Stellt euch mal vor, ihr wärt ein Master of Wine oder zumindest ein MW student. Und stellt euch weiterhin vor, quasi als Rahmenprogramm zu eurem Jahrestreffen, das in diesem Jahr in Wiesbaden stattfand, gibt es mehrtägige Rundreisen durch deutsche Weinbaugebiete. Was könnte euch da erwarten? Was würden die Gastgeberinnen und Gastgeber den Masters of Wine bieten wollen, welche Weingüter, welche Restaurants, welche Orte? Nun, ich weiß das jetzt, schließlich war ich als Reiseleiter mit dabei. Kommt also mit und schaut euch in einem Artikel voller Bilder sämtliche Stationen an, die wir auf der Frankentour besucht haben. Vielleicht sind ja ein paar Orte dabei, die ihr auf eure persönliche Liste setzen werdet. Vielleicht aber auch fühlt ihr euch bei so viel roten Teppichen bemüßigt, selbst das Masters of Wine-Studium zu beginnen…
Die Masters of Wine in Franken
Das Institute of Masters of Wine begann seine Arbeit vor über 70 Jahren und sollte eigentlich eine Fortbildungseinrichtung für britische Weinhändler sein. Mittlerweile ist dieses präzise Ziel ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. Der Master of Wine als Studiengang gilt als das Härteste und Langwierigste, was man im Weinbereich machen kann. 414 MWs gibt es inzwischen aus 31 Ländern, schwerpunktmäßig natürlich weiterhin englischsprachig, zehn aber auch in Deutschland.
Als großes Vereinigungstreffen zum Kennen und Lernen gibt es seit einiger Zeit ein Symposium, das alle vier Jahre stattfinden soll, durch die Covid-Krise allerdings etwas ins Stolpern geriet. 2023 (statt wie geplant 2022) war diesmal Wiesbaden an der Reihe, 2026 wird es Adelaide sein. Um es für die schlauesten Weinmenschen der Welt so interessant wie möglich zu machen, gab es um das Symposium herum mehrtägige Exkursionen in die verschiedenen deutschen Weinregionen. Logischerweise sah das DWI da eine großartige Chance, den deutschen Wein in all seinen Facetten zu promoten.
Franken stellt, wie ihr vielleicht wisst, nicht unbedingt die Region dar, die man außerhalb Deutschland am besten kennt. Die Exportquote von weniger als 5% trägt auch nicht dazu bei. Und Silvaner als Rebsorte, so sehr wie sie auch lieben, läuft in der internationalen Wahrnehmung in etwa parallel zu Ansonica oder Baga. Mit anderen Worten: Zeit, daran etwas zu ändern.
Die Organisation der Masters-of-Wine-Frankentour nahm Andreas Göpfert, seines Zeichens Kommunikationschef der Fränkischen Gebietsweinwerbung, in seine bewährten Hände. Meine Aufgabe war es hingegen, gelegentlich fachlichen Senf auf Englisch beizusteuern. Frankenspezifisch, versteht sich. Denn wie Weinbau und Weinbereitung im Allgemeinen ablaufen, braucht man den Masters wohl kaum zu erklären.
Erster Abend – Essen und Trinken für die Masters of Wine
Gleich mal vorweg: Zwei Dinge kann ich euch hier nicht zeigen, weil ich schlichtweg keine Fotos davon gemacht habe. Das eine ist der wahrhaftige Luxusbus der Firma HZ Reisen aus Sommerach, mit dem wir selbst auf schmalen Flurwegen unterwegs waren. Das andere ist unsere Unterkunft, das Hotel Meintzinger in Frickenhausen. Viel Lob hörte ich da nicht nur über die individuellen Zimmer, sondern auch über das extrem vielfältige Frühstück – auf der Terrasse. Die Tour begann mit einer theoretischen Einführung in die Region vom neuen önologischen Fachberater Ralf Schwarz. Anschließend ging es mit dem Bus weiter nach Marktbreit.
Michels Stern, Marktbreit
Ich finde es immer noch erstaunlich, dass dieser kleine (wenngleich historische) Ort gleich zwei Bib Gourmand-Restaurants beherbergt. Michels Stern ist eines von ihnen, und das ununterbrochen seit 2012. Die Michels legten sich auch gleich richtig ins Zeug: sechs Gänge, dazu acht Weine der beiden Winzer, die uns dort begrüßten.
