Small is beautiful, so sagt man doch, oder? Manchmal, muss ich ehrlich zugeben, ist es aber auch im Weinbereich durchaus ein Vorteil, ein bisschen größer zu sein. Nicht nur, weil größere Betriebe fieserweise oft eine bessere Ökobilanz aufweisen – Stichwort weniger Energie pro Flasche. Sondern auch für uns Verbraucher*innen. Es kann nämlich durchaus schwierig sein, an Geheimtipps minikleiner Weingüter heranzukommen, von denen es nur 200 Flaschen gibt. Bei meinem heutigen Weingut, den Bodegas Parra Jiménez aus Spanien, besteht dieses Problem weniger. Wer kennt nicht ihre Flaschen aus dem Supermarkt-Regal mit dem verschnörkelten Pflanzenetikett in Pink, Lila oder Hellgrün? Falls ihr euch nicht erinnert, googelt einfach mal in der Bildersuche. Diesmal geht es um den El Troyano, ihren vermutlich interessantesten Wein.
El Troyano 2019 von Pablo Parra – Orange Wine populär
Die technischen Daten der Weinfamilie Parra sind schnell erzählt. Das Weingut (oder vielmehr Landwirtschaftsgut) Finca Inanna befindet sich auf der Hochebene der Mancha, in the middle of nowhere. 176 km sind es bis Madrid, 245 km bis Valencia, ringsumher topfeben, rote Erde, Kieselsteine, karges Land. 8,5 ha Reben, gepflanzt im Jahr 1958, befanden sich hier, bevor die Familie so richtig loslegte. 1993 wurde der Betrieb auf biologischen Anbau umgestellt, seit 2010 auf biodynamischen (zertifiziert Demeter). 100 ha Reben pflanzten die Parras neu, 60 ha fruchtbares Ackerland gibt es, auf dem Knoblauch, Getreide und Gemüse angebaut wird. Auf den restlichen 175 ha hügeligerem Terrain halten die Parras Ziegen für Manchego-Käse (ja, der Name kommt von La Mancha!) und noch allerlei anderes Getier. Insgesamt sind knapp 30 Menschen hier beschäftigt.
Darüber hinaus erzeugen die Parras auch in anderen Regionen noch Wein, auf insgesamt 750 ha. Riesig also für deutsche Verhältnisse, in Spanien aber nicht wirklich ungewöhnlich. Die Finca Inanna ist eine Modellfarm, ganz klar das Lebenswerk von Javier Parra. Was aber macht man als Sohn, wenn der Vater schon die nordeuropäischen Supermärkte mit biodynamisch erzeugtem Wein für 5 € die Flasche versorgt? Total aussteigen und etwas ganz anderes machen? Wollte Pablo nicht. Spitzen-Rotwein à la Bordeaux produzieren? Langweilig. Aber ein Weißwein, bereitet nach vorantiker Methode, gefüllt in bedruckte Tonflaschen, das wäre vielleicht etwas.
Also gibt es (ich glaube sogar, als ersten Jahrgang) jetzt den El Troyano 2019, einen Orange Wine aus der weißen Rebsorte Verdejo.
Wie schmeckt der Wein?
Weil es sich bei einem solch unselbstverständlichen Wein anbietet, erst einmal ein paar Worte zur Herstellung. Die Trauben werden sowohl in Tonamphoren als auch in großen französischen Holzfässern für rund eine Woche spontan mitsamt den Schalen vergoren. Das Ganze passiert bei kühlen Temperaturen, damit die Gärung nicht aus den Fugen gerät. Wenn alles vergoren ist, wird der Most abgepresst und dann in Fuderfässern auf der Hefe ausgebaut. Nicht allzu lang allerdings, der Troyano soll zwar eine gewisse Komplexität bekommen, sich aber auch noch Fruchtnoten erhalten. Vor der Füllung wird der Wein filtriert und geschwefelt (insgesamt 32 mg/l freier Schwefel), es handelt sich also zwar um einen Orange Wine, aber nicht um einen eng definierten Natural Wine. 10,8 vol% hat El Troyano nur, das ist ausgesprochen schlank für die heiße Mancha.
