Der Wonnemonat Mai ist angebrochen. Für mich bedeutet das, eine lieb gewordene Gewohnheit wieder aufleben zu lassen – die GROSSE SILVANER-SCHAU! Ursprünglich, ihr erinnert euch vielleicht, hatte ich das als Überbrückung für die Corona-bedingte veranstaltungsfreie Zeit gedacht (hier zu 2020 und das Finale mit allen Links 2021). Jetzt gibt es zwar so etwas wie die ProWein wieder. Aber erstens werden ganz schön viele Weingüter dort nicht (mehr) präsent sein. Und außerdem macht es doch irgendwie auch Spaß, hier auf dem Blog von unser aller Lieblings-Rebsorte zu lesen. Diesmal sind wir allerdings nicht allein mit dem Silvaner, denn es haben sich zwei Gäste angekündigt. Davon weiter unten im Text…
Die große Silvaner-Schau – Wie alles begann…
Nachdem ich letzte Woche erst die VDP-Weinbörse in Mainz besucht und dann unglaubliche Weine aus dem Höllenberg probiert hatte (den “Kennedy-Wein” von 1917!), bin ich im Büro auf einen komplett andersartigen Ordner gestoßen. In ihm habe ich, fein säuberlich in Klarsichthüllen abgeheftet, abgelöste Weinetiketten aus meiner Anfangszeit aufgehoben. Eine Silvaner-bezogene Auswahl daraus seht ihr oben auf dem Foto.
Neben ein bisschen romantisierter Vergangenheitserinnerung haben mich bei der Betrachtung der Etiketten zwei Erkenntnisse ereilt. Erstens: Eigentlich habe ich schon immer Silvaner getrunken. Zweitens: Wirklich schön zu sehen, dass wir alle wunderbar klein angefangen haben. Beispielsweise besaß ich keinerlei Scheu vor der Literflasche. “Trocken, erdig, würzig”, Schulnote 2, das war mein treffender Kommentar zum genossenschaftlichen Katzenkopf. Einmal hatte ich mich preislich auch weit aus dem Fenster gelehnt mit einer trockenen Juliusspital-Spätlese für 18,99 DM. Mein Verdikt: “Bester Deutscher bisher, erstaunlich frisch, dennoch gehaltvoll, den Preis wert, 1-2”.
Diesmal sind bei der GROSSEN SILVANER-SCHAU natürlich wieder fränkische Bocksbeutel am Start, aber eben nicht nur. Es gibt Reportagen von wirklich interessanten Betrieben, es gibt brandneue und sogar richtig wilde Interpretationen (Flor oder Solera gefällig?). Und es gibt Gäste.
Rettet den Müller!
Einer der Gäste ist Mr. Brot-und-Butter Müller. Die Frage allerdings, die sich bei der “Rettet den…”-Überschrift stellt, ist die, ob man den Müller überhaupt retten muss. Immerhin sagt die aktuelle deutsche Wein-Statistik, dass es sich um die Nr. 3 der am häufigsten angebauten Rebsorten in Deutschland handelt. Man kann in der Statistik aber auch sehen, dass der Müller-Thurgau, dessen eigene Rebfläche sich in den letzten 25 Jahren halbiert hat, damit allein für zwei Drittel des deutschen Rebflächenrückgangs verantwortlich ist. Im freien Fall sozusagen. Insofern ja, Rettungsbedarf zumindest tendenziell nicht von der Hand zu weisen.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich Gründe für den Rückgang. Die “Neuzüchtung” (zwar schon 140 Jahre her, aber gut) war ein wichtiger Player in der großen Plörre-Phase des deutschen Weinbaus, als Quantität über alles ging. Dementsprechend sieht in weiten Teilen der Weinkennerschaft der Ruf des Müllers aus. Und das wiederum bedingt, dass Winzerinnen und Winzer nicht so wirklich scharf darauf sind, mit ihrem Müller zu werben.
