Irgendwann kommen wir Weinfreunde alle mal an so einen Punkt. Da sitzt man dann also an seinem Denker-Schreibtisch und versucht, die eigene weingenüssliche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander in Beziehung zu setzen. Die Vergangenheit, so sollte es auch sein, war geprägt von einem stark explorativen Ansatz: alles Mögliche kaufen, probieren, aha sagen, und weiter mit etwas anderem. Jetzt in der Gegenwart stelle ich fest, dass mein Weinkeller ziemlich voll ist, ausgestattet mit etlichen sehr schönen Dingen, aber halt entsprechend unsystematisch. Was die Zukunft anbelangt, muss das natürlich jeder mit sich selbst ausmachen. Ich habe mir jedenfalls drei Ziele vorgenommen: im Quervergleich entscheidende Unterschiede lernen, zwei bis drei “große” Weine in den Keller legen (darüber habe ich auf dem Blog hier schon einmal nachgedacht) und schließlich in nicht allzu ferner Zukunft ausschließlich solche Weine kaufen, die mir von der Gesamtphilosophie ihres An- und Ausbaus her gefallen.
Um dem ersten Ziel näher zu kommen, hatte ich mir vor einiger Zeit etwas überlegt: Wie wäre es, wenn ich einen bestimmten Jahrgang herauspicke, mir aus diesem Jahrgang eine möglichst große Bandbreite gleichartiger Weine herausgreife und diese Weine dann nach einer gewissen Lagerzeit eher mit- als gegeneinander verkoste? Das also, was man auf Weinmessen nie machen kann, weil dort immer nur die jüngsten Jahrgänge vorrätig sind. Meine Wahl fiel auf die Weinkategorie “trockener Riesling” (davon gibt es schließlich eine beachtliche Auswahl) und auf den Jahrgang 2008. Das erste, vorab solo getestete Exemplar war die “Krone” von Tesch, über den ich hier schon berichtet habe. Bleiben also nur noch 50 andere trockene Rieslinge aus diesem Jahrgang in meinem Keller.
Klar war allerdings auch: Ich wollte keine große Runde aufmachen, alle 50 Weine in die Mitte stellen und als großer Gönner eine entsprechende Anzahl Schlürfer und Spucker einladen. Weine werden in aller Regel von Winzern hergestellt, die selbst Spaß am Weingenuss haben und die für jede einzelne Flasche Wein eine Menge Schweiß vergießen mussten. Deren Produkte dann qua Spucknapf so einfach in den Ausguss zu kippen, fände ich schändlich. Außerdem will ich selbst auch Spaß haben, indem ich die forscherische Neugier nicht trocken ausklingen lassen möchte. Das wäre sonst wie bei einem Bergsteiger, der das Gipfelkreuz mal kurz abklatscht, ohne den Rundblick zu genießen.
Gesagt, getan, zwei Freunde in die Runde gebeten und die ersten sechs Flaschen des Jahrgangs in elegantes Silber gehüllt auf den Tisch gestellt. Nicht die größten Weine der Sammlung natürlich, schließlich sollte das hier erst der Anfang sein. Getestet wurde also im Preissegment zwischen 12 und 18 €.
Der Jahrgang 2008 genießt bei deutschen Weintrinkern (sofern sie sich überhaupt noch daran erinnern können) einen eher gespaltenen Ruf. Die einen bemängeln die Kühle, die Säure, die Stahligkeit, das Abweisende. Ich kann mich beispielsweise daran erinnern, dass im nächsten Jahr, als die 2009er-Erstpräsentation anstand, viele Verkoster gejubelt haben, “ein saftiges Vergnügen und welch Unterschied zu dem kargen Zeug vom letzten Jahr!” Andere hingegen finden den 2008er, obgleich die Variation beachtlich ist, ganz ausgezeichnet gelungen, vor allem im Hinblick auf das Reifepotenzial. Im Elsass machte die RVF im Nachhinein beispielsweise den 2008er als besten Jahrgang seit 1990 aus.
