BIOFACH 2023 – acht interessante Entdeckungen

Biofach 2023 Neuheiten

Wie immer im Februar, fand dieses Jahr wieder die Biofach in Nürnberg statt, die »Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel«, wie sie sich selbst nennt. Tatsächlich ist es aber eben nicht »wie immer«, denn der echte Vorgänger der Biofach 2023 im Februar war die Biofach 2020. 2021 fiel wegen Corona aus, und 2022 gab es eine enorm ungünstig terminierte Sommerausgabe Ende Juli. Jetzt also endlich wieder richtig. Aber die Welt hat sich seit der letzten korrekten Biofach auf seltsame Art weitergedreht. Welche Auswirkungen davon würde man bei der Biofach 2023 spüren können? Und würde ich Produkte finden, die mich hinter dem Ofen hervorlocken?

Biofach 2023 – crisis, no crisis

Das mit dem Hervorlocken ist eigentlich ein gutes Stichwort. Wir alle haben in der Coronazeit erlebt, welche Sprünge die Digitalisierung machen kann, wenn Direktkontakte wegfallen. Und wir erleben jetzt, welche Direktkontakte sich als so essentiell herausstellen, dass sie sie überhaupt noch gibt. Ob große Messen als Treffpunkte der Branche dazugehören, ist ehrlich gesagt noch nicht geklärt. Die Biofach 2023 konnte an vier Tagen knapp 36.000 Fachbesucher*innen hinter ihren digitalen Öfen hervorlocken, was deutlich mehr ist als zur Sommerausgabe 2022, aber eben einen Rückgang von fast 30% gegenüber den Zahlen von 2019 oder 2020 bedeutet.

Auch heißt es immer (und die Pleite großer Bio-Player wie der Supermarktkette Basic scheint das zu belegen), dass Bio mittlerweile so leidet wie noch nie. Inflation, Energiekrise, Ukrainekrieg – die Deutschen halten ihr Geld zusammen in der Befürchtung, dass es noch schlimmer kommen könnte und geben deshalb weniger für den kleinen Hedonismus aus, als den man Bio offensichtlich ansieht.

Tatsächlich sind die Umsätze für Bio-Lebensmittel in den letzten beiden Jahren in Deutschland rückläufig. Aber erstens gab es im LEH 2022 dennoch ein Bio-Umsatz-Wachstum von 3,2%, während vor allem der Fachhandel einbüßte. Und zweitens waren die Zuwächse im Jahr 2020 mit 22% derartig groß, dass 2022 immer noch das drittbeste Jahr jemals darstellt. Also: Krise ja, aber vielleicht eher eine Delle – und ein gewisses Stück Strukturwandel.

Besser machen und richtig darüber sprechen

Biofach 2023

Die wahre Crux, das lassen Brancheninsider durchblicken, liegt möglicherweise eher in der Biobranche selbst. Wenn man nämlich der Meinung ist, bereits alles richtig zu machen und qua Naturgesetz auf der guten Seite zu sein, geht man mit Hindernissen ein bisschen weniger kreativ um. Da ist es dann fast ärgerlich oder wird als verzichtbar angesehen, sowas wie Marketing zu machen (a.k.a. die Kunst der Verführung), weil die Kunden eigentlich von selbst durchblicken sollten.

Das, ich gebe es zu, ist ein bisschen arg bösartig formuliert. Aber nachdem ich jetzt seit einigen Jahren häufig im Biobereich arbeite, sehe ich da tatsächlich eine gewisse Gefahr. Und es erinnert mich an die Arbeit der EU-Kommission. Auch da ist man eigentlich auf der guten Seite der Politik, legt Wert auf Fairness, auf höhere Ziele, ist gesellschaftspolitisch vorn dran. Wenn man bloß wüsste, wie man es und sich selbst so darstellt, dass Else Normalverbraucherin das auch realisiert…

Denn die Produkte, die ich euch jetzt hier vorstellen möchte, sind tatsächlich gut. Um sie herzustellen, wird der Boden lebendig erhalten, die Mitarbeiter nicht ausgebeutet, die Verpackung gecheckt, weder üble Zusatzstoffe verwendet noch mit Sägespäne gestreckt – kurzum so, wie es eigentlich überall sein sollte. Selbst dann, wenn es sich um ein prozessiertes Fertigprodukt handelt. Denn auch in jenem Bereich muss es Bio geben. Wenn wir uns nämlich darüber beklagen, dass die jungen Leute nach Feierabend einen Bratling in die Pfanne hauen statt eine halbe Stunde Gemüse zu schnippeln, gleiten wir schnell wieder in die unangebrachte Arroganz des Absatzes davor. Jetzt aber los zu den Produkten!

