Natürlicher Dienstag #120 – JC Garnier/Loire

JC Garnier Grolleau Gamay Aunis

JC Garnier (sagt eigentlich jemand wirklich Jay-Cee zu ihm?) ist ein Winzer von der Loire, genauer gesagt aus dem Anjou. Wenn man im Netz nach Informationen sucht, kommt man immer wieder zu einer Passage, in der darauf hingewiesen wird, dass er zunächst ein Jahrzehnt als Sommelier gearbeitet habe, um dann als Quereinsteiger, als Neo, an der Loire anzufangen. Es klingt dabei so, als sei dies erst kürzlich der Fall gewesen. Ein bisschen muss ich dabei grinsen und daran denken, was ich in den CD-Player schiebe, wenn ich ankündige, zum Abendessen mal wieder “moderne Musik” einlegen zu wollen. Das sind dann Sachen wie Massive Attack.

JC Garnier – Rot und Weiß aus dem Anjou

So ist das mit der permanent fortschreitenden Zeit, liebe ebenso älter werdende Leserschaft. In Wirklichkeit hat JC Garnier nämlich im Jahr 2002 den Schritt vom Weinkenner zum Winzer gewagt. Das war vor fast 20 Jahren, aber immerhin noch über ein Jahrzehnt später als Blue Lines. Insofern doch irgendwie aktuell, gell? Nach einer Zeit in der Spitzengastronomie im Süden Frankreichs war Jean-Christophe (denn das verbirgt sich hinter dem JC) zunächst bei den Brüdern Parcé im Roussillon und hat dann ein Praktikum bei Loire-Legende Mark Angeli gemacht.

Weshalb ich Mark Angeli hier besonders anspreche, ist nicht nur wegen der konkreten Rolle, die er als Vermittler des ersten Stück Weinbergs gespielt hat. Ich habe nämlich bereits von einer Vielzahl angehender Winzerinnen und Winzer gelesen, dass sie bei Mark angefragt, mitgeholfen hatten. Und wenn er dann gesehen hätte, dass sie es ernst meinen, hätte er ihnen sein Wissen, seine Erfahrung und seine Kontakte mitgegeben. Damit sie gut starten können. Genau das ist nämlich (wenn ihr mich fragt) wahnsinnig wichtig, um eine Disziplin lebendig zu erhalten: sich nicht abschotten, sich nicht als Gralshüter des Wissens betrachten, sondern großzügig sein, Chancen ermöglichen. Gut, das dazu. Zurück zu JC Garnier.

Faye-d'Anjou

Der landete also im Jahr 2002 in Saint-Lambert-du-Lattay und startete mit 2 ha Chenin. Nach und nach kamen mehr Weinberge hinzu, erst nur in Weiß, später dann auch in Rot. Während die Weißen primär in einem neo-traditionellen oxidativen Stil gehalten sind, zeigen sich die Roten zugänglicher, gedacht für den früheren Konsum. Spaß mit Anspruch sozusagen. So ist auch dieser Wein, der nach den verwendeten Rebsorten schlicht Grolleau Gamay Aunis heißt, ein Jungwein. Biologischer Anbau, macération carbonique, unfiltriert, minimal geschwefelt (10 mg/l).

Wie schmeckt der Wein?

Zunächst einmal zum Visuellen: Auf dem Etikett ist als Zeichen des Weinguts oder aber des Winzers der Ouroboros abgebildet. Weniger mystisch hingegen der Verschluss der Flasche. Es handelt sich dabei um einen schlichten Kunststoff-Pfropfen wie im Billigwein-Segment. Kleiner Punktabzug. Ins Glas fließt ein hellroter (pale ruby), leicht trüber Stoff. In der Nase gibt es zunächst einen kleinen Gäranflug, wie das bei Naturweinen nicht selten ist. Dahinter kommen aber Preiselbeere und Bissap, also Hibiskusblüten-Tee.

Steine Anjou Schiefer

Diese Eindrücke setzen sich im Mund fort. Ich möchte hier einmal das zitieren, was der japanische Importeur Vortex Wine in maschineller Übersetzung schreibt: “Am Gaumen ist er frisch und leicht, mit vielen schönen, hellen, sonnigen Fruchtaromen, als ob die roten Früchte ihr Gesicht zur Sonne heben würden.” Genau so ist es. Was nicht erwähnt wird, ist der deutliche fizz. Hier gibt es frisch nach dem Öffnen noch so viel Kohlensäure, dass man woanders gar frizzante dazu sagen könnte. Zwar verfliegt das mit der Zeit, muss es aber nicht. Ich finde nämlich so einen frischen, hellroten Spritzy mit guter Säure und einem bisschen Tannin als Gegengewicht höchst attraktiv.

