[In Kooperation mit dem Weingut Trockene Schmitts] Meine Eltern hatten im Keller ihres neu gebauten Hauses viel Platz. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie als eine Art Verteiler fungierten. Der »Stammwinzer« kam mit seinem Kleintransporter angefahren, die Weinkisten wurden in den Keller geladen, und nach und nach holten Freunde und Verwandte ihre jeweiligen Kisten ab. Meinen Eltern fiel dabei auf, dass die Weine im Laufe der Jahrgänge immer süßer und lauer wurden – die Kunden wollten das offenbar so. Wir sprechen hier von den 1970er Jahren. Aber wie bei dem kleinen gallischen Dorf gab es auch zu jener Zeit ein paar wenige, die sich der Versüßung der Weine widersetzten. Bei einem kann man es schon am Namen erkennen, und genau das habe ich besucht: das Weingut Trockene Schmitts.
Trockene Schmitts – naturreine Weine
Süße Weine in den 1950er bis 1980er Jahren waren ja keineswegs primär edelsüß oder lediglich in ihrer Gärung gestoppt. Vielmehr wurden »Ochsenfurter Sonne« oder andere gesetzlich zugelassene Zuckerzusätze sowohl vor der Gärung zu Steigerung des potenziellen Alkoholgehalts als auch nachher zum »geschmacklichen Abstimmen« hinzugefügt. Gegen diese Praktiken verwandten sich die so genannten Naturweinversteigerer als Vorläufer des heutigen VDP. Paul Schmitt vom Weingut Trockene Schmitts war im Jahr 1955 einer der Mitgründer der Fränkischen Naturweinversteigerer – als einziges kleineres Weingut übrigens. Keine Anreicherung, keine Massenweine, Weinbau nur in geeigneten Lagen, das waren die Schlagworte damals.
Die Trockenen Schmitts hießen seinerzeit allerdings noch nicht offiziell Trockene Schmitts. Aber es gab bereits mehrere Familien des Nachnamens Schmitt, die in Randersacker am Main Weinbau betrieben. Ähnlich wie bei den Zangs auf der Weininsel konnte man auch hier einen zugewanderten Schmitt als Urahn aller folgenden ausmachen – in diesem Fall einen, der im Jahr 1676 aus Thüringen gekommen war. Schmitt’s Kinder bauten nach und nach eigene Weingüter auf, so dass es Mitte des 20. Jahrhunderts fünf von ihnen gab. Eines machte primär süße Weine, das andere ausschließlich trockene. Und aus dem beharrlichen Trockenweinbauern Paul Schmitt (Großvater) wurde, erraten, das Weingut »Trockene Schmitts«.
Das kleine Imperium
Paul Schmitt (Vater) und Bruno Schmitt (Weingut Robert Schmitt) fusionierten schließlich im Jahr 2002. Heute wird das Weingut Trockene Schmitts von Bruno und Pauls Sohn Lothar als GbR geführt. Die vielen Umstrukturierungen haben nicht nur zu mittlerweile 20 ha Rebfläche geführt, sondern auch zu vier unterschiedlichen Häusern mit vier ursprünglich eigenen Kellern im Ortskern von Randersacker.
»Im historischen Ortskern ist es natürlich ein wenig beengt«, berichtet Bruno Schmitt, »weshalb sich einige Winzer entschlossen, sich außerhalb des Ortes neu anzusiedeln.« Die ehemals eigenständige Winzergenossenschaft Randersacker zählte ebenfalls dazu. In ihr altes Gebäude mit beachtlicher Kellerausstattung zogen die Trockenen Schmitts, heute dient der oberirdische Bereich als Probier- und Verkaufsstätte. Durch die labyrinthisch miteinander verbundenen Keller gibt es für alles einen speziellen Platz: den Rotweinkeller, den Weißweinkeller, die unterschiedlichen Holzfässer, die Stahltanks. Dabei bleiben sich die Schmitts treu: alte Gewölbe, Holzfässer, durchgegorene Weine.
Die Trockene Schmitts-Lagen-Parade
Jetzt wird es allerdings Zeit, auch einmal nach draußen zu schauen. Schließlich hat Randersacker als historischer Weinbauort entsprechend interessante Lagen zu bieten. Auf der Nordseite des Mains gibt es hier mehrere Hügel mit Prallhängen, die immer wieder von kleinen Seitentälern unterbrochen werden. Der nördlichste Hügel ist die noch zu Würzburg gehörende Abtsleite. Weiter nach Süden folgt erst der Teufelskeller, dann der Pfülben, dann – etwas nach hinten versetzt – der Lämmerberg und südlich des Ortes (unten auf dem Foto) Marsberg und Sonnenstuhl. Alles befindet sich auf reinem Muschelkalk, und ehrlich gesagt wird man in jeder Lage Parzellen finden, die sich für ein Erstes oder gar ein Großes Gewächs eignen. Hier eine hierarchische Abstufung einzuführen, ist tatsächlich eine Herausforderung für Randersacker. Im VDP hat man sich entschieden, den Pfülben und das Gewann Hohenroth im Sonnenstuhl als Große Lagen zu klassifizieren.
