Es gibt Veltliner, die sind leicht, haben aufdringliche Primärfrucht und das millionenmal zitierte “Pfefferl”. Es gibt auch solche, die dicht und botrytislastig daherkommen und selbst im Keller die Regale schwer zu Boden ziehen. Und dann gibt es so etwas wie diesen Wein hier, Johannes Zillingers Ried Kellerberg, bei dem er offenbar stark nachgedacht hat über das Wesen des Grünen Veltliners an sich.
Der Grüne Veltliner Ried Kellerberg Reflexion
Als Johannes Zillinger im Jahr 2012 den elterlichen Betrieb übernahm, hatte er gleich ein Problem am Hals, das andere vielleicht als Luxus abtun würden: Sein Vater Hans hatte bereits 30 Jahre lang biologisch gewirtschaftet, Pionierarbeit geleistet, darum gekämpft. Und schließlich die längst fällige Anerkennung erfahren.
Ich stelle mir eine solche Situation immer ein bisschen so vor, als wäre ich ein pubertierender Junge und wollte passend zur Lebensphase alles anders machen als meine Eltern. Aber die Eltern waren bereits in Woodstock dabei, hatten umfänglich gekifft, die abgefahrenste Musik gehört, die wildesten Freunde gehabt, mit Religionen experimentiert. Da hätte ich als Revolutionär nur eine einzige Chance, die Eltern wirklich zu schocken: Ich müsste der angepassteste Spießer der Welt werden.
Zum Glück hat Johannes’ Vater noch einige Extremgrade nach oben offengelassen, so dass der Sohn den Weg größtmöglicher Biederkeit nicht beschreiten musste, um etwas Neues zu schaffen. Vielmehr konnte Johannes dem Bio-Pionier-Gedanken noch ein paar weitere Nuancen hinzufügen: Er hat den Betrieb auf biodynamische Wirtschaftsweise umgestellt (zertifiziert Demeter), hat sich in Georgien fortgebildet, von dort Amphoren und Amphorenphilosophie mitgebracht, ein Solera-System aufgebaut. Und selbstverständlich erzeugt er mit alldem höchst individuelle Weine.
Das Sortiment beginnt bei der Velue-Linie, den noch halbwegs zahmen Ortsweinen. Dann folgt die Linie Reflexion, Lagenweine wie dieser Veltliner, die bereits teilweise in der Amphore vergoren wurden. Dann kommt die Linie Revolution (ha! doch!), Vins Naturels aus dem komplexen Solera-System. Und ganz oben folgt schließlich noch der Numen aus händisch ausgezupften Beeren.
Wie schmeckt der Wein?
Nachdem ich den Drehverschluss geöffnet, den Wein ins Glas habe gleiten lassen und ihn dann zum ersten Mal probiere, denke ich spontan: Ja, vielleicht ist genau das der Idealtyp eines Grünen Veltliners. Weshalb ich das denke? Weil ich mir den Idealtyp eines Grünen Veltliners immer so vorstelle, dass er hervorragend mit entsprechenden Speisen harmoniert. Die Österreicher – ich glaube, das darf ich als Deutscher sagen – haben weitaus mehr Sinn und Leidenschaft für gute Küche als ihre nordwestlichen Nachbarn. Insofern hat es mich immer ein bisschen gewundert, dass da gelegentlich zu solch klassischen Gerichten wie Backhendl oder Wiener Schnitzel Veltliner gereicht werden, die irgendwie nicht so richtig passen. Die entweder zu technisch-primärfruchtig oder zu wuchtig-barock sind, ich schrieb es weiter oben ja schon.
Dieser Wein ist genau das nicht. Er riecht noch ein bisschen nach Kellervorgängen, nach Streichholzkopf, was vermutlich der Tatsache geschuldet ist, dass es sich um den ganz jungen 2018er Jahrgang handelt. Frucht gibt es erst einmal keine. Im Mund ist die Frische spürbar bei mittlerer Säure. Dazu kommt eine leichtfüßige Art, die aber nicht schlaff ist, sondern enorm von dem Grip profitiert, den die Maischestandzeit mitbringt. Das schafft die Struktur, das Gerüst. Jetzt spüre ich auch eine feine Birnenfrucht. Der Wein bleibt aber weiterhin eher dezent, vollkommen trocken, mit Aromen feiner Wiesenkräuter. Ich notiere “exzellenter Speisenbegleiter“, oder nein, vielmehr “EXZELLENTER Speisenbegleiter” in Großbuchstaben. So kann Veltliner sein, so gefällt er mir.
Wo kann man ihn kaufen?
In der Linzer Gasse 51 kann man den Wein nicht kaufen, das ist ein leicht irreführendes Foto. Erstanden habe ich ihn aber tatsächlich nur ein paar Meter weiter in der einzigen denn’s-Bio-Supermarkt-Filiale in Salzburg. Völlig überraschend natürlich. In Deutschland kann ich mir kaum vorstellen, dass ein nicht-inhabergeführter Laden so einen Wein einlistet. Felix Austria halt.
Ich muss aber zugeben, dass ich mit diesem Wein schon einmal früher in Berührung gekommen bin. Der sehr geschätzte Kollege und Weinakademiker Branko Mucina hatte nämlich ein paar Weine von Johannes Zillinger zum Best of Bio mitgebracht. Die hatten wir dann gar nicht mal im Rahmen des Wettbewerbs, sondern vielmehr abends in trauter Runde probiert. Seitdem weiß ich, was man im Weinviertel so alles aus Grünem Veltliner machen kann, wenn man es nur fest genug will.
Kaufen kann man die Weine von Johannes Zillinger mittlerweile in aller Welt. Auf seiner Website hat er die Vertriebspartner nach “Österreich” und “International” aufgelistet. Da das Weingut 70% seiner Weine exportiert, ist die internationale Liste wirklich sehr interessant und zeigt ein bisschen, wie umfassend die Szene mittlerweile geworden ist. Zwei mir persönlich bekannte Shops in Deutschland sind auch dabei, nämlich Alex Zülchs Vins Vivants und Vinisüd in Erlangen. Bei beiden bekommt ihr den hier vorgestellten Grünen Veltliner Kellerberg für sehr angenehme 13,50 €. Wer sich an Solera und Numen wagen möchte, wird dort ebenfalls fündig.
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