Ich treffe Uli Luckert vom Weingut Zehnthof komplett per Zufall, als er gerade mit seinem Trecker durchs Dorf fährt. Weshalb ich hier bin, in Sulzfeld am Main? Nun, um Fotos von der Lage Maustal zu machen, aus der ihr im Rahmen der GROSSEN SILVANER-SCHAU ja schon den JHB vom Weingut Brennfleck kennengelernt habt. Das Zufallstreffen mit Uli Luckert kann ich allerdings nicht einfach mit ein paar Floskeln à la “und wie geht’s so?” bewenden lassen. Schließlich weiß ich, dass die Luckerts die vermutlich spektakulärste Silvaner-Parzelle der Welt besitzen. Und auch einen Wein daraus bereiten, dessen Jungfernjahrgang ich im Keller habe. Ich spreche vom Sylvaner Creutz. Jungfernjahrgang ist dabei ein bisschen untertrieben, denn die Reben stammen aus den 1870er Jahren. Ein Ortstermin im Rebmuseum.
Wie kamen die Luckerts zum Creutz?
M: Wie kamt ihr eigentlich zum Creutz?
U: Das war auch ein bisschen Zufall. Du siehst ja, dass das hier kein normaler Weinberg ist, sondern ein Grundstück mitten im Ort. Kann man von der Straße gar nicht sehen. Das Grundstück gehört einem Spezl von mir, eigentlich ein Baugrundstück. Er ärgerte sich immer darüber, dass jedesmal im Frühjahr irgendwas von unten austrieb, was er dann erstmal abmähen musste. Als er mir das erzählt hat, haben wir schnell herausbekommen, dass das wurzelechte Reben sind. Und zwar aus den 1870er Jahren!
M: Oberirdisch war nichts mehr zu sehen?
U: Nein, gar nichts. Außer halt im Frühjahr. Die Rebstöcke wirken jetzt immer noch dünn und jung, aber da spielt sich alles im Boden ab. Aus der Knolle treibt der Stock immer wieder aus. Die Parzelle besteht zu 95% aus Silvaner, das ist extrem selten, damals war der Mischsatz ja die Regel.
M: Als ihr das herausgefunden hattet, musstest du den Weinberg natürlich sofort haben.
U: Logisch! Ich habe meinen Spezl gefragt, ob er bereit wäre, das zu verpachten, statt es immer abzumähen. Und so sind wir zu diesem Schatz gekommen. Früher waren das alles Einzelpfähle, an denen man die Reben hochgezogen hat. Im Herbst wurde der Pfahl herausgezogen, der Trieb einfach umgelegt und das Ganze mit Erde bedeckt wegen der strengen Fröste. Wir lassen jetzt einen knappen halben Meter an Altholz stehen, zwei Triebe pro Rebstock, das hat man sich früher nicht getraut. Im Winter sah das Weinfeld also ohnehin immer so aus wie Ackerland, also ohne sichtbare Pflanzen oder Rahmen außen.
Alles so wie früher?
M: Habt ihr überlegt, hier auch wieder Einzelpfahlerziehung zu machen?
U: Ja, natürlich. Aber die Blätter werden dann zu dicht. Das erhöht den Pilzdruck, und wir haben als Bio-Winzer nicht die harten Mittel zur Bekämpfung. Außerdem ist das ein Wohngebiet, die würden sich bedanken, wenn wir hier mit Pestiziden hantieren. In einem heißen Sommer wie 2018 funktioniert es am Einzelpfahl besser, aber bislang ist das mit dem Drahtrahmen im Prinzip geeigneter.
M: Weißt du, seit wann hier überhaupt Reben stehen?
U: Also die Kirche wurde im Jahr 1720 außerhalb der Stadtmauern errichtet. Zu der Zeit war auf jeden Fall der ganze Hang schon mit Reben bestanden. Die Lage hier ist der Sonnenberg und die Gemarkung hieß Creutz wegen der Nähe zur Kirche.
M: Wie bewirtschaftet ihr die Parzelle eigentlich? Es gibt ja noch nicht mal einen Zufahrtsweg, wir sind gerade über den Gartenweg des Nachbarn reingekommen.
U: Das ist alles reine Handarbeit. Also erstmal wegen des Zugangs, aber auch, weil die Stöcke so eng stehen. Die Zeilenbreite ist 60×80 cm, so kleine Maschinen gibt es gar nicht. Viel Wein holen wir hier natürlich nicht heraus, aber ich sehe das auch eher als ein Statement. Das ist schon etwas ganz Besonderes, als Winzer so eine Parzelle zu haben…
Sylvaner Creutz 2012 vom Weingut Zehnthof Luckert
In der Tat, etwas ganz Besonderes. Jetzt wird es aber Zeit, diesen ganz besonderen Wein auch zu probieren. Bevor ich es vergesse: Dies ist nebenbei auch die 99. Folge des Natürlichen Dienstags, denn uralte Reben, wurzelecht, zertifiziert bio, reine Handarbeit – das passt doch.
Aber zum Wein. Erst einmal ist die Ausstattung des ersten Creutz-Jahrgangs schon ein gewisses Understatement: Schlegelflasche mit Schrauber, vorn das typische Luckert-Etikett auf schönem Papier, hinten keine weiteren Infos. Nur die drei goldenen Sterne deuten an, dass dieser Wein nicht so ganz unbedeutend sein kann. Ins Glas fließt ein allerhöchstens mittleres Gelb, also auch nicht besonders farbkräftig. In der Nase spüre ich erst einen gewissen Holzeinfluss, aber nicht süß-vanillig, sondern eher ein bisschen in Richtung Haselnuss. Dazu kommt eine ganz bestimmte Komponente, die sich dann am Gaumen fortsetzt, nämlich eine kräutergerbgelbe Phenolik. Das ist eigentlich der charakteristische Ton dieses Weins. Im Prinzip bleibt es gelbfruchtig im Stil des Hauses, selbstverständlich völlig ohne Alterungsnoten, und das bei relativ milder Säure.
Ganz zweifellos ist das ein sehr guter Wein. Wer die Luckerts kennt, weiß ohnehin, dass es hier nie schlechte Weine gibt. Allerdings sind Story und Bedeutung der Reben schier überlebensgroß. Wer jetzt einen ebenso überlebensgroßen expressiven Dampfhammer erwartet, sollte die derzeit 100 € für den aktuellen Creutz-Jahrgang lieber nicht ausgeben. Wer das aber im Bewusstsein tut, hier einen einmaligen kulturellen Schatz im Glas zu haben, ist beim Sylvaner Creutz schlichtweg goldrichtig.
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