Natürlich hatte ich mich das auch schon gefragt: „Wie, Du wohnst in Nürnberg, machst einen Foodblog und hast noch nie etwas über Lebkuchen geschrieben?“ Nein, tatsächlich, hatte ich noch nie. Über Nürnberger Bratwürstchen a.k.a. „Bärle im Weggle“ übrigens auch nicht. Aber jetzt, kurz vor der Weihnachtszeit, schien mir zumindest die Sache mit den Lebkuchen fällig. Fünf Original Nürnberger Lebkuchen wollte ich mir aussuchen und sie im Direktvergleich gegeneinander antreten lassen.
„Was denn, nur fünf?“ Aber ja. Erstens ist es wahrscheinlich nicht empfehlenswert, auf einen Sitz mehr als fünf große Elisen-Lebkuchen zu verspeisen. Zweitens lässt gemäß einschlägigen Studien die Leseaufmerksamkeit spätestens nach Kandidat 5 rapide nach. Und drittens ist die Vielfalt gar nicht so groß, wie man (mich selbst eingeschlossen) denken könnte. In Nürnberg selbst schon, denn zahlreiche Bäcker und kleinere handwerkliche Hersteller wie die hier nicht getesteten, aber an dieser Stelle beispielhaft erwähnten Witte, Düll, Fraunholz oder Mirus haben entsprechende Lebkuchen im Angebot. Aber die überregional vertretenen Produkte stammen eigentlich nur aus zwei wirklich getrennten Quellen: Das ist zum einen die Schmidt-Gruppe mit Schmidt und Wicklein, zum anderen die Lambertz-Gruppe mit Haeberlein-Metzger, Weiss, Wolff und Seim. Moment, Lambertz, sind das nicht die Aachener? Genau so ist es, von der Kaiserburg zum Kaiserdom sozusagen.
Entsprechend hatte ich mir vorgenommen, die fünf Probanden folgendermaßen auszuwählen: ein Bäcker-Lebkuchen, den man garantiert nur vor Ort bekommt, zwei „industrielle“ Lebkuchen aus den beiden genannten Herstellergruppen, ein „höherwertiger“, der im Supermarkt ein bisschen teurer verkauft wird und schließlich – wenn möglich – noch ein handwerkliches Produkt, das ausschließlich im Feinkostmetier zu Hause ist. Und so geschah es dann auch.
Allerdings muss ich einschränkend vorwegschicken, dass „Original Nürnberger Elisen-Lebkuchen“ die Königsklasse der Lebkuchendisziplin sind. Unter ein gewisses Niveau und unter einen gewissen Preis würde man hier nicht kommen können, denn – das will das Deutsche Lebensmittelbuch so – „Elisenlebkuchen“ müssen mindestens 25% Ölsamen in Gestalt von Mandeln, Hasel- oder Walnüssen enthalten. Wie die interne Zusammensetzung aussieht, spielt dabei keine Rolle. „Nürnberger Lebkuchen“ als Bezeichnung besitzen demgegenüber keine Qualitätsanforderungen, müssen aber im Nürnberger Stadtgebiet hergestellt worden sein. Das bedeutet, dass einer meiner Test-Lebkuchen kein echter Nürnberger ist, weil der Bäcker sich in einem Dorf im Umland befindet.
Für die echten Puristen kommt jetzt noch ein Schock (okay, nicht allzu groß, Ihr habt das Foto ja schon gesehen): Ich esse gern Schokolade, und deshalb habe ich mich für die schokolierte Version entschieden. Jetzt aber zu den in streng alphabetischer Reihenfolge getesteten Kandidaten und ihrer Performance:
Kandidat 1: Arnd Erbel / Tres Aromas „Elise“, 5,31 € / 100 g
Zu Anfang gleich der Favorit: Arnd Erbel, „Freibäcker“ aus Dachsbach (weshalb es sich nicht um einen „Nürnberger“ Lebkuchen handelt) und in der Szene wohlbekannt. In Kombination mit seinen beiden anderen Mitstreitern, nämlich Andree Köthe und Yves Ollech vom Nürnberger Sternerestaurant „Essigbrätlein“ sind wir hier auf einem theoretischen Level, das schwerlich getoppt werden kann. Der größte und mit Abstand teuerste Lebkuchen im Test, der Überzug aus Felchlin Grand Cru-Schokolade, ansonsten wenige Inhaltsstoffe, vor allem keine konservierenden. Deshalb auch nur vergleichsweise kurz haltbar, gerade einmal bis zum neuen Jahr (die anderen haben Mindesthaltbarkeitsdaten bis zum April/Mai, okay, der Imhof hat gar nichts).
