Grignan – Provence ohne Rockstars

Grignan Balkon Ventoux

Ich liebe die Provence. Das Licht, die alten Häuser, den Dreiklang aus Wein, Oliven und Lavendel, die Märkte, die Bistrots, die Dorfplätze, eigentlich alles. Leider gibt es ein zentrales Problem außer der Entfernung, und das heißt Overtourism. Peter Mayle ist selbstverständlich Schuld daran, schließlich haben wir alle sein Buch gelesen. Auch die Rock- und Hollywoodstars haben das getan. Und so gibt es seit einigen Jahren überall Anwesen von Brangelina Clooney und Konsorten, welche ihr good life in Provence in alle Welt posaunen. Dörfer wie Les Baux oder Gordes kann man eigentlich nur im Winter besuchen (wie ich das zur Mimosenblüte getan hatte), ansonsten drängt man sich durch die Gassen wie auf dem Oktoberfest. Aber es gibt noch relative Refugien – wie Grignan. Genau das möchte ich euch hier vorstellen. Eine Provence ohne Rockstars.

Im Norden, wo die Provence noch nicht so heißt

Grignan Drôme Frankreich

Fahrt ihr die eigentlich immer schrecklich verstopfte Rhône-Autobahn nach Süden, überquert ihr bei Montélimar eine Grenze. Ohne es zu ahnen natürlich. Es handelt sich um die Nordgrenze des Olivenanbaus. Ja, es gibt Olivenbäume mittlerweile auch im Topf zu kaufen, und an sehr geschützten Ecken können sie draußen überwintern. Aber die Region der Herstellung von Olivenöl beginnt genau hier. Es ist krass, wie schnell sich die Landschaft gewandelt hat. Dominieren ein Tal nördlicher noch Getreidefelder, wirkt ab dieser Grenze alles plötzlich mediterran. Also fahrt ihr in Montélimar-Sud von der Autobahn, biegt ab in Richtung Osten und seid nun… Nein, nicht in der Provence. Aber in der »Drôme Provençale«.

Grignan 2CV

Das Département mit der Ordnungsnummer 26 beginnt gar nicht weit hinter Lyon und zieht sich hinunter bis zum Mont Ventoux. Hier ist die touristische Welt noch so, wie man sich das selbst als Tourist wünscht. Es gibt mit Valréas eine »größere« Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern, die aber ausgerechnet als Enklave nicht zur Drôme, sondern zum Vaucluse gehört. Ansonsten erscheint auf der Karte noch Grignan, 1.500 Einwohner, Schloss, Sternerestaurant und eine Infrastruktur, die es einem erlauben sollte, das Auto auch mal einfach stehenzulassen. Deshalb fiel unsere Wahl genau auf diesen Ort.

Grignan – wie Gordes vor 20 Jahren

Ausblick

Grignan zieht sich um einen felsigen Hügel herum. Oben thront das Schloss, unten liegen Freibad, Fußballplatz und Supermarkt. Dazwischen jedoch befinden sich winzigste romantische Gässchen und alte Steinhäuser, von denen nicht wenige Ferienwohnungen anbieten. Soll heißen: Natürlich seid ihr hier nicht die einzigen Touristen, ganz und gar nicht. Aber man tritt sich definitiv nicht auf die Füße und findet auch zur Hochsaison immer einen Tisch in einem der Cafés am Dorfplatz. Dort gibt es auch Bar-Tabac, eine kleine Buchhandlung, verschiedene andere Läden und Restaurants.

Grignan Markt

Was es ebenfalls gibt, ist der Dienstagsmarkt mit allem, was die provençalischen Märkte so attraktiv für uns macht. Ein Zopf Knoblauch könnte uns doch in der nächsten Zeit gute Dienste leisten… mitgenommen. Kleine Ziegenkäse von der Bäuerin aus der Nachbarschaft? Bitte gleich mal sechs Stück davon. Trübes Olivenöl vom Produzenten mit den runzeligen Händen? Her damit! Sonnengereifte Tomaten aus alten Sorten? Keine Frage. Auf diese Weise läppert sich schon einiges zusammen, und ich bin froh, gleich zwei große Tragetaschen mitgenommen zu haben.

