It’s Messe-Time again! Lange genug hatten wir ja darauf warten müssen, mal wieder mit echten Winzerinnen und Winzern über dies und das zu fachsimpeln, den neuen Jahrgang zu probieren und… Moment, wird denn so eine Weinmesse wie die Millésime Bio überhaupt durchgeführt? Ja, das soll wirklich so sein. Gestern und vorgestern gab es erst einmal die digitale Version (letztes Jahr war ausschließlich virtuell). Und in fünf Wochen soll schon die reale Messe in Montpellier stattfinden. In jedem Fall waren diese beiden Tage jetzt schon mal eine schöne Fundgrube mit vielen Recherchen und auch ein paar Gesprächen. Zum Beispiel mit Elisa Klur.
Was macht Elisa Klur a.k.a Tack & Glou?
Elisa Klur kommt aus dem Elsass und stammt aus dem bekannten Weingut Klur in Katzenthal. “Le Crémant de Clément” (ihr Vater Clément Klur), kennt ihr vielleicht auch, hatte ich auf jeden Fall schon getrunken. Elisa selbst hat keine Weinausbildung, sondern Bildende Kunst an der Uni Straßburg studiert, Schwerpunkt Schmuckdesign. Ihr war zwar klar, dass sie gern nach Katzenthal zurückkommen wollte, aber ein biodynamisches Weingut allein führen? Daher ist die Familie Klur auf eine andere Lösung gekommen: Sie verkauften einen Großteil ihrer Fläche an einen Biodynwinzer aus dem Nachbarort. Übrig blieben 1,8 ha, davon Parzellen im Grand Cru Wineck-Schlossberg. Und ein Schmuckdesign-Studio, denn Elisa arbeitet seit ihrer Rückkehr 2019 mehrgleisig. Funktioniert das? “Ja”, sagt sie, “ziemlich gut. Im Weinberg ist viel Saisonarbeit, und den Schmuck mache ich primär im Winter, wenn draußen nicht so viel los ist.”
Das kleine Unternehmen von Elisa Klur heißt Tack & Glou. Und noch etwas hat sie umgestellt. Ihre Weine sind ausschließlich strikte Naturels, also ohne kellertechnische Eingriffe. Es gibt Weiß, Orange, Rot und Schäumer, und tatsächlich wäre ich auf den großen Riesling am meisten gespannt. 92 Punkte für die 2019er Ausgabe im RVF-Guide übrigens, dort nach wie vor unter Vignoble Klur gelistet. In Deutschland bekommt man die Weine derzeit nur im Arp Museum in Remagen, was natürlich passt bei der persönlichen Kombination aus Kunst und Wein. Urlaub machen kann man auf dem Weingut Klur übrigens auch. Katzenthal liegt westlich von Colmar direkt am Rand der Vogesen. Wenn ich mir solche Bilder von da anschaue, will ich, dass es sofort Frühsommer ist und wir wieder ins Elsass fahren. Jedenfalls war das ein total nettes Gespräch mit einer sehr sympathischen Neo-Winzerin.
Millésime Bio 2022 – Wer ist (außer Elisa Klur) noch dabei?
Neben Elisa Klur haben sich laut Liste noch genau 1.400 andere Weingüter für die reale Millésime Bio angemeldet. Weil die aber erst Ende Februar stattfindet (wenn sie es denn tut), möchte ich mich hier auf die 523 Weingüter konzentrieren, die bei der digitalen Version dabei waren. Gegenüber letztem Jahr, als die Millésime notgedrungen zur reinen Digitalmesse wurde, stand diesmal übrigens die Technik sehr gut. Videoqualität, Chatfunktion und wirklich jede Menge Infos, alles super. Wirklich genial als Vorbereitung für Fachbesucher ist die Möglichkeit, Weine und Weingüter genau zu recherchieren.
Fast alle Weingüter hatten dabei neben Infos über sich, Kontaktdetails, Flaschenfotos und Weinbeschreibungen auch technische Analysen als pdf angehängt. Natürlich macht das Arbeit für die Winzer. Aber es ermöglicht auch Einkäufern, vorher schon mal abzuchecken, was für sie besonders interessant sein könnte. Der Löwenanteil unter den digital präsenten Weingütern stammte natürlich aus Frankreich. 406 von 523, sprich fast vier Fünftel. Auf den nächsten Plätzen lagen Spanien und Italien. Aus Deutschland hatten sich zwölf Weingüter die Mühe gemacht, sich hier zu präsentieren. Auf einzelne Weingüter- und Weintipps komme ich übrigens noch im zweiten Teil in ein paar Tagen.
Ein paar trendige Zahlen
Vielleicht noch ein paar interessante Zahlen zu den angestellten Weinen:
- Rosé als Weinfarbe ist in der Provence zwar dominierend, kommt aber in allen anderen Regionen nicht über einen Anteil von 15% hinaus. Da hätte ich mehr erwartet.
