Weinschätze beim Niederfall des VDP.Franken

Titel Niederfall VDP.Franken

Wer erinnert sich noch an die Erste Allgemeine Verunsicherung? Go Karli Go? Ein unglaublich großartiger Text, lest ihn euch durch oder hört besser noch das Lied an. Wie die Mutter, nachdem Karli beschlossen hat, Rockstar zu werden, sich schleppt zum Tabernakel und darum bittet, der Herr möge beenden das Debakel. Später dann, als Karli es geschafft hat, heißt es hingegen: »Die Mutter bet’ den Rosenkranz: Herr, sei mit uns, mach ihn zur Nummer Aanz!« Ganz fantastische Einblicke und Reime sind das, deren köstliche Details man umso mehr genießen kann, wenn einem die dörflich-katholische Welt nicht fremd ist. Den Niederfall, zu dem ich am Wochenende eingeladen war (und jetzt kommen wir endlich zum Thema dieses Artikels), hatte ich genau jener Welt zugeordnet. Rein begriffliche Assoziation, denn wo fällt man bitteschön sonst nieder, meint: auf die Knie? Tatsächlich ist das aber nicht wirklich richtig, wie ihr gleich erfahren werdet.

Wo kommt der Niederfall begrifflich her?

Zwar stimmt es, dass in früheren Zeiten die religiöse Komponente hierzulande bei fast allen größeren Ereignissen präsent war. Egal ob es etwas zu feiern, zu betrauern oder zu beschließen gab. Insofern hatte der »Niederfall« als festliches Ereignis im bäuerlichen Kalender selbstverständlich mit Erntedank zu tun. Allerdings waren auch sehr früh schon andere Assoziationen damit verbunden. Georg Fischer zitiert in seinem Buch »Fränkisches Handwerk« zum Beispiel eine Quelle aus dem Jahr 1437, in der davon die Rede ist (Rechtschreibung verändert), dass »Zimmerleute und Handwerker zum Niederfall drei Pfund« Lohn erhalten sollen.

Und die Gebrüder Grimm schreiben in ihrem Wörterbuch zum Stichwort Niederfall Folgendes: »Niederfall: die Vollendung der Erntearbeit u. dergl. und der bei dieser Gelegenheit den Arbeitern gegebene Schmaus, wohl so benannt vom Niederfallen und Weglegen des Arbeitsgerätes (vergl. Drischel-, Flegel-, Sichelhenke) oder vom letzten Schlage, der auf die Arbeit niederfällt.« Es fällt also weniger der Arbeiter als vielmehr die Arbeit.

Dieses erfreuliche Ereignis gab es jetzt als traditionellen Saisonabschluss im fränkischen Weingewerke wieder zu feiern. Ort: Würzburg. Gastgeber: der VDP.Franken.

Schmaus zum Niederfall – Bernhard Reiser und gereifte Weine

Der Niederfall als VDP-Veranstaltung beinhaltete gleich zweimal Schmaus. Zum ersten, der im Gartenpavillon des Juliusspitals stattfand, war eine Bande von Weinmultiplikator:innen eingeladen. Harald Scholl, Gerhard Retter, Romana Echensperger… zwei große Tische voll. Zu probieren (und um den weiteren Tag durchzustehen: zu spucken) gab es dabei drei Flights gereifter Gewächse aus Franken. Kulinarisch begleitet wurde jeder Flight von einem Gang, für den Bernhard Reiser verantwortlich zeichnete. Eine unglaublich wichtige Persönlichkeit der fränkischen Gastronomie, lest einfach beispielsweise hier nach.

Bernhard Reiser

Der erste Gang hieß »Kräuter-Risotto, gebeiztes Eigelb, Bergkäse und Gänseleber«. Diese fein schlotzige Vorspeise (ich weiß so etwas ja sehr zu schätzen) begleitete sechs Silvaner aus dem Jahrgang 2014. Aus Erfahrung ist mir bekannt, dass es gut gereifte Silvaner eigentlich viel zu selten sowohl im Keller der Weingüter als auch in privaten Kellern gibt. Wer das Glück haben sollte, dort noch einen oder gar mehrere Silvaner vorzufinden, möge jetzt aufmerken.

