Wenn es um Silvaner geht, führt vermutlich kein Weg an Michael Teschke vorbei. Dabei kommt er nicht aus Franken, nennt keine berühmte Lage sein Eigen und besitzt lediglich 2,5 ha Silvanerreben. Von denen sind allerdings die allermeisten alt bis uralt. Sie befinden sich am Laurenziberg im noch einigermaßen verwunschenen Dünnbachtal. Jenes wiederum liegt im nördlichen Rheinhessen, in Sichtweite des Rheingaus. Aus diesen wenigen Parzellen holt Michael Weine, die sehr langsam reifen, aber immer spannend sind. Außerhalb der “gewöhnlichen” Parzellenweine, die selbstverständlich auch alles andere als gewöhnlich sind, gibt es dabei noch die Naiv-Reihe. Unfiltriert, ungeschönt, ungeschwefelt. Den Portugieser aus dieser Serie hatte ich einem Freund in Japan geschenkt. Hier beim Sylvaner (die alte Schreibweise wie bei Stefan Vetter) bin ich jetzt aber selbst dran.
Sylvaner Naiv 2016 von Michael Teschke
Im Vinum Weinguide gibt es in der Weingutsbeschreibung immer eine Rubrik “Mitglied”, bei der die Weingüter dann ihre VDP-Mitgliedschaft, einen Bioverband oder irgendetwas anderes Seriöses eintragen können. Bei Michael Teschke steht da “Freak und Frei“, was auch eine gewisse Art Mitgliedschaft ist, aber viel eher deutlich macht, was diesen Mann und seine Weine ausmacht. Wer gern Weine trinkt, die von Jahr zu Jahr gleichförmig sind, ist hier sicherlich nicht so ganz richtig. Eine der letzten Überraschungen, mit denen Michael Teschke aufwartete, war der Sylvaner Mission, wahrhaftig a wine on a mission, mit 130 € vermutlich der teuerste Silvaner der Welt. Ein symbolisches Werk.
Sehr interessant fand ich auch den Artikel über einen Weingutsbesuch bei Vinocentral. Darin berichtet Michael Teschke, dass er sich bei Weinbergsarbeiten an den Schnecken orientiere. “Schnecken sind bekanntlich sehr langsam, deshalb arbeiten sie präventiv”, sagt er dort. Je nachdem, wo am Weinstock sich die Schnecken in welchem Zustand befinden, kann man also abschätzen, wie das Wetter demnächst werden wird. Dass Michael Teschke bei all seiner Naturnähe nicht bio-zertifiziert ist, mag an seiner, nun ja, Mitgliedschaft bei den freien Freaks liegen. Vielleicht ist es aber auch etwas anderes. Bei unserer kurzen Begegnung am Rande einer Messe hatte ich nicht daran gedacht, ihn das zu fragen.
Wie schmeckt der Wein?
Der Sylvaner Naiv aus dem Jahrgang 2016 soll – der Name deutet es an – ein einfacher, ehrlicher …Naturwein sein. Und genau das ist er auch. Trüb und hellzitronengelb steht er im Glas. In der Nase kann ich bereits nachvollziehen, weshalb konventionellere Weintrinker, die die anderen komplexen Silvaner von Michael Teschke kennen, ein bisschen irritiert sind. Hier gibt es nichts Dunkles, nichts Tiefes, sondern eine Mischung aus Granny Smith und Klarapfel, eine ganz leichte Flüchtigkeit, dazu frisches Gras.
Im Mund perlt der Sylvaner Naiv noch leicht. Die Säure steht straff, aber das wirkt auch stärker, weil der Wein komplett trocken ist. 10,5 vol% hat der Naiv, wie gesagt voll durchgegoren. Das deutet auf eine sehr frühe Ernte hin. Auch wenn Michael Teschke seine Weine prinzipiell oxidativer herstellt, ist hier von der dunkelmostigen Oxidation manch anderer Vins Naturels wenig zu schmecken. Ganz im Gegenteil. Ja, Apfel ist da, säuerlicher Apfel mit leichtem Körper. Aber das ist nicht der style normande, sondern eher ein Kentish Cider, der aus hellen Tafeläpfeln bereitet wurde. Extrem tonisch, sehr straight, sehr nordisch.
Stefan Vetter lässt da stilistisch natürlich grüßen, aber hier ist noch mehr Kohlensäure im Wein (ob es auch am Schraubverschluss liegt?), was das Mundgefühl spritzig-sommerlicher macht, den Abgang aber ein wenig kürzer werden lässt. Wie gesagt, wer eher konventionelle Silvaner gewohnt ist, wird ein wenig erschrecken. Wer aber erfrischende alkoholische Spaßgetränke mit absolut ernsthaftem Hintergrund schätzt, kann sich freuen.
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den Sylvaner Naiv 2016 von Michael Teschke im einzigen Shop, der ihn (noch) führt. Jedenfalls habe ich keinen anderen gefunden. Bei Surk-ki von der Vincaillerie steht er für 13 € im Programm. Nachdem ja der Weinsalon Natürel derselben Organisatorin in diesem Jahr leider als einer der ersten der Corona-Krise zum Opfer gefallen ist, fände ich es eine gute Sache, sie auf diese kaufende Weise ein bisschen zu unterstützen. Der Naiv (oben seht ihr die Rückseite des Etiketts) ist übrigens meiner Erfahrung nach ziemlich stabil. Nicht dass ich euch empfehlen würde, ihn wie ich in einem warmen Zimmer zu lagern, aber er hat diese miese Behandlung zumindest ohne Murren überstanden.
Und damit habt ihr bei der GROSSEN SILVANER-SCHAU zum ersten Mal etwas über einen Silvaner aus Rheinhessen gelesen. Werden weitere folgen? We will see…