Als klar war, dass ich die nächsten zwei Wochen im Hamburg zum Weintesten sein würde, dachte ich, gut so. Es müsste doch möglich sein, dass sich unter diesen mehreren hundert Weinen irgendeiner befindet, der die Kriterien für den Natürlichen Dienstag erfüllt. Und auch noch gut schmeckt. In Wirklichkeit habe ich in der ersten Woche zum allergrößten Teil konventionelle Weine verkostet. Konventionell heißt, nicht nur kein Naturwein, sondern noch nicht mal Bio. Selbst Weingüter, die experimentelle Weine herstellen, schicken sie offenbar nicht so gern zu Bepunktungsveranstaltungen. Zum Glück gab es aber auch Ausnahmen, sogar richtig erfreuliche. Eine davon ist dieser super gelungene Orange Wine vom Weingut Höfflin aus Baden.
NApurTUR 2020 vom Weingut Höfflin
Ich hatte im Rahmen des Natürlichen Dienstags schon einmal einen Wein von Matthias Höfflin vorgestellt, nachdem ich das Weingut auf meiner letzten realen Messe getroffen hatte, der Millésime Bio 2020. Das war aber ein ganz gewöhnlicher Weißburgunder. Daneben gibt es seit einiger Zeit auch noch die sogenannte WeinWerkstatt, in der der Winzer richtig experimentiert. Und aus dieser hatte Matthias Höfflin uns nicht weniger als vier Exemplare zum Testen nach Hamburg geschickt. Der NApurTUR war dabei sowohl der jüngste, nominell kleinste als auch preisgünstigste.
Die Mittest-Kollegen schauten sich ebenfalls das Etikett an, und einer sagte, “wie sie alle nur immer auf diese Namen kommen…”. In der Tat dürfte der Wein ausgesprochen “Natur pur” heißen. Auf dem Etikett sind die beiden Worte jedoch genau so miteinander verwoben, wie ich das korrekterweise in der Überschrift festgehalten habe. So dürfte man ihn auch am ehesten auf Google finden. Naja, vielleicht gibt’s ja noch bessere Einfälle für den nächsten Jahrgang…
Der Orange Wine stammt allerdings erst aus dem Jahrgang 2020, ist also ganz frisch. Weiß- und Grauburgunder wurden dabei auf der Maische vergoren, der Wein anschließend auf der Hefe im Stahltank ausgebaut. 13 vol%, 5,3 g Säure bei 2,0 g Restzucker, keine Herbstblätter, sondern das Kristallbild des Weins auf dem Etikett. Und ein Schraubverschluss oben drauf.
Wie schmeckt der Wein?
Wie ihr auf dem Titelfoto sehen könnt, besitzt der NApurTUR eine dichte, ungefilterte Orangefarbe. In Wirklichkeit ist diese noch heller und leuchtender als auf dem Foto mit der Kommode, sogar fein ins Lachsrosé gehend. Das ist schon einmal schön. Um die Aromen mit der Nase einzusaugen, muss ich ganz schön nah rangehen an den Wein. Dass es kein Primärfrucht-Knaller sein würde, kann man ja ohnehin vermuten. Aber die oft bei Naturweinen ausftretenden Most- und Gärnoten sind ebenfalls nicht zu spüren. Nur leicht Wiesenkräuter.
Im Mund bin ich wirklich sehr angenehm überrascht. Sehr angenehm. Leicht perlt der Wein noch, was den Frischeeindruck unterstützt. Und frisch ist er ohnehin. Die Säure wirkt pikant und der Tannin-Grip von der Maischegärung zwar fein präsent, aber niemals aggressiv. Dazu gibt es richtig schmackhafte Fruchtnoten nach Orangenschale und reifer Mirabelle. Kein Komplexitätsmonster, aber enorm angenehm. Ich bin begeistert und lasse die anderen auch sofort probieren. Wir sind uns einig, dass man diesen Orange Wine allen Leuten einschenken sollte, die mit Wein im Allgemeinen noch nicht so viel Erfahrung haben oder die gar bislang ein wenig mit dem Orange-Konzept fremdeln. Wenn so ein animierendes Exemplar nicht überzeugt, dann weiß ich auch nicht. Ich gebe die Flasche mit dem Rest jedenfalls im Bewusstsein meines edukativen Auftrags sofort der studentischen Hilfskraft. War angeblich “sehr lecker”, na dann.
Wo kann man ihn kaufen?
Kaufen kann man das authentische NaKulTurTur-Produkt vom Weingut Höfflin am besten direkt ab Hof für 18,50 €. Mittlerweile besitzen ja viele Weingüter eigene Online-Shops, und ich selbst mache davon ehrlich gesagt auch zunehmend Gebrauch. In diesem Fall finde ich das sogar besonders praktisch, denn obwohl die Höfflins “nur” 13 ha am Kaiserstuhl bewirtschaften, ist das Angebot enorm vielseitig. Allein 13 Experimentalweine aus der WeinWerkstatt gibt es, dazu Weiß, Rot, Rosé, Schäumend und Süß. Und Brände und alkoholfreien Secco. Alles Bioland-zertifiziert seit 1974.
Ich bin mir übrigens sicher, dass dieser Orange Wine auch sehr gut als Speisenbegleiter funktioniert. Sollte ich das nächste Mal nicht den Wein nach der Probe ausspucken und die Flasche dann weggeben, werde ich auch die Chance haben, das auszuprobieren…
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