Ich bin ständig auf der Jagd nach dem Besonderen. Das kann ein Gericht sein, das es nur in einer bestimmten Gegend gibt, eine Zutat, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte oder ein Wein, der aus seltenen Rebsorten besteht. Im vorliegenden Fall ist das mit der Exklusivität aber wirklich auf die Spitze getrieben. Klaus hatte mir im Weinforum den Tipp gegeben, dass man in Belém die Weine des Buçaco-Palasthotels testen kann. Und die sind so selten, dass es dafür eine eigene Kategorie geben müsste. Das Video ist übrigens direkt vor Ort aufgenommen worden, entschuldigt bitte die dürftige Tonqualität.
Was ist eigentlich das Besondere an diesen Weinen? Gut, es gibt sie nur an sechs Orten auf der Welt zu kaufen, aber wenn das das einzige Exklusivitätsmerkmal wäre, würde es auf den Hofschoppen von Kalle Groll (Name fiktiv) ebenso zutreffen.
Irgendwann vor vielen Jahren, als die Anzahl guter Weine und die Kenntnis darüber auf der Welt noch nicht so fortgeschritten waren, ist der Rotwein des Palasthotels von Buçaco allerdings zu einem der ganz Großen gekürt worden. Da die Distribution schon immer ungeheuer exklusiv war, gab es seither nur wenige Experten, die dieses Urteil explizit bestätigen oder widerlegen wollten. Lasst Euch übrigens nicht irritieren wegen der Schreibweise. „Bussaco“ scheint mittlerweile genauso okay zu sein wie „Buçaco“. Selbst auf den Weinetiketten waren beide Versionen vorhanden.
Ein paar wenige technische Details noch zu den Weinen: Ein Weißwein und ein Rotwein werden gekeltert. Beide kommen nur als Tafelweine auf den Markt ohne Herkunftsbezeichnung, stammen aber aus der Grenze zwischen den Weinbauregionen Dão und Bairrada. Die Jahrgänge sind bis zur Änderung der gesetzlichen Bestimmungen im letzten Jahr deshalb nie auf dem Etikett erschienen, sondern per „Preisschild-Aufkleber“ kenntlich gemacht worden. Der Rote heißt „Buçaco tinto reservado“, der Weiße „Buçaco branco reservado“ – fertig. Der Rote stammt aus den Rebsorten Baga und Touriga Nacional, der Weiße aus Encruzado, Bical und Maria Gomes. Beide sind lange im Holzfass ausgebaut worden (zwei bis drei Jahre), was zwar nicht auf der Flasche steht, man aber sofort spüren kann.
Der Weißwein, den ich probiert habe, stammt aus dem Jahrgang 2005 und besitzt 13 vol%. Beim ersten Antrinken vor der Kamera hatte ich eine frische, aber altmodische Art ausmachen können, wie ein Chardonnay aus dem Jura, meinte ich. Aber die Flüssigkeit im Glas war auch nur knapp oberhalb der Gefriertemperatur, was ein Urteil denkbar erschwert. Nach einiger Zeit fand ich den Wein deutlich moderner als zu Anfang: sehr zitronig, sehr deutlicher Holzeinfluss, ein bisschen Puderzucker, mittlere Säure und am Gaumen nicht besonders persistent. Zum Schluss fokussiert sich die geschmackliche Note immer mehr: Zitronentarte. Aber exakt. Wenn Ihr einen Vergleich haben wollt, stellt Euch einen jungen weißen Rioja mit Eicheneinfluss vor, das passt am ehesten. Ansonsten ein zwar individueller aber nicht wirklich großartiger Wein.
Auf den Roten war ich deshalb besonders gespannt. Es handelte sich um den 2006er mit 13,5 vol%. Die Nase entsetzt mich ein wenig. Die Weine werden nur glasweise ausgeschenkt (5 € pro Glas, keine Pleitegefahr also), und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass diese Flasche schon ein wenig länger offen herumstand. Alte Nase, leicht überreif, bräunlich vom Charakter, madeirisiert, eingelegte Kirsche dazu. Aber der Geruch blieb die ganze Zeit, ohne dass der Flascheninhalt irgendwie beeinträchtigt schmeckte. Denn da kommt sofort ein kräftiges Tannin, weiterhin Anklänge von Rumtopf und Kirschwasser nebst viel Würze. Die Säure präsentiert sich lebendig und dürfte gemeinsam mit den Tanninen für ein langes Leben sorgen. Aber der Stil ist wirklich enorm altmodisch. Erst dachte ich als Vergleich an extrem „unzeitgemäße“ Bordeaux wie Château Bel-Air Marquis d’Aligre, wo ebenfalls die flüchtige Säure hingenommen wird und alles ein wenig ins Bräunliche gleitet, selbst in jungen Jahren. Aber dafür fehlt beim Buçaco der Cabernet-Ton.
Ein wertendes Fazit festzuhalten, fällt mir schwer. Die Weine sind sehr individuell, der Weiße schmeckt nach Zitronen-Meringue, der Rote nach eingelegter Kirsche. Es hat fast den Eindruck, als sei alles, was sich auf der Welt des Weinbaus sonst noch so abspielt, an den Buçacos ohne spürbaren Einfluss vorbeigegangen. Wer diesen, mir etwas unbewusst altmodisch vorkommenden Stil schätzt und vor allem ein Emotionstrinker ist, der sich hinter dem Produkt eine große Geschichte vorstellen kann, der wird die Weine vielleicht höher bewerten. Wem der moderne Fruchttypus gefällt, wird zumindest den Roten mit bösen Worten bedenken.
Was mich allerdings fast genauso beeindruckt hat wie die Weine, ist die unkomplizierte Art der Portugiesen, ihre Spezialitäten zu präsentieren. Ich kam gerade vom Strand, Handtuch in der Plastiktüte, sandige Jeans und Sandalen vom Chinesenmarkt. Die Bussaco-Bar des Hotels Jerónimos 8 dagegen ist ein schicker, stylischer Ort. Dennoch: Die Bedienung war ausnehmend freundlich, weder herablassend noch künstlich unterwürfig und wirklich daran interessiert zu erfahren, wie mir die Weine geschmeckt haben. Dieses Unanstrengende ist auch einer der Gründe, weshalb man es in Lissabon so gut aushalten kann.
Bussaco Wine Bar im Hotel Jéronimos 8, Rua dos Jerónimos 8, Lisboa (Belém). Die Bar ist täglich ab 12 Uhr geöffnet. Wer die legendären Altweine von Buçaco probieren möchte, muss allerdings ins Stammhaus fahren. Hier in Belém gibt es derzeit nur den 2005er weiß und den 2006er rot im Ausschank.