Na, zur Abwechslung auch mal wieder Lust auf etwas Erfreuliches? Auf blauen Himmel, Sonnenschein, gute Laune – und blühende Mimosen? Also ich auf jeden Fall. Kommt also einfach mit zur Mimosenblüte an die Côte d’Azur. Es gibt dort die Route du Mimosa, die Mimosenstraße, die sich auf 130 Kilometern im Hinterland der Mittelmeerküste entlangzieht. Ich habe sie abgefahren, war zum Schluss beim Mimosenfest von Tanneron und habe bei der Tombola… naja, das kommt später. Schauen wir uns lieber zuerst einmal an, was eine Mimose überhaupt ist.
Was ist eine Mimose?
Ich habe es befürchtet: Es gibt wieder mal Irrungen und Wirrungen. Die echte Mimose (Mimosa pudica) hat überhaupt keine gelben Blüten, sondern blüht eher schwach rosa. Dafür tut sie das, was man einer »Mimose« nachsagt, sie klappt nämlich bei mechanischem Reiz die Blätter zusammen. Das, was hier in Südfrankreich für die Mimosenblüte verantwortlich ist, diese Pflanze mit den leuchtend gelben Bällchen, ist gar keine Mimose, sondern die Silber-Akazie (Acacia dealbata). Und das wiederum, was wir als Akazie bezeichnen, also dieser Baum mit den duftenden weißen Blüten, aus denen der Akazienhonig hergestellt wird, ist in Wirklichkeit eine Robinie (Robinia pseudoacacia). Uff.
All das lerne ich bei einer der wichtigsten, tja, »Mimosen«-Baumschulen, die es überhaupt gibt, den Pépinières Cavatore. Ich bin in Bormes-les-Mimosas, dem Startpunkt der Mimosenstraße ganz im Westen der Côte d’Azur. Bei den Cavatores muss man keinen Eintritt zahlen, um sich Gewächshaus und Außeninstallationen anschauen zu können, denn hierher kommen die Menschen zum Einkaufen. Über 180 verschiedene Mimosen- pardon, Akaziensorten gibt es in der Baumschule. Praktisch alle haben einen biologischen Vorläufer in Australien, von wo die Gattung ursprünglich stammt. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Blattstrukturen aussehen können, und wie unterschiedlich hoch die einzelnen Sorten werden. Die niedrigsten dienen primär als Bodendecker, die höchsten werden zu 15 Meter großen Bäumen.
Die Mimosenblüte in Bormes-les-Mimosas
Bormes-les-Mimosas hieß nicht immer so, sondern schlicht Bormes. Erst im Jahr 1968 kamen die Stadtoberen auf die Idee, dass es doch eine touristisch gute Sache sein könnte, die größte Attraktion des Ortes gleich mit in den Namen aufzunehmen. Bormes liegt gut 100 Kilometer östlich von Marseille (von wo aus ich angereist bin) auf einem Hügel im Hinterland der Küste. Die Straße zieht sich in Kurven hinauf, Parkplätze sind rar, und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es hier im Sommer zugeht. Ohnehin: Der Spätwinter ist schlicht die perfekte Zeit für den Besuch der Côte d’Azur. Nicht nur wegen der Abwesenheit des Massentourismus. Sondern auch, weil es zu dieser Zeit den größtmöglichen wettermäßigen Kontrast zu unseren Breiten gibt. Ein Januar ohne Sonne? Gibt’s nicht in Südfrankreich.
Und so schleiche ich langsam die Route des Crêtes entlang, ein zwar asphaltiertes, aber einspuriges Sträßchen über küstennahe Berge. Im Sommer darf man hier wegen der Feuergefahr oft nicht fahren, und ohnehin bietet es sich an, den Weg eher als Fahrrad- oder Wanderroute zu benutzen. Jetzt im Januar begegnen mir auf den gesamten 15 Kilometern gerade einmal zwei andere Autos. Die Mimosenblüte ist hier ganz im Westen der Route noch etwas zögerlich, vielleicht liegt es aber auch an den anderen, mittlerweile wild wachsenden Sorten. Dafür gibt es an den etwas schattigeren Plätzchen uralte Korkeichen.