Aussehen: sehr groß, wohlgeformt, innen mit mittelgroßen Stücken ausgestattet, ein sehr kompakt wirkendes Produkt.
Geschmack: rein vom Biss her der ideale Kauzustand, so wünscht man sich das. Das Aroma ist ausgewogen fruchtig, feine Gewürze kommen durch, alles sehr dezent, sehr ausgewogen und elegant. Zudem ist der Biss nicht klebrig, sondern gleichmäßig, da splittert, klebt und trocknet nichts. Haselnüsse sind deutlich spürbar und natürlich auch besonders am Rand die Schokolade. Tja, soll ich sagen „erwartungsgemäß“? Die klare Nr. 1, genauso stark, wie sein Preis das vermuten ließ.
Kandidat 2: Haeberlein-Metzger „Nürnberger Elisen-Lebkuchen“, 1,80 € / 100 g
Der Vertreter der Lambertz-Unternehmensgruppe, preislich das Leichtgewicht des Tests, dafür aber vermutlich an vielen Orten in Deutschland und vielleicht sogar der ganzen Welt zu bekommen. Mit 25% Ölsamen auch von den Inhaltsstoffen her ganz am Rand des in dieser Kategorie Zulässigen. Mit anderen Worten: ein Kandidat für die hinteren Ränge.
Aussehen: Oh Schreck, hier haben wir ein Opfer der Septemberhitze vor uns. Die Kakaobutter ist ausgefällt und bleicht an der Oberfläche herum. Dennoch ist so ein Lebkuchen nicht „zu alt“, denn er darf sich ruhig ein paar Wochen harmonisieren. Im Inneren wirkt der Haeberlein-Metzger gleichzeitig fluffig und leicht trocken wegen des hohen Braunteiganteils.
Geschmack: Kein guter Bisseindruck, denn Fluffigkeit mag einem Marshmallow noch gut zu Gesicht stehen, einem Elisenlebkuchen jedoch weniger. Die bereits beobachtete Teigigkeit ist auch geschmacklich spürbar. Allerdings kontert der Haeberlein das mit einer herzhaften Gabe an Weihnachtsgewürzen, viel kräftiger als beim Erbel. Auch wenn er wenig hochwertig wirkt und die Schokolade blättert, haben wir selbst hier ein gut essbares Exemplar vor uns. Königsklasse, ich sagte es ja schon. Dennoch, meine Nr. 5.
Kandidat 3: Imhof „Bio-Schokoladen-Lebkuchen“, 2,37 € / 100 g
Gekauft direkt im Ladengeschäft der Bio-Bäckerei Imhof in Nürnberg, die unter Einheimischen einen guten Ruf genießt. Hier haben wir es mit einem sehr selbstgemachten, über den Tresen gereichten Exemplar zu tun, ohne Angaben zu Inhaltsstoffen oder Kalorien. Mit anderen Worten: eine echte Wundertüte.
Aussehen: sehr handwerklich, auf der Oberseite sehen wir deutlich die Pinselstriche vom Schokolieren. Der Lebkuchen wirkt äußerst kompakt, was auch durch die große Höhe unterstützt wird. Viele Nuss- und Mandelstücke kann man sehen, der Teig wirkt feucht und leicht klebrig.
Geschmack: Dies ist das festeste, kompakteste und vor allem mit Abstand nussigste Exemplar. Deutlich weniger gewürzig als der Haeberlein, wirkt auch die Schokolade nur begleitend. Der Teig ist in der Tat feucht, aber letztlich doch nicht hängend, weil die Nüsse für einen festeren Biss sorgen. Ab und zu scheinen härtere Stückchen dabei zu sein, Nusshäute vermutlich. Sehr handwerklich, ich sagte es ja schon, und vom Gesamteindruck her auf einem ähnlichen Niveau wie der Woitinek (der noch kommt). Meine Nr. 2. Eine Wundertüte, die sich gelohnt hat.
