Für viele Weinfreaks gerade in der Region ist dies eines der Highlights im persönlichen Weinkalender. K&U, im Internet unter Weinhalle bekannt, dürfte immer noch einer der besten Weinhändler in Deutschland sein mit einem extrem stark kuratierten Programm. Einmal im Jahr kommen im Nürnberger Ofenwerk Dutzende von Winzerinnen und Winzern zusammen, um vor Ort einen Ausschnitt ihres Programms zu präsentieren. Im Prospekt stehen (logisch, denn es ist eine Hausmesse) nur die Weine, die man auch bei K&U kaufen kann. Daneben gibt’s gelegentlich aber auch Fassproben und Anverwandtes. Kommt also mit und schaut, was ich diesmal bei der K&U-Hausmesse entdeckt habe.
K&U-Hausmesse – zwei Tage, 94 Weingüter
Wen das Prinzip der Hausmesse, vielleicht in Teilen auch das Programm, ein bisschen an die Perspektive Wein erinnert – kein Wunder. Hinter beiden Veranstaltungen stehen jeweils charismatische, auch streitbare Persönlichkeiten, die sich im Laufe der Jahrzehnte eine eigene Weinwelt zusammengebastelt haben. Bei Martin Kössler war es diesmal so, sagte mir ein Winzer, dass ausschließlich spontanvergorene Weine angeboten werden sollten. Die meisten Weingüter sind bio- oder biodyn-zertifiziert, viele Weine zusätzlich unfiltriert, aber seltenst in die wildere Natural-Richtung gehend. »Funkiness« im Sinne von höherer Toleranz gegenüber Flüchtigkeit oder gar leichtem Mäuseln geht hier nicht. Deshalb wird neben einer jungen, sommellerielastigen Szene auch das altgehobene Nürnberg-Erlanger Publikum angelockt, denn Qualität und Achtsamkeit bei Wein haben nun einmal ihren Preis.
Prestigeträchtige Bordeaux, Burgunder, Baroli und Konsorten findet ihr bei K&U kaum. Nicht nur, dass jene oft gar nicht die definierte Achtsamkeit an den Tag legen, die hier verlangt wird. Es sollen nämlich vor allem Winzerweine sein, bei denen die Erzeuger persönlich am Tisch stehen und über alles Auskunft geben können.
Leider hatte ich in diesem Jahr nur sehr wenig Zeit, weshalb ich entsprechend wenige Sachen probieren konnte. Letztere jedoch möchte ich euch keinesfalls vorenthalten. Die Reihenfolge entspricht der meines Rundgangs.
Szent Donát – Balaton/Ungarn
Dreimal Welschriesling gibt es hier, Olaszrizling auf Ungarisch. Aromatisch ist das eine dezente Rebsorte, hier aber dicht, geschmeidig und mit hoher Foodaffinität. Der Hematit (14,80 €, die Preise stammen von der K&U-Liste) ist eine Gutscuvée vom roten, eisenhaltigen Boden. Mein Favorit: der Slikker 2022 (gesprochen »Schlicker«, 16,90 €), ein bisschen präsenter in der Säure, Einzellage, sehr schön. Der Szent Donát 2019 (21,90 €) wirkt hingegen im Moment ein bisschen müder.
Somlói Vándor – Somló/Ungarn
Die Weinregion Somló befindet sich nördlich vom Balaton und besteht praktisch nur aus einem einzigen Berg, um den herum die Reben angebaut werden. Die USP-Sorte heißt Juhfark, die manch Weinschreiber wegen der knackigen Säure schon mit Riesling verglichen hat. Ich probiere aber erst den Furmint Nagy-Somló (17,95 €), ein saftiges Exemplar. Der Juhfark (16,90 €) ist dann wirklich spannend, wenn man etwas in ihn hineinhören mag. Trotz Ausbau im Holz kommt eine florale Note durch, der Wein zeigt sich fein, elegant und überhaupt nicht so streng wie erwartet. Nach Riesling schmeckt er jedenfalls nicht.
VáliBor – Balaton/Ungarn
Keknyelü ist eine der sehr raren autochthonen Rebsorten, eine weiße, von der ich reinsortig noch nie einen Wein getrunken hatte. Das habe ich jetzt geändert. Der 2022er (18 €) hat ebenfalls das, was ich immer als »kontinental« bei den Weißen bezeichne. Nicht aromatisch vorpreschend, blütig, so, als sei immer ein minimaler Anteil komplett trockener Muskat mit drin. Dieser Wein besitzt aber zusätzlich eine leicht erdige Komponente, gemischt mit Aromen nach Mandarinenschale. Alle bisherigen Weine waren übrigens komplett durchgegoren, also maximal 4 g Restzucker vielleicht.