Übrigens gilt im Hügelbereich von Grignan nur ein Fortbewegungsmittel, oder vielmehr zwei: die Füße. Euer Auto müsst ihr unten stehen lassen, denn nur Anwohner:innen bekommen das »Macaron«, das zur Einfahrt berechtigt. Stellt euch also auf ein bisschen Geschleppe ein, aber dafür werdet ihr bei der richtigen Unterkunftswahl mit einem grandiosen Ausblick belohnt. Katzen auf den Dächern, in der Ferne der Mont Ventoux. Die Nordseite des Ortes bekommt übrigens den Mistral ab, während der Süden davor geschützt ist.

Essen und Shoppen in Grignan

Grignan Laboratoire des Sources

Machen wir nun einen kleinen Rundgang durch den Ort und die Outskirts. Mitten in der Altstadt ist das Geschäft von Laboratoires des Sources. Ich war schon vor Jahren direkt an ihrer Produktionsstätte ein paar Kilometer nördlich und habe diesmal wieder das gleiche gekauft, Seife nämlich. Allerdings Küchenseife. Ein Top-Produkt, wenn ihr viel Zwiebeln und Knoblauch schneidet, anschließend aber nicht danach riechen wollt.

Grignan Durance

Etwas außerhalb von Grignan liegt die Fabrik von Durance. Noch ein Ort zum Schauen und Schnuppern. Und Geschenke für die Lieben mitbringen. Hoffentlich liest hier keiner davon mit, aber ich mache sowas gern auf einen Schwung, der nächste Geburtstag kommt bestimmt. Wir haben ein paar Duftkerzen mitgenommen. Eine davon soll uns hier in Grignan den Balkon erleuchten, es wird ja mittlerweile früher dunkel.

Santons Escoffier

Südlich des Ortes befindet sich ein kleines Servicezentrum mit Friseur, Brillenladen, Klamotten. Ganz hinten gibt es ein »Museum«, nämlich das Village Provençal Miniature. Dort kann man auch etwas kaufen, und zwar vermutlich die gesamte Kollektion von Santons Escoffier. Damit lässt sich nicht nur die Weihnachtskrippe lebendig gestalten, die wirklich schön gestalteten Figuren erinnern mich auch angenehm an Ali Mitgutschs Wimmelbilder.

Grignan Wein Le Pied de la Lettre

Wieder zurück in den schmucken Gässchen, möchte ich euch noch eine Weinhandlung Schrägstrich Restaurant Schrägstrich Pension empfehlen. Le Pied de la Lettre heißt es. Erstmal sind die Leute supernett, ein junges Paar, das sich entschlossen hat, dem anstrengenden Paris den Rücken zu kehren. Und dann ist die Auswahl auch wirklich toll. Schon direkt am Hauptplatz kann man Wein kaufen im offiziellen Ausschank der Winzer der AOC Grignan-les-Adhémar. Schöne Südrhône-Weine, alle sehr günstig. Hier bei Adrien gibt es ihr die kuratierte Version. Viel Rhône (deshalb kommt man), das meiste mid-price unter 20 €. Und vor allem die interessanten, abgelegenen, experimentellen Sachen. Ich habe zum Beispiel den »kleinen« Syrah von Jean-Michel Stephan erstanden oder La Papesse von Gramenon.

Beim Trüffelzüchter

Ayme Truffes

Eigentlich bin ich ja gar nicht so der Trüffel-Freak, was aber möglicherweise an schlechten Erfahrungen mit überportioniertem Trüffelaroma beim »Italiener« liegt. Direkt in Alba hatten wir uns dann mal an die frischen Trüffel gewagt. Hier in Grignan wird das Ganze noch besser. Natürlich ist die große Trüffelzeit der Spätwinter, wenn hier die internationalen Händler ein- und ausgehen. Es gibt aber auch mit der Sommer-Trüffel eine erschwinglichere Sorte, die jetzt, äh, fruchtet. Einer der bekannten Trüffelproduzenten und -händler ist Ayme, dessen Wohn- und Arbeitshaus ein paar Kilometer in die Wildnis hinein liegt. So richtig festgelegte Öffnungszeiten gibt es nicht, es ist halt wie auf einem Bauernhof.