Mein üblicher Härtetest bei Naturels zeigte übrigens nach zwei Stunden geöffnet noch keinerlei Zeichen eines Abbaus. Nach 24 Stunden in der warmen Küche kamen dann die ersten zart bräunlichen Noten, wobei ich da zugegeben eine sehr niedrige Wahrnehmungsschwelle habe. In jedem Fall würde ich dazu raten, den Wein relativ schnell zu verbrauchen. Macht aber frisch geöffnet eh am meisten Spaß.

Wo habe ich ihn gekauft?

Gekauft habe ich den Grolleau Gamay Aunis 2019 von JC Garnier bei der Vinoteca Maxima für 17,10 €. Genau den Wein gibt es dort zwar nicht mehr, aber der Les Nouettes ist auch aus Grolleau und Pineau d’Aunis. Ohnehin (nur für den Fall, dass das jetzt neu ist für euch) lohnt der Online-Shop mit seinem fulminanten Angebot einen Besuch sehr. Ihr solltet euch allerdings ein bisschen auskennen, denn Beschreibungen der Weine gibt es dort bislang nicht.

However, mit dieser 120. Ausgabe des Natürlichen Dienstags wünsche ich einen guten Start ins neue Jahr 2022. Vor zweieinhalb Jahren hatte ich mit Rainer Zangs Silvaner die erste Folge gestartet.

Dass es weiterhin an jedem Dienstag eine neue Folge geben wird, kann ich noch nicht versprechen, denn das hängt ja auch immer ein bisschen mit dem geeigneten Nachschub zusammen. In jedem Fall hoffe ich, euch in diesem Jahr wieder etwas anbieten zu können, das ich in der Herkunftsregion selbst zusammen gesammelt habe. Eine gewisse Reiselust habe ich nämlich schon…

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7 Antworten zu Natürlicher Dienstag #120 – JC Garnier/Loire

  1. Christoph sagt:

    120 Stück, nicht übel. Herzlichen Glückwunsch!

    • Matze sagt:

      Dankeschön! In Kreiensen gibt es eine Kneipe mit dem schönen Namen “Platz für 1.000”. Und dann als Untertitel: “nach und nach”. So ähnlich ist das hier auch 😉 . Ich sehe gerade, der Platz für 1.000 ist dauerhaft geschlossen…

  2. Karl Brunk sagt:

    Hallo Matthias,
    ich suche jetzt seit einer Stunde ein Youtube-Video, in dem Mark Angeli das in deinem Beitrag angesprochene Förderungsprojekt erklärt. Es war von 2015 und ist inzwischen gelöscht. Ich kann es auf anderen Plattformen nicht finden.
    Es war eine Zusammenarbeit von Nicolas Joly, Philippe Gourdon und Mark Angeli. Sie hatten ein Programm für ernsthafte Jungwinzer, die nach 2 Jahren mithelfender Bewährung besonders gefördert wurden.
    Zuerst wurden ihnen Parzellen vermittelt. Nach zweiter Ernte und Ausbau in entsprechender Qualität organisierten sie für diese Neuanfänger den Kontakt zu den besten ihrer eigenen Kunden mit Empfehlung. So funktionierte der Einstieg.
    Die bei Dir erwähnten 2 ha haben da eine wichtige Rolle gespielt.
    Zum Einen ist die Besteuerung bis zu 2 ha erheblich geringer als für jeden mm² mehr. Es gibt darüber eine überproportionelle Steigerung. Ohne Eigenkapital ist der Anfang mit größeren Flächen also alleine deswegen oft ein Selbstmordunternehmen.
    Zum Anderen sind 2 ha so gerade die Fläche, die ich ohne große Investitionen mit eigener Handarbeit in der Art von Biodynamie bearbeiten kann.
    Drittens, sind die Erträge von 2 ha a.)ausreichend für ein Grund-Überleben und b.)mengenmäßig gut zu vermarkten ohne Lagerbestände anzusammeln.
    Wenn dann im dritten Jahr mit den vermittelten Kunden ein größerer mehr oder weniger garantierter Absatz möglich ist, halfen die drei den Adepten zusätzliche Parcellen zu finden.
    Das alles war aus der großen Unzufriedenheit mit den traditionell konservativen Weinbauschulen entstanden. Bis heute sind nur die ernsthaften Drei-Sterne-Köche, Sommeliers und Caveisten von der Art Wein überzeugt. Die restlichen 98% der Professionellen halten es bis heute für Humbug und Scharlatanerie um bessere Preise zu erzielen.
    Ich weiß, dass Du jetzt deine Stimme im Bezug auf zumindest den letzten Satz erhebst und es gerne relativieren oder zumindest nicht so krass sehen würdest. Du bist halt ein optimistischer und wohlwollender Mensch, aber ich bin mir sicher, dass Du im Grunde die gleichen Erfahrungen in der Realität gemacht hast.

