Es gibt nicht wenige Menschen in der Weinszene, die Blind Tasting für die eigentliche Königsdisziplin halten. Die ganzen Sommellerie-Contests sind so aufgebaut. Wer blind am besten raten kann, welche Weine sie gerade probiert haben, gewinnt. Auch Weinguides und Medaillen-Wettbewerbe haben in aller Regel ein gewisses Blind Tasting-Element. Weniger allerdings, weil man die Weine erraten soll, sondern ganz im Gegenteil. Man soll sich nicht von Vorurteilen kirre machen lassen. Während das im Medaillenbereich gelegentlich zu Preisträgern mit eher geringer Charakterstärke führt, ist bei den Weinguides meist das Standard-Tasting offen und nur die Endrunde verdeckt. Wie auch immer, Blind Tasting führt garantiert zu Überraschungen. Auch bei feinen Weinen. Denn die haben wir hier probiert.
Nur die Gastgeber kennen das Line-up
Die Regeln für unser Blind Tasting sehen so aus, dass die Weine immer paarweise serviert werden. Dabei besitzen die Paare intern ein gemeinsames Merkmal, aber das kann alles sein: dieselbe Herkunft oder dieselbe Rebsorte oder derselbe Jahrgang oder irgendwas mit der Winzerphilosophie. Nach meiner Erfahrung hilft so etwas nur bedingt weiter, vornehmlich als Ausschlusskriterium. Aber es soll ja auch darum gehen, die Weine ohne Vorurteile auf sich wirken zu lassen. Wir probieren also und vergeben daraufhin bereits unsere Punkte. Nach dem Aufdecken haben wir natürlich Zeit zum Nachprobieren, aber unser Blindurteil bleibt bestehen. Und damit auch die Gelegenheit, sich zu wundern, zu freuen oder anderweitig zu diskutieren.
Erstes Paar – Schaumweine
Das erste Paar besteht aus zwei Schaumweinen, wie so häufig bei solchen Veranstaltungen. Der erste ist ein eher zarter Vertreter. Wenig Ausgeprägtes in der Nase, im Mund fein, Zitronentarte, etwas Puder, elegant, wenngleich geringe Tiefe. Ich fühle mich an deutschen Weißburgunder erinnert und gebe 16 Punkte. Nach dem Aufdecken dann Aha und Jaja, der Dönnhoff Pinot Noir 2019 Brut Nature ist es. 50 Monate Hefelager, die man so kaum spürt. Schon ein feiner Sprudler, aber auch mit vergleichsweise wenig Charakter, wenn man bedenkt, was da ansonsten revolutionsgleich in Deutschland los ist.
Der zweite Schäumer besitzt viel mehr Farbe, viel mehr Nase, ist aber auch deutlich gereift, Holz, Nuss-Nougat. Intensiv im Mund, deutlich höheres Säuregefühl, überdeutlich ein echter Champagner erstklassiger Art. Als jemand, der stilistisch momentan eher der neuen Somm-Schule des Straffen und Präzisen anhängt, könnte er für mich ein bisschen trockener sein. Aber wie gesagt, die Säure ist schon knackig, die Qualität unzweifelhaft hoch. 18 Punkte von mir. Es ist der Louis Roederer Cristal 2008 Brut. War es nicht Stuart Piggott, der vor Jahren bei einem ähnlichen Blind Tasting im Hammers in Berlin dem Cristal einen Preis um die 15 € zugestand? Daran wird er sich wahrscheinlich nicht mehr erinnern. Hier jedenfalls: ein großer Champagner, unsere Nr. 4 des gesamten Abends.