Erster Flight: Silvaner 2014

Weltner Castell Silvaner 2014

Paul Weltner – Rödelseer Küchenmeister, 12,5 vol%

In der Nase leichte Keuperkräuter, schon sehr schön. Im Mund dann zunächst gewisses Perlen (ich werde noch darauf zurückkommen), etwas Nougat, gute Säure, ausgesprochen fein und elegant, leicht im Trunk, aber mit Würze. Ein top gereifter Wein auf seinem Höhepunkt, wunderbar – einer meiner Tipps des Flights.

Schmitt’s Kinder – Randersackerer Marsberg, 12,5 vol%

Dezent und durchaus schon gereift in der Nase. Im Mund auch leichtfüßiger Eindruck (die technischen Daten habe ich erst später nachgeschaut), Finesse, etwas Botrytis, sagen andere, gefällt mir ausgesprochen gut, wenngleich man das Alter ein bisschen stärker spürt.

Domäne Castell – Casteller Schlossberg GG, 13,5 vol%

Viel Rauch und Kräuter in der Nase, 100 Meter gegen den Wind als Keuper-Silvaner zu erkennen. Im Mund ist der Wein sehr trocken angelegt mit viel Kraft, nachhaltig und wirklich richtig lang. Ein stilistischer Gegenentwurf zum feinen Weltner-Wein, aber ebenso hochklassig – schon wieder ein Tipp des Flights.

Bürgerspital – Würzburger Stein-Harfe GG, 13 vol%

In der Nase erst einmal ziemlich dezent. Viel Saft kommt dann im Mund, ziemlich hohe Reife auf der einen Seite, hinten dann aber auch mit etwas grünlicher Pikanz. Eher traditionell gemacht, aber auch sehr gut.

Rainer Sauer – Escherndorfer Am Lumpen 1655 GG, 13,5 vol%

Zitronig-frisch in der Nase, praktisch keine Alterungsspuren. Am Gaumen präsentiert sich der Wein zunächst ein wenig brenzlich-limettig, entwickelt sich zum Essen dann aber ganz ausgezeichnet. Dieser Flight hat wirklich keine Schwächen.

Rudolf May – Retzstadter Der Schäfer, 13 vol%

Weicher in der Nase, Holzeinfluss, Haselnuss. Im Mund gibt es auch den Holzanklang, jener ist aber mittlerweile ziemlich gut eingebunden. Eigener Stil, ganz klar, hätte zu einem etwas kraftvolleren Essensgang noch besser gepasst.

Mein Fazit des Flights ist dann ebenfalls sonnenklar: Alles ausgezeichnete Weine, harmonisch gereift, 2014 ist wirklich ein Top-Jahrgang für fränkische Silvaner. Der Winter war extrem mild mit frühem Austrieb, dann gab es ein paar Turbulenzen, sogar Regen und den kühlsten August seitdem, aber einen warmen und sonnigen Oktober. Meiner persönlichen Erfahrung nach sind solche Jahre mit eher kühlem Hochsommer und einer langen Vegetationsperiode für Silvaner einfach am besten geeignet. Man muss das als Winzer natürlich auch nutzen können. Meine beiden Flight-Sieger stammen beide vom Keuper. Daraus möchte ich jetzt keine Statistik machen, aber es lassen sich am Steigerwald auf jeden Fall lagerfähige Weine herstellen. Auch sonst waren das aber großartige Vertreter von Sorte und Region, alle Anwesenden zeigten sich begeistert.

