Die besten Weine Frankreichs

1-titelEine kleine Warnung vielleicht vorweg: Dies ist wieder mal ein nerdiger Artikel, der wahrscheinlich primär die Fachbesucher/innen dieses Blogs interessieren dürfte. Ganz in eins durchlesen werden aber auch sie ihn nicht, aber ich mache so etwas auch eher für mich zum Reflektieren und für Euch zum Nachschlagen. Es geht hier viel um Namen und Punkte und Preise, und ich werde tatsächlich alle französischen Anbauregionen nacheinander abklappern. Grundlage für diesen Rundumschlag ist die 2017er Ausgabe des „Guide Vert“ der Revue du Vin de France.

Jener tritt mit dem in der Überschrift formulierten, vielleicht minimal unbescheidenen Anspruch an und wird ihm irgendwie auch gerecht. Es werden dort auf guten 800 Seiten nicht weniger als 1.120 Weingüter gelistet, 6.592 Weine beschrieben und bepunktet, die meisten davon aus den Jahrgängen 2014 und 2015. Wie soll man sich in dieser verwirrend vielfältigen französischen Weinwelt bloß orientieren? Wahrscheinlich nur, indem man tatsächlich die Regionen alle anschaut, die angesehensten Weingüter nennt sowie die Neuigkeiten des letzten Jahres, nebst ein paar persönlichen Bemerkungen meinerseits, welche Weine mir in der jeweiligen Region besonders aufgefallen sind. Und falls Nachfragen kommen sollten: Ja, mir macht sowas wirklich Spaß.

Also: Quoi de neuf?

2-landschaft-elsassZunächst einmal sind ein paar formelle Dinge neu: „Altstar“ Antoine Gerbelle ist schon seit Anfang des Jahres nicht mehr im Team dabei, neu dafür Christian Martray, Sommelier seit fast 30 Jahren und entsprechend erfahren, und Axel Marchal, promoviert in Bordeaux beim leider dieses Jahr verstorbenen Denis Dubourdieu, ein Wein-Wissenschaftler also. Zusammen mit den sieben verbliebenen Co-Autoren sind das dann insgesamt neun Namen auf dem Buchrücken, eine bunte Mischung der Ausbildungen und Berufswege. Leider gibt es weiterhin nur eine Frau darunter, die Elsässerin Caroline Furstoss, aber das dürfte in Frankreich nicht anders sein als in fast allen anderen Ländern der Welt.

Neu ist weiterhin, dass sich das Team bei jedem Weingut einen so bezeichneten „Coup de l’année“ ausgesucht hat, eine Art Lieblingswein, der dann auch gesondert und etwas ausführlicher beschrieben wird. Gerade bei Weingütern, die sehr viele Weine eingereicht haben und deren einzelne Produkte im Fließtext ein wenig untergehen, scheint mir das eine gute Maßnahme zu sein. Punkte ohne Beschreibungen sind nun einmal grässlich und werden dem Wein als Natur- und Kulturprodukt einfach nicht gerecht. Insofern: Daumen hoch schon einmal an dieser Stelle.

Ansonsten ist aber alles so geblieben wie bisher: Weingüter können maximal mit drei Sternen bewertet werden und zwischen den Kategorien auf- und absteigen. In diesem Jahr haben elf Weingüter den Aufstieg in die höchste Kategorie geschafft, alles keine Unbekannten, aber dazu komme ich später noch. 62 Weingüter sind ganz neu in den Guide aufgenommen worden. Natürlich gab es auch Absteiger und Rausflieger, aber über deren Zahl sprechen die Autoren nicht. Einige wenige renommierte Weingüter wollten nicht mitmachen beim Einschicken und Bepunkten lassen, das Château de Beaucastel in Châteauneuf zum Beispiel, die Domaine de la Grange des Pères im Languedoc oder die Domaine du Clos des Fées im Roussillon.

Wie waren die letzten Jahrgänge in Frankreich?

3-auswahl-weineIch schrieb ja schon, dass es in dieser Guide-Ausgabe primär um Weine aus den Jahrgängen 2014 und 2015 geht. Genauer: Die 2014er sind in der Regel rot, die 2015er in der Regel weiß. Ausnahmen gibt es vor allem dort, wo auch die Weißen später auf den Markt kommen, beispielsweise im Burgund. Eine traditionelle Ausnahme ist auch immer Bordeaux, das selbstverständlich mit den 2015er Primeur-Ergebnissen präsent ist.

2014 war summa summarum ein ziemlich anständiges Jahr in Frankreich, teils mit ein bisschen zu geringen Erträgen, teils auch nicht gerade einfach zu handhaben, bezüglich der Qualität der Ergebnisse aber recht überzeugend. In den meisten Regionen wurden dabei eher leichtere Weine produziert im Sinne des Alkoholgehalts, die aber dennoch nicht grün, sondern eher sehnig daherkommen. Das ist ein Jahrgang, der den Finesse-Trinkern gefallen dürfte. Im weißen Burgund und an der Loire für Weiß wie für Rot scheinen dabei die besten Resultate herausgekommen zu sein.

2015 gilt dagegen – so wie alle warmen Jahrgänge – zumindest jetzt noch als der hochwertigere, reifere, saftigere, üppigere Jahrgang. Der Alkoholgehalt ist praktisch überall höher als 2014, aber die Hitze hat insbesondere bei den Weißweinen zu bestimmten Aromaprofilen geführt, die auf längere Sicht vielleicht nicht jedem gefallen. Die Rotweine dürften sich dagegen besser geschlagen haben. Bordeaux vermeldet den stärksten Jahrgang seit 2010 (okay, so schwierig war das auch nicht), Ähnliches gilt für die Rhône und das Beaujolais. So unterschiedlich die beiden letzten Jahrgänge also sind, ergänzen sie sich ziemlich gut. Nach den drei eher schwierigen Jahrgängen 2011, 2012 und 2013 sind das wirklich schöne Aussichten.