Wir klingeln, es bellt, und gleich wuseln zwei nette Hunde um uns herum. Die Trüffelexperten. Kurz darauf kommt Gilles Ayme und holt für uns eine Schachtel mit frischen Trüffeln aus dem Kühlschrank. Wir kaufen zwei davon für relativ kleines Geld, 13 €, glaube ich, dazu sein Buch, in dem er alles samt Rezepten genau beschreibt. Letzteres hat uns dann auch zu einem großartigen Trüffel-Omelette verholfen. Der Trick dabei: nicht wild hobeln, sondern vorbereiten. Also Tupperdose nehmen, Trüffel und frische Eier hinein, drei Tage im Kühlschrank ziehen lassen. Dann alles herausnehmen, Eier in die Tupperdose schlagen, leicht verrühren, Trüffel in relativ dicke Scheiden schneiden und dazutun, wieder verschließen und zurück in den Kühlschrank für ein paar Stunden. Wenn man derart präpariert das Ganze in die Pfanne haut, ist das Aroma perfekt.

Ausflüge in die Umgebung

Vaison-la-Romaine

Vaison-la-Romaine ist natürlich in erster Linie für seine römischen Ausgrabungen bekannt. Für mich flittert hier allerdings zum ersten Mal auch die »Rockstar-Provence« hinein. Die beiden Kunden im bekannten Käsegeschäft Lou Canesteou waren nämlich ein englischsprachiger Koch und sein Begleiter, der sehr wie MonoNeon aussah. Käse kann man dort jedenfalls weiter auf Top-Niveau kaufen. Danach waren wir noch im Weinbistrot L’Arbre à Vins, wo ich unter anderem den Cornas von Alain Voge erstanden habe.

Nyons

Wer einen größeren Markt in der Nähe von Grignan besiuchen möchte, kann sich hinsichtlich Entfernung und Wochentag am besten bei Jours de Marché orientieren. Dienstag in Vaison-la-Romaine, Donnerstag in Nyons, Freitag in Dieulefit, das sind meine bevorzugten Termine. Diesmal passte uns Nyons vom Tag her. Man muss wie üblich relativ weit auswärts parken, aber wer das am Aygues-Fluss tut, kommt kurz vor dem Markt an der Distillerie Bleu Provence vorbei. Angeschlossen ist ein toller Laden mit vielen interessanten Produkten, nicht nur von ihnen selbst. Diesmal waren sie gerade dabei, Sarriette einzubringen, also Bohnenkraut.

St-Paul-Trois-Châteaux

Westlich von Grignan und schon fast im Rhônetal liegt Saint-Paul-Trois-Châteaux. Die romanische Kathedrale ist ohnehin ein Must für Freund:innen dieser Epoche. Im Chor gibt es ein Mosaik, das offenbar noch von der Vorgängerkirche stammt. Wer das Städtchen ein bisschen trubeliger erleben möchte, auch hier ist dienstags Markt.

Saint-Restitut

Zum Schluss noch mein überraschender Lieblingsplatz. Vor St-Paul befindet sich auf einem Hügel das ausgesprochen hübsche Dorf Saint-Restitut. Auch hier gibt es eine romanische Kirche, allerdings bedeutend kleiner und mit einem umlaufenden Fries auf der Außenseite ausgestattet. Auch in den Gassen gibt es immer wieder nette Details zu entdecken. Die einen mögen die Atmosphäre friedlich nennen, die anderen verschlafen, aber wer es mal ungestört haben möchte, voilà, hier ist der richtige Ort dafür.

Balkon in Grignan

Provence Frühherbst

Wer im September in der Provence unterwegs ist, zumal relativ weit im Norden, kann schon mal den einen oder anderen Duscher abbekommen. Aber gerade wenn man denkt, jetzt ist der Herbst eingezogen, kommt die Sonne wieder raus.

