Kürzlich hatte ich im Falstaff eine Burgund-Reportage mit umfangreichem Tasting gelesen. In der Einleitung zum Artikel heißt es dort, das Burgund gelte als teuer und kaum zugänglich. Aber es gebe sie, die preiswerten Burgunder. Sieger der Verkostung war dann der Morey St-Denis PC der Domaine Ponsot für genau 96,41 €. Ja, habe ich da gedacht, ganz zweifelsfrei ein ausgezeichneter Pinot Noir. Aber würde ich spontan in dem Zusammenhang an das Adjektiv preiswert denken? Und wie schmecken dann die richtig preiswerten Burgunder, also die echten von der Côte d’Or und ihre späten Brüder aus Deutschland?
Pinot Noir und Spätburgunder unter 20 €
Also habe ich sechs Flaschen von (wie ich finde) interessanten Winzern zusammengetragen und sie einem Blindtest unterzogen. Zwei Bedingungen gab es dabei: Die Flasche durfte mich nicht über 20 € kosten und musste aus dem Jahrgang 2017 stammen. Äpfel und Birnen vergleichen wir hier ja eh. Aber es mussten nicht auch noch Äpfel und Kokosnüsse sein. Trotz aller Unterschiedlichkeiten habe ich die Weine dann in eine Rangfolge gepackt. Hier ist das Ergebnis:
Platz 6: Domaine Bart Bourgogne
Die Domaine Bart ist ein Klassiker an der nördlichen Côte de Nuits. Beheimatet in Marsannay, hat Martin Bart auch Anteil am Grand Cru Bonnes-Mares. Hier geht es ein wenig bescheidener zu, denn der Bourgogne Côte d’Or hat mich in Frankreich selbst schlappe 12,90 € gekostet. Genauer gesagt, im Ill Vino in Sélestat im Elsass. In Deutschland ist mir allerdings kein Händler bekannt, der diesen Wein auf Lager hat.
Relativ dunkel im Glas (sooo blind war ich dann auch nicht), verströmt der Pinot Noir zunächst einmal einen ziemlich wilden, erdigen Stinker. Auch der Naturkork hatte beim Öffnen ein hörbares Pfloff von sich gegeben. Im Mund denke ich an Gärkohlensäure, an ein bisschen macération carbonique, an einen leichten Naturel aus dem Languedoc. Aber eben nicht unbedingt an einen Pinot Noir aus dem Herzen des Burgund. Über die Tage (ich gebe den Weinen immer gern ein bisschen Zeit) verändert sich der Bart-Bourgogne immer wieder. Ich konstatiere ein latent erratisches Verhalten. Gehört für mich irgendwie noch ein Weilchen in den Keller. Ob er sich da richtig ausgärt und elegant wird, weiß ich nicht. Für den Moment ist das jedenfalls ein wilder Geselle zum Zechen mit Wurstbroten.
Platz 5: Saalwächter Spätburgunder
Carsten Saalwächter ist natürlich einer der shooting stars der letzten zwei bis drei Jahre. Zwar besitzt das Weingut lediglich 6 ha Reben, aber das Terroir um Ingelheim herum ist, ebenso wie im anderen Betriebsteil (und anderen Terroir) in Assmannshausen, altes Pinot Noir-Land. Noch bekannter ist wahrscheinlich sein mutig bepreister Silvaner Grauer Stein, aber hier bleiben wir ja beim Roten. 12,80 € ab Hof und nur wenig teurer bei Karl Kerler, wo ich den 2017er erstanden habe.
Der hellste aller sechs Weine. In der Nase spüre ich eine gewisse Laktik, Gewürznelken, irgendwie leicht ätherisch, 22 Monate Holzfassausbau immerhin. Am Gaumen ist der Saalwächter-Spätburgunder weich, sehr hell in den Aromen, eher erdbeer-kräuterig und insgesamt recht leicht. Das ist eigentlich ein idealer deutscher Spätburgunder in seiner würzig-schlanken Art. Und zu Vanillekipferl (ernsthaft) läuft er auch wirklich zu Hochform auf. Aber wie es halt so ist, einer muss immer der Fünfte sein, und für einen Platz auf dem Podium hätte es für mich ein bisschen mehr Tiefe gebraucht. Dennoch ein sehr schöner Wein, den ich bedenkenlos nachkaufen würde.
Platz 4: Richard Östreicher Spätburgunder Tradition
Richard Östreicher macht eigentlich schon eine ganze Weile sein Ding, und das Ding heißt radikal Qualität. Wenn man mit ihm spricht, wenn man seine Referenzen kennt, wenn man sieht, was er selbst so probiert hat, dann gibt es da nur eins, nämlich Burgund, Burgund, Burgund. Dazu bio, niedrige Erträge, Spontangärung, gebrauchtes Holz, die ganze Philosophie. Und das alles auf urfränkischem Terroir, denn die Reben stehen in Sommerach am Main auf Muschelkalk. Der Spätburgunder Tradition ist der kleinste Wein im Portfolio der Östreichers, 12,50 € ab Hof, und genau da habe ich ihn auch her. Zum selben Preis gibt es ihn auch bei Martin Kössler.
