Rote Schaumweine sind interessanterweise eine ziemlich exotische Sache. Jedenfalls dann, wenn man sich außerhalb der Emilia Romagna bewegt, und das ist im Weltmaßstab gesehen ziemlich leicht möglich. Warum das so ist, darüber kann man viel spekulieren. In neuerer Zeit, denke ich zumindest, hat das viel mit dem Image des Champagners als aufwändig hergestellten Edelgetränks zu tun, der nun einmal ausschließlich weiß oder allenfalls roséfarben auf den Markt kommt. Das hindert mich persönlich aber nicht daran, den guten roten Schäumern durchaus etwas abgewinnen zu können. Und einer aus jener Reihe ist dieser Wein hier von Michael Teschke aus Rheinhessen.
Michael Teschke Bulle 2015 – roter PetNat
Eingeweihten ist Michael Teschke primär ein Begriff als Großmeister des Silvaners. Pardon, des Sylvaners, denn er benutzt durchgängig die alte Schreibweise für seine Weine. Das erscheint mir auch insofern konsequent, als es sich bei diesen um höchst traditionelle Produkte im allerbesten Wortsinne handelt.
Zusätzlich zu diesen ganz und gar nicht langweiligen “konventionellen” Weißen hat Michael Teschke noch eine zweite Linie kreiert, die er “Naive Weine” nennt. Es handelt sich dabei um mutmaßlich für eine etwas jüngere oder aber wenigstens rockigere Kundschaft gedachte unfiltrierte und ungeschwefelte Exemplare in großer Bandbreite. Auf der Website des Weinguts ist von der Naiv-Linie nichts zu lesen, dafür aber auf dem pdf-Dokument, das man dort herunterladen kann.
Dieser rote Schäumer namens Bulle (es gibt auch noch eine weiße Bulle) gehört zu der Naiv-Linie, was man an dem ganz leicht kritzeligen Etikett erkennen kann. Es handelt sich um einen pétillant naturel, gemeinhin als PetNat abgekürzt, der seiner Machart entsprechend nur eine einzige Gärung durchgemacht hat. Der Wein besteht aus 60% Spätburgunder und 40% Portugieser – und das merkt man. Früher, also letztlich noch gar nicht mal so wahnsinnig lang her, hatte ich an der Rebsorte Portugieser keine rechte Freude. Vermutlich, so interpretiere ich das heute, weil man keine wirklich tiefgründigen, ernsthaften Rotweine aus ihr bereiten kann. Immer dominiert das Rauchige, Mürbe, Walderdbeerenhafte. Die Säure ist meist nur mittel, die Tannine noch nicht mal das. Und ich denke natürlich an Onkel Arthur und Tante Bertha, denen in grauer Vorzeit insbesondere die lieblichen Exemplare immer besonders gemundet haben.
Wie schmeckt der Wein?
Zum Glück entwickeln wir uns alle weiter, was für mich bedeutet, dass ich der doch manchmal etwas engen Weltsicht der Sturm-und-Drang-Zeit (“Es gibt immer ein Richtig und ein Falsch!”) in großzügigere Gefilde entkommen bin. Mittlerweile gefällt mir nämlich ein richtig gut gemachter Portugieser, äh, richtig gut. Nicht jeden Tag und nicht zu jedem Essen natürlich. Dafür aber sehr gern am frühen Abend und in durstigem Zustand. Dann finde ich manchmal solche Begriffe wie “Stil” und “Anspruch” reichlich blasiert im Angesicht der animierenden Leckerheit des Getränks vor mir.
Der Bulle von Michael Teschke ist mit einem großen Kronkork ausgestattet, was der Lässigkeit noch das wortwörtliche Krönchen aufsetzt. Erst drängt es den Inhalt mit viel Verve ins Glas, aber der Schaum beruhigt sich schnell, und ein leicht trüber, altroter Erdbeersaft wird sichtbar. In der Nase folgen dann konsequenterweise viel Walderdbeere, dazu weißer Pfeffer und feine getrocknete Küchenkräuter. Im Mund begrüßt mich ein eher leichter Körper (bei angenehmen 11 vol%) bei mittlerer Säure. Die Aromen sind exakt so, wie ich sie früher immer schrecklich fand. Wunderbar! Hauptsächlich Walderdbeere, Himbeergrütze, rote Johannisbeere, leicht bittere Kräuter, Salbei, Rauchigkeit, also total “deutsch” ohne die große Tiefe.
Das alles wirkt sehr spätsommerlich-frühherbstlich, leicht mürb, ein Spaziergang über eine Waldwiese, über der morgens schon der Nebel steht. Solo ist das ein wunderbar wegzugluckerndes Getränk, dem man die große Kunst der Bereitung nur ganz unterschwellig anmerkt. Ein leichter Tanningrip ist auch vorhanden, so dass mir als Begleitung frisches Butterbrot mit allerlei Belag einfällt. Aus der benachbarten Pfalz grüßen Saumagen und Schwartenmagen herüber, aber man kann es auch sanfter angehen lassen.
Wo kann man ihn kaufen?
Der Einkauf ist zum Glück in diesem Fall weniger schwierig, als das manchmal schon beim Natürlichen Dienstag der Fall war. Die Weine von Michael Teschke kann man erst einmal direkt beim Weingut kaufen. Ich habe ihn aber bei der Vincaillerie in Köln erstanden. Inhaberin Surk-ki Schrade ist – nur für diejenigen, die mit der Szene nicht so vertraut sind – auch die Veranstalterin des Weinsalons Natürel, über den ich in diesem Jahr berichtet hatte. Und auf dem Michael Teschke mit seinen naiven Weinen ebenfalls vertreten war. Den hier vorgestellten 2015er gibt es bei der Vincaillerie nicht mehr, dafür aber den Nachfolgejahrgang 2016 (für 13 €).
Mir hat dieser rote oder vielmehr hellrote Schäumer außerordentlich viel Spaß gemacht. Das ist ein nicht nur natürlicher, sondern auch höchst regionaler Wein. Irgendwie, denke ich mir, handelt es sich in seiner Gesamtheit um einen echt schützenswerten Typus. Weltkulturerbe ist vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen, aber eine Stufe darunter, das würde schon passen.