1. Nungesser Kenari-Nüsse

Nungesser Kenari Nüsse

Was ist das? Nüsse aus Indonesien in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen: Natur, Meersalz, Kakao-Zimt und Spicy-Salzkaramell.

Warum ist das sinnvoll? Weil Nüsse ideale Energielieferanten sind und sie zu ernten der lokalen Bevölkerung im latent vernachlässigten Osten Indonesiens ein Auskommen ermöglicht.

Warum gefällt mir das? Weil ich vorher noch nie von der Kenari-Nuss gehört hatte. Die Bäume der ungefähr 100 Arten umfassenden Gattung Canarium wachsen in der Regel von den Philippinen bis nach Melanesien und werden dort seit mindestens 6.000 Jahren auf vielfältige Weise genutzt. Geschmacklich erinnert mich die Kenari-Nuss an eine etwas weichere und mildere Version der Macadamia. Mein Tipp: unbedingt die Natur-Version probieren.

2. Panela Asiatische Brühe

Biofach Asian Broth

Was ist das? Keine Brühe an sich, sondern ein pastiges Konzentrat, das man in heißes Wasser einrühren kann.

Warum ist das sinnvoll? Weil es nicht nur keine Hefe und wenig Salz enthält, sondern sich wirklich readymade wunderbar einrühren lässt.

Warum gefällt mir das? Ich hatte mich öfter schon gefragt, ob es eine Grundpaste für Suppen auch in anderer Geschmacksrichtung als »Huhn« oder »Gemüse« geben würde. Werde ich auf jeden Fall ausprobieren, nicht nur solo, sondern auch als kleiner Kurkuma-Koriander-Touch in anderen Gerichten.

3. Genusskoarl Umami-Gewürz

Umami Universal Gewürz

Was ist das? Eine ziemlich raffinierte Würzmischung ohne Soja, Pilze und MSG.

Warum ist das sinnvoll? Niemand außer mir erinnert sich an den seltsam düster-humorvollen Song »Without MSG I am nothing» der gleichfalls völlig unbekannt gebliebenen Hardcore-Band Mclusky. Dieses Umami-Gewürz ist »everything« – ohne Geschmacksverstärker.

Warum gefällt mir das? Die aufpeppende Mischung besitzt Tomatenflocken als Basis und bringt dann unter anderem Senf, Lupinen, Hafer und Selleriewurzel ins Spiel. Klingt ein bisschen nach Ersatz, aber nach einem interessanten.

4. Rå Hygge Pilzkaffee

Biofach Pilzkaffee

Was ist das? Bohnenkaffee, geröstet zusammen mit unterschiedlichen Heilpilzen.

Warum ist das sinnvoll? Maitake und Chaga sind eine seit Jahrtausenden erprobte Nahrungsergänzung, schmecken aber allein ziemlich scheußlich. Die Dänen aus Slangerup mischen das mit Kaffee zum Doppel-Boost.

Warum gefällt mir das? Seit ich »Entangled Life« von Merlin Sheldrake gelesen habe, finde ich die Welt der Pilze noch spannender als zuvor. Eine Welt, die wir noch viel zu wenig wahrnehmen. Gründerin Irina, die Frau des netten Kaffeerösters, stammt aus Osteuropa und ist seit jeher von Pilzen begeistert.

5. Perfectseason Pilzbratling

Biofach 2023 Pilzbratling

Was ist das? Nochmal Pilze, diesmal aber schmackhaft und zum Essen, ergänzt mit Roter Bete, braunem Reis und Kidneybohnen zu einer Bratmahlzeit.

Warum ist das sinnvoll? Weil es schnell geht. Und weil es weder stark prozessiertes Zeug noch Zusatzstoffe beinhaltet.

