Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, bei einer Online-Veranstaltung vom Culinarium Bavaricum mitzumachen. Susanne Platzer präsentierte der versammelten Gemeinde nicht weniger als 24 Silvaner. Das Thema der Veranstaltung war “Most & Maische”. Es ging also darum, ob man erkennt, bei welchen Weinen erst das Lesegut gepresst wird, bevor die Vergärung einsetzt. Und bei welchen die Beeren mehr oder weniger lange mit ihren Schalen zusammengeblieben waren. Orange Wines nennt man solche maischevergorenen Weine ja mittlerweile weltweit. Bei diesen Rahmenbedingungen, so dachte ich hoffnungsfroh, sollte es doch möglich sein, dass einer der 24 Weine sich für meinen Natürlichen Dienstag eignet.
Orange Wine aus Franken
Dass es in Franken interessante, wilde, maischevergorene Weine gibt, habe ich hier schon öfter versucht zu zeigen. Als Beispiel möchte ich einfach mal die Wilde Heimat der 2Naturkinder erwähnen, weil ich davon ausging, dass dieser Wein in der Probe bestimmt nicht dabei sein würde. Wieso davon ausgehen? Ich hätte doch in die Liste schauen können. Nein, das hätte ich leider nicht.
Der Trick an der Probe bestand nämlich darin, dass alles erst einmal blind verkostet wurde. Wegen möglicher Vorurteile, seien sie positiver oder negativer Natur. Klar war nur, dass es sich um Silvaner aus Franken handelt. Nach jedem Flight deckte Susanne Platzer dann virtuell auf. Und ich muss zugeben, dass ich doch sehr positiv davon eingenommen war, welch angesehene Weingüter hier mit von der Partie waren.
Allerdings bin ich für den Natürlichen Dienstag von meinem ursprünglichen Plan abgewichen, einen einzigen Wein zu präsentieren. Vielmehr möchte ich euch in aller Kürze meine Favoriten vorstellen. Nicht nur die auf der Maische vergorenen Weine, sondern auch solche aus dem Bereich der klassischen Mostgärung.
Fraktion Most
KL-Weine – Silvaner Klassik 2019
KL steht für Kerstin Laufer, die aus speziellen Partien des Weinguts ihres Vaters ganz eigene Weine kreiert. Fast alle Weine kommen dabei aus der neu angelegten Lage Bimbacher Schlossgarten ein bisschen westlich des Steigerwalds. Dies ist ihr kleinster Silvaner, und der hat es bereits in sich. Es gibt nämlich ganz viel weißen Pfirsich in der Nase, rosa Grapefruit am Gaumen, und trotzdem ist das kein harmloser Leckerschmecker. In der Struktur wirkt der Wein nämlich erstaunlich straff, fast herb, eine sehr reizvolle Kombination. Ein Weingut, das ganz offenbar eine nähere Beschäftigung lohnt. 7,50 € ab Hof.
Weingut Wirsching – Iphöfer Julius-Echter-Berg GG 2018
Mein zweiter Favorit ist schlichtweg der edelste “konventionelle” Silvaner der Verkostung. Sehr viel Dichte und Tiefe, niemals ins plakativ Gelbfruchtige abgleitend, immer elegant und auf Zug. Es gibt eine leichte Phenolik, die von den 10% Maischegärung stammt, aber alles ist harmonisch komponiert und auf Haltbarkeit ausgelegt. Das Echter-Berg-GG von Andrea Wirsching hatte ich allerdings vor nicht allzu langer Zeit hier schon vorgestellt. Macht aber nichts, denke ich mir, gute Weine dürfen auch in der Blindprobe schmecken. 34 € ab Hof.
Weingut am Stein – Vinz Alte Reben 2019
Bei diesem Wein kommen wir schon ein bisschen stärker in die wildere Richtung. Am ersten Tag (natürlich habe ich mir für den Nachtest etwas in der Flasche gelassen) ist das noch ein bisschen schwierig. Leicht Lösungsmittel in der Nase, Weißdorn und Mostapfel am Gaumen. Was man aber schon spürt, das ist die Qualität der Materie dahinter, den guten Grip, die schöne Säure. Tatsächlich zeigt sich der Vinz am nächsten Tag wesentlich freundlicher, gleitet fein und elegant über die Zunge mit gerade dem richtigen Prozentsatz an Widerstand. Eine Mischung aus Most & Maische, 25 € ab Hof.
Fraktion Maische
Weingut Meier Schmidt – Ethos No. 2 2015
Das helle Gold im Glas deutet schon auf einen leicht anderen Umgang mit der Materie hin, und tatsächlich gibt es in der Nase sowohl Küchenkräuter als auch zimtiges Holz. Jenes setzt sich auch am Gaumen fort. Die straffe Säure übernimmt das Kommando, dazu kommt der deutliche Gerbstoffeintrag, der reine Einfluss der Maische. Frucht ist nicht unbedingt weit oben auf der Prioritätenliste dieses Weins. Aber dafür handelt es sich um einen exzellenten Speisenbegleiter mit leicht avantgardistischem Touch. Ich hatte euch den Ethos No. 2 genannten Wein letztes Jahr schon im Freispiel vorgestellt. Diesmal wird als Jahrgang allerdings 2015 angegeben, meiner war angeblich aus 2016. However, ein mutiger Ansatz, die besten Partien der beteiligten Winzer ausgerechnet zu so einem extrem individuellen Wein zu verarbeiten. Hut ab und 39 € ab Hof.
Weingut Manfred Rothe – Indigenius 2017
Ebenso goldfarben gleitet der letzte Wein ins Glas. Es handelt sich übrigens um das zweite Fläschchen von rechts auf dem Titelfoto. Bereits in der Nase ist das eine ganz schön komplexe Angelegenheit. In Butter gebratener Steinpilz, Gewürznelke, oxidative Noten. Am Gaumen sage ich still vor mich hin, dass dieser Wein irgendwie meiner Idealvorstellung von einem Orange Wine nahekommt. Ja, natürlich, das ist ein kompliziertes Ding. Aber warum bitteschön auch nicht? Es sagt ja niemand, dass ein Produkt aus vergorenen Trauben immer nach Eisbonbon oder Mangosaft schmecken muss. In diesem Fall gibt es viele trockene Kräuter, eine deutliche Gerbigkeit und einen mir persönlich noch etwas zu dominanten Holzeinfluss. Die Materie steht aber absolut souverän, es gibt eine feine Fruchtsäure, und ich bin mir sicher, dass dieser Wein seinen Höhepunkt noch lange lange nicht gesehen hat. 25 € ab Hof.
Den Indigenius von Manfred Rothe hatte ich ja schon einmal im Natürlichen Dienstag gefeatured, allerdings den 2015er. Interessanterweise fand ich den 2015er rauchiger, den 2017er jetzt hingegen holzbetonter. Spannend sind aber beide Jahrgänge. Auch dies ist ein Wein, der in die ambitionierte Küche gehört.
Mein Fazit
Und so schließe ich meine Probenotizen mit dem Fazit, dass die Franken mittlerweile ganz überdeutlich gelernt haben, mit der Maischegärung zu spielen. Silvaner ist ja ohnehin eine Rebsorte, der ein bisschen Maischestandzeit sehr gut steht. Ich muss zugeben, nicht alles bei dieser ungemein professionellen Probe hatte mich gleichermaßen überzeugt. Aber die Ausdrucksbreite war schon enorm. So muss der fränkischen Silvaner jedenfalls vor der Zukunft keine Angst haben.
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