Bruno und Lothar Schmitt sehen ebenfalls beide Lagen vorn, haben jedoch beschlossen, ihre wertvollsten Weine ausschließlich aus dem Sonnenstuhl zu holen. Jenes hängt aber schlicht mit dem Rebalter zusammen. Im Sonnenstuhl besitzt das Weingut Trockene Schmitts nämlich gleich drei Parzellen nebeneinander, die im Jahr 1967 bepflanzt wurden. Ab Dorfausgang stehen hier Silvaner, Riesling und Rieslaner.
Rieslaner hat dabei eine ganz besondere Geschichte im Weingut. Bereits im Jahr 1936 standen die ersten Fechser der 1921er Neuzüchtung aus Riesling und Silvaner im Weinberg. Die Schmitts retteten sie über den Zweiten Weltkrieg. Erst hieß die Sorte »Mainriesling«, was den Behörden aber nicht passte. Also wurde Rieslaner als Kunstwort aus den beiden Namen der Elternteile gewählt. Natürlich muss ich den (trocken ausgebauten!) Wein dieser ältesten Rieslaner-Lage der Welt probieren. Aber zunächst geht es weiter zum Pfülben.
Alma Mater im Pfülben
Riesling, Silvaner und Weißburgunder haben die Schmitts im berühmtesten Weinberg des Ortes stehen. Die Riesling-Parzelle ist dabei so steil, dass man sie nur mit der Seilwinde bewirtschaften kann. Obwohl sich die beiden Parzellen schon seit langem im Besitz der Schmitts befinden, gab es auch eine Zeit davor. Bis zum Jahr 1818 waren dies nämlich die Weinberge der Universität Würzburg. Also kam die Alma Mater auf die Schmitts zu und fragte sie, ob sie hiervon nicht den offiziellen Universitätswein herstellen möchten. Das wollten sie – und natürlich muss ich den Wein auch probieren.
Insektizide und Herbizide sind seit längerer Zeit schon aus dem Weinberg verbannt. Nur bei der Gefahr durch Pilzkrankheiten ist Bruno Schmitt noch skeptisch und vertraut auf konventionelle Spritzmittel statt auf solche aus dem Bioanbau.
Ganz oben am Pfülben haben sich die Trockenen Schmitts übrigens den ältesten Weinberg Randersackers gesichert. Als einziges nicht flurbereinigtes Stück stehen da eine Vielzahl von Rebsorten gemeinsam im altfränkischen Mischsatz. Leider hat der Spätfrost den exponierten Reben übel mitgespielt, weshalb es im aktuellen Jahrgang keinen Wein von hier oben geben wird. Aber die Schmitts haben natürlich noch jede Menge andere schön trockene Weine zu bieten, von denen ich vier ausgesucht habe.
Pfülben und Sonnenstuhl – unterschiedliche Silvaner-Charaktere
Wir sind hier ja immer noch bei der Großen Silvaner-Schau. Insofern bietet sich doch ein Vergleich der beiden Silvaner aus Pfülben und Sonnenstuhl an. Qualitativ und preislich bewegen sich beide Weine auf demselben Level. Der Universitäts-Silvaner vom Pfülben kostet im Online-Shop 9,80 €, der Sonnenstuhl, von dem ich schon den Nachfolgejahrgang 2023 probieren konnte, steht mit 9,90 € in der Liste. Von den technischen Werten her hat der Pfülben ein bisschen mehr Säure, aber das ist es nicht, was den Unterschied ausmacht. Denn tatsächlich scheint in erster Linie das Terroir hindurchzuscheinen.
Der Pfülben, obwohl wie immer etwas später eingebracht, macht seinem Ruf als eher kühler Langstreckenwein alle Ehre. Der Antrunk wirkt leicht, es gibt etwas gelbe Pampelmuse, ein wenig Senfsaat und viel helles Muschelkalk-Gefühl. Der Silvaner vom Sonnenstuhl hingegen weist eine Aromatik auf, die von der Fruchttönung her ins Orangegelbe zeigt. Er wirkt etwas reifer, südlicher, weniger nussig als der Pfülben, wenngleich keineswegs barock oder schwer. Faszinierend. Die Schmitts ergänzen, dass das allen Winzern in Randersacker so gehen würde: Immer würde der Pfülben erst einmal die kargeren, der Sonnenstuhl die saftigeren Weine hervorbringen. Vielleicht, spekuliere ich einfach mal ins Blaue, unterstützt das Pfülben-Terroir eher die Riesling-, das Sonnenstuhl-Terroir eher die Silvaner-Charakteristik. Aber man kann natürlich beide Sorten in beiden Lagen gut anbauen.
