Für Weinleute ist Andalusien kein wirklich unbedeutendes Pflaster. Immerhin verbindet sich damit ein ganz spezieller Weintyp. Leider, leider ist es ein bisschen aus der Mode gekommen, einen kleinen Sherry oder Manzanilla zum Apéritif zu reichen. An ihrer Statt sind jedoch andere andalusische Weine seit einigen Jahren stärker auf die Land- und Getränkekarten gekommen. Jene mögen geschmacklich zwar “gewöhnlicher” erscheinen, können jedoch ein anderes spezifisches Merkmal vorweisen: Höhe. Am Fuß der Sierra Nevada und im Hinterland von Málaga werden auf weit über 1.000 Metern Höhe aus knorrigen Buschreben erstaunlich elegante Weine geholt. Etliche in Bio-Qualität, und manche auch als Vins Naturels. Wer sich dort umschaut, kann das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden – und die Landschaft per pedes erkunden.
Tour I: Auf den Pico del Cielo
Interessanterweise habe ich in all den Jahren des Bloggens kein einziges Mal direkt aus Spanien berichtet. Spanische Weine (allerdings aus echt interessanten Rebsorten) kamen bislang lediglich in Sammelposts wie jenem von der letztjährigen ProWein vor. Das soll sich hiermit ändern.
Bevor es für mich aber um den Wein geht, möchte ich erst einmal die unmittelbare Umgebung in Augenschein nehmen. Maro heißt der Ort, in dem ich untergekommen bin. Viele schön herausgeputzte weiße Häuser, bei denen mittlerweile die oberen Stockwerke fast durchgängig vermietet werden. Ein Streifen Gewächshäuser mit Plastikplanen trennt Maro vom Meer, das sich irgendwie ganz anders zeigt als erwartet. Am Strand schlafen noch ein paar Alternativtouristen in ihren Schlafsäcken, als ich die letzten Stufen zur Bucht herunterkomme. Wild ist das Meer, und zwar so sehr, dass ich nicht schwimmen kann, sondern mich nur ein bisschen in die Wellen stelle. Auf also zum Berg.
Der Pico del Cielo ist mit gut 1.500 Metern die höchste Erhebung der Gegend. Man kann ihn von Maro aus auf einem ziemlich gut ausgeschilderten Weg ab hier erreichen, der später zum Pfad wird. Wer ganz nach oben möchte, sollte viel Zeit einplanen, große Wasserreserven und einen guten Sonnenschutz. Ich persönlich muss sagen, dass es mir ein bisschen weiter unten eigentlich am besten gefallen hat. Im Nachhinein betrachtet hätte ich hier eigentlich gemütlich verweilen und dann wieder umkehren können. Der Blick auf das Meer zwischen Motril und Málaga ist bereits beeindruckend, und auf dieser mittleren Höhe summen die Bienen in den unzähligen blühenden Sträuchern. Weiter oben wird es dann schlichtweg kahl – von Wein ohnehin keine Spur.
Tour II: Zum Wasserfall der versteinerten Bäume
Für meine zweite Tour muss ich ein bisschen weiter im Inland starten. Die Straße A-4050 führt etwa 15 km westlich der Autobahn von der Küste aus nach Granada durch den Naturpark “Sierras de Tejeda, Almijara y Alhama” . Für Freunde einsamer Landstraßen ohne Verkehr (dafür aber mit grandiosen Ausblicken) ist das schlichtweg der Traum. Eine halbe Stunde lang bin ich auf dieser Straße zu Fuß unterwegs. Normalerweise ein Horror, aber in diesem Fall sind es genau ein Motorrad, ein Auto und der lokale Bus, die mir während der gesamten Zeit entgegenkommen. Alle zehn Minuten ein Fahrzeug von vorn, von hinten kein einziges.
Ohnehin bin ich nur deshalb auf der Straße unterwegs, weil ich nicht denselben Weg zurück nehmen will auf meiner Wanderung zur “Cascada de los Árboles Petrificados” . Ich bin auf dem Hinweg ab hier auf dem gelegentlich etwas gerölligen Wanderpfad gekommen, und zurück nehme ich den breiteren Fahrweg, weshalb ich an dieser Stelle wieder auf die Straße stoße. Sowohl die gesamte Wandertour als auch den Wasserfall habe ich unter der Woche übrigens ganz für mich allein.
Das bedeutet, dass ich nach Herzenslust in dem Becken unterhalb des Wasserfalls planschen kann. Der Wasserfall selbst ist zu dieser Jahreszeit eher eine kräftigere natürliche Dusche, was im Spätwinter sicher ganz anders sein dürfte. Die namensgebenden versteinerten Bäume (man kann sie auf dem oberen Foto auch einigermaßen erkennen) sind übrigens noch gar nicht so lange an dieser Stelle wie vermutet. Erst vor rund 100 Jahren hatten sich einige Baumstämme, die die Holzfäller und Flößer hier aus den Bergen an die Küste treiben ließen, im Wasserfall verfangen. Mit den Jahren wurden sie wie Tropfsteine stetig mit Calciumcarbonat aus dem Wasser ummantelt.
