Liebe Freundinnen und Freunde der fortgeschrittenen Selbstkasteiung, hier seid ihr leider falsch. Ja, natürlich, wenn ich das Buzzword »Dry January« benutze, geht es mir um Getränke ohne Alkohol. Aber schmecken soll es, interessant sein, abwechslungsreich, und keinesfalls suggerieren, ich würde hier auf irgendetwas verzichten wollen. Ich habe mir deshalb sieben grundverschiedene Getränke gesucht, die von Tee über Kombucha und Bier bis hin zu entalkoholisierten Weinen reichen. Und dann habe ich sie einfach getestet, solo und zum Essen. Alles aus der Sicht eines Weinliebhabers. Das spielt nämlich durchaus eine Rolle, wie ihr am Ende feststellen werdet. Also los, feiern wir den »Dry January«!
Was gäbe es noch für den Dry January?
Ich habe für diesen kleinen Test Produkte ausgewählt, die bei maximal 15 € je 0,75l-Flasche liegen. Manche auch deutlich darunter. Das bedeutet, dass ich hier die teureren High End-Gebräue bewusst ausgenommen habe. Vor einiger Zeit hatte ich beispielsweise über die extrem elaborierten Getränke der Ama Brewery aus dem Baskenland geschrieben – großartiges Zeug, in seiner Komplexität aber eher etwas für Restaurants im Noma-Style. Mein Dry January soll hingegen ein bisschen mehr down to earth sein. Deshalb beginne ich auch mit einem Bier.
Brussels Beer Project – Picobello IPA
Die Bierindustrie hat es definitiv geschafft, das Produkt »alkoholfreies Bier« zu einem Standard zu machen. Kaum ein Wirtshaus, in dem auf der Karte nicht auch ein alkoholfreies Bier steht. Wer sich an die viel verspottenen Anfänge von Clausthaler erinnert (eine Schande, den Namen dieser alten Bergstadt so in Misskredit zu bringen), wird konstatieren müssen, dass sich rein imagemäßig seitdem wahnsinnig viel getan hat. Ich habe mich hier für ein definitionsgemäß alkoholfreies Craft Beer aus Belgien entschieden, das Picobello Zero IPA vom Brussels Beer Project. Zutaten: Wasser, Gerstenmalz, Weizenmalz, Hafer, Hopfen, Hopfenextrakt, Hefe. 2,15 € mit Pfand für die 0,33l-Flasche, 110 kJ und 2,2 g Zucker für 100 ml, 0,3 vol% Alkohol. Gibt’s im Belgoshop.
Der Test: Farblich in mittlerem Zitronengelb gehalten, leicht trüb. In der Nase werden alle Erwartungen erfüllt, eigentlich sogar übertroffen. Frischhopfig, frühlingshaft, ein bisschen Zitrone, eindeutig das, was ein IPA so attraktiv macht. Im Mund kommt dann eine fruchtige Note, weißer Pfirsich, irgendwie ein leichtes Süßegefühl wie homemade lemonade. Das irritiert mich. Ich trinke ansonsten sehr selten alkoholfreies Bier, und zwar vor allem deshalb, weil ich diesen Radler-Touch im Bier nicht schätze. Da gibt es aber auch ganz andere Meinungen. Hinten folgt immerhin eine feine Hopfenbittere, die mich wieder versöhnt. Insgesamt: zwei Drittel Bier, ein Drittel Limo vom Gefühl her. Erfrischend, kann man trinken, aber der Duft ist attraktiver als der Geschmack.
Sparkteez – Brut Rosé
Tee ist ja das alkoholfreie Begleitgetränk schlechthin, weil »Tee« ja alles Mögliche sein kann und nicht auf die reinen getrockneten Teeblätter beschränkt sein muss. Aus der mittlerweile nicht kleinen Auswahl habe ich mich für dieses Produkt entschieden, die Cuvée Rosé Brut von Sparkteez. Zutaten: 93% Infusion (Wasser, weißer Bio-Tee, schwarzer Bio-Tee, Bio-Hibiskusblüten), Bio-Fruchtzucker, Bio-Zitronensaft, CO2. 11,16 € für die 0,75l-Flasche, 77 kJ und 4,4 g Zucker für 100 ml, gar kein Alkohol. Gibt’s im Flavor-Shop.
