Es gibt beim Natürlichen Dienstag zahmere und wildere Weine. Manche stammen aus solidem Bio-Anbau und schmecken auch Tante Hildegard. Andere hingegen gebärden sich unruhig und lassen einen Einblick zu auf die andere Seite. Was ich euch diesmal präsentieren möchte, ist noch einmal etwas ganz anderes – ein echtes Experiment. Und zwar eins, von dem ich befürchtet hatte, dass es eher schief geht als gut. Schließlich hatte ich den Gemischten Satz vom Bioweingut Lehner als Rohwein übernommen, und dann… tja, einfach geschaut, was passiert.
Gmisch’da Soodz Zweriocka vom Bioweingut Lehner
Vernünftigerweise sollte ich mit der ganzen Geschichte am Anfang beginnen. Bei der BIOFACH 2018 hatte ich Sigrid und Erwin Lehner zum ersten Mal getroffen und dort auch ihren gemischten Satz probiert. Die beiden, mittlerweile von ihren Kindern Sebastian und Victoria unterstützt, besitzen rund 10 ha Rebland in Gols, also am nordöstlichen Rand des Neusiedlersees. Das Weingut ist biodynamisch zertifiziert, und die Reben werden so erzogen, dass sie möglichst kräftig und selbstständig werden. Tiefes Wurzeln, minimaler Rebschnitt, Wickeln statt Gipfeln, all das, was die richtig guten Weinbauern mittlerweile tun.
Ihren Gemischten Satz, der aus einer Vielzahl gemeinsam angelegter Rebsorten besteht, hatten sie eigentlich erst nur als “Glyphosatpuffer” zu den Nachbarn gedacht. Aber die alten Reben sind halt doch zu deutlich mehr fähig. Weil es sich um den Jungfernjahrgang handelte, hatte Sigrid Lehner lediglich ein paar Flaschen vom 2017er als Fassprobe mitgebracht. Ungeschwefelt, naturtrüb, ein echter brut de cuve sozusagen. Mir hatte der Wein wirklich gut gefallen, und weil die Messe vorbei war, hat Sigrid Lehner mir die letzte Flasche mitgegeben. Für den Flammkuchen am nächsten Abend.
Jetzt beginnt aber das Experiment. Ich habe den Wein nämlich nicht am nächsten Tag geöffnet. Auch nicht am übernächsten. Und auch nicht am überübernächsten. Vielmehr wollte ich wissen, was so ein rohes, hefehaltiges Getränk so macht, wenn man es in diesem Zustand auf der Flasche im Keller belässt. Deshalb habe ich den G’mischden Soodz Zweriocka 2017 jetzt erst nach 42 Monaten Hefelager wieder geöffnet. Ich war auf alles vorbereitet.
Wie schmeckt der Wein?
Vielleicht hätte ich den Wein sogar noch länger aufgehoben, hätte ich nicht die gefährlich aussehende Ausbuchtung oben am Schraubverschluss gesehen. Wie viel Restsüße war da eigentlich noch drin im Februar 2018? Nicht dass mir die Flasche noch im Keller explodiert. Vorsichtig also aus dem Regal in den Kühlschrank. Und abends gut gekühlt geöffnet.
Erstes Ergebnis: Puh, Glück gehabt. Der Gemischte Satz prickelt wirklich wie ein Perlwein. Der Schrauber hat es gerade so ausgehalten, aber ein anständiger Kronkork wäre sicher besser gewesen. Bereits in der Nase kommt dann eine total ungewöhnliche Note für einen Weißwein. Autolyse. J. meint dann auch, “wow, der schmeckt ja gut, ist das Champagner?” Champagner pétillant, wenn es so etwas gäbe. Am Gaumen ist das logischerweise ein vollkommen trockener Wein. Ich schmecke Reneklode, grüne Walnuss, Haselnuss, dazu weiter den Hefeton, extrem interessant und hochwertig. Ich denke, dabei wird auch die Tatsache geholfen haben, dass die meisten alten Sorten im Gemischten Satz eher nicht so primärfruchtig sind. Und die Trauben nicht extrem reif.
Jedenfalls ist das ein total ungewöhnliches, absolut sauberes und stimmiges Erlebnis. Egal ob Apéritif, Gemüse, frittierter Fisch, Snacks, Tapas, das ist ein Wein, der vieles kann.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich ihn nicht, das schrieb ich ja schon. Ihr hättet natürlich die Chance, den G’mischden Soodz Zweriocka direkt beim Weingut Lehner zu bestellen. Für 9,90 €. Aber das wäre dann natürlich ein anderer Wein. Alternativ, das habe ich auf der Bestellliste gesehen, haben die Lehners (Sohn Sebastian kümmert sich jetzt primär darum) mittlerweile von sich aus mehrere ungeschwefelte, unfiltrierte und mithin hefetrübe Weine im Angebot. Einen Rosé vom Zweigelt zum Beispiel, einen Gelben Muskateller, zwei PetNats und einen Orange Wine namens Wesen & Substanz.
Soll heißen, auch ohne mein Experiment werdet ihr dort entsprechend interessante und leicht experimentelle Weine probieren können. Aber dieses PetNat-ähnliche Ding mit den 42 Monaten Hefelager, das ist schon eine unvergleichliche Sache.
Ich frage mich also jetzt, ob ein gereifter PetNat im Allgemeinen solche Noten hervorzubringen vermag. Oder ob schon ein gewisses Durchgärstadium vorhanden sein muss, das aromatisch dann den Weg vorgibt. Schließlich ist aus dem Zweriocka ja ein dezenter Perler und kein Pseudo-Schäumer geworden. Wie auch immer. Einer meiner spannendsten Weine dieses Jahres.
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