Zweiter Flight: Silvaner querbeet

Juliusspital Gartenpavillon

Wie lässt sich so ein Flight noch toppen? Die Antwort lautet: gar nicht. In diesem zweiten Flight ging es glaube ich deshalb darum, einfach ein bisschen die Bandbreite zu präsentieren. Wie schmeckt 30 Jahre alter Silvaner, was hat man im kühlen Jahr 2010 oder im warmen Jahr 2015 gemacht? Ein GG war übrigens nicht mit von der Partie; diesmal sind es (damals so bezeichnete) trockene Spätlesen. Die Richtung vor in seiner raffinierten Herzhaftigkeit gab der Gang von Bernhard Reiser: »Kalbfleischpflanzerl, Röstzwiebel-Kartoffelpüree und Rote Bete«. Schmeckt wie bei Muttern.

Eine interessante Info noch vorweg, die ich gern weitergeben möchte: Die Winzer berichteten, dass es von den 1980ern bis hinauf zu 2010 praktisch keinen Frühjahrsfrost mehr in Franken gab. 2011 war dann wieder das erste Jahr. Und seitdem, wir wissen es ja alle, haben früher Austrieb und später Frost leider eine ziemlich unheilige Allianz gebildet.

Bürgerspital – Würzburger Stein-Harfe 1994, 12 vol%

Dichtes Gold im Glas, und in der Nase viel Firn. Im Mund hat die Stein-Harfe dann aber eine geradezu knallige Säure. Frucht, Expressivität und Champignon de Paris bilden einen kompletten internen Gegensatz mit viel Spannung. Schon ein wirklich beeindruckendes Exemplar. Ich finde ihn etwas schwierig zum Essen (da wäre vielleicht Matjes einfacher gewesen), aber andere sehen das genau andersrum. So sind sie halt, die Profis, immer unterschiedliche Vorlieben.

Störrlein Krenig – Randersackerer Sonnenstuhl 2010, 13,5 vol%

Kräuterig-expressiv in der Nase, dann mit leichtem Perlen im Mund. Ich finde den Wein einerseits ein bisschen grünlich, andererseits etwas zu süß, mit wenig Spannung ausgestattet. Nur um es klar zu sagen: Ich beschwere mich hier auf hohem Niveau, schließlich hatten wir gerade den grandiosen 2014er Flight vorher…

Horst Sauer – Escherndorfer Lump 2011, 13,5 vol%

Eher dezent in der Nase, dann im Mund aber mit ganz viel Nana-Minze, fast wie ein viskoser Minztee. Der Wein perlt noch stärker, so als sei er gerade erst gefüllt worden, auch die Süße ist noch höher als beim Vorgänger. Was man ihm aber definitiv zugute halten kann: Es gibt praktisch keine Alterungsspuren im Sinne von Abbau.

Störrlein Krenig – Randersackerer Sonnenstuhl 2013 Unterm Turm, 13 vol%

Störrlein Krenig Silvaner 2013

Der 2013er präsentiert sich in der Nase erst sehr still und kaum gealtert. Im Mund kommt wieder das irritierende Perlen (wir sind doch nicht bei der Schampus-Probe), es gibt ein paar Gemüsetöne. Dann aber kommt das Essen, und der Wein lebt auf, immer mehr, immer mehr. Ausgezeichnet passt das zum Schluss. Gut, dass nicht alle Weine nur akademisch im Bürotest getrunken werden, sondern im Kontext. Mein Tipp des Flights.

Juliusspital – Würzburger Stein 2015, 13,5 vol%

In der Nase gibt es einen leichten Anflug von Ätherischem, im Mund dann mehr Nougat, was normalerweise auf Holzeinsatz hindeutet. Der Wein wirkt ausgesprochen jung, viel Reife, gute Säure, ein echter crowd pleaser. Vielleicht ist er mir ein bisschen zu brav.

Mein Fazit zu diesem Flight: Wir sind hier immer noch auf einem sehr guten Niveau, und das bei nominell etwas weniger hochwertigen Weinen. Winzerstil und Jahrgangscharakter scheinen deutlich durch, persönliche Vorlieben kommen stärker zum Tragen. In seiner doch spürbaren Heterogenität erinnerte mich der Flight ein bisschen an die VDP.Franken-Vorpremiere der Großen Gewächse, die ich in diesem Jahr alle probiert hatte. Jetzt war ich aber auf die Rieslinge gespannt.

