Es gibt in der Weinwelt derzeit kaum etwas, das in seiner Kombination aus interessant, exotisch und schwer erhältlich den japanischen Wein toppen kann. Wohl wahr, ein Romanée-Conti ist teuer und eine Mikro-Cuvée aus dem Jura selten, und das ist japanischer Wein aus der Koshu-Traube beides nicht. Er ist sogar relativ leicht erhältlich – allerdings nur in Japan selbst. In Deutschland habe ich außerhalb der ProWein noch nie einen gesehen. Aber wer weiß, ob sich dank des neuen EU-Japan-Abkommens daran nicht bald etwas ändert. Vielleicht steht in Nordic Cuisine-Restaurants Koshu künftig in großer Auswahl auf der Karte. Für diesen Fall (oder auch den mindestens ebenso angenehmen, dass Ihr selbst nach Japan kommt) möchte ich hier schon einmal vorbereitend tätig sein. Ich habe nämlich sechs der interessantesten Koshus getestet.
Koshu ist – das hatte ich in meinem Vorab-Artikel schon geschrieben – die “nationale Rebsorte” Japans. Es handelt sich um eine dickschalige, spät reifende und dann wie ein Gewürztraminer zartrosa werdende Rebsorte. Oben habe ich die letzten Beeren fotografiert, die Anfang November in Yamanashi noch hingen. Mit diesen Eigenschaften hat sie sich dem feuchtheißen und eher sonnenarmen Sommerklima Japans gut angepasst. Erst im Oktober, wenn die Taifune vorbeigezogen sind und sich das milde Sonnenlicht auf das Land im Norden des Fuji legt, reift sie richtig aus. Wegen ihrer durchaus knackigen Säure kann man aus Koshu nicht nur trocken-herbe Weiße, sondern auch Schaumweine bereiten. Und das findet zunehmend statt. Wir wollen uns hier allerdings auf die klassischen Stillweine konzentrieren.
Ausflug nach Yamanashi
Katsunumabudokyo. Das ist möglicherweise nicht der kürzeste und auch nicht der am einfachsten zu merkende Name, den ein Bahnhof haben kann. Aber hier (etwa eineinhalb Stunden von Tokio entfernt mit einem einzigen Mal Umsteigen) bin ich definitiv am richtigen Ort, um die Heimat der Koshu-Weine kennenzulernen. In einer lockeren Wanderrunde geht es um den Budo no Oka herum, den “Hügel der Trauben”, und anschließend auch noch hinauf. Oben im Veranstaltungszentrum stelle ich fest, dass man fast alle Weine meines Tests kaufen kann – und noch viele mehr. Ohnehin stammt ein Großteil der Trauben dieser Weine aus dem Bereich, den ich von hier oben überblicken kann.
In Katsunuma werden fast alle Rebstöcke im traditionellen Pergolasystem erzogen. Unter dem Laubdach bieten sich manchmal überraschende Anblicke. Dieser Winzer setzt ausgewachsene Tiger gegen ungebetene Gäste und Traubenesser ein.
Was mich am meisten erstaunt, das ist die ungeheure Kleinteiligkeit. Die einzelnen Parzellen sind meist nicht länger als 50 Meter, und auch die Häuser wirken in aller Regel sehr bescheiden. Allerdings sind die meisten Bauern der Gegend auch lediglich Traubenlieferanten und keine selbst abfüllenden Winzer. Trotzdem komme ich immer wieder an kleinen Gehöften vorbei, die auf Schildern zur Verkostung einladen. Was Ihr auf dem Foto sehen könnt, ist übrigens die Lage Hishiyama, die wir beim Test gleich wiedertreffen werden.
Der große Koshu-Test
1. Grace Gris de Koshu 2017
Grace (oder auf Japanisch “Chuo Budoshu”) ist der vielleicht bedeutendste Weinproduzent Japans. Nicht so sehr der Menge wegen – sie bewirtschaften 14 ha selbst plus 10 ha Vertragsanbau – sondern der Qualität. Winzerin Ayana Misawa hat in Bordeaux studiert und sieht vielleicht auch durch ihre Welterfahrung einiges anders als viele Daheimgebliebene. Ich hatte das große Glück, sie vor einigen Jahren zu treffen und mit ihr zu den Weinbergen im Gebirge zu fahren. Das war, bevor sie berühmt wurde… Dieser Wein hier, der Gris de Koshu, ist im Grunde genommen ihre Einstiegscuvée. Allerdings kann Ayana vermutlich keine schlechten Weine machen, weshalb der Wein sowohl mehrfach den Decanter Gold Award bekommen hat als auch bei der “Japan Wine Competition” jedes Jahr unter den Top 5 gelandet ist. 15,55 € übrigens umgerechnet, das ist ein normaler Preis für eine Flasche Koshu.
