Es ist richtig, ich hatte noch nie einen Wein aus Neuseeland hier bei meinem Natürlichen Dienstag. Und wenn ich mich nicht täusche, ist es sogar der erste Wein aus Übersee. Das hat gar nicht mal primär etwas damit zu tun, dass einem beim Thema naturschonend und nachhaltig nicht unbedingt als erstes ein Wein einfällt, der um den halben Erdball geschippert wurde. Das natürlich auch. Aber ich habe den Eindruck, dass Deutschland für spannende und individuelle Weine von der Südhalbkugel kein wirklich bedeutender Markt ist. Ergo kennt man hier eher die primärfruchtigen Aufdrängler aus Kiwi-Landen und denkt sich dann, brauche ich sowas wirklich? Brauche ich also diesen Sauvignon Blanc aus Neuseeland namens The Supernatural? Mal sehen, wer nicht probiert, lernt nichts dazu.
The Supernatural Sauvignon Blanc aus Neuseeland
Supernatural, liebe Freundinnen und Freunde, scheint in seinem Namen ein bisschen albern damit zu spielen, dass er besonders natürlich hergestellt ist. Aber supernatural bedeutet in erster Linie übernatürlich im Sinne von übersinnlich, und genau diese Hinweise erkennt man auch auf dem Etikett. Was jetzt explizit übersinnlich an dem Wein sein soll, erschließt sich mir allerdings nicht. Vielleicht hilt es eher weiter, sich Weinguts- und Unternehmensgründer Gregory Collinge einmal anzuschauen. Und seine Eltern, zum Beispiel auf dem schön gestellten Foto auf der Millar Road- = Supernatural-Website. Das sind Leute, die sehr viel mit Kunst am Hut haben, mit stylischem Zeug, mit leichten Brüchen im Luxus-Retreat. Soll heißen: Manchmal machen Dinge einfach deshalb Spaß, weil sie cool aussehen oder seltsam klingen.
Gegründet wurde das Weingut mit Design-Unterkunft im Jahr 2002 in Hawke’s Bay. Hawke’s Bay liegt auf der neuseeländischen Nordinsel und ist vergleichsweise warm und feucht. Klimatisch also extrem anders als beispielsweise Central Otago. Die Collinges haben ihren 8 ha großen Sauvignon-Weinberg auf hügeligem Terrain mit Nordausrichtung bepflanzt (das ist die Sonnenseite, remember Südhalbkugel). 2009 war der erste Jahrgang von eigenen Trauben.
Das Weingut wird zertifiziert biologisch bewirtschaftet, und im Keller macht Önologe Hayden Penny das, was angestellte Önologen eigentlich höchst ungern tun, nämlich wenig bis nichts. Obwohl das natürlich täuscht. Wenig tun bedeutet ja in erster Linie, die Grundlagen mit Präzision so zu legen, dass Prozesse möglichst natürlich ablaufen können. Der Supernatural wird entsprechend spontanvergoren nach sechs Stunden auf der Maische. Sechs Monate lang bleibt der Most auf der Hefe, wobei häufig aufgerührt wird. Dann kommt das Ganze mit wenig Schwefel (22 mg freier SO2) ungeschönt und leicht filtriert auf die Flasche.
Wie schmeckt der Wein?
Eigentlich hilft das Etikett ja schon dabei, den Wein zu charakterisieren. Neben allerlei übersinnlichem Zeug prangen dort die Begriffe opulent & aromatic und Honeysuckle & Passionfruit. Bei aller Unmündigmachung, die sowas immer an sich hat (“schmecke dies, oder du bist dusselig!”), sind das nicht die typischen Aromen, die man vor einem neuseeländischen Sauvignon Blanc erwartet. Auch die Farbe ist viel dunkler. Und einen Kronkorken gibt es. Die Nase beginnt jedenfalls ziemlich spannend. Spontan denke ich an Aromahopfen. Das ist nicht Sauvignon-Stachelbeere, sondern viel eher frisch getrocknetes Tabakblatt, ja, gar Weed. Im Hintergrund gibt es ebenso ungewöhnliche Fruchtnoten, Quitte und Cantaloupe-Melone, dazu eine gewisse hefige Laktik von der starken Bâtonnage. Nicht super crazy, aber doch deutlich anders.
Im Mund ist der Supernatural ganz trocken und wirkt trotz des geringen Alkohols von 11,5 vol% nicht mager. Die Fruchtnoten drehen sich jetzt ein bisschen und gehen in Richtung gelbe Mango, nicht wirklich opulent wie auf der Flasche angekündigt, aber schon physiologisch reif geerntet. Würze gibt es keine, aber dafür ist der Wein auch sowas von überhaupt nicht anstrengend. Vielleicht erinnert sich noch jemand an den Song Bakerman des dänischen Duos Laid Back (hier der Youtube-Link, und ja, Lars von Trier hat Regie geführt). So ähnlich wie diese Musik geriert sich der Wein. Das ist ein bisschen geschmeidige Nervennahrung in diesen Zeiten.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den Supernatural Sauvignon Blanc bei der K&U-Weinhalle in Nürnberg. Den 2017er Jahrgang gibt es mittlerweile nicht mehr, der 2018er kostet 16,90 €. Supernatural Wine hat auch noch (oder eigentlich sogar primär) maischevergorene Sauvignons im Portfolio. Ich muss zugeben, dass ich nicht jetzt plötzlich umschwenke und jeden Tag neuseeländischen Wein haben möchte. Dafür gibt es vermutlich auch zu wenige der wirklich individuellen Produkte von dort. Aber so ein untypisch entspannter Sauvignon mit leichtem Pazifik-Touch, das hat schon was.
Meine umfassendsten Erfahrungen mit Überseeweinen habe ich übrigens hier gemacht. Nein, nicht speziell in dieser Entenbraterei. Aber in Hong Kong, als ich dort vor genau zwei Jahren meinen WSET-Kurs gemacht habe. Wahrscheinlich braucht es einen solchen Ort, der einerseits richtig weit von jeglichen Weinbaugebieten entfernt ist, andererseits aber auch Geld und Offenheit besitzt, um ein derartig großes Angebot an Weinen aus aller Welt zu finden. Felton Road und Pyramid Valley aus Neuseeland gibt es dort in vollständiger Ausführung, sogar einen eigenen Laden, der ausschließlich Weine australischer Miniwinzer und Natural-Freaks führt.
Das war’s also mit ein ganz bisschen Exotik im Natürlichen Dienstag. Vielleicht mache ich morgen einfach ein helles Curry und trinke den Rest des Supernatural dazu. Das dürfte auf jeden Fall passen…