während Du selbst überraschend enttäuscht worden bist.
Das ist ein Unterschied, der Auswirkungen haben sollte, wenn Du schreibst.