Barta – Tokaj/Ungarn
Tokaj, natürlich das berühmteste ungarische Weinbaugebiet. Bei meinem letzten Besuch der K&U-Hausmesse hatte ich bei diesem Weingut echte Schätzchen entdeckt. Die weißen Bartas sind, anders als die Weine vorher, nicht ganz trocken. »Sec tendre« würde der Franzose dazu sagen, und vielleicht an Vouvray denken. Stilistisch sieht es ebenfalls komplett anders aus. Ich probiere den Furmint 2022 (28,90 €) und den Hárslevelü 2021 (43,90 €) von der Einzellage Öleg Kiraly Dülo. Beide perlen noch leicht, beide sind spürbar im Holz ausgebaut, und beide liegen im Restzucker so bei sieben, acht Gramm. Das wirkt jetzt immens lecker, gerade Deutschweintrinker müsste das gefallen, aber eigentlich handelt es sich natürlich um Lagerweine. Höhepunkt ist die Cuvée aus Furmint und Hárslevelü von der Lage Kövágó mit dick KVG auf dem Etikett (2022, 54,90 €). Hier ist die Säurestruktur noch pikanter, der Wein tiefer, ähnelt wirklich einem Top-Chenin von der Loire.
Filep – Tokaj/Ungarn
Einen Weißen nur hat Gergö Filep dabei, seinen trockenen Tokajer aus Furmint und Hárslevelü (2020, 17,95 €). Seine Philosophie sei ein bisschen anders als bei den meisten in der Region, erzählt er mir. Er würde nämlich bewusst früher lesen, um mehr Knackigkeit im Wein zu behalten. Genauso ist es dann auch. Frisch und straight kommt sein Wein daher, wieder richtig trocken in der Anmutung.
Sanzon – Tokaj/Ungarn
Noch etwas straffer wird es interessanterweise dann beim nächsten Tokaj-Weingut. Vier Hektar bewirtschaftet Erika Rász nur, die aber biodynamisch und mit viel Aufwand. Drei trockene Weiße hat sie dabei, alle aus dem Jahrgang 2021, alle ohne BSA. Der Classic Furmint (16,90 €) wurde in ungarischer Eiche ausgebaut. Das Holz schmecke ein bisschen deutlicher vor, sagt Erika, und so ist es auch. Der Furmint Rány (21,90 €) ist dann so ungefähr das Säurestraffste, was hier geht, zusätzlich aber mit Tiefe. Mein Favorit war der Hárslevelü Rány (21,90 €), von dem sie jeweils einen Teil im Stahl, einen Teil im Holz und einen Teil (mit acht Tagen Maischestandzeit) in der Amphore ausbaut. Floraler, feiner, eleganter, weniger apfelsauer als der Furmint. Das sind richtig gute Weine.
Von den Ungarn nicht probiert habe ich diesmal (weil schon mehrmals an anderer Stelle) Gilvesy und die Roten von Wassmann und Heimann. Hätte sich aber natürlich auch gelohnt.
Richard Stávek – Mähren/Tschechien
Als mir Richard Stávek seinen Wein namens RR White einschenkt und jener amberfarben ins Glas fließt, weiß ich, was die Stunde geschlagen hat. Hier gibt es Maischegeschichten, sprich Orange Wines. Generell gesprochen waren die ersten neuen Orange Wines eher etwas für Freaks, man probiert einmal das gerbige Zeug, ist beeindruckt, findet es zum Essen gar gut, kauft es aber trotzdem nicht nach. Mittlerweile hat sich das ein bisschen geändert. Die ganz krassen Georgien-Sachen sind in der Nische geblieben, andere hingegen haben Holzausbau, Feinheit, gar Frucht mit hineingebracht. Und die Farbe kann wunderschön sein. Das kommerziellste Beispiel ist sicherlich der »Orange Gold« von Gérard Bertrand, bei dem nur noch die Farbe an das Durchoxidieren erinnert. Gerade erst auf der ProWein haben mir allerdings zwei junge Damen der 100 Women Cooperative aus Serbien gesagt, dass ihr Orange Wine »ShaoLinda« ihr absoluter Favorit sei. Soll heißen, im Orange steckt doch was Zukunftsträchtiges.
