Natürlicher Dienstag # 105 – Milan Nestarec

Nestarec Youngster Red 2020

Meine ersten Erinnerungen an Tschechien stammen aus einer Zeit, als es die Tschechoslowakei noch gab. Ich war als Schüler mit einer Leichtathletikauswahl dort. Um aber Missverständnissen vorzubeugen: Das war einer von genau zwei internationalen Auftritten, und beim zweiten hatte ich Durchfall. Anyway, so richtig viel um Sport ging es jetzt am Ende der Saison ohnehin nicht mehr. Wein war allerdings auch überhaupt nicht angesagt, noch nicht mal die örtlichen Funktionäre tranken welchen, sondern ausschließlich pivo. Aber wir waren ja auch in Böhmen, dem nordwestlichen der beiden tschechischen Landesteile. In Mähren, wo Milan Nestarec seine Weine bereitet, sah und sieht das nämlich ganz anders aus. Das ist klassisches Weinland. Und Milan dürfte mittlerweile sogar der international bekannteste Winzer des Landes sein.

Milan Nestarec Youngster Red 2020

Wer sich die Namen und Etiketten von Milans Weinen anschaut, ahnt auch sofort, wie das mit der Bekanntheit funktioniert. Die Weine sind komplett auf eine junge, urbane, internationale Kundschaft ausgerichtet. Es sind aber nicht nur schmucke Labels und 16.000 Follower auf Instagram (das ist viel für einen Winzer), sprich das ganze Marketing-Zeug, das Milan Nestarec so nach vorn gebracht hat. Ohne entsprechende Produkte dahinter hält ein Hype nämlich nie besonders lang. Und da sind wir bei dem, was Milan als normal bezeichnet. Acht Hektar Reben hat er auf topfebenen Lössböden am Dreiländereck zwischen Tschechien, der Slowakei und Österreich stehen. Veltliner-Land eigentlich. Bewirtschaftet wird alles normal, nach biologischen und biodynamischen Methoden, nicht zertifiziert.

Die Weine selbst werden normal bereitet, spontanvergoren, nicht geschönt, filtriert oder geschwefelt. Für die Youngster-Serie hat sich Milan Nestarec allerdings etwas Spezielles einfallen lassen. Um die Weine früh auf den Markt bringen zu können (und damit natürlich auch eine gewisse Nachfrage zu befriedigen), wird der rote Youngster der Kohlensäuremaischung unterzogen wie im Beaujolais. Also die ganzen Beeren rein in den Bottich (weshalb Handlese erforderlich ist, normal), abdichten und abwarten. Die Trauben bestehen übrigens aus einem field blend, einem gemischten Satz. Zweigelt ist drin, Cabernet Sauvignon und Dornfelder. Das mag zwar wie eine kulturell ziemlich wilde Mischung erscheinen, aber farbstark sind sie alle drei. Nach zwei Monaten Gären und Werden ist alles fertig.

Wie schmeckt der Wein?

Alternative

Wow sagt der Youngster und Hipster auf dem Etikett, vermutlich weil ich ihm im Unterschied zum Titelfoto ein neues Glas besorgt habe. Richtig dunkel ist der Saft, und obwohl Milan die Flasche mit einem Kronkork verschlossen hat, perlt das Getränk nur leicht. Nasenmäßig ist das ein ziemlich expressiver Wein. Es gibt frische schwarze Johannisbeeren, grüne Paprika, frische Brombeeren mit Blättern. Was ich euch bislang noch nicht verraten hatte: Der Nestarec-Youngster besitzt lediglich 10 vol% Alkohol, und das, obwohl es sich eindeutig um einen trockenen Wein handelt. Die Säure ist konsequenterweise mehr als knackig, sogar leicht flüchtig, aber für mich innerhalb dessen, was ich als funky bezeichnen würde. Edelweintrinker würden so etwas nicht durchgehen lassen, Hardcore Natural Guys hingegen gar nicht spüren. Am nächsten Tag ist es eh fast verschwunden.

Anhand meiner Beschreibungen dürfte euch vermutlich klar geworden sein, wohin die Reise mit diesem Youngster geht. Das ist ein säuerlicher, leicht wilder, leicht perlender Dunkelbeerensaft, der überhaupt keine Würze und Tiefe besitzt, aber tatsächlich Spaß macht. Gut, man muss diese Art von Spaß verstehen und ihr zugeneigt sein. Aber wer ungeschwefelte Naturweine mit Kronkork und Wow auf dem Etikett kauft, weiß und will alle Tatbestandsmerkmale dieses Weins haben. Oder etwa nicht?

Wo habe ich ihn gekauft?

Ich habe den Youngster Red von Milan Nestarec bei der Vinoteca Maxima für genau 13 € gekauft. Für einen geringfügig höheren Preis bekommt ihr die Youngster auch bei Weinskandal, bei den Natural Wine Dealers oder bei Wein Danke. To name but a few.

Eigentlich wollte ich ja den Youngster White vom selben Winzer haben, weil da eine Frau auf dem Etikett ist, die Yay! sagt. Aber im Nachhinein bin ich mit dem Roten nicht unglücklich. Ohnehin gibt es in der Youngster-Serie für jede Weinfarbe und jeden Jahrgang ein eigenes Etikett im selben Stil. Für die einen ist das pures Marketing, für die anderen hat es auch etwas Spielerisches, und das gefällt mir beim Wein, der ja oft, äh, bierernst genommen wird. Und damit hat sich der tschechische Kreisel wieder zum Bieranfang gedreht. War übrigens eine schöne Fahrt damals, auch ohne Wein.

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