Dritter Flight: Riesling aus Franken

Bernhard Reiser VDP.Franken Niederfall

Riesling wird in Franken gar nicht mal so wenig angebaut. Und wer fränkischen Riesling öfter zum Essen trinkt, weiß auch, dass es da zum Teil äußerst angenehme Exemplare gibt. Weil Deutschland aber vom Rhein aus regiert wird und Riesling dort der König ist, kümmert man sich anderswo kaum um fränkische Provenienzen. Ob das schade ist oder nicht, wollten wir bei diesem Gang herausfinden. Bernard Reiser reichte dazu »Gebratenes Filet vom Zander mit Steckrübe, Pastinake, Mango-Salsa und Erbsensprossen-Salat«. Hört sich erst einmal an wie zusammengewürfelte trendy Zutaten, aber in seinem Aufbau fand ich den Gang tatsächlich am spannendsten. Knusprige Zander-Kruste, Zartheit innen, feine Süße in Rübe und Pastinake, expressiver die Mango, leicht scharfer Knack die Sprossen.

Alle Weine in diesem Flight sind übrigens ausgesprochen hochfarbig, intensiv gelb. Nur der 1994er aus dem letzten Flight war noch dunkler, dann kommen die fünf Rieslinge hier vor allen anderen Silvanern.

Paul Weltner – Rödelseer Küchenmeister 2013, 13 vol%

In der Nase Nuss, Aprikose, Aprikosentarte vielmehr, feinfruchtig. Im Mund erst ein wenig Perlen, dann eine kräftige Säure, die aber gut gepuffert wird. Ein sehr klassischer, eleganter und hochgradig attraktiver Riesling.

Rudolf Fürst – Bürgstadter Centgrafenberg GG 2010, 12,5 vol%

Wahnsinnig saftig-expressiv in der Nase, viel Frucht, auch Minznoten. Im Mund geht es mit hoher Intensität weiter. Marille, Ume, säure- und fruchtorientiert, hedonistischer Ausdruck, ein Wein, der zeigt, was er kann. Zum »tropischen« Part des Ganges passt das alles ganz hervorragend. Auch deshalb einer meiner Tipps des Flights.

Horst Sauer – Escherndorfer Lump 2011, 13,5 vol%

Weitaus dezenter im Nasenbild. Auch im Mund ist das alles vergleichsweise gedämpft, weniger strikt im Säurespiel, lässiger. Generell ein sehr schöner und auch foodaffiner Wein, aber er besitzt schon eine gewisse Süße und ist halt kein Ausbund an Spannung. Wenn man das weiß, wird man damit aber absolut glücklich.

Bürgerspital – Würzburger Stein GG 2014, 12,5 vol%

Fürst Bürgerspital Riesling Franken

Zum Schluss der spannende virtuelle Fight der beiden Steine, einmal Bürgerspital, einmal Juliusspital. Der Bürgerspital-Wein lässt einen leicht grünlichen Ausdruck in der Nase anklingen. Im Mund gibt es einen Touch rauchiger Gäraromen, man hat das Gefühl eines anderen SO2-Regimes. Richtig individuell, trocken, solo mein absoluter Liebling, deshalb ein Tipp des Flights.

Juliusspital – Würzburger Stein GG 2014, 14 vol%

In der Nase ist der Juliusspital-Stein mit Abstand am dezentesten im gesamten Flight. Im Mund gibt es zunächst wieder ein leichtes Perlen, bevor dann an der Zungenspitze entweder echte Süße oder zumindest ein Süßegefühl erscheint. Letzteres könnte auch vom beachtlichen Alkohol stammen, der ansonsten aber top eingebunden ist. Im Vergleich mit dem Bürgerspital ist das der ausgewogenere Typ, der dafür aber auch ein bisschen konventioneller wirkt. Hier geht es also wieder um Stilvorlieben, nicht unbedingt um Qualitätsunterschiede.