Zweites Paar – Leichte Weiße
Zweites Paar, zwei Weißweine mit, nun ja, irgendeiner Gemeinsamkeit. Der erste hat intensiv Mandarine in der Nase, auch Ingwer, wirkt aber sehr ausgewogen. Im Mund dann superschlank, weiter saure Mandarine, leicht salzig, gute Säure. Das scheint wie 11 vol% (ist es nicht), Christoph tippt auf Muscadet, also stilsicher, nicht komplex, aber schön. 17 Punkte von mir. Aufgedeckt ist es Le Blanc du Tremble 2019 von Marie-Courtin – aus der Champagne! Darauf hätte niemand getippt, aber man bekommt ja auch sehr selten Stillweine von dort ins Glas. 100% Pinot Noir übrigens und 60 € etwa. Die Schampenösen wissen einfach, wo das Geld hinsoll…
Der zweite Wein ist dunkler in Farbe und Nase. Jene zeigt sich rauchig-gärig in Jura-Art, fast (aber nur fast) könnte man an einen Chardonnay von Ganevat denken. Im Mund erst dicht, entpuppt sich der Ausdrucksstarke letztlich als wesentlich feingeistiger. Mehr Holz und Oxidationseinfluss natürlich als der erste Wein, auch intensiver, aber ebenfalls eher zart. Gefällt mir gleich gut, 17 Punkte. Es handelt sich um den Jean-Baptiste Geoffroy Les Collinardins 2020, einen reinsortigen Chardonnay aus Aÿ. Also auch Champagne, und auch einer, der ein paar Ocken kostet. Um genau zu sein: 66 davon bei Visentin.
Drittes Paar – Seltene Weiße
Noch einmal zwei Weiße, links vollgelb, rechts fast in Richtung Kupfer getönt. Der Linke besitzt eine Nase wie ein gereiftes Riesling-GG mit ein bisschen Holz vielleicht. Gelbe Frucht im Mund, ordentlich Wumms, erstaunlich trocken, feinfruchtig, intensive Säure, guter Wein. Geht für mich ein bisschen in Richtung Wittmann Aulerde, aber Riesling und GG sollten es definitiv sein. 18 Punkte, ein moderner Klassiker. Tatsächlich handelt es sich um die Saumagen Reserve 2017 von Philippi & Knipser. Bernd Philippi hatte sich nach seinem Ausscheiden bei Koehler-Ruprecht mit Stephan Knipser zusammengetan, um etwas zu kreieren, was an seinen »alten Stil« erinnert. Ob der Wein das jetzt wirklich tut, weiß ich nicht. Aber er ist sehr schön. Knapp 70 € werden allerdings auch dafür fällig.
Der zweite Wein ist von Anfang an ein ziemlicher Bringer. Gereifter Riesling in der Nase, bisschen Traubenzucker, null fruchtig. Im Mund vermeint man fast ein leichtes Botrytis-Gefühl zu haben, aber der Wein ist trocken, ungemein dicht, reif, tief, knallige Säure, viel Kraft, erinnert eher an einen ganz Großen aus dem Elsass, aber der Rangen de Thann beispielsweise hat nie diese Säure. 19 Punkte von mir, die Runde schreit auf, hatte ich jemals so viel vergeben? Es ist der Waldportier von Jakob Tennstedt, Jahrgang 2018, deshalb auch diese Kraft und 13,5 vol%. Ein Wein, der reifen musste, um auf diese Weise genießbar zu werden. Großer Stoff, gab es mal bei Viniculture, jetzt nur noch in Australien und den USA, das Schicksal solcher Geheimtipp-Weine. Aber die anderen Tennstedts sind auch gut, und ich mag eh die kühleren Jahre noch lieber. Dann gibt’s gern auch 19,5 Punkte…
Viertes Paar – Internationale Weiße
Jetzt müsste es doch wieder rückwärts gehen in der Intensität. Und dankenswerterweise ist das auch so. Zwei etwas gedecktere Weiße. Ein kräftiges Gelb beim linken Wein, recht stille Nase wie ein Chablis aus Holzausbau. Im Mund wird das Ganze dichter, der Holzeinfluss nimmt zu, stoffig, schöne Eleganz, die anderen tippen weiter auf Chablis, mir wirkt das südlicher, fast wie ein Silvaner vom Charakter. 17 Punkte. In Wirklichkeit ist es der 2010er Chardonnay Löwengang Rarum von Alois Lageder. »Rarum« deshalb, weil länger gelagert, ansonsten aber normal löwengänglich. Ein bisschen modern für mich, aber ein hochwertiger Wein. Und niemals zu alt.