Allein der Aussicht aufs Meer wegen lohnt sich die Route des Crêtes. Da liegt es und glitzert vor sich hin. In der Ferne schiebt sich die Île du Levant in den Blick. Die offiziell nur 87 Einwohner starke Insel kann mit zwei Kuriositäten aufwarten, die irgendwie den völligen Gegensatz menschlichen Daseins darstellen. Der Hauptteil der Insel dient nämlich als Raketentestgelände des Militärs, während sich im Westen das älteste französische Naturistendorf befindet.
Zur Fête du Mimosa nach Tanneron
Die Mimosenblüte beginnt in Südfrankreich Ende Januar und zieht sich bis in den März hinein. Während dieser Zeit gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, die hauptsächlich Franzosen selbst anlocken. Der große Start in die Saison findet in aller Regel in Tanneron statt, einem kleinen Dorf mit großem Ausblick nicht weit entfernt von Cannes. Eine Woche nach der dortigen Fête du Mimosa findet der große Corso in der Küstenstadt Ste-Maxime statt. Mitte Februar folgt dann die mehrtägige Feier in Mandelieu-la-Napoule, bevor sich der Umzug in Bormes-les-Mimosas anschließt. Alles natürlich großartig. Aber wie es bereits die Sängerin Sade vor vielen Jahren wusste: never as good as the first time. Deshalb auf nach Tanneron!
In den Nachrichten hieß es bereits, man möge früh kommen nach Tanneron, denn es führe ja nur eine Straße hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Pünktlich um 9 Uhr beginnt es mit Messe und Prozession, wir sind schließlich in einem stark katholischen Landstrich. Bald darauf sind alle Parkplätze im Ort belegt und man wird auf einem Feldweg zum Sportzentrum geleitet. Gut, die Bezeichnung Sportzentrum ist ein bisschen hoch gegriffen, denn tatsächlich handelt es sich um einen Hartplatz, auf dem jetzt alle Auswärtigen parken. Die Stimmung ist allerdings beschwingt, denn schon auf dem Fußweg zum Ort kommt man an allerlei blühenden Bäumen vorbei. Keine Parkprobleme haben dabei die Fahrer des Radclubs von Mandelieu-la-Napoule, die passenderweise den Namen »Mimosa Sprint« tragen.
Mimosenblüte überall
Auf dem Dorfplatz wurde ein kleiner Markt aufgebaut, der allerlei rund um die Mimosenblüte bereithält. Da gibt es Stände mit Honig, mit Mimosenseifen, mit Mimosenhydrolat und mit Mimosenparfum (wir sind hier in unmittelbarer Nähe von Grasse). Nur an die kulinarischen Bedürfnisse hat man weniger gedacht, was mich ziemlich verblüfft. Immerhin sind wir in Frankreich, und alle müssen vormittags da sein, um rechtzeitig um 14 Uhr den großen Umzug anschauen zu können. Also gibt es eher Panini, Pizza und Pissaladière auf die Pfote.
Auf beiden Straßenseiten haben sich schon zahlreiche Menschen eingefunden. Die Sonne strahlt vom Himmel, es ist richtig warm, und das Licht kommt uns Winternasen so unglaublich grell vor mit seinem Schlagschatten, dass wir alle ständig blinzeln müssen. Und dann geht es los.
Der Corso Fleuri in Tanneron
Dreimal zieht der Corso auf kleiner Runde durchs Dorf, vorn hin und hinten wieder zurück. Beim zweiten Mal weiß man dann, was einen erwartet, aber trotzdem bleibt es unglaublich. Aus den von Mini-Treckern gezogenen Wagen werfen Kinder schlicht blühende Mimosen ins Volk. Das ist wie Kamelle einmal ganz anders. Und nie hört es auf. Die flirrenden Blütenköpfe, die Hände, die sich hochstrecken, das Juchzen. Wer beim ersten Mal noch zögerlich beim Zugreifen war, hält spätestens nach der dritten Runde auch einen großen Mimosenstrauß in den Händen.