Der Test: In der Farbe noch trüber als das Bier, altorange. In der Nase spüre ich Earl Grey gemischt mit Schwarztee, ein minziger Touch, Kamille, Herbstblüten, Orangenschale – das Gefühl von Erntedank. Das Minzige, das sich bei meinem späteren Blick auf die Zutaten als Hibiskus entpuppt, wirkt im Mund noch deutlich stärker. Dazu gibt es Orange und Hagebutte, das Ende nähert sich mit leichten Gerbstoffen. Schmeckt irgendwie gesund, und womöglich ist es das auch. Nur die Süße macht mich skeptisch, das ist doch kein Ice Tea.
Archipel Kombucha – Feuilles de Figuier
Für Kombucha braucht man gesüßten Tee und eine pilzige Kombuchakultur. Biochemisch läuft die ganze Range ab, erst alkoholische Gärung, dann malolaktische Gärung und schließlich noch Essigsäuregärung (wobei die letzten beiden ja keine eigentlichen Gärungen sind, sondern bakteriengetrieben). »Echter« altmodischer Kombucha hat also immer ein bisschen Alkohol und ein bisschen Essigsäure. Weil wir im Dry January aber auch ein ganz klein bisschen hip sein wollen, habe ich mich für dieses wirklich schicke Produkt entschieden, den Archipel Kombucha Feuilles de Figuier. Die Zutaten sind wie folgt: 85% Infusion (Wasser, Bio-Rübenzucker, Bio-Feigenblätter), Bio-Kombuchaferment (Wasser, Bio-Rübenzucker, Schwarzer Bio-Tee, Bio-Kombuchakultur). 3,60 € für die 0,33l-Flasche, 55 kJ und 2,4 g Zucker für 100 ml, Alkoholgehalt unter 0,5 vol%. Gibt’s im ankorstore.
Der Test: Ganz blass in der Farbe wie hellster Weißwein. Die Nase ist wahnsinnig expressiv. Ich habe das Gefühl, meinen Kopf in einen Feigenbusch zu halten, sehr charmant. Im Mund braust das Getränk erst ziemlich stark, beruhigt sich aber auch genauso schnell. Feigenduft in flüssiger Form setzt sich fort, dazu eine gewisse Fruchtsäure, die einen irgendwie an eine halbtrockene Schorle erinnert. Das ist in seiner Fruchtart sehr eigen, irgendwie auch entzückend, der Süden ruft. Gefällt mir vom Fun-Faktor her sehr, aber die Speisenkombination ist herausfordernd.
Piwi-Kollektiv – NOU Alkoholfrei
Jetzt komme ich in die Winzerecke, aber noch nicht zum Wein. Nachdem ich den supersympathischen Philipp Rottmann im Sommer bei den Edelfrei-Winzertagen hier in Bamberg kennengelernt hatte, hatte ich ihren »normalen« Rosé-Crémant mit in meinen Schaumwein-Artikel genommen. Immer noch und immer wieder ein sehr empfehlenswertes Getränk. Nur halt nicht, wenn man keinen Alkohol haben will. Dafür hat das Kollektiv vom Kaiserstuhl aber auch eine Lösung parat. Sie heißt Nou Alkoholfrei Bio und ist ein Prickelgetränk. Zutaten: 68% Infusion aus Bio-Kiefernnadeln und Bio-Eisenkraut, 31% Bio-Piwi-Traubendirektsaft, Bio-Zitronensaft, Bio-Essig, Bio-Ingwersaft, Kohlensäure. 71 kJ und 3,9 g Zucker für 100 ml, kein Alkohol. Gibt’s beim Kollektiv selbst für 11 € – oder beim Weinhändler eures Vertrauens.
Der Test: Ein kräftiges Rotrosé wie bei einem Rotling fließt ins Glas. Man muss die Nase nah ans Glas halten, um etwas zu spüren, dann aber deutlich. Sehr komplex, sehr erwachsen, Salbei, helle Kirsche. Im Mund fällt mir sofort die feine Perlage auf. Ja, das ist zugesetzte Kohlensäure, aber höchst elegant. Von den Aromen her sind wir hier nach dem frühlingshaften IPA und dem herbstlichen Sparkling Tea eindeutig im Spätsommer. Die Felder stehen hoch, die Frucht schmeckt fast mehr als Süßkirsche als nach Traube, dazu kommen getrocknete Kräuter. Die Säure hält sich aber sehr zurück. Ein wunderbares Getränk für Leute, die als Kinder Limo zum Essen getrunken haben und jetzt das Ganze in Erwachsen und Elegant nachempfinden wollen.
