Voller Enthusiasmus hatte ich in Portugal den ersten hochwertigen Wein verkostet und dabei gleich noch ein Video gedreht. Wenig später musste ich realisieren, dass die Internetverbindung derartig schlank war, dass ein dicker Brocken aus Bild und Ton zum Hochladen nicht durchpasst. Jeden Abend saß ich wieder da und hoffte. Dazu gab es jedes Mal ein halbes Glas vom Passadouro, eine Woche lang. Genug Zeit, sich das frühe Urteil noch einmal genau durch den Kopf gehen zu lassen.
Und es hat sich in der Tat geändert…
Zunächst aber ein paar Worte zum Wein. Es gibt noch ein anderes Traumpaar neben Kate & William, dessen Regentschaft allerdings schon in voller Blüte steht. Ich spreche von Sandra & Jorge, genauer gesagt Sandra Tavares da Silva & Jorge Serôdio Borges. Ihr Herrschaftsgebiet nennt sich Wein, und hier wiederum die Werdung desselben, auch bezeichnet als Kellerarbeit. Was bin ich heute umständlich…, die beiden sind Önologen, die bekanntesten Portugals. Jorge war bis 2004 auch Weinmacher bei Niepoort, während Sandra sowohl auf der Quinta Vale D. Maria als auch bei Chocapalha, dem elterlichen Weingut, wirkte. Für den Passadouro zeichnet Jorge verantwortlich. Die 16 ha Weinberge direkt neben der Quinta do Noval (die Nr. 1 beim Portwein) gehören ihm – natürlich – wieder mal nicht selbst, sondern einem deutschen Industriellen.
Douro, das bedeutet in der Regel Schiefer und ein großer Mix an Rebsorten im gemischten Satz. Genau das trifft auch auf den Passadouro zu: Touriga Nacional ist mit 15% Anteil im fertigen Wein noch die quantitativ wichtigste Rebsorte, dann folgt Touriga Franca mit 5%, und danach kommen noch etwa 20 weitere Sorten. Das ganze Saftgemisch wird vergoren und nicht weniger als 24 Monate in französischen Barriques ausgebaut. Die Tatsache, dass ich hier den 2008er Reserva probiere, während wir uns gerade einmal im Frühjahr 2011 befinden, könnte also darauf hindeuten, dass der Wein noch ganz leicht zu jung ist. Aber wer wissen will, ob der Wein gut ist, möchte das in der Regel erfahren, solange er noch auf dem Markt angeboten wird.
Was sehe ich also im Glas? Einen farbkräftigen und klaren Himbeersaft, nicht zu dunkel, blasser Rand. In der Nase ist sofort die Vanille vom Holz zu spüren und auch ein kleiner Stinker, aber wen wundert’s, der Wein ist noch nicht lange gefüllt. Ansonsten viel Cassis, ein bisschen Unterholz, ein bisschen Alkohol. 14,5 Umdrehungen hat er, das ist nicht von Pappe, und das riecht man auch. Richtig fruchtig-offen ist die Nase jedenfalls nicht, eine typischer Charakterzug der Douro-Roten nach meiner Erfahrung. Der erste Schluck ist dann sehr erfreulich: reif, eine sehr schöne Säure und präsente Tannine pelziger Art. Ein feiner Pelz, kein Flokati. Von der Frucht her geht es wieder in die Himbeer-Cassis-Richtung, Brombeer ist gar nicht so stark zu spüren.
In meinem Überschwang vermeine ich Parallelen zum Cheval Blanc ziehen zu können. Da ist nicht Grünes, sondern ein vollreifer, aber nicht zu breiter Saft. Blöderweise posaune ich das auch im Weinforum heraus… Das also war der erste Tag, der Tag der Frucht. Ich verkorke den Wein wieder und lasse ihn draußen im Zimmer bei etwa 20 Grad stehen. Am dritten Tag verdunkelt sich meine Miene etwas: Kokos und Minze springen mir aus dem Glas entgegen. Hatte ich bei der ganzen Frucht den Ausbau am ersten Tag gar nicht bemerkt? Das kommt mir doch ziemlich modernistisch vor und ist mir – hört sich komisch an, ich weiß – nicht streng genug. Am fünften Tag immer noch diese Kokosmakrone, jetzt sogar von einer leicht süßlichen Anmutung begleitet. Die Würze im Wein ist prachtvoll, der Abgang lang, aber die Aromatik geht gar nicht in meine geschmackliche Richtung.
Rui Falcão, der ansonsten nicht unbedingt mit Punkten um sich wirft, gab diesem Wein derer 18,5, der beste Passadouro jemals, meint er. Ich hatte am ersten Tag 17-17,5 notiert, am fünften Tag waren nur noch 16 davon übrig geblieben: 7 für Eleganz, 5 für Charakter und der Rest fürs Durchhaltevermögen. Der Wein ist nämlich stabil wie eine Schrankwand, eine ganze Woche offen in der Küche hatte keineswegs den Essigtiger in ihm geweckt. Mein Urteil ist also zwiegespalten: Dieser Wein ist gut gemacht, aber nicht für mich gedacht, weshalb ich ihn auch nicht noch einmal kaufen werde. Wenn ich ihn Freunden der moderneren Machart empfehle, dann nicht deshalb, weil es sich um einen fetten Sirup handeln würde, in dem der Löffel zum Umrühren stecken bleibt. Es ist einfach die Aromatik, die lustigerweise dann doch wieder in Richtung “neues Bordeaux” geht.
Ich habe beim Corte Inglés in Lissabon 34,50 € für die Flasche bezahlt. Bei K&M Gutsweine in Frankfurt gibt es den 2006er für 33,90 €, die Weingalerie in Berlin hat den 2005er, 2006er und 2007er zu Preisen zwischen 36 € und 37,50 € vorrätig. Kauft den Wein und straft mein Urteil Lügen.
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