Grignan Balkon

Vom Balkon aus konnte man ausgezeichnet das Treiben der örtlichen Katzen beobachten. Erst dachten wir, es wären vielleicht drei oder vier, aber mit der Zeit tauchten immer wieder ähnliche, dann aber doch leicht anders aussehende Geschwister auf. Die alten und nicht zu steilen Dächer sind natürlich die besten Orte, um auf Erkundungstour zu gehen.

Rosé Gigondan

Eine Wiederentdeckung in Grignan war für mich der kraftvolle Rosé. Mittlerweile hat man ja fast das Gefühl, es würde ausschließlich die ozempic-like gezehrten, säuerlichen und null hedonistischen Provence-Typen geben. Zum Glück weit gefehlt. Wunderbar nach ein bisschen stilistischer Gewöhnung fand ich den Rosé eines örtlichen Produzenten, dessen Name mir leider entfallen ist.

Noch besser eigentlich sogar der Côtes du Rhône von der Domaine Gigondan. Der ist natürlich keine Wunder-Weltklasse, besitzt aber Schmackes, eine ausgesprochen attraktive Frucht und läuft auch herrlich lang. Das »Geheimnis« ist natürlich das Saignée-Verfahren, bei dem der Vorlaufmost benutzt wird, also ohne Pressung. Ich habe 8 € für den Gigondan-Rosé bezahlt, ihn in Deutschland aber ehrlich gesagt nirgends entdeckt.

Wer diesen Stil mal auf hohem Niveau probieren möchte, meine Empfehlung wäre der Côtes du Rhône-Rosé der Domaine Charvin. Gibt’s bei K&U für 15,50 €.

Mein Fazit

Kurzes Fazit eines wie immer viel zu kurzen Aufenthalts: Es lohnt sich total. Wer das landschaftlich und atmosphärisch echte Provence-Feeling haben möchte, sollte mindestens bis nach Grignan fahren. Vorher wirkt es einfach nicht südlich genug. Viel weiter muss man allerdings auch nicht. Mit etwas Durchhaltevermögen geht das sogar von Bamberg aus ohne Zwischenübernachtung. Im Hochsommer würde ich mich über einen brütenden Südbalkon wenig freuen, aber im Herbst ist das wunderbar. Nächstes Jahr wieder? Fragen wir die Katze vom Nachbardach: »Miau.« Genau.

Katze Schatten

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3 Antworten zu Grignan – Provence ohne Rockstars

  1. Jens Funke sagt:

    Hi Matze!

    Tatsächlich vor genau 20 Jahren in Grignan gewesen. Ich erinnere mich gerne zurück und Du hast recht…man muß gar nicht weiter südlich fahren um “echtes” Provencefeeling zu erleben. Nyons und Vaison la Romaine sind mir ebenfalls in guter Erinnerung. Tatsächlich bin ich in zwei Wochen an der Nordrhône unterwegs und Grignan und Nyons stehen ebenfalls wieder auf der Agenda. Mit dem Wetter hatte ich im Herbst, bis rein in den November eigentlich immer glück. Ich hoffe es ist auch dieses mal so……Grüße Jens.

    • Matze sagt:

      Das ist ja großartig, dann schon mal viel Vorfreude-Spaß! Ich war diesmal auch in Cornas und dort in den Weinbergen unterwegs. Bericht folgt dann auch demnächst 😉 .

  2. Thomas Riedl sagt:

    Lieber Matthias,

    ich musste herzlich lachen, während ich Deinen schönen Artikel las: Austern, Rosé, Märkte, alte Kirchen und Katzen – wir sind schon Brüder im Geiste. Und sehen uns hoffentlich im Dezember in Bonn?
    Kleine Anmerkung: Trübes Olivenöl ist im Unterschied zu Wein immer das schlechtere und in jedem Fall schnell ranzig werdende Öl. Kenner kaufen ausschließlich huîle filtré.

    Liebe Grüße!

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