Kennen wir uns? Vier Veltliner und ein Pirat

Veltliner vs Silvaner

Dieser Artikel hat eine Vorgeschichte. Im März war ich wieder einmal bei den Weinbautagen in Veitshöchheim. Am zweiten Tag gab es einen Diskussions- und Probiervortrag mit Felix Baumann von der LWG und Weinfachberater Ralf Schwarz. Im Prinzip ging es um Silvanerstilistik, aber die beiden hatten uns bei den Blindproben gleich zwei Piraten mit hineingeschmuggelt. Beides, ihr dürftet es erraten haben, Grüne Veltliner. Die Ähnlichkeiten waren spannend zu sehen. Jetzt wollte ich das Ganze einmal bei mir mit umgekehrten Vorzeichen nachbauen. Vier »schöne« Veltliner wollte ich nehmen auf Federspiel-Niveau, dazu einen ebenfalls richtig trockenen Silvaner als Piraten. Würde ich ihn herausschmecken können?

Veltliner #1 – Alzinger Ried Hochstrasser Federspiel

Alzinger Federspiel

Mein erster Wein stammt vom Weingut Alzinger aus der Wachau. Hoch angesehen ist es vor allem unter denjenigen, die eine weniger opulente Stilistik mögen. Insofern ist das Federspiel eigentlich die Paradedisziplin des Weinguts. Die 2022er Ausgabe aus der Riede Hochstrasser besitzt 12 vol%, und bezahlt habe ich dafür 17,90 € bei Wagners Weinshop, von dem auch die anderen Österreicher hier stammen.

In der Nase Apfel, Zitronenzeste, aber vor allem steinig, urgesteinig. Erinnert mich an die Weine vom Weingut Höfler, die ich neulich bei der Weinbörse probiert habe. Im Mund ist der Wein sehr hell, floral, fast ein bisschen Jasminblüte. In jedem Fall der hellste und leichteste Vertreter im Test. Zu Austern (man kann es ja mal versuchen) passt das nicht wirklich, weil der Wein fast ein wenig deutsch latent fruchtsüß wirkt. Wie ein Riesling, nur mit weniger Frucht. Da es jedoch keiner sein kann und Silvaner nie so floral ist, eher ein Veltliner. Schöner Wein, der berechtigt seine Fans hat, aber nicht meine Spitze.

Veltliner #2 – Grabenwerkstatt Grabenwerk

Grabenwerkstatt

Die Grabenwerkstatt ist vielleicht der aufregendste Neuzugang, den die Wachau in den letzten, na, 30 Jahren erlebt hat. Seit Peter Veyder-Malberg oder eigentlich auf demselben Level. Franz Hofbauer und Michael Linke haben sich mit dem Spitzer Graben die kühlste Ecke der Wachau für ihre Handwerksweine ausgesucht. Dies ist der Einstieg, und trotzdem schon 32 €. Eine Ansage, ganz klar.

In der Nase wirkt der Wein zunächst auch floral, aber mit mehr Orange und weniger Apfel. Im Mund ist die Säure unterschwelliger, kommt von hinten, Salz, Holunderblüte, Geißblatt. Deutlich tiefer und länger als der erste Kandidat, gibt es hinten eine fast brenzlige Pikanz. Das ist nachhaltig, das ist individuell, das ist einer meiner beiden Gewinnerweine. Und ja, deutlich als Veltliner zu erkennen, wenngleich viel spannungsreicher, als man das gemeinhin kennt.

Veltliner #3 – Martin Muthenthaler Spitzer Graben

Muthenthaler Veltliner

Auf Martin Muthenthaler bin ich das erste Mal am Nachbarstand von Peter Veyder-Malberg getroffen, und ich dachte immer, das ist zwar ganz nett (der Vießlinger Stern auch richtig nett), aber halt doch eher zweite Geige. Auch Muthenthaler hockt im Spitzer Graben, wo früher die Weine nicht richtig ausgereift sind und man heute die Grands Crus der Zukunft vermutet. 20,50 €, 12,5 vol% wie das Grabenwerk.

Frucht- und auch hefebetonter in der Nase. Dann kommt ein Ton, der wie Sommerregen auf einem großen Steinblock wirkt. Auch eher kein Silvaner, mutmaße ich bereits hier. Im Mund gibt es etwas mehr Orangenzeste und Walnuss – und irgendwie ein leichtes Geheimnis. Da brennt ein verborgenes Feuer, verdeckt von einer mineralischen Kargheit. Mit mehr Luft wird der Wein immer gleitender, geschmeidiger. Das ist tatsächlich mein Lieblingswein beim Blindtest, vielleicht weil er etwas eleganter und etwas weniger fordernd ist als das Grabenwerk. Es stimmt, aus dem Spitzer Graben kommen derzeit enorm spannende Weine.