Aber zurück zu Richard Stávek, dem sich Tochter Živa angeschlossen hat. Sein RR White (2021, 22,90 €) besteht aus Rheinriesling und ist entsprechend frisch. Ein klassischer Orange trotzdem, denn vom Riesling ist lediglich ein bisschen Aprikosenaromatik geblieben. Nochmal eine ganze Stufe drüber kommt für mich der RR White 2020 daher (nicht auf der Liste), der einfach nur ein Jahr länger im Holz zugebracht hat. Schon die Nase ganz anders, wesentlich milder und tiefer, ein beeindruckender Wein. Auf diesem Level bewegt sich auch der »Rosé« Divý Ryšák (2021, 24,90 €), ein field blend, weitmaschig, gleichzeitig pikant und mit feinem Tannin. Eine echte Entdeckung und (falls man sich’s nicht eh schon gedacht hat) trotz wenig oder keinem SO2 komplett ohne Flüchtigkeit und Ähnliches. Dick angekreuzt für meinen »Natürlichen Dienstag«.
Domaine Castéra – Sud-Ouest/Frankreich
Unglaublicherweise das einzige französische Weingut heute, von dem ich etwas probiert habe. Und selbst da nur die beiden trockenen Jurançons, denn sowas gehört für mich gereift in die Kategorie der großen Weißweine der Welt. Der normale Gutswein (2022, 16,50 €) ist extrem leise in der Nase, am Gaumen dann mit den typischen Noten nach Bratapfel. Wesentlich spannender noch fand ich den Tauzy (2021, 25,90 €), eine Einzellage mit mehr Konzentration auf Petit Manseng. Sehr spannende Nase nach Apfeltarte und Hefekuchen, puderig fast. Im Mund ist der Wein erst ein bisschen eng, kommt aber dann mit wahrhaft zugkräftiger Säure. Letzteres kann auch ein bisschen mit dem Jahrgang zu tun haben. Langläufer jedenfalls, Charakterweiße.
Gut Wilhelmsberg – Franken/Deutschland
Lukas Hermann hatte zwar auch »reguläre« Weine dabei, und gerade der 2019er Silvaner-Jahrgangssekt aus 2019 (Brut Nature, 22 €) ist schon richtig stark. Spannend fand ich aber vor allem die Fassproben. Den Riesling zum Beispiel aus einer für das Weingut neuen Parzelle im Maustal (genau, die Luckert-Lage). Lukas meinte, er mag beim Riesling diese Süße-Säure-Diskrepanz nicht so und orientiert sich lieber ein bisschen an dem, was die Lassaks in Württemberg machen. In diesem Fall heißt das: Ausbau im Tonneau, BSA zugelassen, vermutlich voll durchgegoren (er hat den Wein noch nicht analysieren lassen). Und allen Ernstes, das ist ein Riesling für Leute wie mich, die der Rebsorte viel Qualität zusprechen, die von Frucht und Süße aber immer ein bisschen genervt sind. Klar, die krasse Säure ist weg, man spürt leicht das Holz, eine höhere Dichte, aber interessanterweise auch diese floral-filigrane Note, die Rieslinge auf Muschelkalk beizeiten hinbekommen. Spannende Kombination.
Sven Leiner – Pfalz/Deutschland
Auch Sven Leiner lässt den biologischen Säureabbau bei all seinen Weinen zu. Weil wir ja alle Frucht und Säure zuerst spüren, führt das manchmal dazu, dass wir diese Weine notorisch unterschätzen. Bei Tisch brillieren sie dafür richtig, stabil sind sie, und reifen können sie auch. Ich wollte von Sven wissen, wie es bei seinen Agroforst-Versuchen steht. Trauben hätten sie noch nicht geerntet, sagt er, aber die Reben hätten in etwa 1,20 Meter Höhe erreicht. Oben am vierseitigen Gerüst können sie zukünftig herunterhängen, in der Mitte, wo der Baum steht, sich am Baum hochranken. Gedacht ist das natürlich als Biodiversitätsprojekt und nicht als Wirtschaftswein, aber trotzdem wird es spannend mitzuverfolgen sein, was daraus wird. Und ich glaube, in dieser rankenden Konsequenz gibt es das in Deutschland sonst nirgends.
Jochen Beurer – Württemberg/Deutschland
Bei Jochen Beurer schmeckt bereits der Gutsriesling unverkennbar nach dem straighten, hell gleißenden Gutsstil. Jochen meint, das könnte natürlich etwas mit dem Keuperboden zu tun haben, vermutlich aber noch mehr mit den Hefen, auf denen die Weine immer sehr lang liegen. Man ahnt irgendwie, dass das Thema unterschiedliche (natürliche) Hefen und wie sie den Weingeschmack beeinflussen, noch längst nicht ausdiskutiert ist. Super auf jeden Fall der Kieselsandstein 2021 (18,90 €) mit diesem jahrgangstypischen Nachdruck.
