Es ist nicht schön. Ausgerechnet jetzt, da die Natur wieder anfängt grün zu werden, die Bäume blühen, die Hasen springen, müssen wir uns extrem einschränken. Genau das sollten wir allerdings auch tun, wenn wir bis drei zählen können. Vernünftig sein, vorsichtig sein, zusammen die Krise versuchen einzudämmen. Nicht zur Abteilung Vernunft gehört dabei meiner bescheidenen Meinung nach, den Discounter mit einem Einkaufswagen voller Mehl zu verlassen. Oder sich am Wühltisch um die letzte Packung Klopapier zu kloppen. Klopppapier sozusagen. Viel vernünftiger scheint mir dagegen, abends mal wieder Musik zu hören, ein Buch zu lesen und dabei ein Gläschen Wein zu trinken. Besorgt beim Winzer-Online-Shop.
Online-Shop direkt vom Winzer
Wer nicht aus dem Haus gehen kann oder möchte, hat in unserer modernen Welt ja mittlerweile die Möglichkeit, fast alles online zu erwerben. Das war vermutlich noch nie sinnvoller als jetzt. An dieser Stelle könnte ich natürlich zu großen Weinhändlern verlinken, die in ihrem Angebot (fast) alles haben, was das Herz begehrt. Ich möchte aber einen Schritt zurückgehen. In diesem Jahr sind die meisten Weinveranstaltungen bislang ausgefallen, allen voran die ProWein. Viele Winzerinnen und Winzer hatten deshalb nicht die Möglichkeit, ihre Weine zu präsentieren und möglicherweise Neukunden zu gewinnen.
Deshalb möchte ich hier acht Weingüter vorstellen, deren Weine ich in den letzten Monaten mit Gewinn probiert habe. Und die einen Online-Shop besitzen, bei dem man per Mausklick bestellen kann. Machen wir also wenigstens beim Wein aus der Not eine Tugend, aus der Krise eine Win-Win-Situation.
Weingut Höfflin, Baden
Das Weingut Höfflin befindet sich in Einzellage an der Ostseite des Kaiserstuhls. Seit 1974 wird der Hof mit Obst, Gemüse und eben Wein biologisch bewirtschaftet. Matthias Höfflin kann auf eine bunte Mischung an Rebsorten auf seinen 13 ha Weinbergen zurückgreifen. Sehr auffällig sind die Etiketten der Flaschen, die die mikroskopische Struktur der Weine zeigen.
Im Online-Shop (Link) gibt es nicht weniger als 42 Produkte – sofern ich mich nicht verzählt habe. Die Auswahl ist in jedem Fall groß genug. Bei der Millésime Bio hatte ich eine ganze Reihe an Weinen probiert. Sämtliche Weine sind spontanvergoren und komplett trocken, viele unfiltriert und mit langem Hefelager ausgestattet. Soll heißen: Wir haben es hier mit sehr bewusst bereiteten und langlebigen Gestalten zu tun. Neben gehaltvollen Roten und Weißen gibt es noch die WeinWerkstatt-Reihe, in der ungewöhnlichere Produkte angeboten werden. Beispielsweise ein richtig trockener maischevergorener Gewürztraminer für – ja – knackige 38 €. Aber auch für 9,90 € gibt es beispielsweise einen vielseitigen und sehr schmackhaften Grauburgunder. Leider mit 42 € wieder ziemlich hochpreisig, dafür aber auch richtig richtig gut, ist der 2013er Spätburgunder Biegarten links auf dem Foto.
Timo Dienhart, Mosel
Timo Dienhart hatte ich ebenfalls in Montpellier getroffen. In manchen Weinguides wird der Betrieb noch als Weingut zur Römerkelter gelistet, aber der Name auf den Etiketten deutet schon an, wie es künftig sein wird. Für meine kleine Natural Wine-Geschichte in der Weinstelle hatte ich die beiden Top-Weine von Timo am Start. Riesling Honigberg Steinzeug, einmal mit und einmal ohne Schwefel. Sehr interessante Sache.
Auch ansonsten holt Timo Dienhart aus seinen 15 ha an der Mosel überzeugende Weine. Er hat viele Jahre Erfahrung mit biodynamischen Methoden, das Weingut ist bio-zertifiziert und Mitglied bei Ecovin. Brot bäckt er übrigens auch, noch so ein Hefe-Freak. Im Online-Shop (Link) gibt es 31 Weine. Die ganze Bandbreite der Mosel ist dabei, weiß-trocken, weiß-süß, rosé, rot. Auch wenn ich persönlich Experimente und Weiterentwicklungen sehr schätze, mag ich durchaus die sogenannte deutsche Klassik. Der Riesling Fass 9 auf dem Foto oben ist beispielsweise ein fruchtsüßes Exemplar aus dem Bilderbuch. Auch er vom Honigberg, spontanvergoren, pikant, saftig, klassische Spätlese – und das für 9,80 €. Sowas gibt es nur an der Mosel.