Im Glas zeigt sich der Wein blassgolden, eine schöne Farbe (nicht trüb, das Glas ist nur beschlagen). Interessant ist auch die Nase. Cantaloupe-Melone, Stroh, leicht erdig, Orange. Am Gaumen fällt erst einmal etwas auf, das für spanische Weißweine aus mediterranem Gebiet völlig untypisch ist: Frische. Der Wein besitzt eine ausgeprägte Säure, einen leichten Körper und viel Frucht. Die Gerbstoffe schwingen nur leicht mit und sind nicht dominant. Für einen Orange Wine ist das hier sehr ungewöhnlich. Der Wein schmeckt etwas nach trockenem Orangenwasser, Mandarine, vielleicht auch leicht Rhabarber. Solo jedenfalls sehr ansprechend. Eine Speisenbegleitung finde ich dagegen tatsächlich schwieriger. Weil der Wein zwar fruchtige Frische, aber wenig Kraft besitzt, fallen die meisten mediterranen Sachen weg. Ich denke eher an etwas, das auch zu einem trocken-leichten Muskateller passen würde. Kalte Terrine mit Forelle, gebackene Holunderblüten, vielleicht sogar der Manchego-Käse der Parras.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den El Troyano 2019 von Pablo Parra in einem Bio-Supermarkt. Hier in Nürnberg gibt es die lokale Kette ebl, ein absoluter Platzhirsch. Genau dort habe ich den Wein erstanden für 12,50 €. Allerdings ist so ein Supermarkt natürlich kein Importeur. Das erledigt die Firma Peter Riegel aus dem badischen Orsingen, euch allen wohlbekannt. Da Peter Riegel eine Vielzahl von Biomärkten beliefert, bin ich mir ziemlich sicher, dass ihr den El Troyano auch bei euch in der Nähe finden könnt.
Übrigens war ich sehr überrascht, als ich im Internet recherchiert habe, wer den Wein noch getestet hat. Simon J. Woolf, der unter dem Namen The Morning Claret firmiert, ist ein bekannter Weinkritiker. Er schreibt, der Wein sei super interessant und trinke sich wie ein Rosé, aber mit Haltung. “Vielleicht der Wein, der mir im letzten Jahr am meisten Spaß gemacht hat!” Wow. So weit würde ich jetzt nicht gehen. Aber attraktiv finde ich den El Troyano zweifellos. Zum einen, weil er wie ein trojanisches Pferd bei Novizen den Boden bereitet für die folgende Invasion von Weinen, die noch natürlicher vinifiziert wurden. Das hier ist ein Orange Wine, der geschmacklich niemanden vertreibt. Garantiert. Zudem finde ich die Aufmachung wirklich attraktiv, ein ideales Geschenk.
P.S. Wenn ihr mal wieder blauen Himmel sehen wollt (ich habe mir die Fotos auch gerade angeschaut…), hier geht es zu meinem letzten Artikel aus Spanien, Wein und Wandern in Andalusien.
Hallo Matthias,
könntest Du noch etwas zu den Restsüßewerten sagen? Meine Erfahrung mit den spanischen Weinen ist immer wieder folgende :
wie Du auch schreibst – “für die heiße Mancha” – sind die Weine eher durch die Hitze hochprozentig, oder Restsüß. Bei konventionellen, die nicht über 15% gehen wollen, wird die Vergärung meist mit Schwefel (oder Temperatur, was ein wenig besser ist) abgebrochen. Da führt im Endeffekt meist zu unausgewogenen Weinen, bei denen man immer das Gefühl hat, das etwas nicht zusammenpasst. Erntet man bevor die Zuckerwerte zu hoch sind, bleibt meist der Eindruck von Unreife und grünem Wein.
Dass er in diesen Wein 32 mg/l SO² einbringt, soll wohl auch der Stabilität dienen. Deswegen meine Vermutung, dass dort kaschierter Restzucker zu finden ist. Vielleicht auch versteckt durch die Säure.
Zudem würde mich auch interessieren, ob Du mit den 5 Euro Demeterweinen Erfahrungen gemacht hast, Du weißt, ich bin da der große Skeptiker. Zum Einen, wegen der unglaublichen Hektarflächen, zum Anderen wegen der zu verarbeitenden Mengen. Und ich halte auch nichts von einer Preis/Qualitäts-Schau. Die verdeckt zu viel unser verlorenes Bewusstsein von Qualität und Realität.
Einschub [Ökobilanztechnisch Hin oder Her. Das ist eine ausführlichere breite Diskussion wert. Es gibt da auch Gegenrechnungen.]
Nicht nur durch die Schwefelung hat dieser Wein nichts mit Vin naturel zu tun. Es zeigt, aber auch schön wie die “Errungenschaften” der Naturelszene von der Industrie aufgesogen werden.