4-traubeWas mir bei dieser Ausgabe besonders aufgefallen ist, das ist die Auswahl der Neueinsteiger in den Guide. 62 Weingüter sind neu dabei, und anders als vor ein paar Jahren handelt es sich dabei praktisch überhaupt nicht um solche mit „extremeren” Ansätzen, sondern um solide Handwerker. Einerseits gibt es für neue „Vins de France“ mit wilden Etiketten und ohne Schwefelzusatz in Frankreich mittlerweile ein paar „tätowiertere“ Zeitschriften, die sich eher an eine jüngere Klientel und an experimentierfreudige Sommeliers richten (wie „Omnivore“, „180°C“ oder Veranstaltungen wie die „Dive Bouteille“ oder auch einschlägige Blogs wie die von Olif oder Bertrand Celce).

Andererseits hatte ich schon vor einiger Zeit in der RVF ein paar kritische Leserbriefe wahrgenommen von offenbar älteren, konservativeren Leser/innen, die sich über „diese neumodischen Tendenzen“ beschwerten. Nun kann man den Guide Vert-Journalisten zwar nicht vorwerfen, dass ihre Weinbewertung insbesondere in den unbekannteren Regionen besonders konservativ wäre, aber Winzer vom Schlage eines Yvon Métras oder Gilles Azzoni sind (vorerst) weiterhin nicht im Buch dabei.

Aber kommen wir zu den einzelnen Regionen, die ich in der Reihenfolge des Buches abhandeln möchte. Die Fotos, Ihr werdet es merken, passen manchmal ganz hervorragend zum Text (das betrifft die Landschaften), manchmal aber auch nur mäßig (das betrifft die Weine). Ich hatte aber leider nicht alle aktuellen französischen Punktesieger vorrätig und habe deshalb aus meinem Fundus diejenigen herausgesucht, die mit ihren aktuellen Jahrgängen ebenfalls sehr gut bewertet worden sind.

Alsace

5-alsaceViel Neues gibt es aus dem Elsass nicht zu vermelden. 2013 war ein eher schwieriger Jahrgang, der – wie möglicherweise auch in Deutschland – ein paar Probleme mit der vorzeitigen Alterung der Weine haben dürfte. 2014 gestaltete sich da besser, aber auch nicht wirklich überragend. Die am höchsten bewerteten Weingüter sind weiterhin Boxler, Deiss, Mann, Ostertag, Weinbach und Zind-Humbrecht. Die meisten Punkte, nämlich 18,5, gibt es für Jean Boxlers 2014er Riesling Grand Cru Sommerberg D (mittlerweile auch schon 64 €) und Catherine Fallers 2014er Riesling Grand Cru Schlossberg Sainte-Catherine (44 € ab Hof).

6-boxlerDie überraschendste Sache des letzten Jahres war vielleicht der Verkauf des hoch angesehenen Weinguts Martin Schaetzel an den Industriellen Marc Rinaldi. Jean Schaetzel ist zwar weiterhin mit an Bord, ansonsten hat sich aber fast alles geändert. Im Weinberg sorgt Christophe Ehrhart (Ex-Josmeyer) für die biodynamische Pflege, und das Weingut heißt jetzt offiziell „Martin Schaetzel by Kirrenbourg“ (kein Witz) nach der bekannten Parzelle im Grand Cru Schlossberg. Ohnehin gibt es einen gewissen Backlash gegenüber der Praxis der seinerzeit allzu großzügig bezeichneten Grands Crus: Martin Schaetzels Spitzenriesling „Schlossberg K“ (= Kirrenbourg), Jean Boxlers „Sommerberg D“ (= Dudenstein) oder „E“ (= Eckberg), die besten Pinot Noirs mit ihren Buchstabenbezeichnungen (weil es ja offiziell keinen Pinot Noir Grand Cru geben darf im Elsass), alles das deutet darauf hin, dass man hier vielleicht mal wieder eine kleine Reform des Bezeichnungsrechts starten sollte.

Beaujolais

7-beaujolaisVielleicht der Gewinner dieser Ausgabe – und auch der nächsten, denn der 2015er Jahrgang scheint dort außergewöhnlich gut geworden zu sein. Aber das Beaujolais hat auch viele Jahre darunter leiden müssen, aus winzigen Parzellen Weine auf den Markt bringen zu müssen, die sich über 5 € nicht mehr verkaufen ließen. Das Billig-Image war schuld, dabei schien es doch in den 70ern so eine gute Idee zu sein, jetzt ganz auf den Kult des „Beaujolais Nouveau“ zu setzen…

8-boulandDrei-Sterne-Weingüter gibt es hier weiterhin nicht, aber gleich fünf Neueinsteiger – und mit dem 2014er Morgon Côte du Py vom Weingut Louis-Claude Desvignes den (soweit ich mich erinnern kann) mit 19 Punkten höchst bewertetsten Beaujolais-Wein jemals. Aber dieser Wein entstammt auch einem ganz anderen Ansatz als die Beaujolais Nouveaux: jede Parzelle separat vinifiziert und dann zwei Winter lang im Holzfass ausgebaut. Natürlich ist ein solch traditioneller Roter nicht für den schnellen Konsum gedacht, und der Guide weist zusätzlich darauf hin, dass man wenn möglich doch bitte mal den 1976er oder den 1991er des Weinguts probieren möge, um eine Vorstellung davon zu haben, wie ein großer, gereifter Gamay schmecken kann. 17 € kostet der Morgon ab Hof, auch das ist zwar weiterhin lächerlich wenig im Konzert der großen Weine, für das Beaujolais aber ein klarer Fingerzeig. Auf diesem Weg machen mittlerweile einige mit. Ich würde deshalb so weit gehen zu behaupten, wer die dunkelbeerigen Burgunder à la Nuits-St-Georges liebt, der sollte doch schleunigst mal ins Beaujolais schauen. Nicht weil die genauso schmecken würden, aber sie besitzen irgendwie eine ähnliche Seele.