Weingut Seck, Rheinhessen
Die Weine von Axel Seck hatte ich bei der Biofach probiert – die letzte Messe, die noch stattgefunden hat, puh. Das Weingut befindet sich mitten in Rheinhessen, und Axel hat ein großes Faible für lagerfähige Rotweine. Logisch bei der Herkunft. Nein, ernsthaft, hier stehen als aktuelle Jahrgänge bei den Spitzen-Roten die Jahrgänge 2013 und 2014 im Programm. Und das auch mit Recht, denn bereits die 2013er Cuvée S (hauptsächlich Cabernet Sauvignon) für schlappe 12 € besitzt ein enorm lagerfähiges Tannin. Noch gehaltvoller wird es beim Seck 1 aus dem bordelaiser Triumvirat Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc. Für 20 € gibt es Dunkelbeerigkeit, gezähmte Kraft und Nachhall.
46 Produkte habe ich auf der Website gezählt, die allerdings keinen echten Online-Shop aufweist. Beim Probepaket der S-Linie ist allerdings ein schönes Spektrum dabei. 62 € kosten die sechs Weine (zwei weiß, drei rot, ein Sekt). Interessant fand ich auch, dass das Weingut als bislang einziges hierzulande Naturland Fair beigetreten ist. An sich ist das ein Siegel, das für Produkte aus Ländern südlich der Sahara gedacht war. Aber gesellschaftliches Engagement, faire Bezahlung, Transparenz und noch einiges mehr lässt sich ja auch hierzulande anwenden.
Weingut Ökonomierat Lind, Pfalz
Ich muss es zugeben: Bevor ich Elena Lind bei der Biofach getroffen und ihre Weine probiert habe, hatte ich rein gar nichts über das Weingut aus der Südpfalz gewusst. Ökonomierat, Südpfalz und Bio, da fiel mir ausschließlich Rebholz ein. Allzu große Vorwürfe muss ich mir aber nicht machen, denn das Weingut war bislang total exportorientiert. China, Finnland, Japan zum Beispiel. Das soll sich aber jetzt ändern, zumal sie ein Bio-Hotel mit 28 Zimmern planen. Zum Glück wird es erst nach Corona eröffnet…
42 Produkte gibt es insgesamt im Online-Shop (Link), und einige konnte ich davon probieren. Das Spektrum ist groß und reicht von Riesling über Pinot Meunier und Orange Wine bis zu einem Pinot Noir, der in einem 130 Jahre alten Holzfass ausgebaut wurde. Ein superleckerer Wein (ja, genau das) ist beispielsweise Elenas Goldmuskateller trocken (9,10 €). Wer mal wieder Spaß mit Wein haben möchte, voilà. Sehr beeindruckend mineralisch fand ich auch den Riesling aus dem Granitfass, mit 19,50 € das preisliche Schwergewicht der Familie Lind. In guter alter Tradition gibt es übrigens auch feine Obstbrände.
Weingut Hubert Lay, Baden
Wer sich für vins naturels interessiert, kommt in Deutschland am Weingut Hubert Lay nicht vorbei. Die machen solche Sachen nämlich schon länger und sind erst nicht gestern auf den Zug aufgesprungen. Christian Lay hatte eine schöne Auswahl sowohl der geschwefelten als auch der ungeschwefelten Weine der aktuellen Kollektion bei der Biofach dabei. Das Weingut selbst ist mit 5,3 ha nicht gerade riesig, befindet sich in Ihringen am Kaiserstuhl und arbeitet seit 30 Jahren biologisch.
51 Weine gibt es insgesamt im Online-Shop (Link), und der Spaß fängt bereits ganz unten bei den Literweinen an. Die Spezialität des Weinguts sind allerdings ganz sicher die ungeschwefelten (und selbstverständlich unfiltrierten – die Hefe, ihr wisst es doch) Weine. Besonders die Spätburgunder. Die Lays betreiben auch dabei keine Monokultur, sondern haben ganz bewusst eine Vielzahl von Pinot-Klonen in ihrem Weinberg stehen. Das ist Risikominimierung fast nach Art eines Gemischten Satzes. Drei dieser Roten gibt es im Shop, vom “einfachen” Spätburgunder 2017 (9,50 €) über den Wiedehopf (11,40 €) bis zum SL aus dem Jahrgang 2016 (15,50 €). Das sind alles recht dunkle Gesellen, die wirklich Lagerzeit vertragen können. Wer die nicht hat, bitteschön, der trockene Liter-Rosé kostet 5,80 €.
Weingut Forster, Nahe
Das Weingut Forster von der Nahe war mir zum ersten Mal aufgefallen, als ich ihre Weine probierte, ohne es zu wissen. Es war beim Best of Bio meines hochgeschätzten Kollegen Jürgen Schmücking, als wir gleich zwei Forster-Weine ganz oben aufs Treppchen hoben. Der Riesling vom Kies setzte sich dabei gegen ziemlich hochkarätige Konkurrenz durch, wie wir nach dem Aufdecken feststellen konnten. Kein Wunder also, dass ich seitdem auf Messen immer mal wieder an den Stand des Weinguts komme, um mich nach Neuigkeiten zu erkundigen.