Noch mehr nähren meine Vorbehalte, dass meist unglaublich viel Aufwand auf die Umverpackung und ins Design gesteckt wird, um von anderem ab zu lenken. Wer sich mit Winzern viel unterhalten hat und gleichzeitig die Händlerseite kennt, weiß ja auch wie die Kalkulation bei diesem Wein aussieht. Rohmaterial + Investitionsanteil + Arbeit + Produktionskosten, + Abfüllung incl. Material wie Flasche/Verschluss/Etikett + Transport +Großhändlermarge + Händlermarge – da komme ich bei 12,50 End-VK auf 2-max.3 Euro Wein-Rebsaftwert. Und da versuchen wir Qualität zu ermitteln? Gehen wir diesen Weg der Preis-Leistungs-Schau bleibt am Ende dann die Frage der Rechtfertigung von höherpreisigen Weinen.
Er führt hier zu weit die Ursache und Dynamik für dieses Denken zu ergründen.
Danke wieder einmal für den aufschlussreichen Bericht und ich würde mich freuen, die weit angesprochenen Fragen beantwortet zu bekommen.
liebe Grüße
Karl
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Das Leichteste gleich mal vorweg: Der Wein hat 5,5 g Säure und 1,4 g Restzucker bei 10,8 vol% Alkohol. Soll heißen, kaschiert bezüglich Zucker wird da nichts, sondern vermutlich sehr früh geerntet. Da hingegen könnte möglicherweise die Maischegärung mit ihren “herbstlichen” Aromen aus den Schalen einen leichten Unreifestich kaschieren. Aber wie gesagt, ich fand den Wein überhaupt nicht unreif, nur halt schlank.
Der Schwefel dient ganz sicher der Stabilisierung. Ich meine, der Wein ist filtriert, hat also nicht mehr den Schutz durch die Hefen und muss es aushalten, im Supermarktregal unter denkbar ungünstigen Bedingungen zu stehen. Soll heißen: Unter den Rahmenbedingungen hätte ich als Winzer auch ganz sicher geschwefelt. Summa summarum ist das selbstverständlich kein vin naturel, wie man ihn in der Szene verstehen würde. Sondern schlichtweg ein maischevergorener Weißwein aus Demeter-zertifizierten Trauben.
Und damit die dritte Sache… Ja, das ist für mich auch immer ganz schwierig, da eine feste Position zu finden. Ich habe andere Parra Jiménez-Weine probiert, und sie schmecken halt nach dem, was sie kosten. Nicht mehr und nicht weniger. Ob das jetzt dem bio- oder biodynamischen Gedanken zuwiderläuft, finde ich ganz schwer einzuschätzen. Einerseits befindet sich ein solches Arbeiten ganz sicher am untersten Rand dessen, was die Zertifikate zulassen. Andererseits ist es ja irgendwie so, wenn wir wollen, dass beispielsweise im Weinberg schonender gearbeitet wird (und das ist bei Demeter im Vergleich zur konventionellen Variante ganz sicher der Fall), dann wollen wir auch, dass größere Flächen so bewirtschaftet werden, dass mehr Menschen solche Weine trinken. Insofern ist für mich da eher die Frage, was uns wichtiger ist: Dass Wein als Kulturgut eine gewisse Qualität und Ethik haben sollte und damit zwangsläufig teurer sein MUSS. Oder dass wir Wein allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen umfänglich zur Verfügung stellen wollen, womit ein Demeter-Wein für 5 € der bestmögliche Kompromiss wäre. Wie gesagt, finde ich selbst schwer zu sagen… (In Deutschland oder Frankreich fiele mir die Antwort leichter, aber in Teilen Spaniens oder auch Bulgariens, wo ich vor dem Lockdown war, gibt es halt doch einen gewissen Zwang, preisgünstig zu exportieren.)
Was den Zusammenhang von Preis und Ausstattung anbelangt, halte ich es tatsächlich eher mit dem alten Künstlermotto, dass eine Sache das wert ist, was jemand bereit ist dafür auszugeben. Willst du einen Wein verschenken, nimmst du also lieber die Tonamphore mit trojanischem Pferd als die Pulle mit dem hässlichen Etikett, das der Werbefritze aus dem Nachbardorf gemacht hat 😉 . Das darf dann auch mal mehr kosten als der eigentliche Inhalt wert ist, finde ich. Ist halt eine andere Kategorie, das mittrinkende Auge sozusagen. Ich weiß aber, was du meinst, es ist halt wirklich eine komplexe Sache…
Danke für die klaren Aussagen. So ist das gut ins Licht gerückt und ich bin da FP2-Masken-Filterprozentmäßig bei Dir.