Simone Adams – Rheinhessen/Deutschland
Das Weingut ist ja noch relativ neu, und Simone Adams von Wissen und Neugier geprägt. Insofern immer spannend. Überrascht war ich vom Chardonnay Auf dem Haun (die kühle Toplage, 42 €), der mich stilistisch ein bisschen an Knewitz und noch mehr an Saalwächter erinnerte. Rauchig, leicht reduktiv, schon für die einschlägige Sommellerie. Bei den Roten schaue ich gar nicht auf die Liste und probiere einfach alle drei. Der Ingelheimer kommt dabei recht robust daher, spürbares Tannin, gezügelter Saft. Der Spätburgunder vom Horn ist gleich mindestens zwei Etagen besser, sauerkirschiger Fruchtkern, feinkörnig. Und schließlich haut mich der Pares vom Hocker. Viel Sauerkirsche, extrem elegantes Holz, ganz dicht, seidig, ein bisschen wie die Topweine von Rings. Wow. Dann schaue ich auf die Liste und sehe, dass der Ingelheimer nur 15,90 € kostet und der Pares 90 €. Okay, Letzteres ist schon mutig, aber leider leider schmeckt der Wein auch genau so gut…
Maximilian Zang – Franken/Deutschland
Wenig Geld müsst ihr ausgeben, wenn ihr bei Rainer und Maximilian Zang Weine kaufen wollt. Gut, hier gibt es keinen Puligny-Montrachet Premier Cru, aber extrem authentisches Zeug. Die Erdung (9,90 €) besteht im Jahrgang 2020 zu 80% aus Riesling und hat echte Qualität zu bieten, frisch, trocken, nachhaltig. Beim Widerstand (2019, 9,90 €) hatte ich ganz vergessen, dass ich den irgendwo schon einmal gefeatured hatte. Der Wein besteht aus Piwi-Sorten, nämlich Johanniter (für die Aromatik) und Bronner (für die Cremigkeit). Die Reben besitzen ein gewisses Alter, der Wein wurde von vornherein auf Haltbarkeit vinifiziert, und nach vier Jahren Flaschenreife ist das einfach wunderbar lässig. Sollte bei jedem Piwi-Wettbewerb mitmachen, um zu zeigen, dass so etwas geht. Auch die Gegenstrom-Linie (Müller-Thurgau oder Silvaner, je 15,90 €, beide Jahrgang 2019) sind sehr gut. 10% Maischeanteil bringt Grip hinein.
Christmann – Pfalz/Deutschland
Zum Abschluss unterhalte ich mich noch mit Steffen Christmann über Agrarpolitik, aber ich probiere auch die Weine, zumindest zwei. Der Riesling Vogelsang GG (2022, 70 €) hat sich in den wenigen Jahren der getrennten Abfüllung wahnsinnig schnell hochgearbeitet. Der Spätburgunder Gimmeldinger Schlössel (2020, 44 €) ist auch sehr spannend, aber fast ein Gegenentwurf zu Rings & Co. Sehr hellfarbig, weniger Sauerkirsche als vielmehr Walderdbeere. Das beeindruckt auf den ersten Schluck nicht so sehr, aber ich kann mich immer noch gut an einen länger zurückliegenden Pinot Noir-Test erinnern. Da hatte nämlich der Auxey-Duresses von Comte Armand mit einer ganz ähnlichen Art letztlich super abgeschnitten.
Die K&U-Hausmesse 2024 – mein Fazit
Nun, bei den paar Weingütern, die ich dieses Jahr besucht habe, werdet ihr natürlich kein fundiertes Fazit erwarten können. Ich habe mich also vornehmlich auf Sachen beschränkt, die ich überhaupt noch nicht kannte (in diesem Fall halt die ganzen ungarischen Weingüter), daneben dann auf Leute, mit denen ich mich eher ausgetauscht habe. Das Programm sah ansonsten wieder erwartungsgemäß großartig aus, ich bin ja schon seit vielen Jahren dabei und komme immer wieder gern.
Nächstes Wochenende werde ich erst bei der VDP-Weinbörse in Mainz sein und dann bei der Biodynamic Wine Fair. Auch in Mainz, direkt am Bahnhof, super praktisch also. Danach wird wieder die Silvaner-Schau starten, ebenfalls mit Sachen, die ich noch nicht kenne. Und dann ist auch schon Juni, und ich bin im Roussillon. Extrem spannende Region natürlich. Das ist mir bei einer kleinen Vorbereitung gestern wieder aufgefallen. Schaut euch mal diese Parzelle an und dann diese hier. Der krasse Farbunterschied des Bodens, ist doch Wahnsinn, oder?! Was ich damit sagen will: Ich werde in nächster Zeit ziemlich viel Input haben. Die K&U-Hausmesse war da erst der Anfang.
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