Was heißt nachhaltig beim Wein? Sander und FairChoice

Titel Sander FairChoice

[In Kooperation mit dem Weingut Sander] Wer auf diesem Blog öfter mitliest, kennt ganz sicher Stefan Sander. Der sympathische, äh, Mittdreißiger aus Mettenheim besitzt eines der absoluten Bio-Pionier-Weingüter in Deutschland. Schon öfter war ich dort und habe zum Beispiel geschaut, in welchen Gefäßen man Wein ausbauen kann und was das mit dem Geschmack macht. Als wir letztens miteinander sprachen, meinte Stefan nebenbei, dass sie sich jetzt auch nachhaltig haben zertifizieren lassen. Bei FairChoice. Natürlich wollte ich wissen, warum er das gemacht hat. Schließlich ist er ja »eh schon Bio«. Und ob es ihm bei der täglichen Arbeit irgendwie nützt…

Wie ich FairChoice kennengelernt habe

Sander FairChoice

FairChoice ist ein Nachhaltigkeitssiegel, das vom Deutschen Institut für Nachhaltige Entwicklung (DINE) ausgestellt wird. Institutsleiter ist der ehemalige Heilbronner Professor Armin Gemmrich. Als ich den Namen höre, klingelt es erst leise bei mir, dann aber immer lauter, sobald ich mich dem Bücherregal nähere. Ich besitze nämlich selbst ein Buch von Armin Gemmrich, es heißt »Blühende Vielfalt im Weinberg«. Natürlich können auch Menschen, die nicht im Weinbau arbeiten, dieses Buch genießen und anhand der Fotos bestimmen, ob es sich bei der beobachteten Pflanze um den Buschigen Erdrauch, den Färber-Waid oder das Gewöhnliche Ferkelkraut handelt. Oftmals sind das alte, mittlerweile aber in Vergessenheit geratene Nutzpflanzen. Die eigentliche Zielgruppe für das Buch dürften jedoch Winzerinnen und Winzer sein. Jene lernen dadurch, welche Pflanze in ihren Rebzeilen auf welche Weise wirkt.

Was FairChoice macht

FairChoice als Siegel kümmert sich dann zwar auch um Fragen der Begrünung, aber eben nicht nur. Nachhaltigkeit umfasst definitionsgemäß nämlich drei Säulen, die ökologische, die soziale und die ökonomische. Diese drei Felder machen auch Sinn, denn wie Stefan so schön sagt, »ein Betrieb, der pleite geht, ist nunmal nicht nachhaltig«. 111 Kriterien gibt es insgesamt, die FairChoice bei den Weingütern analysiert, die sich zertifizieren lassen wollen. Wer es genauer wissen will, die Website gibt darüber Auskunft.

Das hört sich spontan ziemlich kompliziert an, also frage ich bei Armin Gemmrich direkt nach. »Nein«, sagt der, »das Verfahren ist tatsächlich relativ einfach und kostengünstig, wobei die Weingüter natürlich schon einige Daten sammeln müssen.« Und wie haben sich die Mitgliederzahlen entwickelt? »Das Interesse ist in letzter Zeit stark gewachsen«, meint Gemmrich. »Die Umsetzung des nachhaltigen Weinbaus in Deutschland scheint endlich in die Gänge gekommen zu sein – aber wir stehen noch ganz am Anfang.« Faktoren, die diese Entwicklung begünstigt haben, sei unter anderem die Ankündigung des VDP gewesen, dass all seine Mitglieder bis Ende 2025 nachhaltig zertifiziert sein müssen. Der Druck komme aber auch von außen. »Zum Beispiel müssen alle Weine ein Nachhaltigkeitszertifikat besitzen, wenn man sie in skandinavische Länder exportieren möchte.«

Was bedeutet Nachhaltigkeit in der Praxis?