Die klimatischen Bedingungen waren allerdings nicht einfach, so hieß es jedenfalls allerorten. Ausgerechnet im Elsass wurde dabei in jedem Monat der Wachstumsperiode (bis auf den Mai) eine unterdurchschnittliche Temperatur registriert – und ebenfalls in jedem Monat (bis auf den Juni) ein überdurchschnittlicher Niederschlag. Und dann kommen dabei die besten Weine heraus? Wie das? Offenbar ist es so, dass der Riesling nur drei Dinge total unangenehm findet: eine kurze Reifeperiode, große Hitze und Trockenheit im Hochsommer und Regengüsse kurz vor der Ernte. Im allgemeinklimatischen Rahmen bot der Jahrgang 2008 also gar keine so üblen Voraussetzungen. Dass man als Winzer mit glücklichem und weniger glücklichem Agieren die Traubenqualität entscheidend beeinflussen kann, beziehe ich jetzt mal als Selbstverständlichkeit mit ein.
Kurz noch zum Procedere der Probe: Alle sechs Weine wurden zunächst blind verkostet, einmal von 1 bis 6 (diese Reihenfolge behalte ich hier auch bei) und dann noch einmal von 6 bis 1. Daraufhin hielt ich unsere geistreichen Kommentare fest sowie die (subjektive) Reihenfolge, in die wir die Weine ordnen würden. Hernach wurde gegessen, getrunken und geplaudert, bevor ich immerhin von drei Weinen die geringen übrig gebliebenen Reste wieder zum Nachtest mit nach Hause nahm. Und dies waren die sechs Kandidaten:
1. Weingut von Racknitz, Riesling Niederhäuser Klamm trocken, Nahe, 11,5 vol%
Nicht die bekannteste der Niederhäuser Lagen, aber dennoch sehr beachtlich, Porphyritverwitterung, darüber Lösslehm, der Wein spontanvergoren und von den beiden großen deutschen Weinguides nicht verkostet; der eine hatte den Wein nicht ausgewählt, der andere mag scheinbar das Weingut an sich nicht, Gründe sind mir unbekannt. Eine gute Adresse für interessante Entwicklungen, das ist jedenfalls meine Meinung.
Die Nase polarisiert gleich mal: “schlimmerer Stinker als bei Schäfer-Fröhlich”, “kokelnder Autoreifen, Teer”, “krass, aber interessant”, relativ fruchtfrei dazu. Am Gaumen sind wir dann verblüfft. Über die deutlich stärkere Zurückhaltung, über die säuerlich-apfelige Art, die erst nach und nach einer größeren Cremigkeit weicht. Und auch darüber, dass da in der ersten Stunde (!) herzlich wenig abzurufen war. Am Ende des Abends, bei meinem letzten Schluck, habe ich dann eine Ahnung: “Das ist ein Schleicher. Der kommt noch.” Deshalb sichere ich mir den verbliebenen Rest zur Nachverkostung. Bis dahin hatte der Wein aber wenig überzeugt. Platz 5, 6 und 5 bei uns Dreien, macht Platz 6 insgesamt.
2. Weingut Georg Breuer, Riesling Terra Montosa, Rheingau, 12 vol%
Noch ein alkoholisch schlanker Wein, angenehm, von den schlechteren Partien der (Rüdesheimer) Spitzenlagen, eine Cuvée der Nachwuchs-Stars sozusagen, kenne und schätze ich schon von anderen Jahrgängen, 89 Punkte seinerzeit im Eichelmann, 87 Punkte im Gault Millau, nur zur Orientierung. Das Weingut kennt jeder.
Schieferige Nase, aber deutlich weniger Expressivität als beim Wein davor, heller wirkend. Am Gaumen ist der Wein ebenfalls säurebetont, aber eben nicht apfelig, sondern vielmehr in Richtung Limette. Dadurch wirkt er leicht fruchtiger, bleibt aber ungeheuer straight mit einer erstaunlichen Persistenz. Ganz klassisch, fast idealtypisch zu nennen für einen straffen und trockenen Riesling dieser Preisklasse. Plätze 2, 3 und 4, macht insgesamt Platz 2. Auch von dieser Flasche sichere ich mir den Rest.