Winzerhof Stahl
Natürlich hätte man den ersten Abend mit herkömmlichem Silvaner beginnen können. Man kann aber auch gleich einmal zeigen, dass Franken als Region ganz unterschiedliche Weinfacetten besitzt. Christian Stahl vom Winzerhof Stahl ist ein Entrepreneur reinsten Wassers. Von 1,5 auf 40 Hektar, von Auernhofen bis knapp vor Hollywood. Es gab Müller-Thurgau aus dem Taubertal, Blauen Silvaner, hochdekorierten Chardonnay und natürlich den Chenin Blanc, von dem ich schon berichtet hatte.
2 Naturkinder
Der zweite anwesende Winzer war Michael Völker von den 2Naturkindern. Über 90% Export, alles trübe Low Intervention-Weine, allerdings komplex und stabil. Wahnsinnig viel hat sich in diesem Segment in den letzten Jahren getan, ich sage es euch. Von der Persönlichkeit und der Art der Präsentation her völlig unterschiedlich, harmonierten Michael und Christian erstaunlich gut, und die Masters waren sehr zufrieden. Ein spannender Quereinstieg in die Frankenweinwelt. Mein Lieblingswein der 2Naturkinder war übrigens völlig überraschend der »Weinschwärmer«, eine Cuvée aus reifem, leicht maischevergorenem Grauburgunder und früh gelesenem Riesling. Wunderbar!
Erster Tag – Die Masters of Wine im Keuperland
Keuper ist ja die jüngste der drei geologischen Epochen der fränkischen Trias. Für mich ist es auch diejenige, die man wegen ihres natürlichen Sulfatgehalts im Boden am stärksten in den Weinen schmecken kann. Das hatte mir der Iphofen-Test ganz deutlich gezeigt. Geologisch am jüngsten, ist die Steigerwald-Region silvanertechnisch aber am ältesten…
Fürstlich Castell’sches Domänenamt, Castell
Das Fürstlich Castell’sche Domänenamt und hier insbesondere das Archiv ist der Ort, an dem man die Geburtsstunde des fränkischen Silvaners miterleben kann. Hier befindet sich nämlich für alle einsehbar die Urkunde von 1659, in der von den »Österreicher«-Setzlingen gesprochen wird, die man im Casteller Reitsteig angepflanzt hatte. Ich selbst war vorher schon einmal hier, und wer sich mit der heutigen Frankenwein-Identität beschäftigt, sollte es dringend ebenso tun.
Reife mit dem VDP Franken
»Silvaner kann reifen, Silvaner kann reifen, Silvaner kann reifen.« Man muss das nicht unbedingt dreimal wiederholen, damit es auch niemand jemals vergisst. Kann man aber. Der VDP Franken zeigte im Restaurant Weinstall in Castell seine gereiften Gewächse. Von links nach rechts seht ihr die jeweiligen Repräsentant*innen der Weinguter Bickel-Stumpf, Fürst Castell, Schmitt’s Kinder, May und Weltner. Die Weine waren teils wirklich beeindruckend, nur hätte man sich für die Schätzchen ein bisschen mehr Zeit bei der Probe und ein bisschen weniger vor dem Essen gewünscht, aber gut. Die Botschaft ist definitiv angekommen.
Andi Weigand, Iphofen
32 Grad und latente Gewitterstimmung im Iphöfer Julius-Echter-Berg. Um da nicht schlapp zu machen, braucht es schon spezielle Weine, und genau die hatte unser Gastgeber mitgebracht. Andi Weigand produziert nur noch einen kleinen Teil »normale« Bioweine; die Hauptsache sind trübe, ungeschwefelte Naturweine, die in alle Ecken der Welt exportiert werden. Wie bei den 2Naturkindern ist es Andi sehr wichtig, dass die Weine nicht nur möglichst schonend hergestellt werden, sondern auch frei von Flüchtigkeit und Mäuseln sind. Ich sagte es ja schon: Die Szene hat sich enorm entwickelt!
Hans Wirsching, Iphofen
In eine ganz andere Ecke der Weinwelt ging es anschließend im altehrwürdigen Weingut Hans Wirsching im Zentrum von Iphofen. Klaus-Peter Heigel zeigte nicht nur Keller und Schatzkammer, er holte auch einen Wein aus jener. Riesling ist ja nicht gerade das fränkische Aushängeschild. Das liegt aber eher daran, dass andere Regionen damit brillieren. Denn wenn ich an Daniel Sauer, Schmitt’s Kinder, das Bürgerspital oder eben das Weingut Wirsching denke, fallen mir doch spontan einige ein, die auch Riesling sehr gut können.