Interessanterweise ist der Wein blassgelb und hat keinesfalls Gris-Anklänge von den Traubenschalen. Im Stahl ausgebaut ist dies auch ein ungemein stahliger Wein. Mineralisch in der Nase, auch floral, etwas Kamille, dazu ein wenig Litschi und Birne. Am Gaumen haben wir viel mehr Frucht als in der Nase, wenngleich der Wein (wie alle hier im Test) komplett trocken ist. Die Birne kommt stärker zum Tragen, die Säure ist hoch, der Wein wirkt kernig, schlank aber nicht mager und durchaus erfrischend. Ja, das ist ein sehr schöner Einstieg.
2. Soleil Koshu non barrique 2017
Bei diesem Wein musste ich ehrlich gesagt ein wenig recherchieren, denn es gibt lediglich japanische Schriftzeichen auf dem Etikett. Okay, bis auf das “non barrique”. Es handelt sich um den Soleil Koshu des Herstellers “Asahi Yoshi“. Dahinter verbirgt sich das Ehepaar Suzuki, das im Jahr 2002 eine alte Kooperative aufgekauft hatte. Die Traubenbauern liefern allerdings nach wie vor zu. Die Trauben dieses Weins stammen von Takao Ogawa, der sie aus der 0,69 ha großen Parzelle mit dem Namen “Shioyama Chino Yamado” holt. Der Wein wird nicht gefiltert und verbringt eine Zeit auf der Hefe, sur lie, ähnlich wie viele Muscadets. Sympathisch fand ich übrigens die übersetzte Weinbeschreibung des Winzers: “This is not a special wine made with complicated production method. It wants to make people feel relaxed with gentleness, instead of convincing people with strength.” Das Etikett gestaltete übrigens die Stickkünstlerin Misuzu Yamagishi.
Ein Diam 5-Kork begrüßt mich, während (bis auf den Gomi, der noch folgt) alle anderen Weine einen Schraubverschluss besitzen. Ich erinnere mich daran, was mir Machiko Ochi von der Coco Farm & Winery gesagt hatte: Es sei ziemlich schwierig, hier in Japan an qualitativ hochwertigen Kork zu kommen. So seien sie bei den Weinen eher ein bisschen aus der Not heraus auf Diam gekommen. Schrauber gingen vom Image her bislang eigentlich nur für frische Weiße. So einen habe ich hier vor mir, wobei leicht hefige Noten meine Nase umwehen, dazu wieder Kamille und Strohblume, irgendwie etwas Belegtes, keine Frucht, kalter Stein. Am Gaumen spürt man zunächst die sehr präsente Säure, dann grünen Apfel und etwas Birne. Ich fühle mich an einen wirklich ganz strengen Chablis erinnert. Ein sehr konsequenter Stil, das muss man mögen.
3. Sanyo Neko Koshu 2017
Habt Ihr schon einmal einen Wein ausschließlich wegen seines Etiketts ausgesucht? Ach so, das macht Ihr immer. Ich manchmal auch, denn als ich vor dem Regal im Yamanashi Antenna Shop in der Nähe des Tokioter Hauptbahnhofs stand, da sah ich mich 100 verschiedenen Koshus gegenüber. Und während die anderen Weine dieses Tests entweder Award-Gewinner waren oder Lieblingsweine von Weinhändlern in Tokio, hatte ich einen Platz noch frei für eine komplette Zufallsauswahl. Die Katze (= “Neko”) auf dem Etikett hatte es mir angetan; das ist jemand, so dachte ich mir, mit dem ich gern diese Flasche probieren würde. Das Weingut “Sanyo Jozo” ist das älteste der Gegend und befindet sich in Makioka, nicht weit von meinem Spazierweg entfernt. Der Name des Weinguts geht übrigens auf ein chinesisches Gedicht aus der Tang-Zeit zurück. Dort heißt es übersetzt: “Lasst uns ein gutes Leben haben und köstlichen Wein trinken!” Genau das macht Neko-san offenbar.