    • Matze sagt:

      Danke für deinen Kommentar! Ich habe das Video jetzt auch nicht gefunden, aber es gibt vielleicht noch etwas dazu zu sagen, sogar ohne Beteiligung von Mark Angeli 😉 .

      Soweit ich weiß, ist die Steuerbefreiung für Einzelunternehmer in Frankreich wesentlich höher angesetzt als in Deutschland. Hier gelten ja 17.500 € Kleinunternehmerschwelle, ab der du dann umsatzsteuerpflichtig wirst. Nebst dem ganzen anderen Schlamassel, das dann fällig wird, wenn du mehr einnimmst.

      Für Frankreich habe ich eine Erklärung im Netz gefunden (allemagne-service.com), bei der es heißt: “Früher auto-entrepreneur genannt, so ist der offizielle Status heute micro-entrepreuner. Der Unternehmer listet nur noch seine Einnahmen auf und nach diesen werden sowohl Steuern als auch Sozialabgaben, wie Krankenversicherung, Rentenversicherung und andere Abgaben beglichen Die Abgaben richten sich also nur nach den tatsächlichen Einnahmen. Der auto-entrepreneur kann jährlich bis zu 32 900 € für Dienstleistungen und 82 200 € ohne MwSt. im Handel einnehmen, bevor der Status geändert werden muss. Die Berechnung aller Abgaben ist denkbar einfach: 13 % monatlich im Handel 23 % für Dienstleistungen.”

      Das ist natürlich gerade für junge Leute, die sich selbständig machen wollen, ein krasser Unterschied zu der Regelung bei uns. Wenn du auf den Wochenmärkten unterwegs bist, triffst du da ständig junge ambitionierte Selfmade-Menschen, die ihre Kräuter, ihre selbstgerührte Marmelade, ihre selbstgesiedete Seife, wasweißich verkaufen. Fast alle machen von dieser Regelung Gebrauch. Bei uns hingegen wirst du ohne Kapital im Hintergrund bestraft dafür, dass du dir auf diese Weise etwas aufbauen möchtest. Jetzt bin ausnahmsweise ich mal ein bisschen polemisch 😉 . Aber ich habe tatsächlich den Eindruck, für diese Jungunternehmer*innen gibt es hier in Deutschland keinerlei Lobby.

  3. Karl Brunk sagt:

    Hallo Matthias,
    es hat etwas gedauert, aber ich wollte mich erst rückversichern, um Dir jetzt auch keinen Blödsinn zu berichten. Deswegen war ich heute bei Michel Issaly dem ehemaligen Präsidenten der Vignerons Independent und auf einigen offiziellen Internetseiten.
    Wenn es Dich weiterführend interessiert, können wir das auf ein zukünftiges Treffen verlegen oder in einen email-Austausch weiter führen weil das Thema tatsächlich komplex und mit Fallstricken versehen ist. In den Kommentaren ufert das sonst aus.
    Hier und jetzt kann ich nur kurz zwei Dinge sagen :
    1. Es ist nicht möglich als Winzer auf Basis des Auto-Entrepreneur-Status zu arbeiten. Das äußerste was man machen könnte, und so schon halb illegal, als Weinhändler eigenen Wein – gemacht aus zugekauften Trauben – zu vertickern.
    Allerdings würden dich die Produktions- sowie alle anderen Kosten und ebenso deren geleisteten Mehrwertsteuerbeträge, die du als Auto-Entrepreneur nicht verrechnen kannst, erschlagen.
    2. Also blieb früher nur der Weg über eine anerkannte Ausbildung. Heute geht es auch durch Praktikum bei einem Winzer. Allerdings musst du zumindest eine EARL gründen und bist dann per se bei hohen Abgaben und jährlichen Deklarationen des Ernteertrags, die staatliche und regionale Vorgabe einhalten muss, angelangt.
    Da in Frankreich der Weinbau in die Kategorie Agriculture fällt, ist ein ganzer Wald von Regelungen einzuhalten.
    Kommen wir noch kurz zurück auf die 2 ha.
    Du bist ein jung-alternativer Winzer ohne reiche Eltern, hattest eventuell schon mal einen Smig-Job – also einen mindestlohnbezahlten – und möchtest dich als Winzer installieren. Wie kommst Du an die Gelder für die Grundinvestitionen? Mit der Vorgeschichte wird keine Bank so jemandem einen Kredit in der nötigen Höhe ohne Sicherheiten geben.
    Alleine die Grundkosten für die Parzellen. Sie sind Regions- und Lagenabhängig. Hier bei uns, im Aude und im Gers sind die noch relativ günstig für einfache Lagen. 10000+ Euro pro ha. In namhaften Regionen ist es schnell das 5-10 fache. Da sind wir noch nicht bei guten Lagen oder gar Cru+ – undenkbar.
    Um also die Kosten so niedrig wie möglich zu halten und mit viel Handarbeit mit kleinen Maschinen aus zu kommen, kann es erträglich sein.
    Zudem ist in jeder Region die Deklaration der Jahreserntemenge, die automatisch deine minimale Jahreseinnahmen bestimmt, flächenabhängig. Hier im Gaillac sind es 3,5 ha.
    An der Loire um Samur/Anjou wahrscheinlich 2. Das gibt einem noch einmal weiteren Spielraum, wenn die ersten Jahrgänge nicht komplett für einen normalen Preis verkaufbar sind. In der Deklaration gibt es keine Minderungsrubrik Produktionsfehler
    Das soll nur einmal anreißen, wie es hier abläuft und ich verstehe deine Lobbybedenken für deutsche Jungwinzer. Allerdings ist eins auch klar – Frankreich ist der Großkonzernstaat par excellence und deswegen betone ich ja immer wieder in Kommentaren, dass hier die junge alternative Szene zu großen Teilen super nett und freundlich ist, aber eben auch links, subversiv und zum Teil militant. Das kenne ich so nicht in Deutschland.