The odd one out – Juliusspital Silvaner Würzburger Stein

Juliusspital Silvaner

Wenn es nur einen Piraten, nur einen Silvaner im Test geben darf, welchen soll man sich da vorher aussuchen? Jahrgang 2022 war vorgegeben, die Startbedingungen sollten ja ähnlich sein. Alkoholisch durfte es nicht zu viel sein, aber Top-Lage, Spontangärung, Holzfass dann schon. Das gibt es alles hier beim Juliusspital aus dem Bocksbeutel, 15,99 € beim Rewe. Für den Export sicher zu preisgünstig angesetzt, aber als Privatkunde beschwere ich mich natürlich nicht.

Mit 13 vol% hat der Wein analytisch die meiste Kraft, es ist halt 2022 und nicht 2021. Viel reife Zitrone gibt es in der Nase, eine schöne Frucht, heller als die beiden Weine davor, aber auch nicht unmineralisch. Im Mund zeigt sich unser Kandidat #4 sehr zugänglich, etwas mehr Süßextrakt, etwas südlicher, aber keine spürbare Restsüße. Es handelt sich um den saftigsten und kräftigsten Wein, allerdings nur relativ gesehen. In diesem Test ist das aber tatsächlich das Abweichungsmerkmal, das mich auf Silvaner tippen lässt. Die Aromatik selbst ist durch den dezenten Ausbau (und die Jugend) so gedämpft, dass man nicht sofort »Deutschland« schreit.

Veltliner #4 – Bründlmayer Ried Berg Vogelsang

Bründlmayer Veltliner

Der letzte Kandidat ist der einzige Österreicher, der nicht aus der Wachau, sondern aus dem Kamptal stammt. Das Weingut Bründlmayer braucht man wahrscheinlich nicht vorzustellen, einer der großen Namen der letzten Jahrzehnte. Der Berg Vogelsang grenzt auf drei Seiten an einen Wald, und man kann sich vorstellen, dass es hier wirklich wunderbaren Vogelgesang im Frühjahr gibt. 20,90 € übrigens und 12,5 vol%.

Interessant. In der Nase kommt da nämlich gar nichts. Sehr zurückhaltend, praktisch fruchtfrei. Im Mund kann ich noch ein leichtes Perlen feststellen, die Frucht bleibt verschlossen, ein grünes Blatt ist dabei und etwas mehr Würze. Ja, meine Güte, da haben wir doch vielleicht sogar ein kleines Pfefferl! Silvaner liebt Spargel, und Veltliner hat ein Pfefferl, so lernt man es doch in der Schule. In jedem Fall ist dieser Wein der kräuterigste, fruchtdezenteste der Reihe. Keiner, der solo beeindruckt. Aber im Grunde habe ich hier auch ausschließlich straighte Vertreter ausgesucht, wunderbare Speisenbegleiter, denn dafür sind sie gedacht.

Mein Fazit: Sind sich die Rebsorten wirklich so ähnlich?

Ob sich Silvaner und Veltliner so ähnlich sind, dass man sie blind miteinander verwechseln kann, lässt sich für alle Weine und alle Ewigkeit schwer sagen. In diesem Test habe ich »the odd one out« eigentlich schon in der Nase herausgefunden und dann beim Trinken bestätigt. Das aber nicht, weil es so sein muss aufgrund der Unterschiedlichkeit der Rebsorten, sondern eher, weil ich aus Österreich fast versehentlich wirklich schlanke, straffe, mineralische Weine ausgesucht hatte. Der Spitzer Graben bringt wie gesagt wunderbare Weine hervor, aber vielleicht hätte ich beim Einkauf ein bisschen stärker auf andere Komponenten schauen sollen. Veltliner aus dem Weinviertel. Veltliner vom Löss. Es ist halt eine vielseitige Rebsorte.

Dasselbe kann man auch vom Silvaner sagen. Mein Exemplar hatte hier zwar die saftige Zugänglichkeit, die man den Muschelkalk-Weinen oft nachsagt, aber weder Gelbfruchtigkeit noch barocke Art waren zu spüren. Und ob man eher schlank und säurebetont arbeitet oder eher vollreif, hängt doch viel eher von der Weingutsphilosophie ab.

