Ich schäme mich ein bisschen. Dies ist bereits Folge 70 des Natürlichen Dienstags, ich wohne in Franken, und Manfred Rothe aus Nordheim ist einer der profiliertesten Winzer, wenn es um Naturwein hierzulande geht. Wer einmal (oder, noch besser, gleich mehrere Jahrgänge) seinen Silvaners Indigenius probiert hat, weiß, was ich meine. Dennoch hat es bis jetzt gedauert, ehe ich zum ersten Mal einen Rothe-Wein hier vorstelle. Nein, halt, letztes Jahr beim Internationales Silvanerpreis war der Indigenius schon einer meiner absoluten Favoriten. Aber da wusste ich beim Probieren ja nicht, was ich vor mir habe. Jetzt soll es also um den roten Kvevri-Wein gehen. Der kostet durchaus ein kleines Sümmchen, und nicht nur deswegen war ich sehr gespannt, was mich erwarten würde…
Kvevri 2013 rot von Manfred Rothe
Das ist der Weinort Nordheim am Main, aufgenommen Ende April dieses Jahres. Wen ihr auf dem Foto nicht seht, das ist in der Tat der Main selbst. Der fließt nämlich in einem schönen Bogen praktisch um das Foto herum, befindet sich also in Wirklichkeit direkt zu meinen Füßen. Hinter Nordheim erhebt sich ein Hügel mit der Lage Nordheimer Vögelein und weiter hinten dem Sommeracher Katzenkopf, die euch vielleicht auch schon einmal untergekommen sind. Schaut euch das Ganze am besten einmal im Satellitenbild an, alles höchst interessant mit der Mainschleife, dem Prallhang bei Escherndorf und den netten Orten. In diesem Frühjahr übrigens, nur kurz nach meinen Fotos, hat die gesamte Weininsel ganz schlimme Verluste durch den Spätfrost gehabt.
Jetzt aber zum Wein: Manfred Rothe hatte zwar schon im Jahr 1980 seine ersten Weine erzeugt, den Weinbau aber zunächst im Nebenerwerb betrieben. Seit 2002 sind seine Frau Christine und er hauptberuflich am Start, von Anfang an Bio (Mitglied bei Bioland), ohne Lagennamen nach schonend langem Ausbau auf den Markt gebracht.
2011 gab es zum ersten Mal einen maischevergorenen Weißen, und ab dem Jahrgang 2013 dann auch jeweils einen Roten und einen Weißen, die in je einem Kvevri ausgebaut wurden. Mein heutiger Wein ist also der erste Jahrgang. Wein in vergrabenen Tonamphoren auszubauen ist ja vermutlich die älteste noch existierende Technik im Weinbau. 8.000 Jahre schon in Georgien, und jetzt seit sieben Jahren in Franken, immerhin. Manfred Rothe gibt die Zweigelt-Trauben (der 2013er ist 100% Zweigelt) mit Stielen und Stängeln zum Gären und Werden für neun Monate in die Amphore. Anschließend wird nicht gepresst, sondern lediglich der freie Fluss genutzt. Das Leeren der Amphoren und das unfiltrierte Abfüllen geschieht an einem Tag. Je nach winzerlicher Einschätzung bekommt der Wein dabei bis maximal 20 mg SO2 – oder eben gar nichts.
Wie schmeckt der Wein?
Farblich gibt es hier erst einmal ein mittleres Rubinrot, also schon gereift. In der Nase ist der Rothe-Kvevri sehr waldig, also Unterholz, Brombeeren, auch getrocknete Schwarzkirsche und Zwetschge, dazu Kräuter. Das wirkt hochwertig, überhaupt nicht abgefahren und irgendwie auch nicht deutsch. Im Mund setzt sich das Ganze fort, und ich wäre wirklich mal gespannt, was die Expertinnen und Experten zur vermuteten Herkunft sagen würden. Die Säure ist sehr prominent, frisch geöffnet eine leichte Flüchtigkeit auch, die sich dann ihrer Bestimmung gemäß verflüchtigt. Die Tannine sind mittlerweile abgeschliffen, aber ich würde vermuten, dass man sie im hiesigen Kontext immer noch als durchaus robust bezeichnen würde.
Was wirklich besonders ist, das ist das Trinkgefühl. Ich kann mich daran erinnern, als ich vor langer Zeit zum ersten Mal einen Amphoren-Wein von Cos/Sizilien getrunken hatte (ich glaube gar, das war im Enopolio in Bottrop), da hatte ich eine ähnliche Empfindung. Während nämlich die Frucht schön präsent ist und jetzt mehr ins Rötliche geht (Herzkirsche, Cranberries), gleitet der Wein richtig leichtfüßig über den Gaumen. Das hat so etwas Transzendentes an sich, ist so wenig schwer und wuchtig. Pflanzliche Noten wie Wacholder, Rosmarin und das Gefühl von Flechten der Taiga spielen mit hinein, aber alles ist von dieser frei fließenden Atmosphäre geprägt. Sagen wir mal so: Ich habe schon uninteressantere Weine getrunken.
Als Speisenbegleitung hätte ich von der Nase her an dunkleres Fleisch gedacht, aber ich ändere meine Meinung. Begreift diesen Wein als einen feinen Pinot Noir im Geist, aber mit herzhafterer Verpackung. Ich empfehle also gebratenes Geflügel der mitteldunklen Art wie Wachtel.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gelbe Schilder an der Tür, das sieht doch eher nach einer Postfiliale aus. Aber nein, wir sind ja in besonderen Zeiten, und tatsächlich dürfen nur zwei Personen gleichzeitig das Geschäft betreten. Ich spreche vom delikatEssen in Nürnberg, einer der wenigen Orte in der good old Frankenmetropole, die ihrem Namen wirklich Ehre machen. Gleichzeitig mit dem Wein hatte ich am Samstag dort auch die fantastische Rouille von Azaïs-Polito gekauft. Wo gibt es so etwas sonst in Deutschland, frage ich euch allen Ernstes?
Aber zurück zum roten Kvevri von Manfred Rothe. Der kostet dort (wie auch ab Hof) genau 45 €, wobei ihr bei delikatEssen zwischen dem 2013er und dem 2016er wählen könnt, bei Manfred Rothe zwischen dem 2014er und dem 2015er.
Die Deutschen und die Preise, das sind ja zwei Völker, die schon seit langem einen intensiven Austausch miteinander pflegen. Insofern auch hier. Wenn ihr wollt, dass ein Biowinzer wie Manfred Rothe unter erheblichen Risiken und mit Mini-Mengen solche einmaligen Weine in Franken herstellt, dann ist das genau euer Ding. Wenn euch das nicht wichtig ist und ihr euch lediglich einen schönen Roten zum Abendessen wünscht, dann könnt ihr vom Weingut Rothe zum kleinen Preis auch den einfachen Zweigelt nehmen. Oder aber den Schwarzriesling Grande, von dem ich eine echte Vertikale im Keller gesammelt habe (sollte beizeiten wieder an Tageslicht kommen).
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