Bordeaux

9-bordeaux-yquemBordeaux ist froh, was sich mit sehr viel gutem Willen auch reimt. Nachdem es jahrgangsmäßig seit 2010 jedes Jahr ein Schrittchen weiter nach unten gegangen war, konnte 2014 diesen Trend aufhalten, und 2015 verspricht sogar ziemlich gut zu werden. Stilistisch ist 2014 eher der kernige und 2015 eher der saftige Typus angesagt, ich schrieb es ja schon. Dennoch hielten sich die Verkoster bei ihren Punkten noch ein bisschen zurück und verfielen nicht in den „Jahrgang des Jahrhunderts“-Jubel. Kein einziger Wein wurde mit 20 Punkten bewertet – aber einige waren zugegebenermaßen ziemlich nah dran. 19,5 Punkte bei der 2015er Primeurprobe erhielten Pétrus (Pomerol), Ausone (St-Emilion), Margaux (Médoc) und Mission Haut-Brion (Graves), womit dann alle vier Anbauzonen bedacht worden wären.

10-petrusEchte Überraschungen bleiben Mangelware im Bordelais. Im Médoc, zugegebenermaßen ohnehin reichhaltig bestückt mit klassifizierten Gütern, gab es beispielsweise wieder einmal keinen einzigen Neueinstieg. Nach solchen muss man eher in den Randbereichen suchen. Wenn es um richtig spektakuläre neue(re) Weine geht, muss ich an dieser Stelle noch einmal das Beispiel von „Liber Pater“ aus Podensac/Graves nennen. Die Weine von Loïc und Alona Pasquet werden nämlich für 3.000 € die Flasche verkauft, „un prix prohibitif“, wie die Autoren mit Recht verkünden. Natürlich gibt es Menschen, für die 3.000 € ein Taschengeld sind, eine Pétitesse, nur neigen solche Menschen meist dazu, entsprechend prestigeträchtige Weine zu kaufen, und das ist der Wein der Pasquets (noch) nicht. Die Idee dahinter ist allerdings eine besondere, nämlich einen Bordeaux aus der Zeit vor der Reblaus zu erzeugen, wurzelecht, ultradicht bestockt, mit Pferde- und Menschenkraft, biodynamisch (oder anverwandt), also reine Handarbeit. Dazu hat Loïc Pasquet Stöcke fast ausgestorbener Rebsorten gesetzt, wie sie damals im Bordelais üblich waren: Castet, Mancin, Saint-Macaire beispielsweise, auch mir gänzlich unbekannt.

11-haut-brionVor einigen Monaten hatten extrem missliebige Zeitgenossen diese Stöcke in einer Nacht-und-Nebel-Aktion allerdings wieder herausgerissen, ein Akt der Barbarei, des Neids und irgendwie auch Symbol einer kompletten Ratlosigkeit, was man mit einem solchen Projekt anfangen sollte. Ich nehme mal an, dass ich in meinem Leben auch nie eine Flasche „Liber Pater“ trinken werde, aber ich finde es großartig, dass es so etwas gibt. Dass da jemand versucht, in jeglicher Hinsicht die Extreme auszuloten. Der Guide gibt übrigens 19 Punkte für den Wein, dem Weingut selbst allerdings auch im zehnten Jahr seines Bestehens keinen Stern. Auch ein Zeichen von Ambivalenz bis hin zur Ratlosigkeit.

Bourgogne

12-bourgogne-dugat-py-coche-duryFür Menschen, die sich gern einen gewissen Überblick verschaffen möchten, hatte besonders der Burgund-Abschnitt des Guide in den letzten Jahren zunehmend darunter gelitten, dass die Winzer keine Preise mehr für ihre Weine genannt hatten. Das ist in dieser Ausgabe komplett anders: Die Winzer sollten, wenn sie die Ab-Hof-Preise nicht wissen oder sagen wollen, den Preis für ihre Weine nennen, mit denen sie bei Händlern oder auf Internet-Seiten gelistet sind – jeweils für Endverbraucher. In einigen Bereichen hat das zu ein bisschen zweifelhaften Angaben geführt, in anderen war es jedoch ziemlich erhellend: Der Preisanstieg im Burgund, und das betrifft beileibe nicht nur die Grands Crus, ist beispielsweise in den letzten Jahren phänomenal gewesen. Gute Weine gibt es in größerer Zahl, wirklich günstige Weine jedoch kaum noch.

13-leroyVon den 16 Weinen, die im Guide 2017 mit jeweils 20 Punkten bedacht wurden, kommen allein 14 aus dem Burgund. Sechsmal Leroy (Côte de Nuits), viermal Auvenay (Côte de Beaune), zweimal Dugat-Py, je einmal Coche-Dury und Romanée-Conti. Das beste Preis-Punkte-Verhältnis in dieser Liga hat vermutlich der 2014er Chambertin-Clos de Bèze Grand Cru von Martin Bart: 19,5 Punkte für 95 €. Ohnehin, bei genauerem Hinsehen gibt es sie doch, die wahrhaft „PreisWerten“ Weine. Die Domaine Bart ist dabei auch ein ganz heißer Kandidat für das beste Gesamtwerk: die Marsannays zwischen 13 und 15 €, der Fixin für 18 €, und alles bereits sehr gut – und sehr klassisch. Etwas weiter südlich im Chalonnais haben die Tester bei François Lumpp fantastische rote Givrys vorgefunden. Der nach der Einzellage, aber doch irgendwie seltsam bezeichnete 2014er Premier Cru „A Vigne Rouge“ zum Beispiel war den Experten 17,5 Punkte bei 25 € wert: reif, seidig und frisch gleichzeitig.