Zur Iphöfer Kammer, Iphofen
Am Marktplatz von Iphofen befindet sich das Restaurant Zur Iphöfer Kammer. An diesem empfehlenswerten Ort trafen wir uns zum Abendessen. Gazpacho als Starter war an einem solch heißen Tag genau das Richtige. Dazu gab es Weine von Wirsching Weigand Weltner, und die Winzer saßen mit an den Tischen. Sehr nett.
Zweiter Tag – Entlang des Mains mit den Masters of Wine
War der erste Tag weitgehend den Keuperweinen gewidmet, folgte am zweiten Tag der Muschelkalk. Wir arbeiten uns also in Richtung Vergangenheit voran.
Auf der Vogelsburg
Die Vogelsburg bei Volkach liegt an der Mainschleife oder vielmehr oben drauf. Von hier sieht man die Weininsel mit Nordheim (unser Blick), den Steilhang des Escherndorfer Lumps, das Naturschutzgebiet des Altmains und natürlich jede Menge Reben. Eigentlich gibt es nur einen einzigen Nachteil an diesem Lieblingsort des Frankenweins: Man hat praktisch immer Gegenlicht.
Horst Sauer, Escherndorf
Im Weingut Rainer Sauer hatten wir anschließend eine der sicher schönsten und am besten organisierten Verkostungen der Tour. Die beiden Sauer-Weingüter präsentierten immer abwechselnd ihre Flights, die wirklich gut aufeinander abgestimmt waren. Sandra Sauer vom Weingut Horst Sauer blieb zum Schluss natürlich die ehrenvolle Aufgabe, edelsüße Kreszenzen zu präsentieren bis hinauf zur TBA. Brilliant der Riesling, ungemein harmonisch der Silvaner.
Rainer Sauer, Escherndorf
Vorher, beziehungsweise immer abwechselnd, konnte Daniel Sauer vom Weingut Rainer Sauer zeigen, wie man idealtypische Muschelkalk-Silvaner herstellt. Vom Gutswein bis zum Großen Gewächs sind das präzise und niemals zu Breite oder überbordender Fruchtigkeit neigende Weine. Die Masters of Wine wussten die Erzeugnisse sowohl von Sandra als auch von Daniel definitiv zu schätzen.
Reisers Zehnthof, Nordheim
Eigentlich wollten wir ja mit der Fähre von Escherndorf nach Nordheim übersetzen, aber die hatte gerade Mittagspause. Früh um sechs wäre es hingegen möglich gewesen… Nach dem kleinen Umweg mit dem Bus erwartete uns auf der anderen Mainseite in Nordheim ein leichtes Mittagsmenü in Reisers Zehnthof. Besonders die Vorspeise hatte es mir dabei angetan, denn sie interpretierte die »gewöhnliche« Kombination von Tomaten, Mozzarella und Basilikum mit unterschiedlichen Texturen und Temperaturen.
Divino Nordheim-Thüngersheim
Direkt nebenan befindet sich der zweitgrößte fränkische Weinerzeuger, die Divino, ein Zusammenschluss der Genossenschaften aus Nordheim und Thüngersheim. Tatsächlich war das für die Masters of Wine ausgesprochen interessant. Denn während man mit gewöhnlichen Touristengruppen meist kleine »Schaukeller« mit alten Holzfässern aufsucht, gab es hier moderne Maschinen für größere Volumina zu sehen. »Great to see a producer like we know them from home«, flüsterte mir jemand von jenseits des Atlantiks zu.
Augustin, Sulzfeld
Weiter ging es nach Sulzfeld, mit seinem geschlossenen historischen Ortsbild ohne jeden Durchgangsverkehr eines der nettesten Dörfer weit und breit. Sympathie und Zugänglichkeit waren auch Trumpf bei unserer ersten Station, dem Weingut Augustin. Es gab den Unimog für Instagram-Fotos (und vielleicht auch die Weinbergsarbeit), einen schönen Sitzplatz im Schatten und tatsächlich auch mal einen Bacchus. Und zwar einen richtig angenehmen.