Juliusspital – Secco Zero
Heureka, der erste entalkoholisierte Wein! Dafür braucht man echten Wein, das Verfahren entzieht Aroma und Menge, ist also eigentlich komplett unwirtschaftlich, wenn man das entalkoholisierte Produkt nicht teurer verkaufen kann als den ursprünglichen Wein. Aber die Leute wollen halt gern etwas haben, auf dem auch tatsächlich »Wein« steht. Ob er auch wie einer schmeckt, wird sich erweisen. Das Juliusspital als Erzeuger brauche ich nicht vorzustellen, oder? Eine Institution nicht nur in Franken und auch entsprechend groß, um im Ernstfall vernünftige Mengen anbieten zu können. Mein Ex-Wein heißt Juliusspital Secco Zero und besteht aus folgenden Zutaten: Entalkoholisierter Wein (100% Riesling), rektifiziertes Traubenmostkonzentrat, Kohlensäure, Antioxidationsmittel Schwefeldioxid. 76 kJ und 3,5 g Zucker für 100 ml. 8,49 € habe ich beim Edeka dafür bezahlt, gibt’s aber auch direkt beim Weingut.
Der Test: Normale Weißweinfarbe, sehr große Blasen. In der Nase eindeutig Wein, zum ersten Mal, sehr fruchtig, reife Zitrone, fast ein wenig ins Tropische gehend wie ein reif geernteter Riesling aus dem Pfälzer Stahltank. Im Mund dann – holla! – eine enorm kräftige Säure, die von Fruchtsüße gepuffert wird. Auch hier wieder reife Zitrone, gelb, weintypische Aromen, feinfruchtig, lebt sehr vom Süße-Säure-Spiel. Wenn man die herzhafte Säure verträgt, ist das solo für mich ein wirklich schönes, sommerliches Getränk, technisch hervorragend gemacht. Die Welt hat sich doch weitergedreht. Aber ebenso wie eine normale süße Weinschorle ist es nicht für jedes Essen geeignet. Da muss wahrscheinlich ein wenig Schärfe in die Mahlzeit.
Kolonne Null – Rosé Prickelnd 2020
Es lässt sich nicht leugnen: Kolonne Null ist der große Klassiker unter den alkoholfreien Weinen. Fettes Marketing-Budget inklusive, aber warum auch nicht, schließlich möchte man seine Marke entsprechend sichtbar machen. Was ich euch hier mitgebracht habe, ist allerdings nicht der normale prickelnde Rosé der Kolonne Null, sondern der 2020er Jahrgangssekt. Nein, der reifte nicht so lange in Fässern, sondern in der Flasche bei uns. Für alkoholfreie Getränke, die als Lebensmittel ja ein Haltbarkeitsdatum angeben müssen, bedeutet das: abgelaufen, seit einem Jahr. Weil ich über den Kolonne Null-Rosé in frischem Zustand (und ein paar andere alkoholfreie Weine) schon einmal geschrieben hatte, fand ich das als zusätzlichen Kick für den Dry January ganz interessant. Zutaten: Alkoholfreier Wein, Saccharose, Kohlensäure, Konservierungsstoff Schwefeldioxid. Der aktuelle Jahrgang kostet 14,80 €, 72 kJ und 2,9 g Zucker für 100 ml.
Der Test: Zartes Lachsrosé in der hellen Variante, die Perlage sieht elegant aus. In der Nase spüre ich Blutorange, aber auch etwas irgendwie Laktisches. Kommt das von Holzfass oder Holzchips? Oder ist es ein Zeichen für die geschmackliche Evolution dieses abgelaufenen Getränks? Ich weiß es nicht. Elegantes Perlen im Mund, das leicht Laktische bleibt auch. Vom Süße-Säure-Gefühl auf jeden Fall deutlich unterhalb des Juliusspital-Seccos, flächiger, weniger fruchtfrontend, nur zart Walderdbeere. Trotzdem bleibt eine feine Süße natürlich bestehen. Irgendwie habe ich rein aromentechnisch das Gefühl, dass ein Holzfassausbau so einen Entalkoholisierten tatsächlich komplexer machen könnte…
Hojicha
Ganz zum Schluss noch ein Getränk, das ich ganz subjektiv ins Rennen schicke. Wenn ihr in Japan in einem einfachen Restaurant zu Mittag esst, bekommt ihr immer kostenlos ein kaltes Getränk. Manchmal ist das Wasser, wesentlich häufiger aber Hojicha. Hojicha ist gerösteter Grüntee, der dadurch den Großteil seines Teeins verliert, aber eine nussig-oxidative Geschmacksnote gewinnt. Seit einigen Jahren trinke ich täglich im Büro immer eine Kanne Hojicha. Ihr müsst euer Wasser auf 60°C heizen, dann die Teeblätter im Beutel dazugeben und 2-3 Minuten ziehen lassen. Dann kühlt das Ganze natürlicherweise runter, und ihr könnt es trinken. Zutaten: Infusion aus gerösteten Teeblättern. Zero Zusatzstoffe, selbstverständlich kein Alkohol, Zucker auch nicht. Kostenpunkt: schwer abzuschätzen, aber definitiv wenig, selbst wenn ihr wie ich in diesem Fall 8,90 € für 70 g Bo Hojicha Tenryu zahlt. Gibt’s bei Yoshi En in verschiedenen Varianten.