Champagne

14-champagneIn der Champagne ist durch den längeren Ausbau ja nie der woanders aktuelle Jahrgang im Angebot, sondern in verschiedenen Cuvées verschiedene Jahrgänge von 2002 bis 2012. Immer etwas schwierig zu vergleichen. Die meisten Punkte, nämlich 19,5, gibt es dabei für einen das-Gegenteil-von-Außenseiter: den 2002er Jahrgangschampagner von Krug. Auch ansonsten stehen die altbekannten Namen ganz vorn: Agrapart, Bollinger, Egly-Ouriet, Jacquesson, Krug, Pol Roger, Roederer, Salon und Selosse.

15-selosseAufsteiger in die Zwei-Sterne-Kategorie ist dieses Jahr Pascal Doquet, von dem den Testern eigentlich alle Weine gefallen haben, am besten aber der langnamige 2005er Mesnil-sur-Oger Grand Cru Coeur de Terroir Brut Blanc de Blancs (18 Punkte, 56 €). Weshalb die Weine so gut sind, ist primär der Aufmerksamkeit des Winzers geschuldet, die sich an einigen lapidar hintereinander aufgelisteten Maßnahmen ablesen lässt: weniger als 9 ha, das meiste in exzellenten Lagen, bio seit 2007, Spontangärung, gebrauchte Fässer, geringe Dosage. Also im Grunde das, was man sich bei einem richtigen Winzer-Champagner wünscht. Echte Alltagsgetränke sind das natürlich nicht, aber nun, es muss ja auch nicht immer Alltag sein. Falls Ihr übrigens mal nach einem richtig hochwertigen Rotwein aus der Champagne sucht, der mit den besten Côte de Nuits-Repräsentanten mithalten kann, da gäbe es den Ambonnay Les Grandes Côtes von Francis Egly. Ich habe mir tatsächlich eine Flasche davon gekauft – aber die lagert erst einmal im Keller.

Corse

16-corseZusammen mit dem Beaujolais einer der beiden Regionalgewinner dieser Ausgabe. Und auch der nächsten, wie ich annehme, denn eigentlich ist 2015 auf Korsika noch besser geworden als 2014. Lange Jahre hat sich auf der einerseits touristischen, andererseits stockkonservativen Insel weinmäßig nicht so wahnsinnig viel getan, aber mittlerweile gibt es ein paar sehr bewusst agierende Winzer, die ganz tief zu den Wurzeln der korsischen Weinkultur zurückgehen. Alte Sorten werden wiederbelebt, bei den Roten beispielsweise der Carcajolu (oder Carcaghjolu) Neru, bei den Weißen der Biancu Gentile, und es gibt noch viele andere. Zusammen mit dem individuellen Ansatz der Spitzenwinzer bedeutet das, dass viele der besten korsischen Weine als „Vins de France“ auf den Markt kommen, weil sie den engen Statuten der Appellationen nicht mehr entsprechen. Diese interne Dynamik kann man auch daran erkennen, dass Jean-Charles Abbatucci in diesem Jahr als erstes korsisches Gut die drei Sterne erhielt, Yves Leccia (E Croce) den zweiten Stern, Giudicelli, Antoine-Marie Arena und Jean-Baptiste Arena jeweils den ersten – und das bei insgesamt nur 16 gelisteten Domänen.

17-canarelliIch hatte das Glück, den extrem raren weißen „Tarra d’Orasi“ von Yves Canarelli zu erstehen, einen gemischten Satz mit Reben aus der Vor-Reblaus-Zeit. In diesem Jahr wurde die Mikrocuvée gar nicht mehr für den Guide angestellt, die paar Flaschen sind ja eh fast nicht zu kaufen. Die meisten Punkte (18) gab es für drei Rotweine: die Patrimonios von Antoine-Marie Arena (Carco 2014, 18 €) und Jean-Baptiste Arena (Grotte di Sole 2014, 17 €) und das immerwährende Korsen-Flaggschiff, den Ministre Impérial 2014 von Jean-Charles Abbatucci. Vin de France, 6.000 Flaschen, biodynamisch, und das aus den folgenden Rebsorten: Sciaccarello, Nielluccio, Morescola, Morescono, Montanaccia, Carcajolo Nero und Aléatico. Also irgendwie habe ich das Gefühl, dass es langsam mal Zeit wird, diese Insel aufzusuchen.

Jura

18-juraDas mit dem Aufsuchen habe ich dieses Jahr im Jura ja schon geschafft. Hier ein kleiner Artikel über meine Wein-Entdeckungen dort. Ansonsten waren die letzten Jahrgänge im Jura alle schwierig mit enorm geringen Erträgen. Außer 2015, und das besonders für die Roten, denen man schon mit positiver Spannung entgegenblicken kann. Dass es im Jura etliche höchst individuelle und authentische Weine gibt, auch über den Vin Jaune hinaus, hat sich mittlerweile in Fachkreisen herumgesprochen. Aber ein echtes Massengeschäft wird sich nie daraus entwickeln können. Drei Weingüter werden mit jeweils drei Sternen ganz vorn gelistet: Macle, Tissot (Stéphane & Bénédicte; es gibt mehrere Tissots dort) und Puffeney, wobei Jacques Puffeney himself ja mit dem 2014er seinen letzten Jahrgang vinifiziert hat. Das Weingut wurde an die Herren von Angerville aus dem Burgund verkauft.