Warum gefällt mir das? Ich möchte nicht behaupten, dass ich der allergrößte Konsument von Fleischersatz im Allgemeinen und von Burger Patties im Besonderen bin. Aber ich probiere solche Sachen trotzdem gern. Noch besser fand ich ehrlich gesagt den Dill-Bratling desselben Herstellers, der an eine Fischfrikadelle erinnern soll, aber in Wirklichkeit wunderbar eigenständig ist.

6. Variette Weiße Tomatensoße

Weiße Tomatensoße

Was ist das? Eine Tomatensoße, die farblich nur für Rot-Weiß-Verwechsler nichts zu bieten hat.

Warum ist das sinnvoll? Weil es sich um eine alte Tomatensorte des französischen Südwestens handelt. Biodiversität, Baby.

Warum gefällt mir das? Eine weiße Tomatensoße braucht abgesehen vom Biodiversitätsgedanken möglicherweise kein Mensch. Aber irgendwie schmeckt das ähnlich wie bei Gelben Kirschen tatsächlich ein wenig anders, ein bisschen subtiler. Und außerdem macht interessantes Essen das Leben schlichtweg schöner.

7. Conflictfood Kräutertee

Biofach 2023 Conflictfood

Was ist das? Conflictfood importiert Tee, Kaffee und Gewürze aus Gegenden, in denen die Zivilbevölkerung unter Konflikten leidet. Diesmal neu beispielsweise der Kräutertee aus den ukrainischen Karpaten.

Warum ist das sinnvoll? Das Motto »Trade Not Aid!» gibt eigentlich das Motto schon vor. Egal ob in Afghanistan, Syrien oder der Ukraine – die Leute wollen nicht von der Welt-Aktivitätskarte verschwinden, und das geht nur, wenn man ihnen das abkauft, was sie trotz aller Widrigkeiten produzieren.

Warum gefällt mir das? Im Prinzip erklärt sich das von selbst. Wenn ein afghanisches Frauenkollektiv jetzt Safran statt Opium anbaut, ist das der maximale Grad sozialer Nachhaltigkeit. Die einen haben Geld zum Leben, über das sie selbst verfügen können, die anderen etwas, das ihnen schmeckt und das Bewusstsein für globale Zusammenhänge schärft.

8. JKI Namenlose Rebsorte

Biofach 2023 JKI Piwi Neue Rebsorten

Was ist das? Eine neue pilzwiderstandsfähige Rebsorte, für die noch ein Name gesucht wird.

Warum ist das sinnvoll? Piwis sind nicht die einzige und nicht die vollständige Lösung. Aber diese neue Piwi-Sorte vom Julius-Kühn-Institut für Rebenforschung aus Solaris und einer extrem robusten französischen Zuchtlinie hilft schlichtweg eine Menge Pflanzengift einzusparen.

Warum gefällt mir das? Die Welt dreht sich weiter, das sollte auf der Biofach 2023 auch entsprechend rüberkommen. In diesem wirklich umfassenden Artikel hatte ich schon erklärt, weshalb ich dafür bin, dass man sich sowohl alten Rebsorten widmet (Erhalt der Biodiversität, vergessene Geschmäcker) als auch neue züchtet (Ressourcenschonung, Fortschritt gestalten). Solche Projekte wie dieses vom JKI tragen ihr Teil dazu bei.

Damit bin ich fertig mit meinem Rundgang über die Biofach 2023. Dafür dass ich gar nicht so viel Zeit hatte dafür, finde ich die Ergebnisse gar nicht mal so übel. Und um es mal klar zu sagen: Ich werde auch in diesem Jahr wieder bewusst bio-zertifizierte Lebensmittel kaufen. Nicht ausschließlich natürlich, aber doch möglichst oft.

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2 Antworten zu BIOFACH 2023 – acht interessante Entdeckungen

  1. Thomas Riedl sagt:

    Hallo Matthias,

    was ist dieser Artikel? Klar, knapp, kundenfreundlich. Fehlen bloß die links.
    Warum ist er sinnvoll? Weil Bio-Nahrungsmittel eben nicht bloßer Hedonismus sind, sondern Bio-Landwirtschaft durch Humusaufbau ein entscheidender Faktor zur CO2-Bindung ist.
    Warum gefällt mir das? Weil ich solche Scouts wie Dich brauche, um immer wieder um die Ecke zu denken.

    Danke!

  2. Pingback: Biofach 2024 - die politische Messe - Chez MatzeChez Matze

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