[In Kooperation mit dem Weingut Krebs] Wenn man sich professionell mit Wein beschäftigt, mit deutschem Wein gar, fallen einem die Lagenbezeichnungen gar nicht weiter auf. Ob Sackträger, Schwätzerchen oder Faulenberg, ach Gott, ja, gibt es alles. Jetzt am Wochenende war aber eine Freundin aus Hamburg bei uns zu Besuch und freute sich schon auf einen schönen Rotwein. “Probier mal den”, schlug ich vor und reichte ihr die Flasche mit dem Krebs-Spätburgunder, “der wird dir gefallen.” Ihre erste Reaktion: “Wie heißt der denn, Musikantenbuckel, kreisch!” In der Tat, das ist ja gar kein Wort, das man ansonsten häufig benutzt.
Das Weingut Krebs
Nun gut, der Freinsheimer Musikantenbuckel ist sicher nicht der Scharzhofberg, was die Bekanntheit anbelangt. Aber guten Wein, so geistert es durch die Expertenwelt, gibt es hier schon seit einiger Zeit. Nicht ganz unschuldig am steigenden Ruf der Lage ist das Weingut Krebs, ebenso im nordpfälzischen Freinsheim beheimatet und dort mit 20 bio-zertifizierten Hektar Weinbergen sehr gut ausgestattet. Harald Krebs hatte das Weingut im Jahr 1982 in die Selbständigkeit geführt, heute handwerkeln Sohn Jürgen und Ehefrau Ann-Kathrin an ihrer Vision von charakterstarken Pfälzer Gewächsen. Jürgen konnte schon vor über zehn Jahren den Deutschen Rotweinpreis mit seinem Spätburgunder gewinnen, und seitdem ist der Musikantenbuckel regelmäßig in den diversen Hitlisten vertreten.
Als ich gemeinsam mit Ann-Kathrin überlegte, welchen Wein aus dem vielseitigen Portfolio ich für das ROTE DEUTSCHLAND aussuchen sollte, meinte sie deshalb sofort: “Auf jeden Fall den Musikantenbuckel und das Himmelreich, das sind quasi Aushängeschilder, Flaggschiffe, Jürgens Babys, whatever…”. So sei es also.
Beide Weine sind spontanvergoren und haben ihre ersten zwei Wochen auf der Maische zugebracht. Danach kamen sie ins Barrique für 14 Monate und wurden anschließend unfiltriert abgefüllt. Klingt doch vielversprechend, oder?
Spätburgunder Freinsheimer Musikantenbuckel
Der Spätburgunder aus dem Freinsheimer Musikantenbuckel stammt aus dem Jahrgang 2018, bekanntermaßen einer der heißesten der Geschichte. Vielleicht liegt es am tiefen Löss-Lehmboden der Lage, der nicht so schnell austrocknet, vielleicht aber auch an Jürgens Umsicht und Fingerspitzengefühl. Jedenfalls besitzt der Musikantenbuckel bei vollkommen trockenen 13 vol% eine enorme Frische. Unsere Besucherin ist jedenfalls nach der ersten Erheiterung über den Weinnamen komplett begeistert.
In der Nase ein sehr feiner Holzeinsatz, dazu viel offene Frucht in Richtung Kirsche inklusive der bereits leicht angegorenen Reste um den Kern herum. Das klingt jetzt nicht super appetitlich, ist es aber.
Ich erinnere mich an die Zeit, als ich bei einem regionalen, ländlich gelegenen Tourismusverband gearbeitet habe. Planung und Organisation von Gruppen-Fahrradreisen. Da hatte ich von morgens bis abends ungeheuer viel zu tun. In den freigeschaufelten 30 Minuten Mittagspause bin ich dann immer dieselbe Runde spazieren gegangen. Auf diese Weise kam ich jeden Tag an einem riesigen wilden Kirschbaum vorbei, und immer habe ich mir ein paar Früchte gepflückt. Winzig waren die, aber ungeheuer aromatisch, zwischen Süßkirschfrucht und Sauerkirschschale. Genau dieses Gefühl hatte ich hier wieder beim Musikantenbuckel. Ein toller Wein, frisch, animierend, fest gewirkt. 32 € ab Hof – und jeden Pimperling davon wert.
Spätburgunder Herxheimer Himmelreich
Der Spätburgunder aus dem Herxheimer Himmelreich macht schon rein optisch einen anderen Eindruck. Schwarz auf schwarz pappt das Krebsscheren-Etikett auf der Flasche. Der Inhalt ist auch kraftfarbig, ich würde nach WSET-Diktion medium purple dazu sagen. In der Nase dominieren zwar ebenfalls Kirschnoten. Aber die sind etwas dunkler und dezenter als beim Musikantenbuckel, fruchttief und edel.
Im Mund ist es genau das, was den Unterschied zwischen beiden Weinen ausmacht. Beide besitzen zwar viel kernige Straightness und extrem feinkörnige Tannine bei raffiniertem Holzeinsatz. Aber das Himmelreich bleibt hier tiefer, ruhiger und irgendwie nächtlicher in seinem dezenten Auftritt. Ich wäre wirklich sehr gespannt, wie sich diese wunderbar lagerfähigen Weine mit den Jahren entwickeln. Wiewohl beide mit ein bisschen Luft auch jetzt schon sehr gut zu genießen sind – das ist halt der Vorteil beim Spätburgunder.
Gerade wollte ich schreiben, dass das feine Himmelreich für 38 € ab Weingut zu haben ist, da erreicht mich die Nachricht vom Ausverkauf. Wer vom 2018er noch etwas haben möchte, müsste also andere Quellen anzapfen. Der 2019er Jahrgang kommt dann im Sommer 2022 auf den Markt, startet aber bereits jetzt mit Vorschusslorbeeren. 94 Punkte bekam das vorläufige Fläschlein beim Meininger Rotweinpreis und ist damit ganz oben dabei.
Mein Fazit
Ist das Niveau beim deutschen Rotwein mittlerweile so bahnbrechend hoch, oder habe ich beim ROTEN DEUTSCHLAND einfach nur Glück mit meiner Auswahl? Das ist die Frage, die ich mir nach dem Genuss der beiden großen Roten vom Weingut Krebs gestellt habe. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem, wie das so oft im Leben der Fall ist. Was der mir bislang unbekannte (mea culpa!) Jürgen Krebs hier auf die Flasche gebracht hat, ist jedenfalls ganz ganz stark. Wobei genau das eigentlich nicht der Fall ist. Im heißen Jahrgang 2018 sind ihm nämlich ausgesprochen straighte und pikant-frische Spätburgunder gelungen. Der Musikantenbuckel lebt dabei mehr von seiner Spannung, das Himmelreich von seiner Souveränität.
Für die festive Saison sind das also genau die richtigen Weine. Allerdings muss ich zugeben, dass mich jetzt auch der Rest der Kollektion reizt. Wer so schön feste und individuelle Spitzenrote hinbekommt, kann doch eigentlich auch ansonsten kein schlechter Winzer sein, oder? Um das zu klären, geht Probieren vermutlich mal wieder über Studieren. Ihr könnt ja schon mal vorlegen, ich werde dann zu gegebener Zeit nachberichten…