19-ganevatDie am höchsten bewerteten Weine (19 Punkte) kommen diesmal allerdings von den beiden Zweistern-Gütern, aber auch die sind ja nicht von schlechten Eltern: der 2005er Côtes du Jura Savagnin „Les Vignes de mon Père“ von Jean-François Ganevat (130 Monate Barrique, uffuff) und der Vin Jaune der Geschwister Labet. Ansonsten gibt es zwar nur wenige erwähnte Weingüter, aber jede Menge hochinteressanter Weine, still und sprudelnd, rot und weiß, trocken und süß und florhefig statt ranzig. So stand es mal in der deutschen Ausgabe eines bekannten spanischen Weinguides: „ein sehr schöner ranziger Wein“. Klingt auf Deutsch wenig verlockend, aber „Rancio“ meinten sie natürlich. However, kauft Jura-Weine, es lohnt sich.

Languedoc

20-languedoc-reserve-doFür das Languedoc war 2014 ein ganz merkwürdiger Jahrgang. Wie eigentlich für die ganze Gegend vom Burgund über das Rhônetal bis ins Roussillon. Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, dass es schon einmal einen derart alkoholarmen und dennoch (jedenfalls bei den besseren Winzern) phenolisch reifen Jahrgang gegeben hat. Obwohl Aubert de Villaine die 12 vol% für seinen Romanée-Conti dann doch ein wenig übertrieben fand, aber was sollte man tun, wenn man kein Chaptalisierer ist? Im Languedoc hatte das seit langem mal wieder Weine von 13 vol% und darunter zur Folge, die dann auch nicht üppig, sondern eher zart wirken. Für Liebhaber derartiger Weine empfiehlt es sich ohnehin auch in anderen Jahren, die Winzer aus den letzten Ecken der höhergelegenen Täler zu wählen. Neueinsteiger in den Guide wie die Domaine Les Hautes Terres, die Vignes Oubliées oder auch die neuen Weine von Christophe Peyrus, die er unter eigenem Namen (statt Clos Marie) vertreibt, kommen alle aus den klimatisch frischeren Zonen. Die meisten Punkte unter allen Languedoc-Weinen (18,5) heimste jedoch ein totaler Gegenentwurf ein, nämlich der Oro 2001 von der Domaine Peyre Rose: goldgelb, oxidativ, üppig, zehn Jahre in Fass und Flasche vor der Markteinführung, 62 € ab Hof. Auch kein Wein für jeden Tag, wirklich nicht.

21-peyre-roseEinen solchen (für bessere Tage allerdings) konnte ich aber jetzt bei meinem Drôme-Aufenthalt kaufen und probieren, und es war vielleicht mein Lieblingswein dort. Die Domaine de la Réserve d’O, ebenfalls Neueinsteiger im Buch, befindet sich in der Appellation Terrasses du Larzac, also sozusagen am Aufstieg in die Cevennen. Ergebnis ist eine Cuvée aus Syrah, Grenache und etwas Cinsault (16 €), gleichzeitig dicht und frisch, fein kirschsäuerlich, ein bisschen wie eine Mischung aus Nordrhône und Süden, aber auf harmonische Art. Den bedeutenden Aufstieg in die Drei-Sterne-Klasse konnte allerdings ein anderes Weingut verbuchen, die Domaine Les Aurelles von Basile Saint-Germain aus Nizas, ganz in der Nähe von Pézenas, also diesmal nicht im hintersten Winkel. „Aurel“ heißt die Spitzencuvée, und es gibt sie in Weiß (100% Roussanne) und in Rot (hauptsächlich Mourvèdre). Beide kosten echtes Geld (also zwischen 40 und 60 €), insbesondere für Weine aus dieser Gegend, aber sie haben auch ein ungeheures Reifepotenzial.

Loire

22-loire-chidaineSchon wieder so eine riesige Region, in der es derartig viele verschiedene Weintypen gibt, dass man ihnen kaum in einer kurzen Zusammenfassung gerecht werden könnte. Fest steht jedenfalls, dass die Jahrgänge 2014 und 2015 ein echter Glücksfall für die Loire sind. Während die 2015er allgemein etwas reifer und weicher daherkommen, scheinen die 2014er in vielen Fällen eine ungeheure Spannung aufzuweisen. Drei Sterne besitzt niemand im Pays Nantais, dafür aber Clos Rougeard und die Domaine des Roches Neuves im Anjou, dazu Huet, Clos Naudin und François Chidaine (der Aufsteiger diesmal) in der Touraine sowie Didier (bzw. Louis-Benjamin) Dagueneau und Alphonse Mellot im Centre.

23-bernaudeau20 Punkte erhielt kein Wein, aber Richard Leroys 2014er Les Noëls de Montbenault immerhin 19,5, was natürlich sensationell viel ist für einen Vin de France, den man für vergleichsweise günstige 30 € kaufen kann. Direkt dahinter folgt mit Stéphane Bernaudeaus Les Nourissons ein ganz ähnlicher Chenin, ebenfalls aus Bio(dyn)-Anbau, ebenfalls ein Vin de France. „Graziös! Majestätisch!“, das schreiben die Tester darüber. Ohnehin ist die Kategorie der 18-Punkte-Plus-Weine insbesondere bei den trockenen Weißen sehr reichhaltig bestückt, und das bei viel Charakter und durchaus zivilen Preisen. François Chidaine hatte ich ja schon erwähnt, von dessen Weinen ich seit meinem Besuch dort im Jahr 2009 (so lang schon wieder her!) immer angetan war. Ganz klare Etikettierung (Süßegrad angegeben) und eine Palette von Weißweinen, die von mineralisch-karg (Clos du Breuil) über die stoffigen Vertreter bis zu halbtrockenen und sogar edelsüßen Preziosen reicht. Ein bisschen unfreiwillig hat er seine Ex-Vouvrays als Vins de France auf den Markt bringen müssen (längere Geschichte), aber wo bekommt man sonst einen meisterhaft komplexen und gleichzeitig sauber-klaren Biodyn-Weißen für 16,30 €? Gut, rhetorische Frage.