Der Test: Farblich sind wir hier je nach Ziehgrad zwischen Amber und Kastanie. Die Nase bietet wenig, nur etwas leichte Erdigkeit, etwas Kräuter und auch Kakao. Im Mund entscheide ich mich assoziativ wieder für den Herbst als Jahreszeit, diesmal aber den tiefen Oktober. Es gibt Anklänge an trockenen Kakao, an Blätter, Algen, das Meer und die Erde. Weil es weder Frucht noch Zucker gibt, ist so ein Hojicha ein idealer Begleiter für fast alles. Er drängt sich nicht auf, man schluckt ihn gut weg, das Gericht bleibt stets im Vordergrund. Er schmeckt allerdings gar nicht nach Party, sondern nach 100% Alltag. Wer Luxus sucht im Dry January, wird vielleicht doch einen Sparkler bevorzugen.
Dry January – Was sagt der Weinliebhaber?
So, jetzt mein Verdikt aus Sicht eines Weinliebhabers. Schmeckt eines der angebotenen alkoholfreien Getränke nach Wein? Ja, beim Juliusspital-Secco hatte ich tatsächlich das Gefühl, eine halbtrockene Aromasorte vor mir zu haben. Okay, nicht so dicht und vor allem nicht so lang wie echter Wein, aber aromatisch haben sie das ziemlich gut hinbekommen.
Der Kolonne Null-Rosé könnte dank seines gedämpfteren Auftritts und der vermeintlichen Ausbau- oder Reifespuren allerdings besser zu einer breiteren Zahl an Gerichten passen. Zu Steak zum Beispiel, denn egal ob geschmorte Beeren oder Barbecue-Sauce, da richtet ein bisschen Zucker als Begleitung keinen Schaden an. Und da Alkohol Geschmacksträger ist, wirken 30 g Restsüße auch nur wie 15.
Bier und Hojicha haben definitiv die geringsten Probleme mit Speisenkombinationen, aber das ist kein Ersatz für Wein, sondern eher eine eigene Form. Ich werde auch weiterhin meine Kanne Hojicha bei der Arbeit trinken und auch zum Mittagessen. Bester Durstlöscher für die Werktage.
Die anderen drei Getränke bieten zum Teil höchst attraktive Frucht an. Der Feigenduft beim Archipel-Kombucha ist wow, da werde ich schauen, dass ich auch noch andere Sorten probiere. Der Sparkteez hat einerseits etwas Gesundes, andererseits dafür aber einfach zu viel Zucker. Für mich kein Nachkaufprodukt. Schließlich bleibt noch der NOU mit seiner raffinierten Komposition, die mir wirklich sehr gut gefallen hat. Wen das an Jörg Geigers PriSecchi erinnert, haltet euch gut fest. Jene haben nämlich in der Regel fast dreimal so viel Zucker, nämlich 100 g pro Liter, liegen also im Bereich einer süßen Riesling-Auslese.
Wer hat Angst vorm Zuckergetränk?
Ich. Und das ist die Crux für mich, erst recht im Dry January. Ich trinke auch gern mal ein süßes Gläschen – aber nicht zum Essen. Als Teenager habe ich mir bottichweise Saft zur Pizza in den Schlund gekippt. Not any more. Missversteht mich nicht, als Sologetränke finde ich sowas weiterhin sehr charmant, und ich kann mich mit den zunehmend elaborierteren Aromen absolut anfreunden. Aber als Weintrinker bin ich trocken sozialisiert worden, Côtes du Rhône, 1990er Jahre. Insofern sehe ich für meinen ganz ganz ganz persönlichen Geschmack weiterhin in den preiswerteren alkoholfreien Getränken, so sie nicht Wasser oder Tee in verschiedenen Varianten heißen, keine echte Weinalternative.