Luckert, Sulzfeld
Wenn Sulzfeld heute auf der Landkarte auch außerhalb Frankens erscheint, dann liegt das primär an einem Weingut, dem Zehnhof Luckert. Was Wolfgang, Uli und mittlerweile auch Philipp Luckert geschafft haben, ist schlichtweg erstaunlich. Kein lautstarker Auftritt, ein komplett eigener Stil mit (in der Regel) biologischem Säureabbau, dementsprechend eher würzig und nachhaltig. Bio im Weinberg, viel Zeit und wenig Eingriffe im Keller, natürlich auch wichtige Leumünder in der Weinszene – und schon kann man auch ein Silvaner-GG für 50 € erfolgreich am Markt platzieren. Ohnehin, die Preise der Franken-Leuchttürme, ich komme am Schluss noch darauf zurück. Rechts seht ihr übrigens den Creutz, einen Wein von einem kleinen Weinberg.
Brennfleck, Sulzfeld
Letzte Weinstation in Sulzfeld war das Weingut Brennfleck. Und für mich ehrlich gesagt eine der großen positiven Überraschungen der Reise. Zum einen ist hier alles wirklich geschmackvoll, vom alten Gutshaus mit dem Biedermeier-Zimmer bis zum preisgekrönten Neubau über die Gass’. Zum anderen hält die Weinqualität mit etlichen fränkischen VDP-Betrieben spielend mit. Weitgehend klassisch natürlich, aber ich habe es mir auf dem Zettel angekreuzt.
Goldener Löwe, Sulzfeld
Abends gab es die Weine der drei Weingüter (wieder mit den Winzern am Tisch dabei) zum Essen im Goldenen Löwen. 1.200 Menschen leben nur in Sulzfeld, aber kulinarisch braucht man sich wahrhaftig nicht zu verstecken. Oben seht ihr den momentan natürlich überangesagten Blumenkohl mit Sesam und Nuss. Aber warum soll einem nicht auch etwas Hippes schmecken? Fand ich persönlich ausgezeichnet, und die Masters waren auch voll des Lobs.
Dritter Tag – Von Würzburg bis Churfranken
Würzburg, Frankens Weinkapitale. Sowas muss man mit den Masters of Wine natürlich besuchen. Churfranken hingegen liegt ja fast 90 Busminuten weiter westlich, tief im Buntsandsteinland, zudem mit einer ganz eigenen Weinkultur. Hat man weniger Zeit bei einer Rundtour, die oft in Würzburg beginnt und endet, fällt Westfranken deshalb meist flach. Zum Glück mussten die Masters of Wine nachher jedoch zu ihrem Symposium nach Wiesbaden, und so konnte man fahrtechnisch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Bürgerspital, Würzburg
Drei große nicht-private Weingüter gibt es in Würzburg, und zwei davon haben wir besucht. Die besten Würzburger Lagen kamen entsprechend zu Ehren. Beim Bürgerspital wurde es gleich ein bisschen akademisch vom Ansatz her, natürlich genau das Richtige für die MWs. Es gab nämlich dreimal trockenen Lagen-Silvaner von 2021, einmal Pfaffenberg, einmal Stein, einmal Innere Leiste. Der Pfaffenberg kommt dabei vom Mittleren, der Stein eher vom Oberen und die Innere Leiste vom Unteren Muschelkalk. Ob es bei diesen analytisch fast identischen Weinen primär das Gestein ist, das den Unterschied ausmacht, lässt sich schwer sagen. In jedem Fall konnte man deutliche Unterschiede schmecken. Etwas reifer der Pfaffenberg, rauchig-straighter der Stein und pikant-nachhaltig die Innere Leiste.
Juliusspital, Würzburg
Die Dimensionen des »größten Silvaner-Weinguts der Welt« – gut 80 ha sind damit bestockt – ahnt man vor allem unter der Erde. Das Juliusspital muss dabei gar keinen Schaukeller zeigen, denn sie haben wirklich so viele große Holzfässer in Aktion. Anders als beim Bürgerspital gab es hier auch Riesling und Weißburgunder zu probieren. Als die Masters of Wine auf ihre Frage, wie viel dieser schöne Franken-Repräsentant aus der Ersten Lage denn kosten soll, die Antwort »16,50 €« vernahmen, zuckten sie merklich zusammen.