Niederfall VDP.Franken

Mein Fazit des Flights: Ja, fränkische Rieslinge sollte man vielleicht doch nicht unterschätzen. Es waren schon ein paar sehr schöne Exemplare dabei, und für Top-Rieslinge sind zehn Jahre Reife ja auch gerade einmal der Beginn der Harmoniephase. Normalerweise ist bei fränkischen Rieslingen die Frucht nicht ganz so ausgeprägt, weshalb sie eine sehr gute Verwendungsbreite bei Tisch besitzen, dann aber bitteschön auch nicht zu süß sein sollten. Allerdings war ausgerechnet einer der Tipps, der Centgrafenberg von Fürst, dann doch so fruchtig-expressiv, dass ich ihn blind vermutlich in die Pfalz gesteckt hätte.

Was er auch hatte (und jetzt bin ich endlich bei dem Thema mit dem Perlen), war ein Naturkork. Nur der 1994er Bürgerspital besaß ebenfalls einen Korkverschluss, alle anderen 14 waren mit einem Schrauber verschlossen. Beim Probieren fand ich es ehrlich gesagt ein wenig irritierend, wenn ich einen von den Aromen her harmonisch gereiften Wein schmecke, der sich aber zu Anfang kohlensäuremäßig so gebärdet, als sei er gerade erst abgefüllt worden. Ob das wirklich die »Schuld« des Sauerstoffabschlusses ist, weiß ich nicht, aber es könnte schon sein. Mein Learning also: gereiften Schrauber-Weinen zumindest ordentlich Luft geben, bevor ich sie probiere. Und vielleicht eher sanft zwei Tage lüften als brutal doppeldekantieren. Und ebenso vielleicht die GGs doch lieber mit einem (guten) Kork verschließen…

Weiter geht’s beim Niederfall

Niederfall VDP.Franken Am Stein

Der zweite Schmaus beim Niederfall erfolgte am Abend auf dem Weingut Am Stein. Die Knolls haben sich dort ja nicht nur eine schnöde Abfüllanlage hingestellt, sondern eine architektonisch und konzeptionell spannende Event-Location. Drei Gänge gab es auch hier, dazu jeweils ein Weinpärchen. Ich muss allerdings ganz ehrlich zugeben, dass ich hierzu keinerlei Notizen gemacht und mich lieber mit den vielen anderen Gästen unterhalten habe.

Klüger werden beim Niederfall

Zwischendrin gab es auch ein bisschen Fortbildung. Dafür ist die Gelegenheit nicht schlecht gewählt, denn schließlich waren hier sämtliche fränkische VDP-Betriebe personell anwesend. Biologin Dr. Beate Wende von der LWG referierte also zur Biodiversität im Weinberg und wie man jene steigern kann. Eine immens wichtige Sache, denn der Artenverlust als Damoklesschwert schwebt ja weltweit über uns. Es gibt aufgrund der unglaublich vielen Wechselwirkungen keine realistische Prognose, was genau passiert, wenn wir erst einmal einen gewissen Prozentsatz der Tier- und Pflanzenarten ausgerottet haben – und da spreche ich noch nicht mal über Moose, Algen, Pilze und Bakterien, denn davon haben wir ja noch weniger Ahnung. Aber wahrscheinlich wird es dann zappenduster.

Das allerdings war nicht meine Take-Home-Message, sondern eher praktische Hinweise, wie man es für seinen eigenen Bereich nicht so weit kommen lässt. Es gibt zum Beispiel einen relativ neu angelegten Weinberg mit Querterrassierung beim Weingut Neder im Bereich der Fränkische Saale. Das verhindert nicht nur Erosion, sondern lässt in den Böschungen eine ganz andere Artenvielfalt zu. Ohnehin ist die Artenvielfalt in Saumstrukturen am höchsten, zu denen beispielsweise Wegränder gehören. Warum? Weil es dort zum Teil noch freiere Flächen gibt, die besiedelt werden können. Und schließlich gibt es auch die Zunahme der Artenvielfalt durch Kulturlandschaft. Ich möchte jetzt nicht den alten Streit zwischen Urwald und Bewirtschaftung aufmachen, aber wenn es um Artenvielfalt geht, ist eine (allerdings unbedingt extensive) Bewirtschaftung sehr wertvoll. Details dazu aber lieber an anderer Stelle.

