Der Weinbau in Bulgarien ist uralt. Traubenkerne wurden schon im Neolithikum vor 8.000 Jahren gefunden, die Thraker haben bereits in der Antike berühmte Weine erzeugt, interessante Weinregionen und autochthone Rebsorten gibt es ebenfalls. Irgendwie ist Bulgarien als attraktives Weinland aber noch nicht so recht beim deutschen Kunden angekommen. In der Exportstatistik der Bulgaren sind wir nur auf Platz 11, weit hinter Tschechien oder Nigeria. Ich dachte mir deshalb, warum nicht auf der ProWein ein Seminar anbieten als eine Art virtuelle Weinrundreise durch Bulgarien? Immerhin war ich selbst schon dort, und die Weingüter gleich nebenan in der Halle. Was ich dabei vorgestellt habe, davon lest ihr hier.
Tipchenitza – Raffiniertes aus dem Nordwesten
Der Nordwesten Bulgariens ist eine Gegend, die vom internationalen Tourismus fast gar nicht berührt wird. Aber in diesem Dreiländereck mit Rumänien und Serbien hat sich weinbaulich wahnsinnig viel abgespielt. Es gibt eine abwechslungsreiche Hügellandschaft bis zur Donau und weinmäßig echte Perlen – wie das Familienweingut Tipchenitza mit seinen Weinbergen auf 600 Metern Höhe.
Ausgewählt hatte ich für das Tasting eigentlich den Rosé aus der Rebsorte Rubin (8,45 € für Endverbraucher). Der war auch sehr schön. Aber am Stand bei den Djidjevs habe ich festgestellt, dass sie eigentlich noch viel mehr interessante Weine zu bieten haben. Sehr angetan hatte es mir zum Beispiel der weiße Tochka aus der autochthonen Rebsorte Vrachanski Misket. Aus der großen Muskat-Familie stammend, besitzt der Wein eine wunderbar fruchtige Frische. Ausgezeichnet auch der im Holz ausgebaute Weiße namens »Oak Barrel«, bei dem ich wegen der Bezeichnung ehrlich gesagt eine überholzte Variante befürchtet hatte. Aber nix da. Chardonnay liefert Struktur, Vrachanski Misket Leichtigkeit und Charme, ein toller Wein.
Trifonoff – Aronia, Kirsche und Wein
Der vergnügte Herr links am Stand heißt Slavi Trifonov und ist Besitzer des gleichnamigen Weinguts auf dem Übergang vom Rosental zur thrakischen Ebene. International geht es ja leider nicht wirklich einheitlich zu, wenn Buchstaben aus dem Kyrillischen in jeweils unterschiedliche Sprachen übertragen werden. -ov und -off, -ev und -jew, ihr kennt diese Dinge.
Eigentlich ist Slavi bei Trifonoff für den Obstanbau zuständig, während sein Sohn die Weine macht. Bei letzteren sind sowohl einheimische Rebsorten wie Rubin als auch Cabernet Sauvignon und Merlot vertreten. Die Spezialität der Trifonoffs ist dabei die lange Reifezeit geworden, sei es im Fass oder in der Flasche. Das brauchen die Roten auch, denn Rubin, eine bulgarische Kreuzung aus Nebbiolo und Syrah gebärdet sich mit seinen herbstlichen Aromen tatsächlich eher wie Nebbiolo. Und der braucht Zeit (15 € für die 2019er Reserve). Fast noch spannender sind die Fruchtkombinationen. Bio-Kirschsaft, Aronia, teils auch mit Trauben vergoren, sehr interessant.
Zagreus – Bio-Pioniere in Bulgarien
Zagreus ist das bulgarische Weingut, das ich am längsten kenne. Vor einigen Jahren erstmals auf der ProWein getroffen, fand ich die Bio-Pioniere aus der Nähe von Plovdiv (= Plowdiw…) nicht nur sympathisch, sondern auch qualitativ sehr überzeugend. Ich habe sie dann in Bulgarien besucht und mir die ganze Philosophie von Dimitar und Elisabeth erklären lassen. Dimitar ist übrigens links nicht auf dem Foto, weil er auf dem Weinsalon Natürel war. Als Teil der »Natural Wine Fellows« macht er nämlich ganz erstaunliche, ungeschwefelte und unfiltrierte Naturweine. Einen davon sogar von einer komplett unbehandelten Parzelle.
Für das ProWein-Tasting hatte ich den Vinica ausgesucht, einen kraftvollen Roten aus 100% Mavrud, der uralten autochthonen Rebsorte. Mit einem Anteil luftgetrockneter Trauben im Appassimento-Verfahren besitzt der Wein eine intensive Frucht und ein großes Reifepotenzial (17 €). Ein echter Hit ist auch der Blush, leider immer sehr schnell ausverkauft. Elisabeth berichtet, dass er im letzten Jahr viel stärker roséfarbig ausgefallen sei, in diesem Jahrgang aber stärker zum Orange neigt. Eine tolle Frische hat der Wein auf jeden Fall, verbunden mit einem leichten Widerstand wegen seines Maischeanteils.
Rossidi – Von London zurück nach Bulgarien
Rossidi, das sind Rosie und Eddie Kourian. Die internationalisierte Version ihrer Vornamen deutet schon an, dass die beiden deutlich über den Tellerrand hinausgeblickt haben. Eddie hatte seine WSET-Ausbildung in London gemacht (er gründete später die Wine & Spirits Academy in Bulgarien), Rosie dort Ernährungswissenschaften studiert. Angeblich (so sagt es die Legende; ich hatte vergessen, Eddie danach zu fragen) rief eines Tages Rosies Vater an mit der Mitteilung, er habe Rebland gekauft. Eddie würde sich doch mit Wein auskennen, die beiden sollten bitte wieder zurückkommen nach Bulgarien. Und genau das geschah.