Wie mit dem kleinen gallischen Dorf gibt es allerdings auch hier Ausnahmen. Eine stellt das kleine Franken-Universum dar, in dem selbst die namhaftesten Betriebe immer noch heimlich einen Müller im Portfolio haben. Passt halt gut zum Essen. Eine andere ist der Bodensee, wo der Müller-Thurgau in wunderschöner Landschaft den echten See- und Alpenblick genießt. Und ein drittes Refugium hat der Müller bei den etwas wilderen Ansätzen gefunden. Denn wenn man schon nichts zu verlieren hat, kann man auch sprudelnde, trübe und ungeschwefelte Müller produzieren. Alle drei Bereiche möchte ich hier exemplarisch vorstellen. Die “Kleine Müller-Schau” sozusagen. Beginnen werde ich allerdings mit einem Müller, der sich noch nie Sorgen um seinen Ruf machen musste: dem Feldmarschall von Fenner.
Chardonnay – die internationale Chance
Wenn die Welt eine Scheibe wäre, wäre dies die Antipode zum Müller-Thurgau. Chardonnay ist die am meisten angebaute Rebsorte der Welt. Aber nicht nur das. Er ist auch für die wertvollsten und angesehensten trockenen Weißweine weltweit verantwortlich. Dennoch musste Chardonnay mit seiner kalifornischen ABC-Phase in den 1990ern eine beachtliche Baisse durchmachen. Jene galt nicht nur für überholzte dickliche Exemplare. Zu selben Zeit wurde nämlich auch in Chablis die Rebfläche immens erweitert – mit der Folge, dass die dort produzierten nun eher säuerlich-dünnen Chardonnays als Supermarktware verramscht wurden.
Das hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend geändert. Mittlerweile gibt es nicht nur weltweit eine nie gekannte Anzahl hochwertiger und individueller Chardonnays. Die Welle hat auch Deutschland erfasst. Gefühlt die meisten Spitzenwinzer hierzulande haben in den letzten Jahren ihre Reserve, Selektion oder ähnlich benamte Versionen auf den Markt gebracht. Und da Chardonnay (nicht ganz unähnlich wie Silvaner übrigens) besonders empfänglich für das Weitergeben ausbautechnischer Kniffe ist, macht den Winzern die Rebsorte auch im Keller besonders viel Spaß.
Ich werde deshalb im Rahmen der “Kleinen Chardonnay-Schau” im späteren Verlauf sehen, welche interessanten Exemplare ich finden kann. Halten die deutschen Versionen im Blindtest mit Burgund- oder Neuwelt-Granden mit? Und: Was macht überhaupt einen richtig guten Chardonnay aus?
Ich hoffe also, dass ihr bei diesem Schau-Dreiklang mit annähernd so viel Spaß dabei seid wie ich selbst. Los geht es schon Anfang nächster Woche im Prinzip mit Müller, dann mit Silvaner, dann mit Chardonnay. Aber ich würde diesen Blog nicht schon seit fast zwölf Jahren machen, wenn ich nicht solche Prinzipien auch gern mal über Bord werfen würde. In diesem Sinne.
Hallo Matthias,
heute einmal eine romantische Übereinstimmung, eine kleine Stichelei und ein Zugeraderücken.
Romantik : allerliebst das mit den Etiketten und den Schulnoten. Ich kenne da nicht nur Dich und mich selber, der mal so eine Phase hatte und heute noch mit Wein zu tun hat. Vielleicht nimmt echte wahre Liebe immer so ihren Anfang.