Die Nacht zum Tag machen

Weingut Am Stein Keller Betonei

Zurück bei Speis und Trank rief Gastgeber Ludwig Knoll dazu auf, noch ein bisschen weiter zu feiern und damit »die Nacht zum Tage« zu machen. Ganz so wurde es dann zumindest bei mir doch nicht. Aber es gab eine sehr interessante Führung durch den Keller des Weinguts, und viele der anwesenden Winzer:innen hatten das auch noch nicht gesehen. Neben Stahl und Holz steht dort nämlich auch ein gutes Dutzend Betoneier, dazu mehrere Amphoren, vergraben in der Erde. Ich habe nicht alles behalten, was uns Ludwig Knoll dazu berichtete, aber das Betonei als Ausbaugefäß spielt bei vielen seiner Weine (nicht nur beim Vinz) mittlerweile eine bedeutende Rolle.

Das nächste Mal, wenn nicht alle Gäste oben auf die Raritätenprobe warten, können wir dann auch in aller Ruhe das kleine private Küfermuseum anschauen, das die Knolls dort im ansonsten unglaublich gut aufgeräumten Keller eingerichtet haben. Da ich mütterlicherseits aus einer Schreinerfamilie stamme, kamen mir etliche der Holzbearbeitungsinstrumente zumindest oberflächlich bekannt vor.

Mein Fazit zum Niederfall steht jedenfalls fest: Alle Beteiligten haben sich wahnsinnig ins Zeug geschmissen, um den Saisonausklang in jeglicher Hinsicht so schön wie möglich zu gestalten. Genau das haben sie auch geschafft. Ich habe mich wirklich gefreut, beim Niederfall dabeisein zu können, auch ohne Tabernakel und Rosenkranz. Kleine und jetzt wirklich allerletzte Einschätzung zum Schluss: Ich glaube, der Jahrgang 2024 wird ziemlich gut.

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8 Antworten zu Weinschätze beim Niederfall des VDP.Franken

  1. Alex sagt:

    be·nei·dens·wert 😉

  2. Marcel sagt:

    Hat jetzt nicht direkt was mit diesem Beitrag zu tun, aber ich frage mich das schon seit einer Weile: wenn man zu sowas eingeladen ist, bei dem so jemand wie Reiser für das Menü verantwortlich ist, das in der Regel Fleisch etc enthält, man selber ist aber Vegetarier oder (wie in meinem Fall) Veganer – was macht man denn dann? Wird sowas überhaupt vorher abgefragt und für Alternativen gesorgt, wenn so ein Sternekoch am Werk ist?
    Hintergrund meiner Frage ist zugegebenermaßen, dass ich in diesem ganzen Genuss-Kosmos eine sehr starke Widerständigkeit gegenüber vegetarischer oder gar veganer Ernährung bzw. Ethik wahrnehme. Außerhalb dieses Kosmos zB gilt Stopfleber als (nach meiner Sicht: zu Recht) hochproblematisch bis inakzeptabel, innerhalb dieses Kosmos heißt sie Foie Gras und gilt einfach als Delikatesse.
    Gibt es das also überhaupt, Vegetarier und Veganer in diesen Kreisen, oder werden die sozusagen erfolgreich rausgehalten?

    • Matze sagt:

      Sorry für die späte Antwort erst einmal!

      Ja, bei solchen Veranstaltungen wird selbstverständlich vorher abgefragt, ob man vegetarisch oder vegan essen möchte oder aber irgendwelche Unverträglichkeiten hat. Ich denke, das ist mittlerweile Usus bei “Gruppenveranstaltungen”, ich habe es jedenfalls in der letzten Zeit nie anders erlebt. Egal wer da am Herd steht.