Einen Unterschied gibt es allerdings zwischen Veltliner und Silvaner, und den kann man nicht schmecken. Ich meine den internationalen Bekanntheitsgrad. Während es der groovy Grune geschafft hat, selbst in London oder L.A. als Apéro oder zum Menü gereicht zu werden, wird man Silvaner dort mit der Lupe suchen müssen. Marketingkraft zählt halt doch mindestens genauso viel wie Qualität. Mit letzterer war ich übrigens bei allen fünf Weinen sehr einverstanden. Gut, Muthenthaler und Grabenwerkstatt fand ich das entscheidende Quäntchen interessanter, aber auch die anderen führen zu keinerlei Beschwerden. Wunderbare Weine für die Gastro sind sie allesamt.

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5 Antworten zu Kennen wir uns? Vier Veltliner und ein Pirat

  1. EC sagt:

    …von den klassischeren Ausprägungen von Grüner Veltliner und Silvaner verabschiede ich mich gerade mehr und mehr, ein paar davon möchte ich aber dennoch auch in Zukunft nicht missen, beim GV gehören Muthenthaler und die Grabenwerkstatt klar dazu (Veyder-Malberg noch mehr), beim Silvaner allerdings eher Östreicher, May und Weltner. Zu meiner Schande muß ich allerdings gestehen, daß mir von den genannten Wachauern die Rieslinge noch mehr Freude machen… 😳

    • Matze sagt:

      Ja, das ist so ein bisschen der Lauf der Zeit, dass wir Freaks (ich glaube, das darf man so sagen) derzeit eher den schlankeren, langstrukturierten Weinen zuneigen. Ich merke, dass die “dicken” Weine bei mir ewig offen rumstehen, obwohl ich die reiche Gabe der Natur durchaus zu schätzen weiß. Trotzdem sind die vermeintlich kleineren oder “weltner’schen” Weine immer viel schneller leer 😉 . Das trifft auf Silvaner genau wie auf Veltliner zu. Zum Glück (für mich und meinesgleichen, muss nicht der Geschmack des Mainstreams sein) sind auch die klassischeren Silvanerproduzenten wie eben Juliusspital, vielleicht noch mehr Bürgerspital oder auch Wirsching mittlerweile sehr auf der ausgewogenen Linie. Auch die Domäne Wachau hat letztes Jahr gleich drei Einzellagenweine neu auf den Markt gebracht – alle aus dem Spitzer Graben… Sieht also nicht so schlecht aus für Finessentrinker 😉

      • EC sagt:

        …Freaks paßt wohl ganz gut, gerne auch Nerds! Auch bei mir wandern die verbliebenen Reste der dickeren Sachen mittlerweile relativ häufig in Risotto & Co. 😀

  2. Bodo sagt:

    Hallo Matthias,

    witzigerweise starte ich übernächsten Freitag im Rahmen einer VHS-Probe einen weiteren “Feldversuch” (15 Weine “blind”) zur “Verwechselbarkeit” von Silvaner und GV. Da wird allerdings die Palette an unterschiedlichen Typen und Ausbaustilen größer sein. Ich bin jedenfalls mal gespannt ! Die Domäne Wachau (war vor kurzem dort) macht in letzter Zeit sehr interessante Federspiele. Hier haben mir vor allem die Vertreter aus den kühlsten Ecken (v.a. Arnsdorfer Ried Traunthal) besonders gut gefallen.

    LG
    Bodo

    • Matze sagt:

      Tatsächlich glaube ich, wenn man die Kandidaten schon mal vorprobiert, kann man eine wunderbar verwechslungsaffine Aufstellung machen. Die ganz gelbfruchtigen Silvaner sind wahrscheinlich ebenso eindeutig (gerade wenn viel Keuperwürze drin ist) wie die botrytisgesegneten Smaragde. Aber darunter ist es sicher sehr spannend!

      Mit Roman Horvath hatte ich gerade Kontakt wegen meines Österreich-Artikels in der Wein+Markt. Ja, die haben ziemlich viel gute Sachen gemacht in der letzten Zeit (sind ja immerhin eine Genossenschaft 😉 ), sehr hoher Bio-Anteil, neue Lagenweine in den kühlen Ecken, wie du ja schreibst… Viel Spaß euch auf jeden Fall beim Blindtest!

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