- Orange als Weinfarbe spielt generell weiter eine untergeordnete Rolle. Mit knapp 5% ihrer angestellten Weine liegen Österreich und das Elsass hier vorn.
- Überraschend hoch ist für mich der Anteil der Weißweine aus mediterranen Ländern: 41% bei Spanien, 38% bei Italien, dazu immerhin 28% in Languedoc und Roussillon. Mehr Frische im Süden?
- Sehr interessant finde ich auch die Entwicklung im Bordelais. Zwar dominieren hier weiterhin die Roten, aber viele Winzer haben zusätzlich zu ihren eher klassischen Weinen eine ungeschwefelte, früh trinkbare Version im Portfolio. Ohnehin ist Bordeaux eine Region to watch. Und zwar trendmäßig. Lange ist hier geschlafen worden, miese Weinbergsbehandlung, standardisierte Weine, voll auf den Neureichen-Ruhm weniger Grands Crus gesetzt. Soll heißen: Sie müssen etwas tun, aber offenbar passiert das auch peu à peu.
Studie Biowein – Deutschland vs Frankreich
Jetzt möchte ich euch noch auf die Ergebnisse einer Studie hinweisen, die der Anmeldung zur Millésime Bio beilag. Im Auftrag u.a. von Sudvinbio, die ja die Messe organisiert, hat das Marktforschungsinstitut Ipsos eine repräsentative Befragung zum Thema Bioprodukte/Biowein durchgeführt. Ich habe mich hier nur auf Deutschland und Frankreich im Vergleich konzentriert.
Die erste Frage an die Teilnehmenden war, welcher der hier folgenden Aussagen sie zustimmen würden.
Ihr könnt sehen, dass es den Menschen in beiden Ländern am wichtigsten ist, Informationen über die Herkunft von Lebensmitteln zu besitzen. Stichwort Transparenz. Was mich bei den Ergebnissen überrascht hat: Frankreich liegt bei allen Fragen vor Deutschland. Außer bei der Frage nach der Bereitschaft, für Bioprodukte mehr zu zahlen. Zwei Drittel der Deutschen würden das tun.
Bei der Aussage Kaufe oft Bioprodukte gab es übrigens gegenüber der 2015er Ausgabe der Befragung (das wurde also vor ein paar Jahren schon einmal gefragt) die größten Sprünge. 9% plus in Deutschland, gar 15% plus in Frankreich.
Deutsche Weinkäufer in Theorie und Praxis
Was sind für Deutsche und Franzosen denn jetzt die wichtigsten Argumente, weshalb sie Biowein kaufen? Oder kaufen würden. Die Umweltfrage liegt in beiden Ländern ganz vorn. Das erscheint irgendwie logisch. Noch interessanter fand ich allerdings den zweiten Punkt. Für die Franzosen scheint ein wichtiges Kriterium die Neugier des Ausprobierens zu sein. Für die Deutschen ist das viel weniger wichtig. Innovationsland Deutschland? Och, naja.
Noch weiter auseinander liegen die beiden Nachbarländer bei der Frage, was aus ihrer Sicht denn gegen den Kauf von Bioweinen spricht. Den Franzosen fehlen offenbar weitere Informationen. Welche das sind, ist in so einer kleinen Befragung nicht weiter differenziert worden. Aber wenn ich Weinverantwortlicher in Frankreich wäre, würde ich mich schon fragen, wie ich dieses Informations- und damit einhergehend vermutlich auch Vertrauensdefizit verringern kann.
Die Deutschen fühlen sich infotechnisch eigentlich ganz gut aufgestellt. Was sie hingegen viel mehr bedrückt als die Franzosen, das ist der Preis. Aber hatten die Deutschen weiter oben nicht sogar stärker als die Franzosen gesagt, sie seien bereit, für Bioprodukte mehr zu zahlen? Ja, hatten sie. Aber offenbar gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was man sich vor dem Supermarkt vornimmt und dem, was dann tatsächlich im Einkaufwagen liegt. Beim Blick auf die Regale packt die Deutschen dann doch die spontane Nachkriegsfurcht, ins Gebein gefahren bis ins siebte Glied. Das gilt übrigens für den gesamten Lebens- und Genussmittelbereich. Ich habe schon oft solche Umfragen gesehen, und die Ergebnisse gleichen sich in diesem Punkt überraschend stark.
Damit lasse ich euch für heute allein. Wie versprochen, werde ich in ein paar Tagen mit ein paar konkreten Weintipps um die Ecke kommen. Für Fachbesucher, die tatsächlich nach Montpellier fahren. Und für die Online-Besteller, die mal was Neues ausprobieren wollen. Wollen die Deutschen ja gar nicht, ich weiß. Aber ihr schon, ich kenne euch.
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