      Viele Restaurants (ich habe dieses Jahr 92 Restaurants in Nordbayern für den Falstaff-Restaurantguide beschrieben, das hat mir sehr geholfen beim Überblick 😉 ) bieten mittlerweile auch von sich aus ein vegetarisches und ein nicht-vegetarisches Menü an. Mit vegan ist es in der Tat ein bisschen komplizierter, da muss man meist vorher anfragen. In einfacheren Wirtschaften finde ich es auch nicht so leicht. Da landet man gern mal bei Kässpätzle oder Beilagensalat…

      Was die Foie Gras anbelangt, gehen die Meinungen auch in der Spitzengastro auseinander. Einige (du hast es ja beschrieben) sehen das als Kulturprodukt und Handwerkskunst, andere sagen, die Quälerei möchten sie nicht unterstützen. Zu Letzteren gehöre ich auch. Zwar weiß ich, dass Foie Gras großartig schmecken kann, kaufe aber seit einigen Jahren keine mehr. Übrigens gibt es in Frankreich mittlerweile “Faux Gras” (jetzt ganz neu “Fou Gras”), also nachempfunden auf vegane Art. Habe ich natürlich auch probiert 😉 . Die Textur ist schon ziemlich gelungen, geschmacklich auch okay, aber noch mit Luft nach oben. Wenn du mal dort bist und neugierig, kauf dir auf jeden Fall eine!

      • Marcel sagt:

        Kein Problem, danke überhaupt für die Antwort. (Die Frage könnte ja auch provozierend aufgefasst werden.) Ich hatte mich das tatsächlich gefragt, weil das Menü bei sowas ja quasi ein Kunstwerk per se ist, erst recht wenn es abgestimmt wird auf Weine.
        Was diese Faux Gras angeht: da musst du eventuell nicht nach Frankreich fahren. Ich habe so eine Alternative auch mal beim Edelfrei (Vinothek) im Kühlschrank gesehen. Ob sie die noch im Sortiment haben, weiß ich nicht. Aber das kannst du ja noch schneller überprüfen als ich 🙂

        • Matze sagt:

          Ach so, ja, ICH kenne die Faux Gras natürlich, ich dachte eher, das wäre eine Idee für DICH 🙂 !

        • Thomas Riedl sagt:

          Hallo Marcel,

          faux gras kannst Du sehr gut selber machen – im völligen Gegensatz zur Foie gras 😉
          Im Netz kannst Du dazu zahlreiche Rezepte und Variationen finden.

          Passt prima zum Wyquem von Wirsching.

          Kulinarische Grüße!

    • Thomas Riedl sagt:

      Hallo Marcel,

      da stellst Du meines Erachtens eine mehr als berechtigte Frage.
      Nach meinem Eindruck ist die Spitzenküche, was Nachhaltigkeit und CO2-Abdruck betrifft, bis auf wenige Ausnahmen noch weit von den Erfordernissen der Gegenwart und damit von der eigenen Zukunftsfähigkeit entfernt.
      Wozu braucht es in Franken eine “Mango-Salsa” zum Zander? Die Mango wächst ja nicht im Garten des Julius-Spital…

      Beste Foodie-Grüße!

      • Matze sagt:

        Nachhaltigkeit ist ein ganz wichtiges Thema, das weit über den CO2-Fußabdruck hinausgeht. Der wäre nämlich per Definition dann am geringsten, wenn du gar nicht existierst 😉 .

        Aber ich weiß natürlich, was du meinst. Um jetzt zum Beispiel die Mango auf dem Frankentisch richtig einordnen zu können, müsste man die Hintergründe kennen. Stammt die Mango aus einem fairen und nachhaltigen Bio-Projekt mit Gewinn und Zukunftsmöglichkeiten für die dortige Community? Oder ist es ein “Ausbeuteprojekt” von Land & Leuten, und man macht nur die Aktionäre damit reich. Beide Male Mango, aber halt ganz unterschiedliche Auswirkungen. Ich finde, bei so komplexen Zusammenhängen ist es immer wichtig, sich an einer, tja, summierenden Gesamtsicht zu versuchen.

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