Nachhaltigkeit Weinberg

Zurück zu Stefan Sander, der übrigens auch nach Skandinavien exportiert. Von meinen Besuchen im Weingut weiß ich, dass dort schon unheimlich viel passiert, was ich von meinem Laienverständnis her als »nachhaltig« bezeichnen würde. Was musste Stefan denn noch machen, um das FairChoice-Siegel zu bekommen? »Naja, draußen im Weinberg waren wir natürlich sehr gut. Die Bio-Kriterien erfüllen wir eh, sind Mitglied bei Naturland, haben moderate Erträge, die Reben stehen lange Jahre, Begrünung, Humusaufbau, alles das.« Und wo gibt es dann noch Nachholbedarf? »Das sind zum Teil Sachen, die man immer als gegeben genommen hat. So wie den Wasserverbrauch im Keller. Aber: Muss das aus der Leitung kommen, oder gibt es die Möglichkeit, Regenwasser oder Brauchwasser dafür zu verwenden? Und manche Dinge hat man als maximal mittelständischer Betrieb auch kaum auf dem Schirm gehabt…«

Da geht es dann um »Standzeiten« von Mitarbeiter:innen. Um Fortbildung, um Jahresgespräche. »Das sind Überlegungen, wie man die Arbeitszufriedenheit erhöhen kann, und was man verbessern kann, damit die Leute möglichst lange bei einem bleiben.« Ganz praktische Dinge. »Ja«, sagt Stefan, »das war sowieso mein Ansatz von vornherein. Es sollte ja weniger darum gehen, alles bis zur fünften Stelle nach dem Komma zu machen. Sondern darum, eine Anregung zu bekommen, wie man Herausforderungen praktisch angeht. Und das funktioniert bei DINE sehr gut.«

Was in Zukunft noch passieren könnte

Neue Etiketten Weingut Sander

Was in der jüngeren Vergangenheit beim Weingut Sander passiert ist, sieht man auf jeden Fall an den Etiketten. Die sind nämlich neu. Auf ihnen sind jetzt grafisch erhabene Höhenlinien abgebildet, die anzeigen, wo die Reben stehen. Der Marienkäfer wurde auch noch einmal überarbeitet, bleibt aber schlicht das Symbol, unter dem man das Weingut seit Jahrzehnten kennt.

Was man hingegen nicht sofort sieht, ist das, was mir Stefan erzählt. Er kommt nämlich gerade von der Sitzung einer Pilotgruppe bei Naturland, bei der es ebenfalls um die Entwicklung von Nachhaltigkeitskriterien geht. Ich frage ihn, falls dabei am Ende ein eigenes Siegel herauskommt, ob das die Verbraucher:innen nicht eher verwirrt. Noch ein Siegel mehr. Ja, meint er, könnte man zunächst denken. Aber dann hat er sehr interessante Argumente, die mich irgendwie überzeugen.

Zum einen sei das bei den Bio-Siegeln ähnlich gewesen. Erst nachdem die Verbände wie eben Naturland die ganzen Kriterien für ihre Mitglieder festgelegt hatten, wäre es dann zur Verwirklichung des EU-weiten Bio-Siegels gekommen, »als kleinstem gemeinsamen Nenner allerdings, das sollte man immer wissen«. Deshalb wäre es gerade in der relativen Anfangsphase der Nachhaltigkeitsentwicklung gut, wenn mehrere Anbieter auf dem Markt seien. »Eine gewisse Konkurrenz belebt ja das Geschäft. Und ich glaube, dass wir einfach schneller vorwärtskommen, wenn mehrere Akteure das betreiben.« Schließlich seien die Kriterien bei den einzelnen Zertifizierern ja grundsätzlich ähnlich. Außerdem wäre das auf diese Weise betriebsindividueller möglich, als wenn eine große Zentrale das macht.