Im Würzburger Stein
Oben auf dem Würzburger Stein gibt es einen eingezäunten Bereich an der Alten Wetterwarte, an dem für uns Bratwürste gegrillt wurden. »Das ist doch typisch Fränkisch!«, begeisterten sich die Masters aus Übersee, nahmen auch gern noch einmal nach vom Kartoffelsalat und ließen sich sogar dazu hinreißen, den Obatzden respektive G’rupften zu probieren. Dazu gab es noch einmal Feines von den beiden Stiftungen.
Rudolf Fürst, Bürgstadt
Ab Marktheidenfeld am Main entlang, und das bei bestem Wetter, wird einem erst deutlich, wie weit es von Würzburg bis nach Bürgstadt ist. Es wird einem auch deutlich, wie waldreich der Spessart ist, wie prachtvoll die Burgen aus rotem Sandstein dastehen, wie zentral in Deutschland und gleichzeitig Fuchs-und-Hase-abgelegen es hier zugeht. Letzteres trifft auf das Weingut Rudolf Fürst überhaupt nicht zu. Sebastian Fürst zeigte nämlich, warum seine Weine auch international mittlerweile höchst begehrt sind. Ein Chardonnay der beste fränkische Weiße? Ein Franken-Pinot der beste deutsche Rote? Ob das so ist, muss jede*r für sich selbst entscheiden. Aber heiße Kandidaten sind es allemal.
Klingenberger Schlossberg
Zum Abschluss und leicht in Verzug durfte ich noch den formidablen Busfahrer André ärgern, der die Folgen überzogener Lenkzeiten fürchtete. Wir haben nämlich kurz am Klingenberger Schlossberg gehalten. Musste sein. Kulturdenkmal, kilometerlange, per Hand über Generationen aufgeschichtete Terrassen und Mäuerchen, nie flurbereinigt – und mittlerweile auch die Heimat großer (Rot)Weine. Ohne Pannen ging es daraufhin mit den Masters of Wine zum Ausladen nach Wiesbaden und mit dem Bus wieder zurück nach Sommerach. Eine Minute vor Lenkzeitende, Klamotten umgeladen ins Auto, bereits im Dunkeln nach Bamberg – uff. Aber schon toll.
Kleines Fazit – Was ich über Franken und die Masters of Wine gelernt habe
Bei einer Tour, die es dem Frankenwein ermöglicht, dank bedeutender Multiplikatoren auch einmal Aufmerksamkeit außerhalb Deutschlands zu erregen, ist ein Feedback natürlich besonders wichtig. Auch für mich, der ich hier lebe und dem Frankenwein schon viel Herzblut geschenkt habe. Deshalb habe ich gern zugehört, wenn die MWs sich über dieses und jenes unterhielten.
Was die Masters of Wine am besten an der Tour fanden? »The people!«, und zwar ziemlich eindeutig. Tatsächlich haben sich alle Gastgeberinnen und Gastgeber unheimlich viel Mühe gegeben. Es waren aber vor allem Zugänglichkeit und Offenheit, die hier gelobt wurden. Mit Winzerinnen und Winzern (= Entscheidungsträgern) bei der Weingutsbesichtigung und nachher beim Essen plaudern zu können, Fragen zu Klimawandel, Bodenbearbeitung, Gärführung persönlich zu diskutieren, das ist der riesige Vorteil der (selbst bei größeren Betrieben) familiären Strukturen in Franken.
Was ich allerdings auch gelernt habe: Die Welt sucht nicht aktiv nach Franken. 14 Zeilen über Franken stehen in meinem WSET-Lehrbuch, und die überwältigende Mehrzahl der MWs auf der Tour war vorher noch nie hier.
Um das zu ändern, um auch international in den Wahrnehmungskreis zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man bündelt die Kräfte und geht dorthin, wo die bislang ahnungslosen potenziellen Kunden sitzen. Oder man holt sie hierher und lässt sie alles erleben. Oder am besten beides.
Silvaner probieren in verschiedenen Interpretationen, Bocksbeutel anfassen, durch romantische Gässchen bummeln, nette und kompetente Winzerinnen und Winzer treffen. Aber auch: Nur echte Leuchttürme auch Leuchttürme nennen und jene im Ausland mit entsprechenden Preisen versehen. Wenn einem nämlich der Würzburger Stein »lieb und teuer« ist, darf aus dem gesamten Hang kein Wein für weniger als 30 € stammen.