Provence

24-provenceDie Provence hadert nach wie vor ein wenig mit ihrem Profil, und zwar besonders im Spitzenbereich. Gut, es gibt Bandol mit den kräftigen Mouvèdres von der Mittelmeerküste, aber ansonsten dominieren mengen- und imagemäßig die ultratechnischen Rosés. Obwohl jene gelegentlich ein bisschen mehr kosten als ein Beaujolais Nouveau, ist da am oberen qualitativen Ende wenig los. Einen richtig herausragenden Jahrgang hatte die Provence zudem schon seit vielen Jahren nicht mehr. Und der vielleicht bekannteste hochwertige Provence-Wein, der Trévallon, ist mit seiner Mischung aus Cabernet-Sauvignon und Syrah nun nicht wirklich regional (aber darüber streiten sich die Experten bekanntlich). Was also tun?

25-belletZunächst einmal konstatieren, dass es weiterhin ein einziges Drei-Sterne-Gut gibt, und das ist die Domaine Tempier aus Bandol. Gleichzeitig stellt das Weingut mit dem Cabassaou 2014 (59 €) den mit 17,5 Punkten am besten bewerteten Wein der Region her. Und diese 17,5 Punkte wiederum sind der schlechteste Bestwert aller französischen Regionen. Ein bisschen Hoffnung gibt es allerdings: Roch Sassi und Constance Malengé vom Clos Saint-Joseph wurden sehr gelobt für ihre frischen und delikaten Weine. Mit 25.000 Flaschen im Jahr sind dies allerdings keine Großproduzenten, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Provencegütern, die dank ausländischer Investoren zwar 200 ha Reben, einen Skulpturenpark und eine Wellness-Oase vorweisen können, aber eben keine individuellen Weine. Mal schauen, was sich in den nächsten Jahren in der Provence tut…

Rhône

26-rhoneÄhnlich wie die Loire ist die Rhône fast auf ihrem ganzen Verlauf ein traditioneller Weinfluss. Das bedeutet, dass wir hier ebenfalls einige hundert Kilometer unterschiedlicher Weinsituationen in einem einzigen Kapitel zusammengefasst haben. Anders aber als an der Loire ist der bevorzugte Weintypus nicht so stark intern divergierend: Es handelt sich um kräftige Rote und Weiße, nur eben mineralisch-strikter im Norden und geschmeidig-üppiger im Süden. Die letzten Jahrgänge waren weitgehend okay, nicht besonders gut, aber auch mit wenig Substanziellem zu meckern. 2014 wurde mir vor Ort meist als besser und strukturierter gegenüber 2013 beschrieben, 2015 scheint dafür ein ganzes Stück weiter oben zu liegen. Aber dessen Weine gibt es noch nicht, jedenfalls nicht im Guide 2017.

27-chaveAn der Nordrhône haben die Dreisternler Chapoutier (Sélections Parcellaires), Chave und Jamet Zuwachs bekommen, und zwar einen ziemlich überraschenden, die Domaine Gonon. Man stellt dort genau zwei Weine her, beides St-Josephs, einen roten und einen weißen. Vor einiger Zeit hatte ich den 1990er Rotwein bei einer Sonderaktion mal zu einem wahrhaft kleinen Preis erworben (nämlich 20 €) und war schon ziemlich angetan von der Eleganz, der Typizität, der Haltbarkeit. Und das ist es vermutlich auch, was die Tester nunmehr bewogen hat, den dritten Stern zu verleihen: die ungeheure Zuverlässigkeit, keine modischen Sperenzchen, in jedem Jahrgang nur die guten Trauben drin (bio-zertifiziert), im Keller nie etwas Extremes, sondern immer auf den Punkt gekommen. 18 Punkte gibt es dafür für beide Weine. Mehr (19,5) erhält im Norden der Hermitage von Jean-Louis Chave, aber der ist zehnfach so hoch bepreist und einer der Traumweine, die gern noch in meinen Keller möchten.

28-rayasIm Süden können sich die Rhône-Fans über zwei 20-Pünkter freuen, die einzigen außerhalb des Burgunds. Allerdings handelt es sich dabei mit dem roten und dem weißen Rayas (jeweils Jahrgang 2006) nicht gerade um Geheimtipps. Gleich zwei Weingüter sind im Süden in die Drei-Sterne-Kategorie aufgestiegen, und zwar die Domaine du Vieux Donjon und der Clos Mont-Olivet. Das hat mich beides ein bisschen überrascht, aber auch hier geht es wohl ein bisschen um das „Lebenswerk“, um die Kontinuität, die Zuverlässigkeit. Das sind keine Weingüter, die mal sensationelle Qualitäten heraushauen, dann aber auch mal danebenliegen können, sondern komplexe, elegante und traditionelle Châteauneufs. Und die Preise liegen mit 23 € (Mont-Olivet) bzw. 30 € (Vieux Donjon) durchaus im Rahmen. Dafür gibt es an der Côte de Nuits gerade mal mit Ach und Krach einen Village-Wein.