In der Nase spüre ich eine feinfruchtige Note, Ananas, Birne, weißer Pfirsich, dazu etwas Weißdorn, insgesamt eine südlichere Art und mehr Weichheit als bei den bisherigen Koshus. Am Gaumen setzt sich dieser Eindruck fort. Die Säure ist nicht ganz so krass und vor allem fruchtiger angelegt, weiter Ananas, weißer Pfirsich, eine leichte Bitterkeit, Zitronenschale, Verbena, hinten ganz trocken. Kein schlechter Kauf, würde ich sagen, das ist wirklich ein frischer, fruchtiger, angenehmer Tropfen. Falls ich übrigens noch nichts zum Alkohol gesagt hatte: Der bewegte sich bei allen Flaschen zwischen 11,0 und 12,5 vol%, also im angenehm leichten Bereich.
4. Lumière Koshu sur lie 2016
Lumière ist eines der doch eher wenigen Weingüter in Japan, das nicht nur über eine teilweise englischsprachige Website verfügt, sondern sogar geführte Touren durch die Weinberge auf Englisch anbietet. Das Weingut existiert seit 1885, also seit der Meiji-Zeit, und besitzt derzeit 3 ha selbst bewirtschaftete Reben und Zulieferungen von weiteren 27 ha. Ähnlich wie Grace exportieren sie ihre Weine auch nach Großbritannien. Ihr könnt also auch in London an Lumière-Weine kommen (bei Amathus, während es Grace bei Novel gibt). Mit knapp 14 € vor Ort war dies die günstigste Flasche im Test, darüber hinaus der einzige 2016er (alles andere waren 2017er). Ich hatte ihn in einer Filiale der Gesundheitskette Miuraya erstanden. Das ist der Ort, an dem Ihr auch geröstete und gesalzene Ginkgo-Nüsse bekommen könnt – nur falls Euch ähnlich wie mir öfter danach sein sollte…
Farblich haben wir hier eindeutig den dunkelsten Vertreter vor uns. Das geht nach WSET-Diktion fast in Richtung “medium lemon”, während alle anderen Weine definitiv “pale” waren. Ganz erstaunliche Nase dafür, wie ein Federweißer. Der Wein ist immer noch wahnsinnig hefig, Traube kommt dazu und grüner Apfel. Den erkennt man blind sehr gut, sage ich mir. Am Gaumen ist der Wein sehr apfelig, hefig, ganz leicht laktisch, hinten überraschend mit Pfeffer und etwas Adstringenz. Im Säurebereich liegen wir hier etwas unter den anderen Weinen, er könnte teilweise den biologischen Säureabbau hinter sich haben. Eine durchaus individuelle Interpretation.
5. Gomi Koshu 2017
Die Jungs von Gomi, so der Chef des Cave de Re-Lax in Tokio, sind wahrhaftige Weinverrückte. Man könne sich nie so ganz sicher sein, was sie als nächstes planen. Hier haben sie reife Koshu-Trauben, von denen sie annahmen, dass sie es vertragen können, für eine Zeit ins neue Barrique gelegt. Mit 12,5 vol% haben wir hier konsequenterweise den kräftigsten Wein vor uns. Der Diam 10-Verschluss deutet auch darauf hin, dass die Gomi-Leute sich eine längere Lagerzeit vorstellen können. All das ist ziemlich ungewöhnlich für Koshu. Gomi ist nur ein kleiner Betrieb, der nach eigenen Angaben fast familiäre Beziehungen zu seinen Kunden unterhält. Vielleicht trägt zu diesem Ambiente auch die Lage des Weinguts bei: “in der Mitte zwischen dem Keirin-Tempel und dem Hoko-Tempel”.
Oh ja, das ist Holz! In der Nase viel Vanille nach dem ersten Öffnen, dazu Bratapfel und etwas Laktisches. In der Tat, dies ist ein Wein, den man besser noch etwas länger hätte lagern sollen. Im Mund bleiben dieselben Aromen präsent: Bratapfel, Birne, Muskatnuss, Vanille, ordentlich Würze hinten vom Holz, das den Fruchtcharakter überlagert. Allerdings wirkt der Wein auch richtig wertig, also mit nicht zu magerem Körper und gut eingebundener Säure. Eine ganz andere Welt auf jeden Fall als die anderen Weine hier im Test. Geschätzte 95% der Weintester würden diesem Wein die höchste Punktzahl geben, auch wenn uns allen klar ist, dass der (eigentlich stahlig-strenge) Charakter der Koshu-Traube durch den Ausbau stark verändert wurde. Schon wieder eine individuelle Interpretation, aber ganz anders. Der Test beginnt richtig Spaß zu machen.