Auch der zweite Wein besitzt eine kräftige Farbe, aber die Nase geht in eine ganz andere Richtung. Gewisse Naturel-Art, dazu etwas tropisch, andererseits in Richtung Loire. Im Mund kommen dann Honig und Wachs, das leicht Wilde verschwindet. Hier könnte man in der Tat an Chenin denken, wenngleich an eine Version mit weniger Dichte. Für mich ähneln sich beide Weine irgendwie, auch qualitativ. 17 Punkte deshalb. Es ist der Grüne Veltliner Smaragd Im Weingebirge vom Nikolaihof, und zwar die 2011er Late Release. Gibt’s bei Vinaturel und Weinfurore, gut 60 €. Nur 12,5 vol% übrigens, und beide Rebsorten zeigen, wie wandlungsfähig sie sein können, wie sehr das lange Lager patiniert und abschleift. Sehr schwer zu erraten im Blind Tasting und am besten bei Tisch aufgehoben.
Fünftes Paar – Elegante Rote
Kleiner Schwenk zu den Roten. In der Regel beginnen wir hier mit leichteren Weinen ohne trocknendes Tanningerüst. Farblich sehen beide schon mal sehr unterschiedlich aus. Links sehr gereift, gelber Rand, rechts mittleres Rot wie guter Bordeaux. Die Nase beim Linken ist für mich, pardon, uralt, und zwar im Stil. Alkohol, Rumtopf. Im Mund dann wenig Tannin, Gemüseröstigkeit, Überreife, die alte Ahr. Leider kann ich damit heute nicht mehr viel anfangen, 15 Punkte. Es ist der 2009er Spätburgunder Lange Goldkapsel von seinerzeit noch Gerhard Stodden. Kostete damals 69 € und war auf Platz 7 ex aequo im Gault Millau. Mann, hat sich viel getan in der Zwischenzeit!
Der zweite Wein präsentiert wesentlich mehr Frucht in der Nase, reife Himbeere, etwas frischer. Im Mund ist das der dunkle Typus des Spätburgunders beziehungsweise Pinot Noirs, mehr Cassis, bessere Säure, Substanz, aber auch nicht umwerfend tief und für meine Begriffe etwas zu reif. 16,75 Punkte deshalb von mir, aber das ist vielleicht zu niedrig und dem schwachen Partner geschuldet. In der Tat handelt es sich nämlich um den 2009er Volnay Premier Cru Santenots-du-Milieu der Comtes Lafon. Beide Weine besitzen laut Etikett 14 vol%, und 2009 war eines der damals nicht so häufigen warmen Jahre. Da ließ man die Trauben einfach noch länger hängen, da freute man sich noch über den Sonnenschein. Nicht nur die Stilvorlieben bei Leuten wie uns haben sich inzwischen gewandelt, sondern auch die Herangehensweise im Weinberg. Nicht überall allerdings, wie ich gelegentlich bei meinen Falstaff-Proben der roten Rheingauer erfahren darf…
Sechstes Paar – Kraftvolle Rote
War das vorige Paar ein gutes Beispiel dafür, wie Weine, die idealtypisch elegant sein sollten, zu viele Muskeln besitzen, gehört bei diesem Paar die Power zum tanninlastig-lagerfähigen Stil. Der linke Wein… hat leider Kork, so ein Ärger! Nicht superstark, aber doch deutlich einschränkend. Punkte geben wir keine, aber ich probiere natürlich trotzdem. Der Wein wirkt auf mich wie ein Brunello, viel Kraft, viel Tannin, gute Säure und lange gereift. Ein bisschen eleganter könnte er vielleicht sein, aber das wäre schon ein echt guter Wein. Ist es auch, der 1985er Cepparello von Isole e Olena. Ein Supertuscan in alter Toscana-Tradition, nämlich als Tafelwein aus 100% Sangiovese.
Der rechte Wein besitzt eine recht junge Farbe. In der Nase Süßkirsche, Amarena-Kirsche vielmehr, Marzipan, viel Reife. Im Mund spürt man diese Reife auch an der süßextraktigen Frucht. Ansonsten gibt es frische Kirsche, ein feines Tannin, aber relativ wenig Tiefe. Im Grunde ist nicht viel zu meckern – außer dass er von einem Cepparello in Bestform doch ein Stück entfernt wäre, 16,5 Punkte. Der Wein ist der Vigna Allegra Riserva 2019 von La Banditaccia. Ich hatte das Weingut bei der ProWein vor ein paar Jahren mal aufgesucht; das sind alles extrem preiswürdige Weine, zudem typisch für die südliche Toscana.