Der einzige Wein mit Schraubverschluss in dieser Runde der Naturkorkler, aber das weiß ich beim Blindtest natürlich nicht. Offenbar wird Pinot Noir als Rebsorte auch mit einer edleren Ausstattung verbunden. In der Nase ist das ein sehr dezenter Wein, und diese Zurückhaltung legt er eigentlich auch im Mund nicht ab. Tatsächlich wäre ich hier nie auf einen Wein aus Deutschland gekommen, erst recht nicht aus dem erdig-barocken Franken, sondern ich habe auf das nördliche Burgund getippt, Bourgogne Chitry oder so etwas. Das ist ein extrem vielseitiger Wein zum Essen und weniger zum Sologenießen, weil er eben nicht stark mit Frucht und Körper auftrumpft. Sehr konsequent, puristisch, cool climate-Empfindung. Mir gefällt dieser zurückhaltende Stil, aber man muss sich schon ein wenig zu solchen Persönlichkeiten hingezogen fühlen.
Platz 3: Louis Chenu Bourgogne
Die Domaine Louis Chenu kommt aus Savigny-les-Beaune, und folglich ist das hier ein Pinot Noir von der Côte de Beaune. Mittlerweile wird das Weingut von den Schwestern Juliette und Caroline geführt, die sofort auf Bioanbau umgestellt haben. Den 2017er Bourgogne hatte ich in Belgien im Supermarkt Bio Fagnes gekauft. Diesen Jahrgang habe ich in Deutschland online zwar nicht gefunden, aber den 2014er für 15 € und den 2018er für genau 18,03 €.
In der Nase ist der Chenu-Bourgogne würzig, fast pfeffrig und lässt spontan nicht gerade die idealtypische Pinot Noir-Duftigkeit durchscheinen. Im Mund spüre ich viel kühle Kirsche, sauer wie süß, durchaus mit Tanninen. Spontan hätte ich den Wein dieser kühl-roten und sehr präzisen Frucht wegen eher nach Oregon gesteckt, aber Oregon spielt ja anders als bei diesem Premier Cru-Test diesmal nicht mit. Wahrscheinlich hätte ich in dieser Preiskategorie eh keinen U.S.-Pinot gefunden. Das ist in jedem Fall ein sehr ernsthafter Wein mit einer gewissen Tiefe und Dichte. Es hört sich vielleicht ein bisschen komisch an, aber ich bin emotional jetzt nicht total berührt. Aber es ist mir absolut bewusst, dass es sich um einen extrem stringent komponierten Wein handelt. Das ist Platz 3 wert.
Platz 2: Julia Bertram Spätburgunder Ahrweiler
Auf dem Etikett dieses 2017er Spätburgunders steht anders als beim Nachfolgejahrgang noch Julia Bertram und nicht Bertram-Baltes. Die Geschichte dahinter kennt ihr vermutlich alle. Julia und Benny sind als rheinische Frohnaturen in den phänomenalen churfränkischen Terrassen gelandet, jetzt tröpfenweise und endgültig aber wieder an die Ahr zurückgekehrt. 7 ha bewirtschaften sie da mittlerweile, und dies ist ganz klar ein Ortswein. Anders als weiter oben im Tal gibt es hier auch sandige Böden neben Lösslehm und schon ein bisschen Grauwacke.
Au wacke, was habe ich denn da im Glas? Hell, wild, reduktiver Stinker. Ich konstatiere eine “deutsche Nase” mit Röstwürzegefühl, dazu gebrannte Butter und gar nicht mal so viel Frucht. Im Mund bin ich aber echt beeindruckt. Ja, auch hier gibt es wieder die Möglichkeit, den Wein wegen seiner sehr deutlichen Reduktionsnoten und der unangemessenen Expressivität zu rügen. Aber er hat wirklich Charakter. Da gibt es eine erdbeerig-johannisbeerige Frucht, eine kräftige Säure mit Biss und trotz der Aromendichte einen ganz entrückten Flow. Und echte Tiefe. Ich denke (weil im Boomer-Alter) spontan an “She’s strange (and I like it)” von Cameo. Walking down the avenue, always doing something new.
Platz 1: Trapet Bourgogne
Die Domaine Trapet in Gevrey-Chambertin war einstmals fast doppelt so groß wie heute. Aber auch nach der erblich bedingten Teilung im Jahr 1990 hat Jean-Louis Trapet immer noch Reben in drei Grand Cru-Lagen. Alles wird biodynamisch bewirtschaftet und einfach insgesamt extrem umsichtig. Der RVF-Guide schlägt für den aktuellen Chambertin-Jahrgang 2018 bei 500 € Kaufpreis 99 Punkte vor. Geringfügig darunter ist der Bourgogne anzusiedeln, für den ich 18 € bezahlt habe. Allerdings ist das keine Trauben-Resterampe, sondern der Wein stammt von zwei Parzellen mit zusammen gerade mal einem halben Hektar. Kein Wunder, dass die Flaschen immer schnell weg sind. Wesentlich leichter kommt man in der Regel an den Marsannay, der allerdings auch schon über 30 € kostet. Christoph hatte ja vor ein paar Monaten in seinem Podcast gleich drei Trapet-Weine vorgestellt. Du grand art.