»Und«, bringt Stefan das wichtigste Argument zum Schluss, »es geht mir ja nicht darum, da ein Siegel stehen zu haben oder eine ISO-Norm zu erfüllen. Sondern wir alle werden dazu angeregt, uns mit Dingen zu beschäftigen, die wir lange Zeit nicht hinterfragt haben. Mir bringt das unheimlich viel, mich darüber im Kollegenkreis auszutauschen. Das ist ja ein Prozess und mir intern das Wichtigste. Und nach außen, in einem anonymen Umfeld, schafft so ein Siegel Vertrauen. Das ist quasi seine Bestimmung.« Also nicht nur die drei Felder der Nachhaltigkeit, sondern auch die beiden Seiten der Zertifizierung, außen und innen. Hört sich das angenehm nach Fortschritt an im Weinbereich, nach Zukunft? Ja, ich finde schon.

P.S. Wenn ihr am Wochenanfang bei der ProWein in Düsseldorf sein solltet, das Weingut Sander ist auch dort. Halle 1 Stand A 59. Da kann Stefan dann nicht nur von Nachhaltigkeit erzählen, da könnt ihr vor allem auch die ganzen neuen Weine probieren. Lohnt sich. Und wenn ihr schon vorher in Düsseldorf seid. Am Samstag zwischen 12 und 19 Uhr findet im Industrie-Club die Signature Wine Show statt. Auch da ist das Weingut Sander mit von der Partie.

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3 Antworten zu Was heißt nachhaltig beim Wein? Sander und FairChoice

  1. Thomas Riedl sagt:

    Hallo Matthias,

    das ist eine sehr schöne und interessante Einstimmung auf Stefan Sanders Weine bei der Prowein und auf das Thema Nachhaltigkeit. Danke Dir!

    Wir beide sehen uns “in Bulgarien” am Stand von WEIN+Markt und ich werde Stefans 2019er ZeitenSprung aus Kleinem Fränkischem Burgunder am 21.3. in Bonn im Rahmen einer Slow Food-Probe zu deutschen Spitzenrotweinen aus seltenen historischen Rebsorten vorstellen. Zusammen mit Weinen von Gutzler, Wambsgans, Braun und weiteren.

    Bis dann!

  2. Werner Lichtenberger sagt:

    Sander ist ohne Zweifel ein prima Weingut, und das schon lange. Die meisten Weine mag ich sehr. Was ich jedoch noch nie kapiert habe: Warum muss man als bio- und jetzt auch noch nachhaltig zertifiziertes Weingut manche Weine in Flaschen füllen, mit denen man problemlos einen Elefanten erschlagen kann? Auf eine diesbezügliche Anmerkung bzw. Anfrage habe ich vom Weingut keine Antwort erhalten… Seither kaufe ich dort halt die Weine nicht mehr. Vielleicht ändert es sich ja nochmal, im Sinne der Nachhaltigkeit

    • Matze sagt:

      Sorry für die etwas schläfrige Antwort, aber ich war zwischenzeitlich auf den Messen unterwegs… Ja, das Flaschengewicht ist definitiv ein Thema, erst recht bei der Nachhaltigkeit. Soweit ich weiß, sind die Sander’schen Gutsweine schon in leichten Flaschen. Und ich könnte mir vorstellen (ohne es zu wissen), dass sich auch weiter oben etwas tut, zumal es sich ja wie du sagst punktemäßig bei der Nachhaltigkeit niederschlägt.

      Was mir dazu noch einfällt: Vor einiger Zeit hatte ich mich mit Gérard Bertrand über das Thema Flaschengewicht unterhalten. Er ist ja wahrscheinlich der größte Biowein-Unternehmer Frankreichs (vielleicht sogar der Welt), ein ziemliches Marketing-As und hat Flaschen auf dem Markt, die nochmal deutlich schwerer daherkommen. Er sagte mir, er verstünde das Argument. Aber einerseits würde er das als künstlerische Freiheit sehen, und andererseits hätte sich erwiesen, dass die Käufer Wertigkeit immer mit schwereren Flaschen in Verbindung bringen. Er könnte deshalb allein aus Marketinggesichtspunkten die hochwertigen Weine (noch) nicht in leichte Flaschen füllen. Hab ich mal so als Statement hingenommen, aber ich denke auch, dass sich da in nächster Zeit viel verändern wird…

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