Schlechte Weine habe ich hier ehrlich gesagt noch nie getrunken, und das war auch diesmal bei der Biofach nicht anders. Ich weiß, dass der Weißburgunder eine absolute cash cow ist, aber in diesem Fall gehe ich ausnahmsweise mal gern mit der Masse. Die Rieslinge sind wie immer eine Bank, aber am meisten überrascht hat mich ein Wein, den ich eigentlich erst gar nicht probieren wollte: der Frühburgunder vom Quarzit aus dem Jahrgang 2018. Frühburgunder, puh, die mumpfige Rebsorte, der Hitzebrei. Aber Georg Forster hat das (fast) versehentlich richtig gemacht und die Reben im Jahr 2001 ganz weit oben an den Wald gepflanzt. Natürlich ist der Wein nicht schlaff, besitzt aber auch dichte Frucht und ein forderndes Tannin. Für 9,50 € ist das ein echter Lagerwein. Einen dezidierten Online-Shop gibt es übrigens nicht, aber im Erden- und Lagenwein-Paket ist alles dabei, was ihr haben wollt. Versprochen.
Weingut im Zwölberich, Nahe
Zum Weingut im Zwölberich gehe ich bei Messen ebenfalls immer. Und zwar, das muss ich zugeben, auch deshalb, weil die Leute so fürchterlich nett sind. Das ist irgendwie immer eine eigene kleine Welt, die ich da betrete. Auch ansonsten hat das Weingut von Hartmut Heintz einige Alleinstellungsmerkmale. Beachtliche 33 ha, alles biodynamisch bewirtschaftet (Demeter-zertifiziert) von einem großen Team, und zwar seit vielen Jahren. Dazu ein Sortiment, das aufgrund der aufwändigen Bewirtschaftung nicht billig sein kann, aber auch das Gegenteil von elitär ist. Hier gibt es noch den lieblichen Roten ohne Scham, denn die Kunden mögen das und sollen auch nicht davon “überzeugt” werden, dass so etwas als peinlich gilt. Jede Jeck es anders, und das ist bitteschön auch gut so.
Der Wein, der mich aus der riesigen Palette (mindestens 47 Weine im Online-Shop, Link) am meisten beeindruckt hat, ist allerdings ein hochwertiger Klassiker. Mit 9,8 g Restsüße flutscht der Riesling aus dem Langenlonsheimer Königsschild gerade so in die Feinherb-Kategorie. Spielt aber keine Rolle, denn das ist ein dichter, eleganter, gleitender Wein, der tatsächlich ein bisschen zum Sinnieren anregt. 25,80 € übrigens. Sehr spannend fand ich auch den naturtrüben und richtig trockenen Grauburgunder, den ich in Montpellier als Fassprobe probieren durfte. Aber – leider alles exklusiv für einen Kunden in den USA…
Weingut Roth, Franken
Zum Abschluss noch ein kleiner Ausflug in die nähere Umgebung. Auch hier war wieder eine Blindprobe dafür verantwortlich, dass ich mich mit den Weinen stärker auseinander gesetzt habe. Beim Best of Gold in Würzburg hatten wir in der Jury zum wiederholten Mal einen Wein von Nicole Roth aufs Treppchen gewählt. Also dachte ich mir, dass es nicht schaden könnte, das Weingut im fränkischen Wiesenbronn einmal direkt zu besuchen. Gerhard Roth hat 1974 mit der biologischen Bewirtschaftung begonnen und von Anfang an darauf geachtet, seine Reben möglichst weit weg von allem anderen zu pflanzen. Wer vom Wachhügel aus zum Steigerwald blickt, hat dann auch nicht den Eindruck, sich in einer monokulturellen Landschaft zu befinden. Das Hasen-Foto vom Titel habe ich übrigens auch hier gemacht.
Unglaubliche 61 Weine werden im Online-Shop des Weinguts gelistet (Link). Die Vielfalt ist dabei so groß, dass es sich fast um ein gut sortiertes Fachgeschäft handeln könnte. Es gibt beispielsweise einen Gemischten Satz für 15 €, den ich schon in meinem Natürlichen Dienstag gefeatured hatte. Es gibt auch einen Blaufränkisch-Ortswein (10 €), den ich zu einem Essen bei Freunden mitgebracht hatte, wo er viel Lob erhielt. Ebenso dabei ist ein maischevergorener Müller-Thurgau mit schönem Don Camillo-Etikett (“‘m Pfarrer seiner”, 14 €), der nicht freakig ist, aber mal so richtig zeigt, was man aus der Rebsorte machen kann. Und es gibt sogar einen Riesling namens aus dem FF (10,50 €), der bewusst wie ein schlanker, altmodischer, furztrockener Mosel-Kabi bereitet wurde.
Wie ihr sehen könnt (wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt) (aber ihr sitzt ja eh im Home Office und müsst die Zeit rumkriegen), gibt es durchaus die Möglichkeit, interessante und vielseitige Weine direkt beim Weingut zu bestellen. Und Wein werden wir alle gebrauchen können in den nächsten Monaten. Wohlbefinden und Geschmacksvergnügen bringt er in die kleinste Butze. Ein Kulturgut eben.