Die Überschrift klingt etwas seltsam, aber es geht hier in der Tat um das Bistrot/die Weinbar “Quedubon” in Paris. Ich habe mir gedacht, zum Abschluss könnte ich doch noch einmal das alte Paris besuchen, weit weg von den ganzen Touristenmassen, dem Schickimicki-Style der Luxusboutiquen. Gibt es das eigentlich noch, das dörfliche, ein bisschen gemächliche Paris, wo sich die Leute zufällig auf der Straße zu einem Schwätzchen treffen? Natürlich gibt es das, allen Unkenrufen zum Trotz.
Wenn man mit der Métro zum Park der Buttes Chaumont fahren will, muss man in der Station “Louis Blanc” umsteigen in eine Mini-Linie (7bis), die in einer Schleife diesen Teil des 19. Pariser Arrondissements abfährt. Außerhalb der Stoßzeiten ist hier kaum etwas los, und so hat man fast das Gefühl, dass das dörfliche Paris bereits unter der Erde beginnt. Die schwierigste Entscheidung, die es jetzt zu treffen gilt, heißt “erst im Park spazieren gehen” oder “erst im Bistrot essen”. Nicht gerade eine Entscheidung zwischen Not und Elend, aber natürlich von der Uhrzeit abhängig.
Da wir die Métro an der Station “Buttes Chaumont” so gegen halb eins verlassen haben, bot sich die Sache mit dem Essen an. Ausgesucht hatten wir uns ein Etablissement, das irgendwie alle Kategorien unter einen Hut bringt: Auf der Website ist von “Restaurant – Bistrocave – Bar à Vins – Commerce de Bouche” die Rede. Man kann hier also ein Menü essen oder nur einen Snack, Wein trinken, besser gläserweise am Mittag oder auch flaschenweise nach der Façon “Hoch die Tassen” am Abend bis 22:30 Uhr. Der Patron ist dabei ein echter Wirt alten Schlages, plaudernd, scherzend, ein bisschen robust. Das Publikum setzt sich schwerpunktmäßig aus mit Köpfchen arbeitenden Menschen zwischen 40 und 50 zusammen (so in etwa, die Standard-abweichung habe ich nicht ausgerechnet). Das ganze Ambiente ist, wie man so schön sagt, konvivial. Im Anzug sitzt jedenfalls niemand hier.
Mittags gibt es je fünf ständig wechselnde Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts zur Auswahl. Zwei Gänge kosten 14 €, drei Gänge 16,50 €. Wir nehmen beide zwei Gänge, ich entscheide mich dabei immer gegen das Dessert. Als Vorspeise kommen also “Sardines Crues”, wunderbar zarte Sardinenfilets in einem Bett aus Rucola und glatter Petersilie, abgeschmeckt mit Olivenöl. Das ist unprätentiös, aber wunderbar geschmacksintensiv, vor allem in Kombination mit dem exzellenten Brot. Ah, über die Pariser Baguette-Kultur will ich eigentlich auch noch etwas schreiben, über ihren Niedergang und ihre wundersame Wiederauferstehung.
Der zweite Gang folgt, das Hauptgericht. Die Portionen sind angenehm bemessen, nicht mit der Kelle auf den Teller geflatscht, aber auch nicht so, dass man eher eine Pinzette als eine Gabel bräuchte. Ich habe “Joues de Cochon” gewählt, Schweine-bäckchen mit gedünstetem Kraut in einer feinen Bratensauce. Meine Begleiterin, nennen wir sie Xynthia, hat sich für den “Chou Farci” entschieden, Kohlrouladen mit Schinken, Schweinehack und Pilzen in einer Bouillon. Beides schmeckt hervorragend, pur nach den Zutaten und typisch französisch mild gewürzt.
Als Nachspeise ordert Xynthia, die ja auf die Sardinen verzichtet hat, eine “Ile Flottante”. Wer diesen kurz angebackenen Eischnee in Vanillesauce und Karamellspritzern als grauenhaft süße Pampe aus der Supermarktpackung kennt – so wie ich – der bestellt so etwas nicht. Tja, was soll ich sagen? Auch hier hält die Küche ihren Standard. Hervorragende Konsistenz, nicht zu süß, alles bestens. Natürlich spreche ich hier nicht von hochraffinierter oder vor Innovationen berstender Sterneküche. Aber ich spreche von ausgezeichneten Zutaten und einer gekonnten Zubereitung durch einen echten Koch (den man in seiner Küche werkeln sehen kann). Und das alles zu einem ebenso ehrlichen Preis.