Siebtes Paar – Dichte Rote
Bislang präsentierten sich die Weißen besser als die Roten im Blind Tasting – aber es folgt ja noch ein Paar.
Der erste Wein besitzt eine lebendige Farbe, mittleres Rubin. In der Nase rauchig, ein gewisser Brett-Einfluss dazu, was man mögen kann oder auch nicht. Wir finden es okay. Dichtreif geht es weiter, etwas wilde Eisennote, im Mund dann intensiv, Kirsche, dunkle Pflaume, Piment, Gewürznelke, die Frucht ist noch sehr gut da. Ein leichter Paprikaton stellt sich ein, aber nur minimal. Ein St-Emilion-Typ auf seinem Höhepunkt, sehr schöner Wein, 18,5 Punkte von mir. Es ist La Croix Boissée 2014 von Bernard Baudry, ein Chinon, ein Loire-Roter, 100% Cabernet Franc. Jetzt bin ich echt froh. Einerseits, weil der Wein immer so viele Punkte in den RVF-Blind Tastings abräumt. Und andererseits, weil ich davon immerhin drei Fläschchen im Keller habe. Der 2020er kostet 35 € bei Christ, meiner damals noch viel weniger. Wie gesagt, eine Brettanomyces-Allergie sollte man bei Baudry nicht haben, ansonsten sind das tolle Weine.
Der rechte Wein zeigt nicht nur eine deutlich gereifte Farbe und ausgeflockte Trubstoffe, sondern ist auch in der Nase echt kelleralt. Im Mund fühle ich mich vom Alter an den 1966er St-Emilion erinnert, den ich vor einiger Zeit getrunken hatte. Nur war jener zwar zugänglicher, aber auch mit weniger Tiefe ausgestattet als dieses Exemplar. Dies hier war nämlich mal ein ganz Edler. Dennoch gefällt mir der jetzige Kellerton nicht wirklich. Für echten Weingenuss nach herkömmlicher Vorstellung ist das einfach, tja, überlagert. Ich gebe 17,25 Methusalem-Punkte. Für den 1986er Château Ausone. Uff. Das war in der Tat ein ganz edler Wein. Und für mich persönlich vielleicht auch eine Warnung, keine allzu kostspieligen Weine auf dem Drittmarkt zu erstehen. Selbst wenn der jetzige Keller perfekt ist, wer weiß schon, wo sich die Flasche zwischendurch rumgetrieben hat.
Achtes Paar – Die Süßen
Klassisch: zum Abschluss süß. Auf dem Foto oben habe ich leider die Reihenfolge vertauscht, denn zuerst ins Glas kam der Wein rechts auf dem Bild. Das ist ein goldfarbenes Exemplar, reif und dicht, viel Dörrfrucht, besonders Quitte. Auf eine gewisse Art erinnert es an Sauternes, denn richtig leichtfüßig ist der Wein nicht, besitzt aber eine sehr gute Säure, eine ausgewogene Lebendigkeit. Echt schön, 18 Punkte. Ihr seht, dass sich dahinter der Decanter-medaillierte 2013er Royal Tokaji mit den fünf Bütten verbirgt. Auf der Website des Weinguts erfährt man selbst zu diesem Jahrgang noch einiges an Wissenswertem – das ist doch mal ein guter Service. Mittlerweile kann man bei uns übrigens richtig interessante Weine aus Ungarn kaufen. Im Borstore kostet der Fünfputter 33,90 €, aber probiert dort auch mal die trockenen Tokajer. Sehr gute Sachen.