Natürlich darf das französischste aller jemals gebauten Autos dabei nicht fehlen. Darüber hinaus ist der Umzug verblüffend vielgestaltig. Früher waren es wahrscheinlich die Vereine des Dorfes, die sich hier präsentierten, aber so viele gibt es da nicht mehr. Also böllern zwar die alten Männer vom Schützenverein, aber es gibt auch einen chinesischen Drachentanz,…
eine Karnevalstruppe, die soweit ich weiß aus Nizza angereist ist…
und fast nur noch als Reminiszenz an vergangene Zeiten ein paar sehr würdevolle Hirten.
Zum Schluss ist alles voll mit gelben Blüten. Fast fühle ich mich wie im Delirium, das helle Licht, das ganze Gelb, man kann es kaum beschreiben. Einzig Menschen, die allergisch auf Mimosenblüten reagieren, würde ich einen Besuch nicht empfehlen. Allen anderen hingegen schon. Gelassen flaniert die Meute zu ihren Autos zurück. Natürlich zieht sich die Abfahrt entsprechend lang hin, aber es ist Sonntag Nachmittag, und niemand hat jetzt etwas besseres zu tun, als ein bisschen durch blühende Baumlandschaften zu spazieren.
Tombola zur Mimosenblüte
Ach ja, eins hatte ich noch vergessen. Die Frauen des Dorfes hatten einen Tombola-Stand aufgebaut. Gegen einen geringen Einsatz, der den »freien Katzen von Tanneron« zugute kommen sollte, erhielt man ein Los. Ich fühlte mich sofort an die »freien Katzen von Enoshima« erinnert, denen ich bei einem Besuch der Insel auch stets einen Obolus spende. Also kaufe ich ein solches Los und gebe noch ein bisschen dazu. Nach dem Umzug werden die Preise dann gezogen und, ihr könnt es euch mittlerweile denken, meine Nummer ist darunter. Es ist sogar der Hauptpreis, ein riesiges Blumengesteck eines örtlichen Ladens mit dickem Tontopf.
Großer Jubel natürlich, das ist ja wirklich unglaublich! Natürlich muss ich den schweren Topf noch zum Auto schleppen, und natürlich kann ich mit diesem Preis auf dem Hotelzimmer so gar nichts anfangen. Aber die Dame an der Rezeption freut sich sehr über das überraschende Geschenk.
Wow, was für ein Tag! »Dépaysement« nennen die Franzosen das, wenn man quasi auf Knopfdruck plötzlich in einer ganz anderen Welt landet. So kam ich mir heute vor. Wem also 13°C für den Winterurlaub nicht zu kalt sind, überlegt doch auch mal, ob ihr nicht jetzt noch im Winter an die Côte d’Azur fahrt.
Was man da beachten muss? Nun (zwei kleine Praxistipps zum Schluss): Keine Unterkunft in Sommersiedlungen suchen, sondern in lebendigen Orten am Meer – wegen der Restaurants, von denen dort zumindest ein Drittel geöffnet hat. Und ein Zimmer mindestens im ersten Stock, das nach Süden zeigt – wegen des Lichts und der angenehmen Raumtemperatur. Aus Erfahrung kann ich euch sagen, so ein Ausflug beugt Winterdepressionen bis zu zwei Monaten vor. Also passenderweise genau bis Frühlingsanfang…
… mich stimmt ihr Beitrag etwas wehmütig . Wir waren vor einigen Jahren Anfang Februar in der gleichen Gegend bei herrlichsten Sonnenschein .
Die Mimosen waren zwar teilweise schon verblüht, aber die wärmende Sonne und das fantastische Licht hat der Seele so gut getan… und nun sitze ich hier im Nebel..
Morgen angeblich acht Stunden Sonne in Norddeutschland 😉 . Nein, mir geht es natürlich ähnlich. Ich weiß, dass der Frühling kommt, aber eben auch, wie lange das bei uns immer dauert…
Tanneron ist klasse, wir haben den Ort dieses Jahr zum ersten Mal besucht.
Aber du hast bei deiner Aufzählung leider den großen Umzug in Cavalaire sur Mer vergessen….
Wir waren dieses Jahr dort, am Abend zuvor war noch Corso lumière … Das Spektakel ist jedes Jahr immer um den Valentinstag.
Super Information. Ich fahre in Feb25 hin. Merci