Roussillon

29-roussillon2013 etwas kräftiger und strukturierter, 2014 etwas zarter und feiner, aber beides sind recht gute, wenn auch nicht einfache Jahrgänge im Roussillon gewesen. Ich schrieb es ja schon beim Languedoc: Der Alkohol liegt häufig sehr niedrig bei den 2014ern. Die Cuvée Romanissa von der Domaine Matassa beispielsweise, aus Lladoner Pelut übrigens, der „haarigen“ Grenache (eine ganz tolle Variante), hat gerade einmal 11 vol%, und es handelt sich um einen absolut kompletten Rotwein ohne Wässerungsgefühl. 17 Punkte gibt es dafür, aber ein paar andere liegen natürlich noch höher. 18,5 Punkte haben die Tester jeweils einem Roten und einem Weißen von Lionel Gauby gegeben, der das Weingut so langsam von seinem Vater Gérard übernimmt. Der rote Muntada ist dabei vermutlich vielen Weinliebhabern ein Begriff, denn diesen Wein gibt es schon seit etlichen Jahren. Vor ein paar Jahrgängen neu hinzugekommen ist dafür der weiße La Roque, ein maischevergorener, trockener Muskat. Ja, sagen wir es ruhig, ein Orange Wine. 72 € jeweils, here we go.

30-matassaWährend Gauby weiterhin das einzige Drei-Sterne-Gut im Roussillon ist, konnte Cyril Fhal vom Clos Rouge Gorge seinen zweiten Stern einheimsen. Fünf Weine macht Cyril mittlerweile, schon die Jeunes Vignes sind sehr schön, während der Ubac ein singuläres Produkt ist: ein Cinsault aus Niedrigstertrag vom extrem steilen Nordhang. 16 der 21 Sterne-Güter im Roussillon sind übrigens mindestens bio-zertifiziert. Das Klima macht es einem dabei irgendwie aber auch ein bisschen leichter als beispielsweise in der Normandie (ja, auch im Calvados gibt es einige Hektar Reben).

Savoie

31-savoieDer kleinste Eintrag im Guide, 15 Weingüter gerade einmal, und keines davon hat drei Sterne. Auch die drei Zwei-Sterner dürften höchstens den Schweizer Leser/innen ein Begriff sein, denn hierzulande kann man gute Savoie-Weine praktisch nirgends kaufen: die Domaine des Ardoisières, die Domaine Belluard und die Fils de Charles Trosset (= Louis Trosset). Der Wein mit den meisten Punkten (18) stammt dann auch von der Domaine des Ardoisières, nämlich der Rotwein Améthyste, 60% Persan und 40% Mondeuse Noire. Die Weinberge sind zum Teil über 70% steil, wahre Alpenweine!

32-ardoisieresDa ich die Schweizer Leser/innen schon erwähnt habe: Ein Weingut, das im Guide mit einem Stern geführt wird, liegt direkt am Genfer See, respektive Lac Léman, und das auch noch passend benamt: Les Vignes de Paradis. Winzer Dominique Lucas waren die Bestimmungen der AOC Crépy zu eng, er trat aus und zieht nun biodynamisch erzeugte Weine aus knapp 10 ha auf 35.000 Flaschen. Kein riesiger Hektarertrag für deutsche und schweizer Verhältnisse, würde ich sagen. 17 Punkte hat der 2014er Chasselas Un Matin Face au Lac bekommen. „Salzige Energie, außerordentliche Finesse, ein großer Wein“, begeistern sich die Tester – und das für 14 €. Ebenso viele Punkte zu demselben Preis erhält der Savagnin. Ja, auch hier gibt es doch immer wieder Entdeckungen zu machen.

Sud-Ouest

33-sud-ouestDas letzte Regionalkapitel. Wie gut, dass so ein Blog keine Druckseiten besitzt, die den freien und undisziplinierten Fluss der Buchstaben bremsen können… Wie auch immer, der Südwesten Frankreichs ist ein großes, vielseitiges, aber zersplittertes, mit einer großen Historie gesegnetes Fleckchen Erde, in dem nicht ganz per Zufall „the French Paradox“ entdeckt wurde: Wer viel traditionellen Tannat trinkt, wird älter. Oder sollte man eher sagen: wird zufrieden älter. Tannat ist ja die wichtigste Rebsorte im Madiran, und deshalb könnte einer der gesündesten Rotweine der Welt der Madiran Préphylloxérique der Domaine Labranche-Laffont sein. Nur 16 Punkte gab es diesmal dafür, aber die Tester bemerkten dazu, dass dieser massive, kräftige, gerbstoffhaltige Wein von Reben aus dem 19. Jahrhundert genau wie früher erst einmal mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte reifen müsse.

34-camin-larredyaGroßer Aufsteiger diesmal und damit das erste und bislang einzige Drei-Sterne-Gut ist Camin Larredya von Ex-Rugbyspieler (auch das nicht selten) Jean-Marc Grussaute. Ich hatte vor zwei Jahren vor Ort großen Gefallen am süßen Jurançon Au Capcéu gefunden, ein gleichzeitig dichter, gelbreifer und säurespannender Wein, den ich ehrlich gesagt in die Liga der besten hiesigen Beerenauslesen einordnen würde (nun gut, anderes Klima, anderer Alkoholgehalt). 18,5 Punkte bekam der 2014er von den Testern, das ist der höchste Wert im Südwesten, und der Ab-Hof-Preis liegt bei 24 €. Nicht so wahnsinnig viel für ein Weltklasse-Produkt. Ansonsten hat der Südwesten eine Menge sehr angenehmer und teilweise auch minimal rustikaler Tropfen zu bieten. Ich sehe da eine gewisse Parallele zu italienischen Weinen, die ebenfalls bei Tisch mehr brillieren als beim akademischen Soloschlürfen.