3. Domaine Jean Becker, Riesling Froehn, Alsace Grand Cru, 13 vol%
“Froehn” ist nicht die bekannteste Elsässer Grand Cru-Lage und Jean Becker nicht der bekannteste Winzer, der Wein biologisch zertifiziert und von mir in Strasbourg gekauft. Im “Froehn” wächst Riesling nur auf 0,5 ha vornehmlich mergeligem Boden. Die RVF bemängelt den teilweise etwas technischen Ansatz des Weinguts bei der Vinifikation und gibt dem Wein 15,5 Punkte, Bettane & Desseauve bepunkten ihn nicht, halten ihn aber für sehr beachtlich. Interessant, hier die Spitze eines mittelprächtigen Weinguts mit der B-Klasse besserer Erzeuger zu vergleichen.
Nach dem ersten Schnuppern rufe ich aus: “Das ist Elsass!” Warum? Helle Honignoten von der trockenen Botrytis, dazu heller Pfirsich, das kenne ich in einer ähnlichen Variation von anderen Winzern wie Josmeyer, in Deutschland macht das keiner. An der Wachau schon, aber nicht in diesem Preissegment. Sage ich einfach so. Am Gaumen kommt zunächst eine kräftige Säure, aber das scheint tatsächlich jahrgangstypisch zu sein, danach dann noch etwas, das ich fast als “Pfefferl” bezeichnen würde. Der Wein klingt sehr lang nach, wirkt kraftvoll und dennoch strukturiert – und räumt richtig ab. Dreimal Platz 1 und damit unser eindeutiger Sieger heute. Interessant ist allerdings, dass ich am Ende des Abends bei dem Wein die Süße viel stärker im Vordergrund schmecke und das Gefühl habe, dass der Wein bereits jetzt abbaut. Währenddessen hat die “Klamm” von Racknitz ihren Höhepunkt immer noch nicht erreicht…
4. Weingut Rudi Pichler, Riesling Terrassen, Wachau, 12,5 vol%
Rudi Pichlers Weingut befindet sich in Wösendorf, also geographisch zwar mittendrin, faktisch jedoch etwas abseits des großen Trubels. Wie ich mir habe erzählen lassen, soll es sich auch ansonsten um einen eher bodenständigen Winzer handeln, der seine Lagen ganz genau kennt. Mittlerweile hat der “Terrassen” zusätzlich die Aufschrift “Smaragd” auf dem Etikett. Ob der 2008er das notwendige Mostgewicht für den Smaragd knapp verfehlt hatte oder der Winzer die Bezeichnung nicht benutzen wollte, entzieht sich meiner Kenntnis. Urgesteinsböden jedenfalls. Daneben Stahlausbau und keine Botrytis, also eine der beiden grundverschiedenen Wachauer Philosophien, 93 Punkte im Falstaff.
Die Nase wirkt mineralisch, dunkler Stein, dazu noch Fruchtnoten von Orange und Mandarine, also ganz anders als bei den Rieslingen davor. Am Gaumen moussiert der Wein noch leicht, präsentiert dann einen leicht staubigen Bodenton und wiederum reichlich Säure. Diese Empfindungen bleiben sehr stabil durch die Verkostung hindurch, “flach” meint jemand, “bisschen bitter” noch jemand, aber auf die schöne Würze können sich alle einigen. Für mich ist das qualitativ ein Niveau mit den beiden Weinen davor, ich sehe also zu diesem Zeitpunkt der Verkostung ein Triumvirat auf einem Podest, die anderen darunter. Platz 3, 4 und 3, macht Platz 3 insgesamt. Das Feuer im Abgang nimmt später zu, der Wein gefällt mir, aber den Rest bekommt dann jemand anders…
5. Weingut Heribert Kerpen, Riesling Wehlener Sonnenuhr Spätlese trocken Alte Reben, Mosel, 12 vol%
So ein langer Weinname, das kann nur die Mosel sein. Die Wehlener Sonnenuhr ist natürlich die fantastische, weltbekannte Lage, reiner Devonschiefer, gleichmäßig 70% steil, aber natürlich viel bekannter für edelsüße Kreszenzen. Das nur 6,5 ha kleine Weingut hat zwar eine fast ebenso lange Historie, steht derzeit jedoch nicht unbedingt im Fokus der Weinfreaks. Ein Zeichen dafür sind auch die Bepunktungen für diesen Wein: 85 im Eichelmann, ebenfalls 85 im Gault Millau. Aber Mosel muss einfach sein, das spektakulärste Anbaugebiet unserer Breiten (oder gar weltweit?).
