Im Winter 2008 ging ich zum zweiten Mal nach Berlin. Ich hatte ja bereits nach der Schule ein paar Jahre dort verbracht und war nun wegen der Arbeit zurückgekommen. Kalt war es gleich bei meiner Ankunft, daran kann ich mich erinnern. Und wie lange das her ist, sehe ich daran, dass ich damals noch nicht gebloggt habe, keinen vernünftigen Fotoapparat hatte und auch noch nicht die Angewohnheit, Weinläden und Weinetiketten zu fotografieren.
Wein finden in Berlin
Ich wusste aber schon, wo gute Weinläden zu finden waren. Bei den Hammers war ich schon ganz früh, und bei einem der dortigen Weinabende im Hinterzimmer hatte ich einen Mitarbeiter von Wein & Glas kennengelernt, Frank Krüger. Also bin ich in der nächsten Woche mit der U-Bahn nach Wilmersdorf gefahren und habe mich in der schönen Weinhandlung ein bisschen umgeschaut.
Einen Pinot Noir wollte ich haben, weil wir bei den Hammers eine ganze Reihe von Pinots probiert hatten. “Was ist denn deiner Meinung nach einer der besten deutschen Pinots?” , fragte ich Frank. “Hm” , meinte der, “also ich finde den hier ja super. Kostet nicht wenig, obwohl ihn kaum einer kennt, lohnt sich aber absolut. Den kannst du auch in den Keller legen, ich denke, der wird noch besser.”
Über 30 € habe ich dafür hingeblättert, den Wein mitgenommen und in den Keller gelegt. Im Gault Millau war das “Weingut” , das damals noch unter dem Namen Hirschhorner Hof fungierte, noch nicht gelistet. Im Eichelmann erfährt man, dass Frank John vorher Betriebsleiter bei von Buhl war und jetzt sein eigenes Projekt begonnen habe. 2003 sei sein erster Jahrgang gewesen, gekeltert aus Trauben verbandelter Winzer, die die Weinberge für ihn ökologisch bewirtschaften. Daneben sei er als Berater für Weingüter in ganz Europa tätig. [Nein, ich brauche mich nicht zu fragen, warum meine Bücherregale immer voller werden, wenn ich uralte Weinguides aufhebe.]
Damals hat Frank John genau drei Weine gemacht, einen Pinot Noir, einen Riesling und einen Rieslingsekt. Das ist heute noch genauso. Seit 2012 sind die Weine Demeter-zertifiziert, verändert hat sich seitdem weintechnisch nichts. Und das ist in diesem Fall auch gut so. Nur das Etikett sieht mittlerweile ein bisschen anders aus. Wiederum kein Fehler, würde ich sagen.
Frank John in Rot
Ein eher blasses Granatrot erscheint im Glas. In der Nase immer noch spürbares Holz, dazu aber auch viel feine Frucht: Himbeere, Kirsche, Erdbeere, das typisch Pinotduftige, etwas getrocknete Kräuter. Am Gaumen überrascht die doch deutlich präsente Säure, aber die anderen Elemente halten dagegen. Die Tannine sind auch da, aber sehr fein, sehr smooth. Die Früchte entsprechen denen aus der Nase: Himbeere, Kirsche, wieder etwas Kräuterigkeit, ein bisschen Nougat, geröstete Mandeln (ohne Zucker natürlich), etwas Minze. Ich traue mich zu behaupten, dass dieser Wein bei unserem Burgund gegen USA-Test eine sehr gute Figur abgegeben hätte.
Ein halbes Glas Wein bleibt bis zum dritten Tag in der Flasche und zeigt sich auch dann noch ungemein elegant mit gutem Fluss. “Große Weine alter Schule” nennt Frank John seine Produkte. Und ja, so kann man es ausdrücken. Mir hat dieser Wein sehr gefallen. Er strahlt natürliche Eleganz und Würde aus, die aber nicht aristokratisch wirkt. Man traut sich fast, ihn zu duzen. Zum Glück habe ich kürzlich einen Nachfolger dieses Weins erstanden, was den Schmerz nicht allzu groß werden lässt, diese einzige Flasche für immer geleert zu haben. Und mal ehrlich: Ist es nicht gerade das Element des Vergänglichen, das Zeit wie Wein so attraktiv macht?