6. Grace Hishiyama 2017
Zum Schluss noch der teuerste Wein des ganzen Tests, 25,92 € beim Cave de Re-Lax, aber auch überall anders. Die Preise für Grace-Weine sind in allen Läden gleich (soweit ich das richtig überblickt habe). Eigentlich wollte ich keinen zweiten Koshu von einem Hersteller haben, der hier schon vertreten ist. Aber ähnlich wie bei dem wegen des Etiketts frei gewählten Neko-Wein hatte ich hier den Re-Lax-Man gefragt, was denn sein persönlicher Lieblingswein sei (nachdem er mir einige vorgestellt hatte, die “vielen Kunden gut gefallen”). Jenen wollte ich auf jeden Fall dabei haben, sagte ich ihm. Da zog er den Hishiyama aus dem Regal. Warum? “Weil er so zart ist, so mineralisch. Das ist genau mein Stil.” Hishiyama, so schreibt Ayana auf der Website, sei mit seinen vielen kleinen Bächen ein etwas schwieriges Terrain, aber die Trauben seien in der Regel schön balanciert. Alles wird in Stahl vergoren und ausgebaut.
In der Nase haben wir hier einen extrem puren Wein vor uns. Holunderblüte, etwas Birne, ein bisschen Heu, aber alles ganz zart und sehr schwer zu fassen. Beim Probieren schreibe ich original folgende Sätze in mein Heft: “Deshalb verstehen wir Japan nicht: Wie kann dieser Wein nach unserem (noch mehr: US-amerikanischem) System hochwertiger sein, wo er doch wahnsinnig spröde, fruchtfrei, neutral ist, komplett ‘schüchtern’? Weniger Alkohol, weniger Expressivität?” Ich erinnere mich daran, dass ich Ayana seinerzeit gefragt hatte, ob sie denn ein stilistisches Vorbild habe beim Weinmachen. “Ja”, sagte sie, “Egon Müller”. Natürlich haben wir es hier mit einem vollkommen trockenen Wein zu tun, aber dieses Schwebende, Leise und dennoch Nachhaltige (der Wein besitzt ein sicheres Reifepotenzial) erinnert mich tatsächlich an die helle Saar. Ein Wein im Pianissimo. Einer, den man suchen und schätzen muss, denn ansonsten geht er im Konzert der Lautsprecher unter.
Weinfazit
Spannend. Hugh Johnson schreibt in seinem 2019er Pocket Wine Book über japanische Weine, “Koshu has become the darling of writers, sommeliers”, obwohl es sich doch eigentlich um eine Rebsorte handele, aus der man in aller Regel lediglich frische und harmlose Weine bereite. Ja, natürlich. Koshu hat selbst keine hervorstechenden Aromen wie Riesling oder Sauvignon Blanc, die zu unverwechselbaren Weinen führen. Oft habe ich mich an Muscadet (also Melon de Bourgogne als Traube) erinnert gefühlt, manchmal auch an einen nördlichen Chardonnay.
Die Koshus aus Japan sind – so viel lässt sich vermutlich sagen – immer leicht im Alkohol, immer sehr trocken und in aller Regel eher spröde in der Frucht. Wer diese Attribute für schlecht hält, wird keinen Koshu-Wein mögen. Interessanterweise interpretieren die beiden fraglos hochwertigsten Koshus dieses Tests, nämlich der Gomi und der Grace Hishiyama, diese natürlichen Gegebenheiten komplett unterschiedlich. Während der Gomi ganz klar auf eine burgundische Note setzt, gefällt sich der Hishiyama darin, noch zarter zu sein, als es Koshu ohnehin schon ist. Wunderbare Voraussetzungen, um über stilistische Präferenzen zu diskutieren, über “the world as we know it”, und – wenn der Abend länger wird – über den Sinn und Unsinn von Werturteilen ganz allgemein. Über den Sinn des Lebens, die Weltformel, den Gottesbeweis. Aber halt, dabei wollen wir ja auch etwas essen, und deshalb habe ich die sechs Weine noch einmal herausgeholt.