Farblich steht dieser Wein ganz oben, das kräftigste Gelb, was wir als Blindverkoster natürlich niemals der Mosel zugeordnet hätten. Die Nase ist erstaunlich, Terpentin, andere Lösungsmittel, wenig Frucht, muss man nicht mögen. Am Gaumen wirkt der Wein etwas restsüßer als die anderen davor, gefälliger und leicht alkoholisch. Ich schreibe als despektierlichen Begriff “Weinfest” nieder, fast hätte ich “Weinfest in Bottrop” geschrieben, wenn mir nicht rechtzeitig eingefallen wäre, dass es ausgerechnet dort mit dem Enopolio eine Weinbar der Spitzenklasse gibt. Während jemand von uns Dreien deshalb meint, “davon könnte ich niemals eine ganze Flasche trinken”, findet ein anderer den Wein “toll fruchtig-cremig”. Schön, dass Geschmäcker verschieden sind. Platz 6, 2 und 6, macht insgesamt Platz 5. Den Rest hat natürlich derjenige von uns bekommen, dem der Wein richtig gut gefiel. Ich war es nicht.
6. Weingut Peter Jakob Kühn, Riesling Landgeflecht, Rheingau, 12 vol%
Über das Weingut ist schon an vielen Orten geschrieben worden, auch auf diesem Blog. Peter Jakob Kühn war für mich einige Jahre lang vielleicht der einzige “Extremist” in Deutschland, der es in dieser Hinsicht mit den entsprechenden Vertretern von der Loire aufnehmen konnte. Demeter nicht nur vom Label, sondern auch vom Geist her, die Weine wirklich nie primärfruchtig, und der Jahrgang 2008 gilt bislang als Höhepunkt dieser “Ich gegen die Gefälligkeit”-Linie. “Landgeflecht” ist eine Gemarkung im Doosberg (der große Wein folgt noch bei einer der späteren Verkostungen), tiefgründiger Lösslehm, durchzogen von Quarzitadern, 90 Punkte im Eichelmann, 86 im Gault Millau, das sind für unsere Freunde Gleichpunkter schon erhebliche Unterschiede.
Spontinote in der Nase, die andere Nuancen überdeckt, und leider warten wir jetzt nicht, bis sie sich verzogen hat. Das führt zu kontroversen Bemerkungen: “vergorenes Obst, schimmelig, geht gar nicht”, “sollte man undekantiert lieber nicht servieren”, “finde ich interessant”. Am Gaumen erstaunlich weinig, sehr säurebetont und aromatisch irgendwie ziemlich belegt. Später kommt die Cremigkeit stärker durch, aber es bleibt alles ein wenig auf der Boskoop-Seite. Weil ich weiß, dass die Kühn-Weine Zeit brauchen, sichere ich mir nach dem Aufdecken auch hier den Flaschenrest. Unsere Bewertungen gehen ein wenig auseinander, aber die Plätze 4, 5 und 2 bringen das Landgeflecht insgesamt auf Platz 4.
Und was brachte der Nachtest? Am 5. Tag hat der Breuer nichts dazugewonnen, in seiner limettenstraffen Art aber auch nicht viel verloren. Der Kühn wirkt zunächst gemüsig und braucht doch schon wieder eine Stunde Luft und Wärme, um eine würzig-gerbige Note anzunehmen. Am meisten verblüfft hat mich allerdings der Racknitz-Wein. Am 5. Tag schon deutlich gelb-saftiger, pudrig und ein schöner Begleiter zu etwas würzigerem Essen. Am 10. Tag (!) dann endgültig mit einer pfälzisch anmutenden Kombination aus saftiger gelber Frucht, sogar Blutorange, und erfrischender Säure. Hatte mir bei unserem Test nicht etwas von einem “Schleicher” geschwant? Aber diese Entwicklung hätte ich niemals vorausgesagt; ein Weißwein, der seinen aromatischen Höhepunkt (zwischenzeitlich allerdings wieder verschraubt) am 10. Tag nach der Öffnung erreicht .
