Cyril Fhal hat schlichtweg gar kein Interesse an 15 minutes of fame. Als er vor knapp 20 Jahren von Paris ins ländliche Roussillon zog, muss er – wie mir ein Bekannter von ihm erzählte – sofort mit Haut und Haar Tag und Nacht in die Welt der Reben eingetaucht sein. So ganz im Verborgenen ging es allerdings nicht weiter. Bei diesem kompromisslos auf Qualität ausgerichteten Ansatz ließ es sich einfach nicht vermeiden, großartige Weine zu erzeugen. Der Clos du Rouge Gorge und der unglaubliche L’Ubac aus 100% Cinsault von einem steilen Nordhang sind beredte Beispiele dafür. Biodynamisch angebaut, inklusive Jäten mit der Hand. Und jetzt gibt es diesen Weißen hier, La Femme Soleil, produziert zusammen mit Alice Gendron, die schon seit einigen Jahren Cyrils partner in crime ist.
La Femme Soleil 2018 von Cyril Fhal & Alice Gendron
Ein regulärer Rouge Gorge-Wein ist La Femme Soleil nicht, und das kam so: Der Jahrgang 2016 war extrem trocken im Roussillon, 250 mm Jahresniederschlag nur. Cyril und Alice, die natürlich nicht bewässern, fürchteten daraufhin, unter diesen Umständen bald nicht mehr genug Wein erzeugen zu können, um davon zu leben. Also beschlossen sie, in geringem Umfang Trauben von befreundeten (Bio-)Winzern aus der Nachbarschaft einzukaufen. Zusätzlich sagt Cyril, dass er es auch spannend findet, mit ganz anderem Traubenmaterial im Keller zu arbeiten. Große Mengen kommen dabei natürlich nicht heraus, nur ein Roter aus Syrah und zwei Weiße.
La Femme Soleil, was übersetzt übrigens Frau Sonne bedeutet, man konnte es bei dem Etikett erahnen, ist einer dieser beiden Weißen. 3.500 Flaschen gibt es von diesem Macabeu, der auf reinem Schieferboden gewachsen ist. Wie üblich bei Cyril Fhal sind die Interventionen im Keller minimal: spontanvergoren, ausgebaut zu 85% im Stahltank und zu 15% im Barrique, unfiltriert, ungeschönt und lediglich mit einer minimalen Schwefelgabe stabilisiert. (Und, nur der Vollständigkeit halber, das Weingut hat keine Website, auf der man sich informieren könnte. Kommt in der Gegend öfter vor.)
Wie schmeckt der Wein?
Ein Weißwein aus Frankreich, auf dem nicht doux oder Ähnliches steht und der nicht aus einer einschlägigen Appellation stammt, ist in aller Regel trocken. Wenn man dann noch die südliche Herkunft der Femme Soleil und ihre lediglich 12 vol% in Betracht zieht, wird klar, dass wir es hier mit einem leichten, trockenen Wein aus relativ früh geernteten Trauben zu tun haben. Sherlock Holmes-Niveau, ich weiß. Oder eher Peter Shaw, Zweiter Detektiv.
Im Glas ist der Wein hellfarbig und mit seiner leichten Trübung sichtlich unfiltriert. In der Nase ist ein rauchiger Ton zu spüren, ein bisschen harzig auch, nicht selten bei schwefelarmen Weinen. Dann aber drängen florale Noten in den Vordergrund. Im Mund gibt es erst einmal sehr wenig Säure, dafür aber eine erstaunliche Viskosität. Trotzdem wird das Ganze nie breit, der Alkohol ist ja sehr gebändigt, vor allem sind es aber diese feinfloralen Anklänge. Safran, Fenchel und Akazienblüte tauchen auf, dicht, sehr mineralisch, salzig, praktisch ohne jegliche Frucht und definitiv ohne Süße. Ein bisschen getrocknete Honigmelone vielleicht im Abgang. Das ist eine komplett andere Welt im Vergleich mit den vielen vielen deutschen Weinen, die ich in den letzten Wochen probiert habe. Dank der Floralität ist die Femme Soleil nicht spröde oder karg, aber doch ungewohnt macchiös.
Bei der Speisenbegleitung denke ich zunächst an Sardinen vom Grill, aber letztlich passen vegetarisch/vegane Varianten sogar noch besser: Auberginen und vor allem Hummus, auch solches mit frischem Koriander.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich La Femme Soleil in diesem Laden in Paris, La Cave du Cherche-Midi. Ehrlich gesagt bin ich spontan reingegangen, weil sie Weine von d’Auvenay im Schaufenster hatten und einen spottbilligen Clos du Rouge Gorge von Cyril Fhal. Leider hatte sich da jemand beim Auszeichnen geirrt. Aber der Verkäufer meinte dann, er hätte noch einen anderen Wein von Cyril ganz neu hereinbekommen, der ihm sehr gefallen habe. Ob der mich eventuell auch interessieren würde. Ja, das tat er, und hier ist das Ergebnis.
Die Weine von Cyril Fhal und seinem Clos du Rouge Gorge gibt es erfreulicherweise schon seit längerer Zeit in Deutschland. Joachim Christ hat in seinem Online-Shop Alles Wein auch die Femme Soleil im Programm (16,90 €). Das ist zwar bereits der Nachfolgejahrgang 2019, mit 13 vol% ein bisschen kräftiger als sein Vorgänger ausgefallen, aber bitte. Wer beschwert sich schon ernsthaft über ein Volumenprozent, wenn man schon einmal einen individuellen Weißen aus dem Roussillon hierzulande kaufen kann? Ich jedenfalls nicht.
Wo ich die Weine von Cyril Fhal übrigens auch schon gesehen habe, ist Tokio. Für den Fall, dass ihr euch in Anbetracht der heimatlichen Verhaftetheit mal in eine ganz andere Welt beamen möchtet, hier mein großer Rundlauf durch die Weinbars von Tokio. Letzten November war das erst, man glaubt es kaum…