Kontext-Test: Nigiri Sushi
Wie heißt es oft so schön: Lokale Weine harmonieren mit lokaler Küche. Weil sie gemeinsam entwickelt worden sind, ihre Aromen aufeinander abgestimmt haben im jahrhundertelangen Ringen. Deshalb passt Lambrusco zu Mortadella, Muscadet zu Austern, Burgunder zu Bresse-Huhn und Mosel-Riesling zu Mosel- …äh, Matjes. Weil die japanische Küche in Wirklichkeit ungeheuer vielseitig ist, passt Koshu natürlich nicht per se zu “japanischer Küche”. Aber, darauf weisen die Winzer selbst gern hin, zu Sushi und Sashimi sollte Koshu funktionieren. Um die Probe aufs Exempel zu machen, habe ich zwei sehr unterschiedliche Arten von Nigiri Sushi besorgt.
Zum einen ist das links auf dem Foto Hotate, also Jakobsmuschel, eine gleichzeitig sehr zarte und fein süßliche Variante. Rechts auf dem Foto seht Ihr Aji. Das ist die Japanische Stachelmakrele, ein relativ fetter Fisch, noch dazu mit Schnittlauch sehr herzhaft angerichtet. Aber in Japan enorm beliebt, Aji gibt es überall. Was sagen also unsere Weine zu diesen Speisen?
Der Gris de Koshu und der Soleil besitzen eigentlich beide zu viel Säure. Mit Jakobsmuschel harmoniert das überhaupt nicht, zur gehaltvolleren Aji kann sich zumindest der Gris gut in Szene setzen. Der Neko ist zur Hotate neutral und sauber, aber keine Offenbarung. Aji geht da schon viel besser, weil sich die pungency auf beiden Seiten trifft. Beim Lumière sieht es genau umgekehrt aus: zu flach, hefig und säurearm für Aji, zu Hotate jedoch erstaunlich gut. Der Wein bekommt eine Würze und Viskosität, die er solo nie hatte. Der Gomi mit der Holznote ist selbstverständlich Gift für die feine Hotate. Bei Aji scheiden sich dann die Geister: machbar, aber crazy. Und schließlich der Hishiyama. Herrlich zu Hotate, dieselbe Wellenlänge, das erinnert an feinen Sake. Für Aji ist der Wein hingegen zu distinguiert. Nicht unharmonisch, aber aromatechnisch fließt der Wein runter wie Wasser.
Und noch ein Fazit
Es überrascht nicht vollkommen, aber wenn es um die Speisenbegleitung geht, würde man die Punkte oft ganz anders vergeben müssen als beim Solo-Test. Der Lumière war solo vielleicht der schwächste Wein, ratsch, 83 Punkte. Aber zur edlen Jakobsmuschel blüht er auf. Beim ebenso hochwertigen wie holzwürzigen Gomi müsste ich hingegen länger überlegen, zu welchem Essen ich ihn (im jetzigen Zustand) überhaupt auftischen würde.
Dass solche Überlegungen weder bei Parker noch beim Decanter noch beim Gault Millau noch beim Falstaff eine Rolle spielen – und noch nie gespielt haben… das finde ich zumindest erstaunlich. Jedenfalls wenn man Wein als einen Teil der kulinarischen Welt betrachtet.
Die Japaner hatten sich in der Vergangenheit hingegen immer sehr stark von Harmonie- und Komplementaritätsgedanken leiten lassen. Nur so ist es vielleicht zu erklären, dass es einen Wein wie den Hishiyama überhaupt gibt – oder zumindest mit dieser Rezeption.
Was die Rebsorte Koshu anbelangt, hat mir der Test zwar vor Augen geführt, dass je nach Ansatz durchaus unterschiedliche Weine daraus bereitet werden können. Ob das genügt, um die Nische zu verlassen, da bin ich mir nicht sicher. Andererseits wird der reine (und meinetwegen noch gehypte) Exotenstatus den Weinen auch nicht gerecht. Um zu erahnen, was da warum gemacht wird und wie sich das in den Kanon der japanischen Essphilosophie einordnet, muss man vermutlich wirklich nach Japan kommen. Mehr als eine Ahnung von Japan habe ich übrigens auch nach acht längeren Besuchen noch nicht. Aber für Euch, ich schrieb es ja weiter oben, sollte – falls noch nicht geschehen – 2019 doch ein gutes Besuchsjahr sein. Hey, wir werden alle nicht jünger. Und Koshu in Yamanashi, im Hintergrund schneebedeckte Berge, das gehört doch irgendwie auf die Agenda…
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