So sehr es mir hier auch gefällt, wiederum gibt es entlang des Weges keinen einzigen Rebstock…
Tour III: Durch die Alpujarras
Das ändert sich aber, wenn man eine andere Route von der Küste in Richtung Berge nimmt, nämlich die A-345 von La Rábita aus. Auf der Höhe, wir befinden uns hier auf gut 1.300 Metern über dem Meer, stehen die Reben. Manche sind als Doppelkordon an Drähten entlang gezogen, andere stehen ohne Halt als Buschreben auf dem Feld. Im Hintergrund erhebt sich die Sierra Nevada mit ihren Schneegipfeln, und die Weinberge neigen sich tatsächlich eher in Richtung Norden. Sonne gibt es im Übermaß, Steine auch, vor allem stark blättrigen Tonschiefer, wie ihr es auf dem Titelfoto sehen könnt. Das Geheimnis für die Eleganz der Weine ist natürlich erst einmal die durch die Höhenlage leicht gebremste Sommerhitze, vor allem sind es aber die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Dadurch bleibt die Säure in den Beeren besser erhalten.
Angepflanzt werden viele französische Rebsorten, von Pinot Noir über Cabernet Sauvignon und Syrah bis hin zu Chardonnay, aber mit Garnacha und Tempranillo auch spanische Varianten. Oben seht ihr die Leute des Weinguts Barranco Oscuro beim Anbinden der Triebe. Bei Barranco Oscuro macht man sich ähnlich wie bei der Bodega Cauzón nördlich der Sierra das ideale Klima auch dahingehend zu Nutze, dass man Vins Naturels ohne Schwefelgabe aus biologischem Anbau herstellt. Ich hatte vor einigen Jahren bei Alex Zülch einmal einen Syrah der Bodega Cauzón probiert und war völlig von den Socken, wie wunderbar reintönig so ein Vin Naturel-Syrah aus der Höhenlage geraten kann.
Uralte Reben
Hier oben ist es wunderschön, mediterran und bergig zugleich. Die Vögel singen, die Bienen summen, die Schmetterlinge flattern umher. Eine spezielle Route kann ich euch dabei nicht nennen, weil ich einfach eher nach Nase herumlaufe. An einer Stelle komme ich an dieser Anpflanzung vorbei. Auf einem leicht nach Norden geneigten Hang stehen Feigenbäume und kleine grüne Wuschel in relativ großem Abstand zueinander herum. Als ich näher komme, sehe ich, was sich unter diesen Wuscheln verbirgt.
Uralte Reben sind es, knorrig und stumpfig, die hier auch im Frühjahr 2019 wieder austreiben. Stärkere Stämme habe ich eigentlich nur in Japan gesehen, aber das hatte ich lediglich auf diesem Facebook-Foto gepostet. Und ohnehin sah es dort komplett anders aus.
Hier in den dünn besiedelten Bergen Andalusiens trifft man teilweise auf archaisch anmutende Dinge wie eben diese Rebstöcke oder auch Bauern, die ihre kleinen, steinigen Felder mit dem Maultier pflügen. Dann gibt es aber wieder westliche Aussteiger in der Bar oder moderne Architektur wie bei Sedella (allerdings in der Provinz Málaga, nicht in Granada wie hier). Interessanterweise ist es dieses so avantgardisch aussehende Weingut, das einen Wein aus der mir bislang unbekannten autochthonen Rebsorte Romé tinta erzeugt. Aber wer weiß, welche Rebsorten in dem uralten Weinberg stehen…
Abendstimmung in Andalusien
Wieder zurück in Maro nach all den aufregenden Ausflügen, lasse ich meinen Aufenthalt in Andalusien ganz klassisch ausklingen. Es gibt als Apéritif zum Sundowner den Manzanilla La Guita, trocken, salzig, streng, ideal zu Mandeln oder Oliven.
Wer sich jetzt von den Touren durch die Berge animiert fühlt, da hilft wahrscheinlich nur hinfahren und die Wege selbst beschreiten. Die Weine der Alpujarras gibt es jedoch nicht nur vor Ort zu probieren und zu kaufen, sondern auch online. Einmal beim bereits erwähnten Alex = Vins Vivants, wobei ich da immer ganz andere tolle Dinge finde, nach denen ich überhaupt nicht gesucht hatte. Dann habe ich einen kleinen Shop namens Alpujarra Olivenöl gefunden, der eben nicht nur Olivenöl, sondern auch die Alpujarra-Weine im Angebot hat. Und schließlich gibt es noch Bodeboca, die direkt von Spanien aus versenden (habe ich aber noch nicht ausprobiert).
Damit kehre ich wieder zurück in heimische Gefilde. Im Wonnemonat Mai ist das allerdings keine wirkliche Strafe.
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