Im rechten Glas und links auf dem Foto steht ein Wein, dessen Farbe mich spontan an einen gereiften Rieslaner erinnert. Grünbraun. In der Nase kommen dann aber Töne, die nicht zu einem Rieslaner passen wollen. Passen sie überhaupt zu einem Wein? Lilie irgendwie, etwas giftigeres Veilchen, ein Frühjahrsblüher jedenfalls. Auch am Gaumen ist der Wein trotz der zweifellos vorhandenen dichten Süße floral in seinen Aromen. Wer jetzt Kaffee oder etwas stärker Oxidatives erwartet hätte, wird nicht bestätigt. Auch ein schöner Wein, aber vielleicht ein bisschen weniger souverän als der erste. 17,5 Punkte. Es handelt sich um eine Kracher-TBA aus dem Jahr 1998, und zwar die Nr. 5 der »Zwischen den Seen«-Reihe aus reinem Muskat Ottonel. Deshalb vielleicht das Florale, aber Muskat hätte ich nicht unbedingt vermutet.
Essen und Unbewertete
Damit ist die wunderbare Blind Tasting-Probe beendet. Wie immer war jede Menge Erhellendes dabei, gar Begeisterndes. In der Gesamtabrechnung belegte punktemäßig der Tennstedt-Riesling den ersten Platz, gefolgt vom Tokajer und dem Chinon von Baudry. Das sind ganz sicher nicht die prestigeträchtigsten der heute probierten Flaschen, aber solche mit Stil und Charakter.
Damit kann ich sehr schön überleiten zu einem nicht bewerteten Esswein. Die Silvaner aus dem Hause Schäffer stehen nämlich auch für Stil und Charakter, und genau das bot uns der 2015er S7lvaner aus dem Escherndorfer Fürstenberg. Sehr interessant und im wahrsten Wortsinne unglaublich poliert war hingegen der Dassai 23 zu den Nigiris. Überhaupt das Essen. »Unassuming« würde der Angelsachse vielleicht zu Fotos von vegetarischem Cassoulet (Fagioli Borlotti; ich mag ohnehin sehr gern Cassoulet) oder Mousse d’Hiver sagen. Eintöpfisches ist halt nie wirklich instagramable im Erscheinungsbild, aber oh, wie köstlich! Und genau das zählt an einem solchen Abend.
Blind Tasting feiner Weine – Mein Fazit
Mein Fazit wird durch die Selbsterkenntnis getrübt, dass ich einem deutschen Riesling beim Blind Tasting die meisten Punkte gegeben habe. Wie konnte das nur passieren? Sollte ich gar versuchen, den allerletzten Platz bei Christophs Riesling-SWAG zu erobern? Als Spätberufener?
Nein, allen Ernstes, Riesling ist eine faszinierende Rebsorte, und wenn man trockene Exemplare nicht mit allzu viel Primärfrucht und schmeichelnder Süße ausstattet, können wahrhaft große Weine daraus entstehen. Jakob Tennstedt hat sich unseren ersten Platz definitiv verdient – und das mit einem Exemplar, das man als Naturwein pur jus bezeichnen kann. Spontanvergoren, ungeschönt und ungefiltert eh, aber sogar ungeschwefelt. Ganz oben links auf dem Titelfoto seht ihr übrigens den »echten« Waldportier, einen farblich unauffälligen, großen Schmetterling. Bei uns habe ich ihn noch nie gesehen, das Foto hatte ich in Frankreich gemacht.
Gefallen haben mir ansonsten vor allem stilistisch die Stillweine aus der Champagne. Die Nordgrenze für feine Weine verschiebt sich halt immer weiter. Nicht in jedem Jahrgang natürlich, aber doch kontinuierlich. So sind dann auch die leicht sumpfigen Pinot Noirs als Klimawandel-Anzeiger zu verstehen. Das ist und bleibt für mich die edelste rote Rebsorte, aus der man die elegantesten Weine überhaupt bereiten kann. Aber man muss als Winzer genau das wollen und dabei ungeheuer auf der Hut sein.