Das “Quedubon” wäre allerdings keine “Bar à Vins”, wenn es nicht auch gute Weine geben würde. Weil der Besitzer eine gewisse Affinität zu sehr unbehandelten Preziosen hat, gibt es hier die ganze Bandbreite an “naturnahen” Produkten. Von den Grand Cru-Champagnern eines Anselme Selosse geht es über biodynamische und biologisch arbeitende Betriebe bis hin zu Tafelweinen ohne Schwefelzusatz. Wir hätten ohne Probleme hier auch einen eher konventionell vinifizierten Tropfen haben können, aber irgendwie war es uns nach urban-jung-intellektuell, und das heißt in Paris derzeit immer häufiger “Vins Naturels”. Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass sich dahinter eine große Palette an Weinen verstecken kann, die gustativ relativ wenig Gemeinsamkeiten besitzen.
Der Weißwein heute kam aus dem Burgund von Jean-Marie Berrux. Er trug den Namen “Le Petit Têtu”, ein reinsortiger Chardonnay aus dem Jahrgang 2008. Die Reben stehen an der Grenze zur AOC Puligny-Montrachet, das Glas kostet hier 6 €. In der Nase spürt man das Holz, am Gaumen wirkt er frisch, pur und strukturiert, ein typischer kleiner Burgunder, wie er zu Tisch häufig gut passt. Erst im Abgang merkt man mit diesem leicht brandig wirkenden Säureast, das hier höchstens minimal Schwefel zugesetzt wurde. Ein ehrlicher Wein, wie man so schön sagt, schon ein bisschen ambitioniert, aber immer noch sehr auf dem Boden geblieben.
Der Rote stammte von Thierry Puzelat aus der Touraine, wiewohl es ein roter Tafelwein (oder eben neuerdings “Vin de France”) war mit dem Namen “Le Tel Quel”. Auf dem Etikett ist ein Dackel abgebildet. Der “Tel Quel” ist ein Vin Naturel reinsten Wassers, bestehend aus Gamay, Grolleau und Pineau d’Aunis, kohlensäuregemaischt (oder wie heißt das Partizip korrekt?) und im November als Primeur bereits ausgeschenkt. Wie man das bei einem solchen Wein erwarten kann, spürt man etwas süßen Himbeer-Traubenzucker in der Nase, am Gaumen moussiert er dann leicht, die flüchtige Säure ist auch da. Ein Weintyp, mit dem ich mich geschmacklich noch nicht wirklich angefreundet habe, aber er besitzt auch keinen großer Preis, 3,50 € das Glas. Und was nicht von der Hand zu weisen ist: Durch das Fehlen der ganzen Zusatzstoffe (nicht nur des Schwefels) ist es ein Wein, den man bei entsprechenden Gelegenheiten saufen kann, ohne am Morgen danach den großen Katzenjammer anstimmen zu müssen. Wurde mir jedenfalls von allen bestätigt, die so etwas schon öfter ausprobiert haben.
Dieses kleine, nette und unkomplizierte Bistrot ist mir übrigens von dem Reiseführer empfohlen worden, der für typisch französische Unternehmungen in Paris wirklich absolut unvermeidlich ist. Ich spreche vom “Guide du Routard”, der jedes Jahr wieder neu erscheint. Mittlerweile gibt es schon die 2011er Ausgabe, wie immer mehr als 650 Seiten stark, und zum Preis von 12,90 € mit dem bestmöglichen Preis-Buchstaben-Verhältnis ausgestattet. Farbige Pläne der Arrondissements, Beschreibung der Sehenswürdigkeiten, der Unterkünfte und eben besonders der kleinen und sympathischen Bistrots und Restaurants. Und weil sich in Paris vieles ziemlich schnell ändert, kaufe ich ihn mir im Durchschnitt alle zwei Jahre neu. Das macht Ihr vielen frankophilen Menschen doch auch, oder?!
Quedubon, 22 rue du Plateau, 75019 Paris, MO-SA 12-14:30 & 20-22:30; SO 12-14:30
diesen kommentar hatte ich ja schon länger mal vor:
bei einem parisbesuch im letzten jahr habe ich Ihre empfehlung genutzt und dieses restaurant besucht…
für das mittagessen waren wir etwas spät dran, so dass wir für den abend reserviert haben und dort auch gegessen haben…
es war etwas teurer als mittags, aber köstlich. besonders die szene, in der der patron einer dame am nachbartisch verbot, zum aperitif einen fruchtsaft zu bestellen..
vielen dank für die empfehlung!
Ja, der Patron weiß, was man in einem französischen Bistrot nicht tun darf ;). Ich muss zugeben, dass ich wirklich selten irgendwelche Restaurantempfehlungen hier weitergebe, weil ich glaube, dass sich andere da viel besser auskennen. Aber der Besuch im “Quedubon” hatte uns wirklich sehr gefallen.