Mein Fazit nach der ersten Runde: Ich möchte kein Weinbepunkter sein, und erst recht keiner, dessen Punkte hernach Wohl oder Wehe für die betroffenen Winzer bedeuten. Wir hatten sechs trockene Rieslinge aus demselben Jahrgang im Glas, die mich persönlich im ersten, frisch geöffneten Durchgang nicht wirklich überzeugt hatten. Sieger wurde der Wein mit der kräftigsten, nachhaltigsten und spontan ansprechenden Struktur. Am zweiten Tag hätte die Verkostung derselben Weine vielleicht ganz andere Ergebnisse gebracht. Jedenfalls bin ich jetzt für die spätere Verkostung der richtig großen Sachen ein bisschen vorgewarnt. Große trockene Rieslinge, die auf Haltbarkeit hin vinifiziert wurden, brauchen für den optimalen Trinkgenuss nach dem Öffnen noch einmal Zeit. Wer hier voreilig die Punktetafeln zückt oder aber das Glas zu schnell kippt, agiert primärfruchtig.
Beim nächsten Mal werden die Weine in jedem Fall die 20 €-Grenze überschreiten, die Textlänge wird dafür deutlich schrumpfen. Schließlich wisst Ihr ja jetzt, worum es geht.
Kennt Ihr die Weine der Winzer, die wir diesmal getestet haben? Decken sich unsere Erfahrungen mit Euren? Und was war der Weißwein, den Ihr am längsten habt offen stehen lassen – absichtlich oder nicht?
Hallo Matze,
super Beitrag mal wieder und ein Resümee, das es in sich hat und genau in meinen Kampf gegen die normalen Verkostungsmethoden bei den regionalen Concours passt. Nicht nur, dass gute Weine Luft brauchen, sie müssen auch geschützt werden vo den industriell hingetrimmten Schenllstartern, die auf so einer Verkostung schnell die Nase vorne haben. Ich kenne einige Winzer, die aus diesem Grund überhaupt keine Teilnahme an den gängigen Concours mehr in Betracht ziehen. Da ich selber in der Jury bei der Medaillenvergabe sitzte, weiß ich vovon ich spreche. Selbst mit eingebautem Vorwarnsystem ist es heutzutage fast unmöglich deren Fehler und Schwächen, die nach einigen Stunden auftauchen, oder bei ruhig-konzentiriertem Genuss izum Vorschein kommen, in den zwei Minuten die zum bewerten bleiben, herauszufinden. Die mit Reinzuchthefen hergestellten und bis zum Anschlag geschönt und gepeppelten Weine werden dabei völlig überbewertet.
Das Du dir bei der Probe echt mal soviel Zeit läßt, ist genial. WaL und so manche andere kann man da echt vergessen. Das bestärkt mich in meinem Vorhaben unsere Weine genau so zu präsentieren und darüber kleine Videos zu drehen. Wein – erster Schnellschusseindruck, nach 15 Minuten, nach einer, drei, sechs Stunden und dann über die nächsten drei Tage.
beste Grüße aus dem Südwesten
Karl
Da stimme ich Dir völlig zu! Sehr interessant in dem Zusammenhang fand ich im Nachhinein auch die Berichte von Dirk Würtz (http://wuertz-wein.de/wordpress/2013/05/03/mainzer-weinborse/) und Martin Kössler (http://www.weinhalle.de/blog/2013/04/die-mainzer-weinborse-wegweiser-fur-deutschen-wein/) zur diesjährigen Mainzer Weinbörse. Die beiden stellten nämlich fest, dass die Diskrepanz innerhalb des VdP zwischen “technisch-gefälligen” und “wild-fordernden” Weinen und Winzern offenbar immer größer wird. Natürlich nannten die beiden keine Namen, was solche Aussagen für den Verbraucher zwar wenig hilfreich macht, aber schließlich will man es mit X und Y, die man noch dazu persönlich kennt, ja nicht verderben. Und einmal schriftlich verdammt, kann sich so ein Urteil nachhaltig in den Köpfen festsetzen, obwohl dann vielleicht das im nächsten Jahr als Kellermeister einsteigende Söhnle alles komplett anders macht.