Unterste Grenze Demeter :
sicher ist es, wenn es denn auch (was manchmal skandalträchtig nicht der Fall ist) konsequent geprüft wird, besser, als konventioneller Anbau.
Aber das würde ich bei einigen anderen Verbänden, die durch EU-Kontrollstellen prüfen lassen (die untereinander im Preiskampf der Kontrollkosten stehen), und schon gar nicht bei EU-Bio, nicht mehr so sehen.
Aber innerhalb der oft völlig ungeprüften Vin naturel Szene ergibt sich ja ein ähnliches Bild. Inzwischen schwimmen dort so einige Trittbrettfahrer und Hallodris mit, denen es zum großen Teil um andere Sachen geht. Da hilft dann nur persönliche Kenntnis und viele Gespräche, um das einschätzen zu können. Ich stehe da auch sehr kritisch der vielleicht verständlichen Forderung gegenüber, dass es dort doch endlich einmal eine einheitliche Qualitätscharta geben soll (Surki – nichts sagen – es gibt zwar welche, aber wie Sand am Meer und eben nicht verbindlich für die ganze Szene).
Aber gerade bei den “wahren” (??ich weiß) Winzern ist das doch zu Innerst verwurzelt in der eigenen Überzeugung, so dass sie selbst ihre größten Kritiker sind. Und welche Charta sollte einfacher sein als “ohne chemisch-biologische künstliche Eingriffe in der Parzelle und im Chai den Saft werden lassen. Kontakt des Saftes nur zur Wandung des Aufbewahrungsgefäßes und zu nichts anderem.”
Das deckt alles ab und ist undiskutierbar. Da bleibt kein Interpretationsspielraum.
Wir lassen das Thema ” was ist denn ich schlechten Jahren” aus. Das wäre wieder einmal ein anderes Thema.
Da entscheidet sich dann wie integer der Winzer ist. Mir jedenfalls reicht das Siegel oder eine Mitgliedschaft alleine nicht aus, um mich der Skepsis zu entledigen und eigenes Denken und alle Erfahrung aus zu schalten.
Die von Dir angesprochene sozial-monetäre Ebene ist ebenfalls ein eigenes Thema wert. Meine grundsätzlichen Fragen wären da allerdings :
a. wie es zu den Umständen kommt, das es Leute gibt, die sich nichts “anständiges” leisten können.
b. Billig = Menge ? Muss die Menge überhaupt sein? Wo liegt nochmal die Grenze zum Alkoholismus? Also nicht doch eher die Umstände ändern, die mich dazu bringen, eventuell etwas zu viel zu trinken. Oder – lieber statt vier+ Flaschen pro Woche zu trinken, eine wirklich Gute. Die Umwelt – selbst wenn es Demeteranbau ist – würde es uns danken.
beste Grüße in der Mitte der Woche und entschuldige, dass es wieder mal zu ausschweifend war
Karl
Oh ja, große Themen! Die alte Geschichte von Vertrauen und Kontrolle natürlich, also was ist in welcher Form und welcher Situation besser, um was zu erreichen? Dass in einer idealen Gesellschaft Vertrauen die Grundlage ist, weil ja alle die Prinzipien verinnerlicht haben und danach handeln, versteht sich von selbst 😉 .
Und natürlich auch die nicht kleinere Frage, wie es dazu kommt, dass es Armut und Reichtum überhaupt gibt. Wobei wie bei Henne und Ei das eine vermutlich die Vorbedingung dafür ist, dass das andere existiert. Aber das sind Sachen, die man wahrscheinlich am besten bei einem guten Glas Wein diskutieren kann 😉 . Auch die Grenze, was zu viel Wein”genuss” ist, und was dazu führt, dass jemand diese Grenze kontinuierlich überschreitet. Gibt es also ein grundsätzliches Potenzial an Alltagsflucht und innerem Knoten in der Gesellschaft, das zu einem bestimmten Level an Suchtverhalten führt? Und dann wird das genommen, was am zugänglichsten oder am begehrenswertesten erscheint? Oder ist dieses Level wandelbar, abhängig von Außenbedingungen (die die Gesellschaft verändern könnte) oder innerer Verfassung (die die Person selbst möglicherweise angehen könnte)? Gar nicht so trivial…