Das Gute an so einem Blindtasting ist natürlich, dass ich von diesen ganzen Dingen überhaupt nichts weiß, als ich dem Wein gegenübersitze. Sehr zurückhaltend ist der Bourgogne in der Nase, leicht laktisch, beerig und auch nicht superduftig. Wie übrigens keiner der sechs Weine hier. Im Mund ist da gleich eine größere Unmittelbarkeit als bei den anderen Weinen. Viel Frucht gibt es, rote Johannisbeere vor allem, aber besonders fällt mir diese Dichte und Stoffigkeit auf. Da ist einfach mehr Mitte. Als ich das Etikett aufdecke, bin ich überrascht, wie viel Frucht so ein Trapet-Bourgogne in seinem jetzigen Stadium mitbringen kann. Das unterscheidet ihn natürlich ein bisschen von den höherwertigeren Brüdern. Andererseits ist dieses unmittelbar Ansprechende auch typisch Pinot Noir. Ein sehr schöner Wein, von dem ich gern noch mehr hätte…
Das Fazit
Das Fazit fällt mir diesmal leicht: Das war einer der angenehmsten Tests des Jahres. Natürlich lag das zum einen an der Rebsorte, die zu subtilen Nuancen fähig ist, wie es sonst oft nur (Achtung!) Weißweine können. Da geht es weniger darum zu sagen, “ich bin ein kräftiger Rotwein”, sondern es zählen auch solche Elemente wie Vielschichtigkeit und Grazie.
Was mir erst beim Eintragen in die Liste aufgefallen ist: Alle Weine, aber ausnahmslos alle sechs, besaßen laut Etikett einen Alkoholgehalt von 12,5 vol% (nein, der Östreicher-Spätburgunder hat sogar nur 12 vol%). Alle Weine gewannen auch mit Luft, zum Teil sogar erst am zweiten oder dritten Tag. Und das wiederum, also die Bedeutung des Faktors Zeit, hing sicherlich damit zusammen, dass ich bei der Auswahl versucht hatte, Winzerinnen und Winzer mit einer möglichst umsichtigen Philosophie auszuwählen.
Wem jetzt nicht nur nach Grazie, sondern auch nach größerer Dichte und Tiefe ist, muss sicherlich zu einem hochwertigeren, sprich teureren Pinot Noir greifen. Alle Weingüter, von denen ich hier etwas probiert habe, besitzen ein entsprechendes Portfolio. Aber ehrlich gesagt finde ich das, was mir hier im Preissegment zwischen 12,50 € und 18 € geboten wurde, sehr beachtlich.
Da nehme ich den letzten, beschriebenen Wein vom Domaine Trapet und der schönen Gegend Bourgogne. Das Etikett alleine gefällt mit besonders gut.
Danke für Deinen Bericht. tom
Nimm ihn, bevor es jemand anders tut 😉 . Es gibt von Trapet übrigens noch einen Roten “darunter”, den A Minima aus Gamay und Pinot Noir, aber ohne Schwefelung. Der hat auch so ein Etikett.
Sehr schöne Verkostung, sehr schöner Bericht!
Zwar liegt Ingelheim linksrheinisch und Assmannshausen rechtsrheinisch gar nicht so weit auseinander, aber zwischen den beiden Orten und ihren Anbaugebieten fließt der Rhein dann doch noch ein paar Kilometer und überwindet beim Binger Loch zwischen den beiden doch gerade eine nicht unbedeutende Gebirgsschwelle, so dass ich leichte Zweifel anmelden möchte, ob hier – die traditionelle Vorliebe für rote Trauben bleibt unwidersprochen – das gleiche Terroir zu finden ist.
Eine schöne geologische Untersuchung zum Kleinraum Rüdesheim – das liegt recht gut zwischen Ingelheim und Assmannshausen findet man unter https://www.zobodat.at/pdf/Jahrbuch-Nassauischen-Verein-Naturkunde_130_0105-0115.pdf.
Dankeschön, ja, das hatte ich SEHR missverständlich ausgedrückt 😉 . Ich habe es inzwischen ein bisschen geändert.
Natürlich ist das nicht das gleiche Terroir, ganz und gar nicht. Ingelheim hat primär Lösslehm, während Assmannshausen, noch mitten im Rheinischen Schiefergebirge, die entsprechenden Schieferverwitterungsböden besitzt, vor allem im Höllenberg. Die Gemeinsamkeit ist vor allem, dass beide Gemeinden über eine Rotweintradition verfügen, was für die jeweiligen Anbaugebiete, in denen sich sich befinden, eher eine Ausnahme darstellt.
Was die beiden noch eint (und das hatte ich in der Verkürzung schlichtweg verschluckt 😉 ), ist die Tatsache, dass das Weingut Saalwächter in beiden Gemarkungen Reben besitzt. Hauptstandort ist allerdings Ingelheim, und von da kommt auch der Guts-Spätburgunder. Aber seit einiger Zeit (gar mit dem Jahrgang 2017?) gibt es auch Rotweine aus Assmannshausen.
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