Bleibt zum Schluss noch der schöne Rote von Baudry. Ja, in einem guten Jahrgang kann man an der Loire absolut mit St-Emilion mithalten. Im Blind Tasting eh. Aber auch offen. Ich erinnere mich zum Beispiel gern an den Clos Nouveau der Domaine Bel-Air, den ich letztes Jahr bei der Perspektive Wein probiert habe. Ein großer Rotwein auf der Höhe der Zeit. Und damit wünsche ich allen Leser:innen dieses Blogs eine wunderbare Festtagssaison. Sollte ich mich aller Vernunft zum Trotz am Montag noch melden, könnte das höchstens mit dem Produkt unten zu tun haben…
Vielen Dank für Deinen Einblick Matze. Ich kann mich noch an Preise unter 20 Euro für den Baudry erinnern….wie auch immer, Topweine ohne Frage. Frohes Fest und guten Rutsch aus dem Pott!
Jens
Du täuschst dich nicht, 19,50 € hatte mich der 2010er seinerzeit gekostet, Ill Vino in Sélestat, das ist dieser wunderbar sortierte Shop im Intermarché-Einkaufscenter.
Ich mag die Kleinen von Baudry ja auch sehr gern und habe den Granges zum Beispiel oft nachgekauft. Für den 2020er werden da in ebenjenem Laden 10,50 € fällig. Klar, der hat nicht die Dichte und Tiefe wie der Croix Boissée, aber der Stil ist schon sichtbar (die leichte Wildheit allerdings auch 😉 ). Ebenso herzliche Grüße an dich zurück!
Auch an dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an unseren Gastgeber!
“Die besten Weine sind die, die man mit Freunden trinkt”, lautet ein oft zitierter Satz. An diesem Abend wurde er mehr als wahr.
Den ‘Waldportier’ fand ich überragend. Diesen Wein riechen, schmecken und dabei erleben zu dürfen, wie er sich von Minute zu Minute im Glas entfaltet, hat bei mir zu der Überlegung geführt, in den nächsten Jahren nur noch solche Weine zu kaufen. So ein Erlebnis hatte ich bei Riesling bisher nur beim 2006 ‘Schlehdorn’ von Peter Jakob Kühn, einem seelenverwandten Wein des ‘Waldportier’.
Der ‘La Croix Boisée’ und Anverwandte gehören auch in mein Beuteschema.
Er hätte m.E. auch wunderbar zu dem köstlichen, vegetarischen Bohnen-Cassoulet gepasst, das die Gastgeberin für uns gekocht hatte.
Am schönsten aber: Ich kenne Menschen, mit denen ich auch im nächsten Jahr gerne solche Flaschen teile.
Herzliche Grüße nach Bamberg, Matthias
Stimmt, Schlehdorn war eigentlich der erste Top-Wein dieser Art, bei dem sich die ganze Weinwelt beim ersten Probieren gespalten hat. Nachher tun viele zwar so, als fanden sie den schon immer gut, aber ich kann mich auch noch gut an die Kommentare erinnern, als ich den frisch das erste Mal probiert hatte 😉 . Weiß gar nicht, wo das war, Wein & Glas vielleicht… Ein Fläschchen Schlehdorn habe ich auch im Keller, 2013, und natürlich bislang nicht rangetraut. Aber mal sehen, vielleicht ändert sich das ja 😉 .
Ich habe noch die Verkostungsergebnissliste vom Wein Lab 8 (bei Hammers) gefunden
Die Bewertung ist der Durchschnitt der einzelnen Bewertungen (ca. 14)
Die höchst bewertete Schaumweine (Geschmack)
Bewertung tatsächliche Preis
2004 Roederer „Cristal“ Brut € 17,93 € 179,- bei Diversen
F F Bibulus
Dankeschön, es geht doch nichts über ein gutes Archiv!
Blöderweise war ich genau bei dem Wein Lab nicht dabei, weshalb ich nur das weiß, was Jürgen mir nachher gesagt hat. Es ging doch glaube ich nicht darum, dass man den realistischen Preis einschätzt. Sondern darum, was man bereit wäre, für diese Flasche zu zahlen, also rein vom geschmacklichen Ausdruck, oder? Und dabei sind im Durchschnitt 17,93 € beim Cristal herausgekommen.
Ich würde von außen sagen, dass bei solchen Einschätzungen in dieser Runde auch immer viel Herdentrieb dabei war, also Wortführer und sich sukzessiv Anschließende. Aber alle Eventualitäten mal weggenommen, ist das bloße Ergebnis natürlich fatal 😉 …