Die Weine von Sven Zerwas kenne ich eigentlich schon länger. Und zwar aus der noch gar nicht so wahnsinnig lang zurückliegenden Zeit, als er Betriebsleiter beim Bio-Weingut Goswin Kranz in Brauneberg war. Dort bewies er ein gutes Händchen für feine Mosel-Klassiker. Nachdem es ihn zurück in den Handel gezogen hatte, befürchtete ich schon, dass ein Steillagen-Winzertalent damit für immer von der Bildfläche verschwunden sein könnte. Aber keineswegs! Ende 2019 startete er nämlich die Tiny Winery, die aus einem Hobbyprojekt hervorging. Ihrem Namen macht sie derzeit noch alle Ehre, bewirtschaftet sie doch keine zwei Hektar an der Mittelmosel. Hier aus dem Veldenzer Kirchberg stammt auch der heutige Wein für den Natürlichen Dienstag. Ein Mosel-Pinot vom Schiefer, unfiltriert und ungeschwefelt.
Big Bamm! Pinot Noir 2018 von der Tiny Winery
Als ich das erste Mal ganz nebenbei den Namen Tiny Winery und den oberen Teil des Etiketts gesehen hatte, dachte ich doch tatsächlich, es mit einem englischen Kleinweingut zu tun zu haben. Der erste Jahrgang steht offenbar ganz im Zeichen der Brexit-Edition mit Londoner Symbolik und Namen wie Cab, Stay or Go? oder eben hier Big Bamm! Aber natürlich handelt es sich um echten Moselaner. Obwohl der Veldenzer Kirchberg gar nicht direkt auf die Mosel schaut. Das muss allerdings kein Nachteil sein, denn schließlich hat beispielsweise der Scharzhofberg (ein naheliegender Vergleich) auch keinen Blick auf irgendeinen Fluss. Wenn ihr oben auf den Lagennamen klickt und dann die Karte anschaut, werdet ihr sehen, dass der Kirchberg im Grund aus zwei Teilen besteht, einem primär nach Südwesten ausgerichteten Steilhang und einem Stück im Flachen.
Blauer Schiefer herrscht im Untergrund vor, und das gilt auch für die Parzelle, von der der Big Bamm! stammt. Die Rebflächen der Tiny Winery werden jetzt schon nach den Richtlinien des Kontrolliert umweltschonenden Weinbaus bewirtschaftet, sollen künftig aber bio-zertifiziert werden. Der Saft der Pinot-Trauben kam nach der Maischegärung ins Barrique und wurde schließlich unfiltriert und ungeschwefelt abgefüllt, ich schrieb es ja schon. 120 Flaschen gibt es lediglich vom Big Bamm!, und es steht zu befürchten, dass diese Zahl täglich abnehmen wird.
Wie schmeckt der Wein?
Beim Boomer-Talk hatte ich den Big Bamm! noch in das schöne Tulpenglas von Tante Eva gegeben. Jetzt für den Natürlichen Dienstag fülle ich den Wein allerdings in ein adäquates Gefäß im Stil unserer Zeit. Trüb ist der Big Bamm! natürlich, besitzt aber ansonsten eine fast blaurote Farbe. Ich spüre eine gewisse flüchtige Säure und dahinter Noten von Himbeeren und Unterholz. Deutlich eher auf der herben als auf der duftigen Seite, gebe ich dem Wein erst einmal ein bisschen Luft. Im Grunde genommen viel Luft, sehr viel Luft. Versehentlich lasse ich nämlich das Testglas im Regal stehen, weil es etwas anderes zu tun gibt und denke erst am nächsten Tag wieder daran. Die Flüchtigkeit (deshalb, äh, heißt sie ja so) ist inzwischen verschwunden, und der Wein präsentiert sich sauber und ziemlich konkret. Fast bissig ist die Frucht aus dunkleren Beeren, vielleicht sogar mit einem gewissen Schieferton.
In jedem Fall ist der Big Bamm! weiterhin kein Kind der Lüfte. Erdige und würzige Noten herrschen vor, weshalb ich an dieser Stelle gern das letztjährige Foto von der Mosel einfüge, auf dem links oben der Ürziger Würzgarten und rechts hinten der Erdener Prälat abgebildet sind. Erdig und würzig halt. Und richtig harte Arbeit im Steilhang. Irgendwie kommt der Big Bamm! in seiner Gesamterscheinung auch ein bisschen workmanlike daher. Das ist ein straffer Stil, wenig aufdringliche Frucht, vielmehr eine noble Beherrschtheit. Der weiche Fruchtkern scheint zwar durch, bleibt aber derzeit noch ein bisschen hinter der Hecke verborgen wie einst Dornröschen. Säure, Tannin und Substanz spielen allerdings schon in derselben Tonart, das dürfte bald eine feine Harmonie ergeben.
Wo habe ich ihn gekauft?
Die Weine der Tiny Winery gibt es exakt dort, und nur dort. Hier ist der Link zur Website mit allen Infos. 19,90 € kostet der 2018er Big Bamm! Pinot Noir und ist damit das hochpreisigste Produkt des kleinen Weinguts. Neben den Parzellen in Veldenz ist übrigens seit Anfang dieses Jahres noch ein zweiter Hektar hinzugekommen, und zwar in richtig spektakulären Lagen. Demnächst wird es also unter anderem Weine aus dem Piesporter Goldtröpfchen, dem Piesporter Grafenberg und dem Dhroner Hofberg geben. Ganz großes Steillagen-Kino. Oben könnt ihr in leicht verschwommener und voreinander gestellter Form das restliche Sortiment des Weinguts sehen. Als kleines Kuriosum gibt es einen weiß gekelterten halbtrockenen Schwarzriesling, ansonsten aber echte Klassiker der Mosel. Sehr zu empfehlen (und gestern bereits mit Gewinn getrunken) übrigens der fruchtige Kabinett namens Cab im richtig schön altmodischen, nicht zu süßen Stil.
Eine kleine Sache muss ich zum Schluss noch loswerden. Letzten Herbst hatte ich bereits die Gelegenheit, den Big Bamm! zu probieren, allerdings noch ohne Namen und Etikett. Irgendwie interessierte es mich, wie gut sich so ein unfiltrierter und ungeschwefelter Wein halten kann. Ich verschloss also die Flasche wieder mit dem Kork, stellte sie unter den Schreibtisch und machte mich für drei Wochen auf nach Asien. Damit sich die Flasche nicht so einsam fühlt, tat ich genau dasselbe auch mit einem sehr teuren Pinot Noir aus Baden (dreistellig…). Als ich wieder zurückkam und die Weinreste probierte, war ich ziemlich überrascht. Nein, komplett überrascht. Der ungeschwefelte Pinot stand noch völlig ungerührt da, während der teure konventionelle Wein ins Reich des Essigs übergegangen war. Nein, das klappt nicht mit jedem vin naturel, aber der Big Bamm! scheint eine innere Stabilität zu besitzen, die manch Weinkritiker mal selbst erlebt haben sollte…