Kandidat 4: Wicklein „Nürnberger Mandel-Elisen-Lebkuchen“, 2,00 € / 100 g
Der Vertreter der Schmidt-Unternehmensgruppe. Erst hatte ich gedacht, dass ich tatsächlich einen „Schmidt“ nehme, aber warum nicht diesen hier, der insofern eine kleine Besonderheit darstellt, als er 23% Mandeln besitzt? Allerdings sind es zusätzlich auch nur 2% Nüsse, so dass wir auf denselben Minimalwert wie beim Haeberlein & Metzger kommen. Viele verschiedene Inhaltsstoffe zudem, die bei Arnd Erbels Version nicht enthalten sind, Invertzuckersirup, natürliche Aromen, Zitronensäure zum Beispiel. Aber nichts Schlimmeres.
Aussehen: exakt dieselbe Größe und Form wie der Haeberlein, fast könnte es dieselbe Maschine gewesen sein. Hier gibt es allerdings keine Hitzeschäden, ganz im Gegenteil, die Schokolade erscheint sogar am dunkelsten von allen Kandidaten. Das Innenleben wirkt dafür wieder haeberleinesque mit seinen kleinen Stücken in leicht austrocknend aussehendem Teig.
Geschmack: Der Bisseindruck ist etwas besser als beim Haeberlein, dafür wirkt der Lebkuchen salziger (obwohl laut Inhaltsstoffen weniger Salz enthalten ist: 0,5 g zu 0,66 g). Vielleicht liegt das an den Mandeln, die ansonsten wenig vorschmecken. Teigig, luftig und in der Tat relativ schnell austrocknend ist der Wicklein, mit mehr Orangeat und Zitronat als die anderen bisher, aber auch mit weniger Würze. Meine Nr. 4.
Kandidat 5: Woitinek „Original Nürnberger Elisen-Lebkuchen“, 2,25 € / 100 g
Bernd Woitinek ist mir als Person unbekannt, aber er hat es geschafft, in nicht wenigen Nürnberger Supermärkten mit seinen Lebkuchen präsent zu sein. Ich spreche hier allerdings von Edeka oder Karstadt, denn die Woitinek’schen Erzeugnisse liegen preislich eine kleine Liga höher als diejenigen von Wicklein oder Haeberlein-Metzger. Allerdings enthalten sie auch 35% Haselnüsse und Mandeln, also schon ein Stück mehr, und genau das dürfte für den etwas höheren Preis verantwortlich sein.
Aussehen: Hier sehen wir die mittlere Version vor uns, kleiner als der Erbel, niedriger als der Imhof, aber höher und größer als Haeberlein und Wicklein. Die Innensicht fördert wenig Teig zum Vorschein, sondern – so sieht es aus – viel Kandiertes, weshalb der Lebkuchen insgesamt feuchter wirkt.
Geschmack: ein recht ausgewogener Biss, wenngleich leicht fluffig. Ich mag das nicht so, aber wahrscheinlich haben die Fluffigkeits-Spitzenreiter Haeberlein und Wicklein in Konsumententests herausgefunden, dass den meisten Menschen so etwas gefällt. Geschmacklich sind wir hier bei einer durchaus individuellen Interpretation, in etwa auf einem Level wie der Imhof. Allerdings in völlig anderer Variante, denn statt vieler Nüsse wie dort haben wir hier eher Weihnachtsgewürze und vor allem reichlich Orangeat und Zitronat vor uns. Dadurch wirkt der ganze Lebkuchen fruchtiger und – nun ja – fast hätte ich „leichter“, „sommerlicher“ gesagt, aber so richtig zutreffend für einen Lebkuchen wäre das ja nicht. Meine Nr. 3, weil ich die Imhof’schen Nüsse einfach lieber mag als die kandierte Frucht.
Das Fazit
Ja, man kann tatsächlich alle Nürnberger Elisenlebkuchen essen. Und sie schmecken sogar. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass es doch erhebliche interne Unterschiede gibt. Ich weiß nicht, ob man das so systematisch sagen kann, dafür sind lediglich fünf verschiedene Exemplare nicht valide genug, aber mir schien hier der Preis tatsächlich ein ziemlich eindeutiger Indikator zu sein. Offenbar führen hochwertigere Inhaltsstoffe unmittelbar zu einem höheren Preis und weniger irgendwelche Marketing-Konzepte, denn so richtig hip sind Lebkuchen ja nicht. Was darüber hinaus passiert, und das betrifft bei diesem kleinen Test primär den Lebkuchen von Arnd Erbel und den Essigbrätern, möchte ich als “Element der Kunstfertigkeit” bezeichnen, die Eleganz, die Ausgewogenheit. Das Tüpfelchen auf dem I sozusagen.