Fazit

35-reblandBleibt noch Zeit für ein Fazit: Auch die 2017er Ausgabe des Guide des meilleurs vins de France ist trotz personeller und redaktioneller Umgestaltungen seiner Linie treu geblieben. Damit bleibt er für mich nach wie vor die wichtigste Quelle, wenn es um französische Weine geht. Dass Wein A aus Anbaugebiet A mit 15 Punkten nicht schlechter sein muss als Wein B aus Anbaugebiet B mit 16 Punkten, liegt auf der Hand. Auch hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, der persönliche Geschmack, die Sympathie für Winzer, Region, Anbaumethode, Weinstil lässt alles schnell vom vermeintlich Objektivierbaren ins „I tried my very best“ abgleiten. Die Punkte sind für mich eine gewisse Orientierung, mehr nicht. Schwerer wiegen jedoch die Beschreibungen, und die sind bei 1.636 Coups de Coeur in so umfangreicher Form vorhanden, dass ich wirklich etwas damit anfangen kann. Persönlich finde ich es auch hilfreich, dass die biologisch und die biodynamisch wirtschaftenden Güter jeweils eigene Symbole bekommen haben.

Was würde ich mir aus dem Jahrgang 2014 also aus Frankreich kaufen? Loire in Weiß ganz sicher, Rot in einzelnen Fällen. Bisschen Bordeaux vom rechten Ufer, der Jahrgang könnte trinkiger sein als 2015. Korsische Weine aus autochthonen Rebsorten. Die Crus des Beaujolais. Ein paar mittelpreisige Burgunder. Ein paar frische Weine aus dem Süden. Und individuelle Weine von Winzern, deren Ansatz und Ergebnisse ich schätze. Aber nicht mehr, als es Lücken im Weinregal im Keller gibt. Das sage ich mir allerdings jedes Jahr, und die Erfolge halten sich bislang in Grenzen.

Bis der Guide 2018 auf den Markt kommt, werde ich die nicht sehr robust wirkende Klebebindung seines Vorgängers jedenfalls noch so manches Mal strapazieren.

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4 Antworten zu Die besten Weine Frankreichs

  1. Thomas Riedl sagt:

    Hallo Matthias,

    für Artikel dieser kompromisslosen Länge schätze ich Dich und Dein Blog! Du bist für mich der Zeig-den-pseudo-altruistisch-salbadernden-RAF-Theoretikern-der-1970er-Jahre-wo-der-hedonistisch-enzyklopädische-Hammer-hängt-Weinblogger-der-2010er-Jahre!

    Und das mit dem Gemischten Satz hast Du doch wieder nur an meine Adresse geschrieben 😉

    ODER? Wie? Etwa nicht????

    Herzliche Grüße

    • Matze sagt:

      Naja, der ganze Artikel ist natürlich für Dich und Deinesgleichen gedacht 😉 Was den Gemischten Satz anbelangt: Das ist jeweils ein halber Hektar in Rot und in Weiß, wurzelecht aus den 1870ern mit – soweit man das bislang herausgefunden hat – 26 Rebsorten, wobei schon die korsentypischen Rebsorten wie Vermentinu bzw. Niellucciu und Sciaccarellu dominieren. Mit anderen Worten: die Nische der Nische der Nische. Mit wiederum anderen Worten: Ich schaue, dass ich an den Roten auch noch herankomme.

      Und was die Länge des Artikels anbelangt: Ich habe kürzlich einen transkribierten Vortrag von Herbert Marcuse gelesen, und da war das Ausschweifende keineswegs der Vortrag selbst, sondern das waren die langen und breiten Fragen der Zuhörer 😉

  2. Dieter Aue sagt:

    Hallo,
    toller Blog, habe mich schon über viele Artikel sehr gefreut.
    Nur zu Liber Pater habe ich Ergänzungen.
    Ein paar Worte zu Herrn Pasquet und seiner Verurteilung wegen Betruges und den Feststellungen des Gerichts, Keller und Rebgärten seien vernachlässigt, sollten nicht fehlen. Auch mußte er zugeben, daß er die alten Rebsorten gar nicht im Wein verwendet. Ich habe große Zweifel daran, was sich überhaupt in den Flaschen befindet und würde die Behauptung, er habe überhaupt die benannten Rebsorten erst glauben, wenn sie von einem Ampelographen wie Andreas Jung bestätigt würden.
    Der Verdacht einer Abzocke durch geschicktes Marketing in Russland und China im großen Stil liegt bei diesem Wein nicht sehr fern.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dieter Aue

    • Matze sagt:

      Danke für die Info! Ich habe mich schon gewundert, dass das Weingut in keinem der (vor wenigen Wochen herausgekommenen) französischen Weinguides mehr erwähnt wird…

      Allerdings habe ich seit der Berichterstattung im Decanter vom Januar 2016 (http://www.decanter.com/wine-news/bordeaux-liber-pater-winemaker-found-guilty-of-fraud%E2%80%A8-287911/) nichts mehr im Internet über das Thema gefunden. Und in diesem konkreten Fall wurde er zwar verurteilt, aber wegen Falschangaben bei EU-Fördermitteln, mit denen er eine Firma in Shanghai aufgemacht hat. Plus, weil er seinen Weinberg zu dicht bestockte (20.000 Stöcke pro Hektar) und weil er nicht korrekt über die Chaptalisierung Auskunft gab. Das alles ist zwar höchst unerfreulich und schafft ehrlich gesagt nicht besonders viel Vertrauen in ihn als Winzer, aber von Betrug wegen Angaben falscher Rebsorten ist da zumindest keine Rede. Wäre also interessant, wenn Du da noch eine aktuellere Quelle hättest (französische Gerichtsprotokolle lese ich dann doch eher selten 😉 ) Immerhin wollte er ja in Berufung gehen…

      Nachtrag, doch gefunden: Der Berufung von Loic Pasquet wurde vor dem Berufungsgericht Bordeaux am 14. Juni 2017 stattgegeben, er selbst vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Natürlich (bei der offensichtlichen Gewinnmarge) bleibt das eine ganz schwierige Nummer und sehr wohl zweifelhaft, auch in Bezug auf Deine Vermutungen, aber ganz offiziell hat er damit Recht bekommen…

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