Wie auch immer, aber ganz offenbar sind mittlerweile nicht mehr alle Weinprofis auf derselben Linie, den spontan ansprechenden Schnellstartern eher die Punkte zu schenken als den etwas wilderen, sich spät öffnenden Gesellen. Punktevergaben ohne nachvollziehbaren Erklärungstext werden damit noch schwieriger (für den Bepunkter) und noch unseriöser (für den Leser). Ich glaube, das wird noch ganz spannende Diskussionen nach sich ziehen – und hoffen wir mal, dass nicht nur eine Handvoll Weinfreaks davon etwas mitbekommen.
Viel Spaß schon mal beim Filmen, kannst mir ja dann den Link schicken, wenn Dein erstes Machwerk fertig ist ;).
Hallo Matze,
den Link werde ich Dir schicken. Du kannst ja mal mein 10 minütiges Premierenwerk ansehen. Da mache ich zwar nicht selber die Probe, sondern die Jungs von Drunkenmonday, allerdings mit den von mir mitgebrachten Weinen.
Zu finden unter “Film zum Spaß” auf unserer Seite geschmackschmiede.de
bis zum nächsten Mal
Hallo Matze,
für die Kühn-Weine gilt in Bonn die “Engmann’sche Dekantierregel”, benannt nach einem Teilnehmer unseres alljährlichen Riesling-Kraftaktes (siehe: Kraftakt bei “Nur ein paar Verkostungen”) der sich von uns allen am besten bei Kühn auskennt. Seine Maßgabe:
Jeden Wein von Kühn 48 Stunden dekantieren. Die GGs sogar eher 72 Stunden und den Schlehdorn hat er uns – mit Recht! – erst nach einer Woche Dekantieren präsentiert…
LG Thomas
Ja, irgendwie faszinierend… Beim Doosberg hatten wir das auch mal aus Spaß gemacht: Zwei Flaschen, eine 48 h karaffiert, eine frisch geöffnet. Du kannst Dir denken, welche uns besser gefallen hat, der Unterschied war wirklich immens.
Natürlich ist primär die Vinifikation “Schuld” daran, und natürlich ist uns das auch bewusst, dass man den einen Wein besser so, den anderen Wein besser anders behandelt. Für unsere Blind-Frischflaschen-Verkostung war es deshalb aus experimentellen Gründen interessant, dass Kühn und Racknitz tatsächlich so vergleichsweise matt am Anfang waren und so stark am Schluss (also die volle Bestätigung des Engmann-Theorems). Unwillkürlich haben wir uns gefragt: Was machen die Tester der Qualitätsweinkontrolle? Was machen die Tester z.B. beim Gault Millau? Also solche Leute, die entweder Weinen bestimmte Bezeichnungen gestatten (oder vorenthalten) oder die Weine mit Punkten versehen. Behandeln die alle Weine nach einem Standardschema? Falls ja, beeinflusst ein solches Vorgehen die Bewertung? Falls sie kein Standardvorgehen haben, was machen sie dann? Und warum? Und mit wem?
Ich weiß, das sind irgendwie leicht abgehobene Fragen für Leute, denen Wein in erster Linie schmecken soll und sonst nichts. Aber ich muss zugeben, dass mich Versuchsaufbauten und Einflussvariablen schon interessieren, auch bei Wein. Danach lässt sich einfach besser etwas Systematisches sagen, was man ansonsten nur schätzen würde. Manche Fragen bleiben selbst nachher unbeantwortet, aber das ist ja das zusätzlich Spannende am Experiment ;).
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