Weil Eddie zwar professionell Wein verkosten kann, aber noch nie einen selbst hergestellt hatte, suchten sie sich als festen Partner den ebenfalls international erfahrenen Önologen Peter Georgiev. Dessen Weinprojekte hatte ich schon mit großem Interesse in den Weinshops von Sofia und Plovdiv probieren können. Rossidi punktet eigentlich mit ungewöhnlichen und überraschenden Weinen, gewann aber ausgerechnet mit ihrem traditionellen Mavrud den Preis als bester bulgarischer Roter. Ausgesucht fürs Tasting hatte ich einen im Betonei ausgebauten Chardonnay (14 €), leicht, fein, ein toller Speisenbegleiter.
Minkov Brothers – Die Großen
Die Gebrüder Minkov gründeten das ursprüngliche Weingut nach ihren Studien in Frankreich bereits im Jahr 1875. Seitdem ist aber viel passiert, und der Name Minkov Brothers wird heute sozusagen für den Boutique Winery-Arm des größeren Unternehmens SIS benutzt. Die 400 ha Weinberge liegen in drei Dörfern etwa 50 km westlich des Schwarzen Meeres. Im ausgedehnten Barrique-Keller werden teilweise sehr hochwertige Rote im französischen Stil bereitet, die ich beim Standbesuch probieren konnte.
Ausgewählt fürs Tasting hatte ich jedoch das andere Ende des Spektrums, einen Roten namens BiCycle (5 €), der hauptsächlich aus Syrah besteht mit ein bisschen Viognier. Das ist ein richtig gut gemachter Trinkwein für alle möglichen Gelegenheiten. Bewusst auf Leichtigkeit und Zugänglichkeit vinifiziert, wenig Extraktion, schöne Frucht, was will man mehr in diesem Segment?
Orbelia – Eine eigene Welt
Ganz im Südwesten des Landes an der Grenze zu Griechenland befindet sich die Struma. Der Fluss, der letztlich in die Ägäis mündet, bildet ein Tal mit über 2.000 Meter hohen Bergen, ein wunderbarer landschaftlicher Kontrast. Es ist aber nicht nur der gleichzeitig gebirgige und mediterrane Einfluss, den das Struma-Tal so besonders macht, sondern es ist auch seine Rebsorte Melnik. Jene wurde angeblich schon zu antiker Zeit hier angebaut. Weil sie so beliebt ist, gab es immer wieder Versuche, bestimmte günstige Eigenschaften durch Kreuzung mit anderen Rebsorten zu verstärken. Neben dem Original, dem Breitblättrigen Melnik, Shiroka Melnishka Loza, hat besonders der Frühe Melnik, Ranna Melnishka Loza oder auch Melnik 55, viele Anhänger wegen seiner größeren Zugänglichkeit.
Das Weingut Orbelia als kleineres Familienunternehmen bietet dabei die ganze Melnik-Vielfalt an. Es gibt beide Varianten als leichtere Weine mit kürzerem Ausbau und als Reserve mit 24 Monaten im Barrique (18 €). Ich hatte mich für die Early Melnik-Reserve entschieden, und tatsächlich war das vielleicht mein Lieblings-Roter. Nicht gerade dunkel in der Farbe, aber würzig-pikant, feine Frucht und sehr schöner Nachhall. Auch sehr spannend: die weiße Rebsorte Sandanski Misket, die als als Stillwein und als PetNat gibt.
Fazit – Es gibt noch viel mehr in Bulgarien…
Das wäre es mit meiner Weinrundreise durch Bulgarien gewesen – jedenfalls was das Tasting auf der ProWein anbelangt. Tatsächlich aber habe ich sowohl in Bulgarien selbst als auch bei den anderen Ständen noch weitere Schätzchen gefunden. Bulgarien als Land ist unglaublich vielseitig. Schwarzmeerküste, Wander- und gar Kletterrouten in den Bergen und Städte wie Sofia und Plovdiv, die zwischen Antike, baumbestandener Großzügigkeit der sozialistischen Ära und dem rauen Berlin-Brooklyn-Charme pendeln. Fast symptomatisch dafür bei der ProWein war der Auftritt von Bononia Estate. Eigentlich ein schickes Gesamtkonstrukt mit Hotel und Spa an der Donau, sind die Weine unglaublich präzise und der Önologe ein unglaublich netter Biker-Typ.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht, wo können wir diese Weine kaufen? In Bulgarien natürlich kein Problem, die Weingüter sind zudem Besuchern gegenüber sehr aufgeschlossen. Ansonsten gibt es bei uns ein paar wirklich gut sortierte Online-Shops. Zum Beispiel den Bulgaria-Shop in Berlin, Bossev als vielleicht wichtigsten Importeur in Dresden, den Bulgarian Shop an der Schweizer Grenze, Vintoto in Österreich oder auch den Bulgaria-Store. Die meisten Shops bieten in ihrem Portfolio auch andere Spezialitäten aus Bulgarien an, Honig, Gewürze, Kräutertee, Joghurt, luftgetrocknete Wurst, Traubenkernöl, Käse, Marmelade, Rosenwasser – was man sich halt alles in einen Geschenkekorb packen lassen kann.
Probiert also ausgiebig oder fahrt am besten gleich hin. Das Klima im Frühsommer ist ausgesprochen angenehm.