Hört sich das übertrieben an? Für manche vielleicht. Ich finde aber, wir brauchen klare Vorstellungen davon, was »echte Qualität« ist und was unsere strategischen Spitzen sein sollen. Sozusagen die Konkretisierung der A-Note. Denn was die B-Note anbelangt, die Sympathie, braucht sich Franken wahrscheinlich vor nichts und niemandem zu verstecken…
Toller Bericht! Da hab‘ ich gleich mal ein paar Flaschen von einigen der sympathischen Winzer bestellt!
Ich persönlich finde es klasse, fränkischen Wein aus dem Qvevri und am nächsten Tag eine Erste Lage aus dem Stein für 16,50 kaufen zu können 😁
Sorry, hab jetzt erst gesehen, dass ich dir noch nicht geantwortet hatte! Ja, die Frankenwinzer sind wirklich nett und die Preise für Endverbraucher meist auch ziemlich attraktiv. Es sei dir also unbenommen, dich reichlich mit der guten Ware einzudecken 😉 . Aus strategischer Sicht allerdings, wenn ich mal die andere Seite einnehme, ist der Stein schlicht zu billig. Rein von der Weinqualität kann man sagen wir mal im Wiebelsberger Dachs auch wunderbare Weine machen und die entsprechend mild bepreisen. Aber wenn ich den Stein als Aushängeschild mit dem ganzen Goethe-Brimborium international platzieren möchte…
Wiebelsberger Dachs? Wie wäre es stattdessen mit dem Wipfelder Zehntgraf? Und dort mit dem Gewann “Reider”? Da erzeugt das Weingut Uwe Gessner einen formidablen Silvaner aus gut 65 Jahre alten Reben, gegen den manche GGs aus dem Stein und anderen (zu) heißen Lagen behäbig und breit schmecken.
Raider heißt jetzt Twix und ich trink Reider statt Stein!
Ja, der Reider ist super! Hatte letztes Jahr seine Kategorie beim “Best of Gold” gewonnen, ich hab ihn auch im Keller, weil sich eine längere Lagerung da lohnt (Ausbau im Barrique). Vor dem Sieg kostete der Wein ab Hof 11,50 €. Das war primär der unbekannten Lage und dem unbekannten Weingut geschuldet, ich schrieb ja schon über die Problematik. Jetzt steht er bei 22 €, was dem Aufwand und der Qualität entspricht. Stammkunden werden sich darüber ärgern, Neukunden hingegen sind überhaupt nicht irritiert, denn der Wein schmeckt nun mal nach 22 € und nicht nach 11,50 €… 😉
Sehr schöne Zusammenfassung und treffende Analyse.
Spannend finde ich das Gedankenspiels wie ein Leuchtturm denn wirklich leuchten müsste… Am Stein kann ich mir das sogar noch vorstellen, dort ist die Anzahl der Mitspieler überschaubar. Aber am Lump, am Johannisberg oder am Centgrafenberg zeigt sich: bei uns werden die Marken von kleinen Erzeugern geschaffen. Die am Markt Erzeugerübergreifenfend wirklich erfolgreichen gUs sind vom Verband detailliert genormt, das ist Fluch und Segen und in der heutigen Betriebs- und Weinbergsstruktur Frankens realistisch kaum zu erreichen. Selbst im VDP wird es zu oft nicht geschafft die hehren Ziele allgemeingültig einzugrenzen und umzusetzen. Über den Tellerrand geschaut: die radikale Gebietsreform in der Steiermark, die definiert welcher Wein ein Ried auf dem Etikett haben darf zeigt, es ist nicht unmöglich daran weiter zu arbeiten.
Danke nochmal für euren Besuch.
Ja, “zurück auf Los” ist irgendwie immer schwieriger durchzusetzen als “weiter so”. Weil es halt Änderungen erfordert und ein ganz straightes Denken vom Anfang her. Beides wird einem wahrscheinlich noch nicht mal in der Schule beigebracht 😉 .
Den Hinweis auf die Steiermark finde ich spannend! Gibt es denn dort eine “Riedentauglichkeitsprüfung”? Also nicht der Riede selbst, sondern des Weins. Das heißt, dass ein Wein die Riede nicht auf dem Etikett nennen darf, wenn er zwar von dort stammt, aber die (geschmacklichen?) Voraussetzungen nicht erfüllt? Denn sonst wäre das ja “nur” eine Lagenklassifikation analog zu uns. Beziehungsweise eine Klassifikation nach Parametern, wie sie angedacht ist – und allein wegen dieser Parameter schon für genügend Diskussion sorgen dürfte… 😉 .
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