Trockene Schmitts in Rieslaner und Rot
Rieslaner hat wie erwähnt einen besonderen Platz im Portfolio des Weinguts Trockene Schmitts. Die Rebsorte wird bundesweit übrigens auf lediglich 76 ha angebaut, was genau 0,07% der deutschen Rebfläche bedeutet. Wenn ich bislang Rieslaner probiert habe, dann eigentlich ausschließlich als Süßwein. Aber die Trockenen Schmitts tragen ihren Beinamen ja mit Recht. Jetzt also: Rieslaner aus dem Sonnenstuhl, 57 Jahre alte Reben, fast genauso altes Holzfass für den Ausbau, kein Restzucker, aber 8 g Säure. Bei diesen Werten bin ich ehrlich gesagt sehr positiv überrascht, wie schmelzig sich der Rieslaner präsentiert. Einen ganz ruhigen Trinkfluss zeigt er, zwar kraftvolle Säure, aber wunderbar in die Materie eingebunden, Mandarine, säuerliche Aprikose, hohe Intensität, dichte Frucht. Für 13,90 € gibt es also ein ganz besonderes Exemplar, das ich allen Neugierigen dringend ans Herz legen möchte.
Zum Schluss haben wir noch einen Roten aus der Weißweingegend. Auch das ist alles andere als Zufall, denn Lothar Schmitt hat bei Paul Fürst in Bürgstadt gelernt, eine nicht ganz unbedeutende Adresse, wenn es um Rotweinkunst geht. Der Spätburgunder aus dem Sonnenstuhl (15,90 €) hat zwölf Monate im maximal fünf Jahre alten Barrique zugebracht. Selbst wenn alle Weine, die ich hier erwähne, Holz gesehen haben, kommt beim Spätburgunder zum ersten Mal auch das Aroma des neueren und kleineren Fasses zum Vorschein. Um damit gut umzugehen, braucht es eine kraftvollere Materie, und genau die liefert der Sonnenstuhl-Spätburgunder. Holunderbeeren, Schwarzkirsche, Himbeere, viel reife, mundfüllende Frucht bietet der Wein. Vielleicht ist er tatsächlich noch ein ganz klein wenig zu jung – trotz des Jahrgangs 2020. Aber dass die Trockenen Schmitts die Kunst des Dauerlaufens beherrschen, brauche ich vermutlich niemandem zu sagen.
Mein Fazit
Trockene Schmitts – zwei Worte, ein Konzept. Und das seit etlichen Jahrzehnten. Zugegeben, die Weinqualität hat unter den besseren deutschen Produzenten in dieser Periode deutlich zugenommen. Richtig trockene Weißweine mit weniger als einem Gramm Restzucker pro Liter sind allerdings in unseren Breiten immer noch nicht allzu häufig. Wie heißt es so schön, »trocken sprechen und halbtrocken trinken«. Sowas kann euch bei Bruno und Lothar Schmitt nicht passieren.
Wer also ohne langes Rhabarbern und ohne bei jedem Wein extra nachzufragen wirklich keinerlei Restzucker im Wein haben möchte, ist bei den Trockenen Schmitts einfach goldrichtig. Als jemand, der selbst richtig trockene Weine zur absoluten Mehrzahl der Speisen bevorzugt, weiß ich einen solchen Ansatz sehr zu schätzen. Schaut also bei den Schmitts vorbei und lasst euch von den trockenen Franken überzeugen.
Hallo Matthias,
habe ich das richtig zusammengelesen? Die Rieslaner-Parzelle der Schmitts im Sonnenstuhl war 1936 zwar die erste mit der Neuzüchtung bepflanzte Parzelle der Welt, wurde aber 1967 erneut mit der Sorte bestockt (warum?), so dass die Reben heute 57 und nicht 88 Jahre alt sind?
Ja, genau. 1936 waren die ersten Reben da, also noch nicht komplett bestockt. 1967 wurden dann drei Parzellen direkt nebeneinander bestockt mit Silvaner, Riesling und dem eigenen Rieslaner-Material. Das war auch sozusagen die Urzelle für die meisten anderen Rieslaner-Pflanzungen, wobei das Juliusspital (?) auch einige Stöcke hatte.