    • Karl Brunk sagt:

      ich antworte mir jetzt nicht selber, aber möchte noch etwas nachschieben, was auch nicht unbeachtet bleiben darf. Bin gestern noch auf folgendes Video gestoßen und dachte beim Betrachten – was erzählen die denn da?
      https://community.consciousplanet.org/deutsch-agfcwy2z/post/boden-fur-nachhaltige-landwirtschaft-M9MfsW0DNLhfDTA
      Erinnerte mich sehr an die vor Jahre auch auf arte ausgestrahlte Kurzdoku über französischen Wein mit dem Kölner Restaurantbesitzer Vincent Moissonnier, der mit Joachim Król 10 Winzer in verschiedenen Regionen besucht hat. Was da zusammengefaselt wurde war auch fast surreal.
      Diese deutsch-französische Grenze und die Entfernung reichen, damit in trump’scher Art eine alternative Realität vermittelt wird. Ist jetzt hart, aber im Grunde ist es derselbe Vorgang. Zum Glück halt in nur unrühmlichen aber doch auch wichtigen Ausnahmen.
      Wer da nicht selber einen direkten Bezug zum Thema oder Kontakt zu den dort gezeigten Leuten hat, ist nicht in der Lage, den Wahrheitsgehalt des Gezeigten oder Geschriebenen abzuschätzen.
      Leider. Im Unibetrieb gab es einmal so etwas wie Quellenkritik.
      Das ist heute im populären Medienbereich durch Blendeffekte wie namhafte Personen oder reputierliche Ausstrahler in solchen Fällen dann ausgeblendet. Gab es da keine Redigierung? Oder nur inkompetente?
      In über 20 Jahren in der Szene haben sich da einige abstruse Beispiele angesammelt.

    • Matze sagt:

      Vielen Dank für den Kommentar, sehr interessant! Ich bin da auch wahrhaftig kein Experte, was den Aufbau eines Weinbetriebs in Frankreich betrifft 😉 .

      Was deinen anderen Kommentar anbelangt, bin ich mir nicht sicher, was du genau meinst, wenn du dich bei der arte-Doku fragst, was “die da erzählen”? Ich habe mir das angeschaut und gelernt, dass es in Frankreich Safer (https://www.safer.fr/) als, wie soll ich sagen, nachgeordnete Behörde zweier Ministerien gibt. Und dass die unter anderem als so eine Art regulatorisches Moment agieren bei Landverkäufen auf dem freien Markt.

      Wir haben ja hier in Deutschland in den letzten Jahren/Jahrzehnten einen deutlich gestiegenen Anteil landwirtschaftsfremder Investoren in der Landwirtschaft. Viel natürlich durch die ganzen Ex-LPG-Geschichten. Und da finde ich es doch keine schlechte Idee, wenn solche Organisationen wie die BioBoden-Genossenschaft (ohne sie jetzt näher zu kennen) Höfe aufkauft und an interessierte Bio-Landwirte verpachtet. Im Prinzip ist das ja ein ähnlich gedachter Ansatz wie bei Safer. Dass im Sprechtext im Film manche Sachen ein bisschen seltsam rüberkommen, so in dem Sinne, es sei “überhaupt kein Problem”, in Frankreich an Land zu kommen – geschenkt. Aber du hast sicher recht: Das ist eine Diskussion, die nicht unbedingt unter einem kleinen Weinartikel stattfinden sollte 😉

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