Was alle Lebkuchen hingegen einigt, das ist ihr Wirkfaktor: Wir haben es hier mit winterlichen Energielieferanten zu tun. Konkret bedeutet das, dass ich nach meinen fünf Testexemplaren erst einmal ein paar Stündchen lang keinen Hunger hatte.
Hinsichtlich der Getränkebegleitung sind Lebkuchen meiner Erfahrung nach übrigens erstaunlich vielseitig. Kaffee geht natürlich immer, wobei ich die aromatisch-seidigen Vertreter aus Ostafrika bevorzuge. Rotwein geht auch sehr gut, vor allem etwas jüngere, rotfruchtigere Tropfen mit geringerem Tanningehalt. Und überraschend gut läuft auch dunkles Bier, vom eher malzigen Fränkisch Dunkel bis hin zum Stout, probiert es ruhig einmal aus.
Und erfreut Euch der Lebkuchen, solange es noch Winter ist. Denn der Sommer kommt schon schnell genug…
Hallo Matze, sehr schöne Aufbereitung – und natürlich: Wer sollte schon Arnd Erbel schlagen? Aber zu etwas ganz anderem. Sobald in Nürnberg die Lebkuchen-Saison startet, wird am selben Tag schon reichlich “Bruch” verkauft. Wo kommt diese D-Ware eigentlich zu diesem Zeitpunkt schon in so großer Menge her? Oder anders gefragt: Werden die ersten Lebkuchen des Jahres denn nur von Praktikanten gerfertigt? 🙂
Sorry für die lange Leitung, ich war in Italien am Wochenende (nicht besonders schlimm ansonsten 😉 ). Gut, genau weiß ich es ehrlich gesagt nicht, und es mag auch sein, dass am Anfang jeder Saison etwas mehr Ausschuss dabei ist. Aber: Du weißt ja sicher auch, dass für die diversen Schlussverkäufe oft ganz eigene Sachen gefertigt werden; also nicht etwa etwas Runtergesetztes, was vorher schon da war, sondern etwas extra Produziertes. Und da die Deutschen ja die größten Schnäppchenjäger der Welt sind, und etwas “Sonderangebotshaftes” bei vielen schon den Puls anheizt, könnte es sein, dass dieser “Bruch” (der ja nicht wirklich kaputt oder zweitrangig sein MUSS) zu Anfang der Saison eigens für das Ankurbeln des Geschäfts hergestellt wird.
Wer es besser oder genauer weiß, mag sich an dieser Stelle natürlich gern dazu äußern. Meine Vermutung ist ja rein spekulativ 😉
Hallo Matthias,
ja Lebkuchen – der Dauerbrenner 😉 Der Sieger überrascht mich nicht, auch wenn der mir ein bisschen zu gehaltvoll ist. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Uns eint jedoch die Liebe zur Schokolade und da merkt man immer gleich den Unterschied zwischen Industrie und Handwerk. Mein Favorit ist der Walnußlebkuchen vom Neef, ich mag einfach den Crunch der großen Nussstücke. Aber das ist ja dann schon kein “klassischer” Lebkuchen mehr. Vielleicht sollte ich eine Testreihe machen? Die besten “nicht-klassischen” Lebkuchen??
lg
thomas
P.S. Schreibst du was zur Hausmesse K&U? Konnte erkältungsbedingt leider nicht…
Naja, ich werde was zu der Sache schreiben, die ich versehentlich statt der K&U-Hausmesse gemacht habe… Also: Ich hatte das Datum nicht so richtig im Blick und mir stattdessen für dasselbe Wochenende einen Flug in ein anderes Land gebucht – in dem es aber auch Wein gibt 😉
Und natürlich, Du kannst über die nicht-klassischen Lebkuchen schreiben. Wenn Du die anderen fünf (?) nicht-klassischen Arnd-Erbel-Variationen mit einbeziehst 😉
Woitinek sind meine Nr.1