Stichelei 😉 : jetzt beklage Dich doch nicht wenn statistische Erhebungen und daraus folgende Ratschläge zu so etwas führen. Ich denke die Statistik und ein großer Profithunger haben das Chablis damals eben deswegen in die aus heutiger Sicht Irre geführt. Ich nehme Bezug auf meine Kritik an deinem Kommentar zur “frankischen” Statistik. Das kommt halt davon.}}
Gerade rücken : “Mittlerweile gibt es nicht nur weltweit eine nie gekannte Anzahl hochwertiger und individueller Chardonnays.” Mal wieder nur meine Meinung : – die gab es immer – und wir wollen jetzt ja nicht um Mengen oder Prozentuale Anteile ringen. Ein wenig ist es so wie in deinener #126 – es gibt überall einige eigenständigen Winzer, die sich eben nicht um Statistik kümmern und ihr Ding machen. Und wenn das dann die pure Bombe ist, dann sind und bleiben die gut, egal was der allgemeine Geschmack fordert.
Dazu die passende Musik : https://www.youtube.com/watch?v=bIlLq4BqGdg
viel Spaß
Karl
Ja, was das Chablis anbelangt, sehe ich das ähnlich wie du. Da war der große Name und eine offenbar zunehmende Nachfrage, also hat man sich gedacht, merkt schon keiner, wenn wir Standards runter- und Menge rauffahren. Wobei man auch da sagen muss, dass Raveneau, Dauvissat oder auch Droin (um einfach mal drei zu nennen) ihren Stiefel auch zu der Zeit durchgezogen haben.
Wo du dich definitiv täuschen dürftest, das sind die guten Chardonnays 😉 . Aus französischer Sicht mag es so aussehen, als hätte es da “schon immer” gute Winzer und Weine gegeben, als hätte sich nicht arg viel getan in den letzten zwei, drei Jahrzehnten. Gut möglich, dass das für Frankreich sogar zutrifft. Aber hier in Deutschland sieht das ganz anders aus (und ich teste ja für einen der großen Guides, habe da also schon einen gewissen Überblick bekommen). Das, was heute auf dem Markt ist an hochwertigen Chardonnays, kannst du mit den paar Exemplaren von vor 20 Jahren überhaupt nicht vergleichen. In Ländern wie Chile, Argentinien oder Südafrika dürfte das ähnlich aussehen. Es ist also deutlich diverser geworden. Ich bin aber schon sehr gespannt, wie sich diese Weine dann tatsächlich im Vergleich mit einem “Klassiker” aus Frankreich schlagen. Da traue ich mir noch keine Einschätzung zu…
Da sind wir fast komplett einer Meinung!
Ich streite überhaupt nicht ab, dass die Zeit eine Rolle spielt. Aber seien wir mal ehrlich, das gilt doch für alle Regionen.
Es wird besonders bei den Vin naturel Winzern oft besser über die Zeit. Aber wir können ja immer nur vergleichen, was zum gleichen Zeitpunkt real gemacht wurde und möglich war.
Wenn wir da bei den Exporten bleiben, repräsentieren die ja oft Menge und nicht unbedingt Klasse. Ist ja heute auch noch oft so.
Hat damals (wann auch immer das war) ein 3ha Chabliswinzer der schon Bio und sein Ding machte, eine Flasche nach Deutschland exportiert?
Problem bei uns beiden bleibt manchmal die Für- und Gegensprache von Groß und Klein oder Relativierungsebene. Du weißt mich interessieren die Großen bei Menge nicht all zu sehr, eher die Kleinen Großen der Qualität.
Hört sich so wieder unvereinbar an – Menge und Qualität – und müsste präziser definiert werden (sowohl als einzelne Begriffe, als auch im Zusammenhang).
einen herrlichen sonnigen Tag
Karl
vielleicht ist es aber auch nur meine romantische Ader, die mich an den alten guten kleinen Winzer mit dem Super-Duper-Topwein glauben läßt;))
Pingback: Müller on top - Tiefenbrunner Feldmarschall von Fenner - Chez MatzeChez Matze
Pingback: Staatsweingut Meersburg - Müller mit Seeblick - Chez MatzeChez Matze
Pingback: Winzerhof Stahl - Der Allfranke - Chez MatzeChez Matze